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Nichtoffener Wettbewerb | 03/2016

ETH Zürich, Areal Zentrum Sanierung Gebäude MM

3. Rang

Preisgeld: 8.000 CHF

KUEHN MALVEZZI

Architektur

Caretta & Gitz AG

Projektsteuerung

BB&I Architekten

Architektur

Hager Partner AG

Landschaftsarchitektur

Basler & Hofmann AG

Bauingenieurwesen, Verkehrsplanung

Brunner Haustechnik AG

TGA-Fachplanung

Stöcklin und Partner AG

TGA-Fachplanung

Uniola AG

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

TERRASSE
Die Planungen von Gottfried Semper und Gustav Gull sehen in jeweils eigener Form einen grosszügigen Freiraum vor, der das Hauptgebäude westseitig sockelt und dabei zur Stadt öffnet. In der Polyterrasse Charles-Edouard Geisendorfs findet diese Idee zuletzt Ausdruck. Die Raumidee des ‚Stadtbalkons‘ soll nun gestärkt und ausgebaut werden: Durch eine Absenkung der Terrasse wird der ursprüngliche Sockel Sempers in voller Höhe zurückgewonnen und die Terrasse wird mit der Leonhardstrasse zu einem einzigen Stadtraum vereinigt, der die funktionale Zonierung in Fahrstrasse und Fussgängerzone zugunsten einer urbanen Tempo 20-Begegnungszone überwindet.

Die gesamte Polyterrasse bis zum Sockel des Hauptgebäudes erhält einen einheitlichen hellen Granitbelag. Eine minimale Absenkung der Fahrbahn um 2 cm markiert den Strassenraum. Entlang der Westfassade des Hauptgebäudes werden Kandelaber installiert. Die Beleuchtung der Fassaden erfolgt über Reflektoren auf den Liftaufbauten der Cafeteria und dem Warenlift.

Die seitliche Fassung der Polyterrasse durch einen Portikus schreibt sich asymmetrisch in die bestehende Anlage ein. Der Portikus in seiner zweifachen Identität als Portal und Laubengang bildet die städtische Adresse des Gebäudes MM an der Leonhardstrasse zwischen Polybahn und Hauptgebäude. Durch seine architektonische Präsenz schafft der Portikus den Eingang zum Sport wie zu Mensa und Cafeteria. Eine Cafebar mit gedeckter Aussenfläche auf der Polyterrasse verbindet den Laubengang räumlich und funktional mit dem Stadtraum. Sie bildet zusammen mit dem Hauptgebäude den Rücken der Polyterrasse und aktiviert den westlichen Terrassenbereich.

BAUWERK
Eine neue architektonische Schicht wird zwischen Hauptgebäude und Gebäude MM eingezogen. Anstelle der bestehenden Betonkragkonstruktion wird das Portikus-Thema in verglaster Form oberhalb der rhythmisierten Betonfassade Geisendorfs zum sichtbaren Sockel der Polyterrasse. Die erdfarbene Stahlkonstruktion wird durch Balustraden aus Stahlrundstäben im gleichen Farbton ergänzt.

Die serielle Ordnung der neuen Fassadenkonstruktion bildet im Geschoss C Abschluss und Öffnung der Mensa zur Stadtlandschaft. Sie tritt im Nordwesten zurück, um die Terrasse zwischen Mensa und Cafeteria mit Blick auf den Polygarten patioartig zu fassen. An der Schnittstelle zwischen Mensa und Cafeteria, zwischen Innen- und Aussenraum wird der Portikus doppelgeschossig und öffnet sich zur Polyterrasse und zur Landschaft.

In der Fassade spiegelt sich die innere Organisation des Gebäudes MM wider: Die Ebene C dient ausschliesslich den Aufenthaltsbereichen von Mensa und Cafeteria mit ETH Store, der Sport ist autonom auf den Ebenen A und B situiert, die sich durch die Betonfassade Geisendorfs auszeichnen. Beide Bereiche werden unabhängig voneinander durch die neue Haupterschliessung im Portikus erreicht.

LANDSCHAFT
Die Einbettung des Ensembles in die umliegende Landschaft sowie die bestehende Platzabfolge an der Hangkante wird durch eine Modulation des Geländes sowie die Ausarbeitung eines Wegenetzes erreicht. Im Südosten wird die Landschaft wieder an die Terrasse herangeführt, die neue Wiesenböschung wird mit Solitärbäumen gefasst. Der von Gustav Gull realisierte Weg von der Schienhutgasse auf die Polyterrasse wird wieder aufgegriffen.

Südlich der Polyterrasse fügt sich das neue Anlieferungsgebäude mit Lkw- und Warenlift in Körnung und Positionierung selbstverständlich in die umliegenden Kleinbauten wie die Polybahn-Station oder die Nebengebäude an der Schienhutgasse. Die Zufahrt erfolgt von der Karl-Schmid-Strasse aus. Der Baumbestand kann weitgehend erhalten bleiben und wird punktuell durch Jungbäume ersetzt, die in erster Linie seitlich die Polyterrasse rahmen und die zentrale Aussicht offen lassen. Der Verzicht auf Abfahrten oder weitere Nebenbauwerke beruhigt die gesamte Situation.

Von der Stadt aus kommend, mündet der parallel zur Polybahn verlaufende Weg in eine Kaskadentreppe. Diese führt entlang der nördlichen Gebäudekante auf die beiden Terrassenebenen. Von der Cafeteria-Terrasse aus ist das Gebäude durch einen Nebeneingang erschlossen. Die obere Terrassenfläche auf der Nordseite dient als zentraler Velostellplatz. Um die Terrasse räumlich zu fassen, wird der frei gespielte Streifen zwischen Kaskadentreppe und Polybahn mit Bäumen bepflanzt. Der Gartenweg entlang der Grundstücksgrenze wird in das Wegenetz integriert. Eine Regenwasserversickerung in einer wechselfeuchten Mulde ist unterhalb der grossen Sporthallen möglich.

Beurteilung durch das Preisgericht

Städtebau, Architektur, Freiraum

Mit einem markanten Eingriff wird der gesamte MM- und Polyterrassenbereich bei diesem Projekt neu organisiert. Es wird beabsichtigt, die Terrasse zusammen mit der Leonhardstrasse zu einem grossen Stadtraum zu vereinigen, wobei die Leonhardstrasse nicht mehr durch eine Unterführung, sondern neu (wie ursprünglich) im Rahmen einer urbanen Tempo 20-Begegnungszone über die Polyterrasse geführt wird. Seitlich der Polyterrasse ist ein prägnanter neuer Portikus vorgesehen, der als Portal, Café-Bar und Laubengang ausgebildet wird und als zentraler Eingang für Sport, Mensa und Cafeteria dient. Die Anlieferung wird gänzlich neu organisiert. Die Lastwagen werden vertikal über einen LKW-Transportlift im Südbereich der Terrasse in eine neu zu erstellende grosszügige Anlieferung befördert. Dieser Bereich dient auch zum Manövrieren und Wenden der Fahrzeuge. Zusammen mit der neuen Anlieferung sind auch grosszügige neue Gebäudetechnikräume untergebracht.

Funktionalität

Die Mensa, Cafeteria und der ETH Store werden zentral auf dem Geschoss C untergebracht, wodurch die Kapazität um über 300 Sitzplätze erhöht werden kann. Durch das Wegfallen der Unterführung der Leonhardstrasse kann das Geschoss sinnvoll und grosszügig neu organisiert werden und der Ort gewinnt an ganz neuer Qualität. Sport wird ausschliesslich in die Geschosse Z, A und B gelegt und die Ebenen werden über ein zentrales Treppenhaus erschlossen. Auch dieser Bereich profitiert vom neu geschaffenen Platzangebot. Das Projekt nimmt eine befreiende Entflechtung der unterschiedlichen Nutzungen vor, wobei der grosse vorgesehene Eingriff natürlich seinen entsprechenden Preis hat. Das gesamte Projekt ist klar, ausgewogen und gut strukturiert. Es fragt sich allerdings, ob alle Elemente bewilligungsfähig sind, insbesondere die voraussichtliche Erhöhung der Baumasse, die Überschreitung der maximalen Höhenbegrenzung und das Verlegen der Leonhardstrasse auf die Terrasse. Die Anlieferung wird über einen neuen LKW-Transportaufzug gelöst. Dies wird aus betrieblicher Sicht als hohes Risiko beurteilt, vor allem, da der Transportaufzug über keine Redundanz verfügt. Als suboptimal werden durch die neue Anlieferung auch die langen Ver- und Entsorgungswege für die Gastronomie beurteilt. Das C-Geschoss ist verkehrsfrei, was die Ver- und Entsorgung sicher erleichtert.

Verkehr

Die Aufhebung der Unterführung und die neue Führung via Tannenstrasse steht im klaren Widerspruch zum Richtplan und dürfte verkehrstechnisch kaum umsetzbar sein. Die geplante Zwischenlösung über die Polyterrasse als Begegnungszone wäre aber grundsätzlich in Ordnung und die geplante Rampe mit gut zwölf Metern Breite auch bei grossem Personenaufkommen genügend breit. Die Veloabstellplätze auf der Terrasse neben der Polybahn sind für Velofahrende optimal platziert, der Ort wird aber als zu hochwertig beurteilt, um diesen als Veloabstellanlage zu nutzen. Als hervorragend beurteilt wird die Einbindung der Polybahn. Die Fussgänger werden flächig und ohne zuerst nach unten zu gehen, breit gefächert Richtung ETH, Polyterrasse und Mensa geführt. Auch der Zugang zum Hauptgebäude ab Polybahn / Tannenstrasse ist sehr gut ausgebildet und der Mensazugang ist gut, zentral und neu auch vom Hauptgebäude aus erreichbar. Sieht man vom erheblichen Problempunkt der Überführung des Verkehrs ab, sind die verkehrstechnischen Belange ausgezeichnet gelöst.

Statik

Die geplanten Eingriffe in die bestehende Tragkonstruktion mit dem Neubau der Anlieferung (Bauteil III), Umbauten im Zugang zum Hauptgebäude (Bauteil IV), dem Neuaufbau der Terrasse, Ersatz der Wand auf der Achse A 52 mit Stützen und umfangreichen Umbauten in den Geschossen A bis C sind massiv. Die neuen Aufbauten bringen zusätzliche Lasten. Das neue Stabilitätskonzept sieht daher ein Zusammenwirken der Bauteile mit kraftschlüssiger Verbindung vor, ist aber nur teilweise nachvollziehbar.

Gebäudetechnik

Durch die neue Gebäudetechnikzentrale wird die Ablösung der bestehenden Gebäudetechnik zwar begünstigt, die neuen Versorgungswege sind aber sehr weit und dadurch tendenziell aufwändig. Das Fluchtwegkonzept wird mit Anpassungen als möglich beurteilt, allerdings sind Brandschutzeinrichtungen wie RWA, Spüllüftung etc. bisher nicht berücksichtigt.

Nachhaltigkeit

Bezüglich Absolut-Kosten übersteigt das Projekt das Kostendach deutlich. Das Projekt weist die grösste Eingriffstiefe auf, was entsprechende Kosten nach sich zieht und einen hohen Wert für graue Energie generiert. In ökonomischer Hinsicht werden lediglich mittel-hohe spezifische Lebenszykluskosten errechnet. Auch die Flächeneffizienz (HNF/GF) wird als «mittel» taxiert. Das Projekt weist aber eine hohe technische Qualität auf. Minergie dürfte eingehalten werden können und das Wasserkonzept mit Grauwasser- und Regenwassernutzung sowie der damit verbundenen Reduktion des Trinkwasserbedarfs ist schlüssig und lobenswert. Sehr gut ist die Tageslichtverfügbarkeit in den Hauptnutzflächen. Die Barrierefreiheit der Aussenbereiche ist nicht überall schlüssig. Ebenfalls wird die Aufenthaltsqualität des Aussenbereiches mit hellem Granit wegen seiner Blendwirkung hinterfragt, was zu einer eher tiefen Bewertung der soziokulturellen Nachhaltigkeit führt.

Projektwürdigung

Das Projekt stellt einen radikalen Ansatz für diesen Ort dar. Es bietet eine sorgfältig ausgearbeitete Architektur und gewährleistet eine hohe Aufenthaltsqualität, sowohl auf den Terrassen als auch in den Nutzungsbereichen. Im Sportbereich wird das Projekt als hervorragend beurteilt. Die Überführung der Leonhardstrasse und auch die neue Anlieferung für LKW sind aber problematisch. Nicht nur diese beiden Punkte, sondern die durch den grossen Eingriff erwarteten hohen Baukosten gaben den Ausschlag für die Jury, dieses Projekt nicht für die Weiterbearbeitung zu empfehlen.
Visualisierung Polyterrasse Gebäude MM

Visualisierung Polyterrasse Gebäude MM