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Nichtoffener Wettbewerb | 03/2016

Neubau der Zentralbibliothek der Justus-Liebig-Universität

Perspektive Campusplatz

Perspektive Campusplatz

3. Preis

Preisgeld: 35.000 EUR

Bruno Fioretti Marquez

Architektur

ifb frohloff staffa kühl ecker

Bauingenieurwesen, Tragwerksplanung

Erläuterungstext

Das Gebäude präsentiert sich von allen Seiten als einladendes, offenes Haus zum Campus.
Seine durchlässige, transparente Hülle gewährt Einblicke in die innere Struktur und verknüpft das Gebäude mit dem Außenraum.Der kompakte Baukörper fügt sich in den Masterplan ein und definiert durch seine klare Kubatur, im Zusammenhang mit dem geplanten Seminargebäude und der Mensa, den zentralen Campusplatz.
Die rationale Struktur der Fassade bildet einen ruhigen, flexiblen Hintergrund, während hölzerne Ausfachungen, die im Inneren Leseplätze bilden, zur Vermittelung zwischen dem innenräumlichen und dem städtischen Maßstab beitragen.
Das Vordach und die zurückspringende Fassade zum Campusplatz bilden einen geschützten Vorplatz und markieren den Haupteingang.

Zwei Elemente bestimmen die Struktur des Gebäudes: Ein schmaler, leichter, durchsichtiger Mantelbau artikuliert die Beziehung zur Stadt. Hier sind Freihandbereich, Lesesäle, sowie Arbeitsräume untergebracht.Ein hölzerner, geschlossener, plastischer Baukörper, besetzt den Hofraum und beinhaltet die Räume der Magazine und Archive.
Diese hauptsächlich nicht öffentlichen Bereiche werden somit erfahrbar gemacht und bilden innerhalb des Ringbaus einen Zwischenraum, der sich als Raumkontinuum, ausgehend vom Foyer, durch das gesamte Gebäude zieht und bis zu fünfgeschossige Räume generiert, welche die Wahrnehmung der Bibliothek in seiner Gesamthöhe ermöglichen. Diese informelle Lernlandschaft dient als extrovertierter Raum für Erschließung und Kommunikation, hier befinden sich Loungebereiche und Informations- und Versorgungspunkte.
Ausgehend von diesem sozialen Knotenpunkt kommt man im fließenden Übergang zu ruhigen, konzentrierten Arbeitsbereichen im Ringbau. Der zentral gelegene Aufzugskern begleitet die Haupterschließung, welche durch vier dezentrale Kerne im Ring zur schnellen Verbindungen der Ebenen ergänzt wird.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Entwurf fußt auf einer grundsätzlich konstituierenden Geste, welche eine erstaunliche dreidimensionale Leistungsfähigkeit entfaltet. Im Zentrum des Baufeldes stapelt der Entwurf geschlossene, hölzerne Körper mit Magazinfunktion, die leicht verschoben zueinander aufgeschichtet werden. Gleichzeitig wird das Baufeld von einer transparenten Fassadenmembran ummantelt. Im Zwischenraum zum zentralen Körper wird ein strenger Ring von übersichtlich geordneten Funktionsgruppen angeordnet. Die verbleibenden Raumfragmente zwischen Ring und Kern werden von Räumen unterschiedlicher Tiefe eingenommen, deren wichtigste Funktion die Aufnahme der Treppenanlage ist, welche sich spiralförmig um den Kern in das 4. Obergeschoss hochwindet.

Der innere Bewegungsraum beinhaltet also eine komplexe Raumtopografie, deren Begehung in der Vertikalen die Entdeckung der gesamten inneren Raumstruktur beinhaltet. Diese Bewegungsräume schieben sich in freier Art dergestalt ineinander, dass sie zusammen mit vertikalen Durchbrüchen eine Wahrnehmung der Vertikalen und Lichteinfälle von oben ermöglichen.

Durch die Anordnung des Weges zwischen Funktionsring und Kern und zusammen mit den vertikalen Blicken sollte eine Orientierung in dieser Raumstruktur an jeder Stelle möglich sein. Dazu trägt auch die strenge und repetitive Anordnung der Funktionen um den Funktionsring bei. Trotz des komplexen, fein kalibrierten Innenraums dürfte damit die Erfassung und Orientierung des Raums ohne Verwirrung gewährleistet sein.

In seinen streng angeordneten Funktionen reflektiert der Entwurf auch den rigiden Charakter von Bücherstapelungen, welche das Grundelement einer Bibliothek bilden. Eine besondere Bedeutung sowohl im Inneren als auch in der Beziehung zum Campus kommt dabei der Gestalt der Fassadenmembran zu. Sie verbindet die Konzentration von Arbeitsnischen mit dem technischen Ausdruck der Fensterelemente. Von außen zeigen sich diese von Holz und Beton geprägten Fassaden als geschlossene, durchlässige Schicht, welche dem Bau eine ruhige Gelassenheit verleiht, die einer universitären Bibliotheksfunktion angemessen erscheint.

Die grundlegenden Funktionalitäten sind erfüllt. Die Wegeführung im EG ist zu lang und wenig überzeugend. Da es keine freien Sichtachsen im Inneren des Gebäudes gibt, erschließt es sich aus Nutzersicht immer nur partiell. Die Ankunftssituation aus dem Bestandsgebäude ist unbefriedigend gelöst. Durch die Verschachtelung des inneren geschlossenen Baukörpers entstehen offene Räume, deren Akustikprobleme absehbar sind. Die Funktionseinheit des Sondermagazins ist als zusammenhängender Komplex von Sonderlesesaal, Sondermagazin und Büroräumen geplant. Die Ausrichtung des Sonderlesesaals nach Süden ist nicht optimal.

Das Konzept zur technischen Ausrüstung ist nicht hinreichend nachvollziehbar. Auch die Flucht- und Rettungswegführung ist nicht plausibel. Der Entwurf verlangt einen hohen Anteil an anlagetechnischen Brandschutzmaßnahmen.

Der Beitrag liegt gem. Vorprüfung über dem Kosten¬rahmen, jedoch im Mittelfeld der eingereichten Arbeiten. Dies ist u. a. in einer leichten Überschreitung der geforderten Nutzflächen (NF 1-6) und einem sehr hohen Verkehrsflächenanteil begründet. Kostenrelevante Besonderheiten sind u. a. mehrgeschossige, ineinandergreifende Lufträume, „Boxensystem“ (große Stützweiten, Tragsystem), ein hoher Glasflächenanteil und in die Fassade integrierte Leseplätze (keine Standardmöblierung).

Die hessischen Vorgaben zur Energieeffizienz können im Rahmen des Entwurfs eingehalten werden. Das Energiekonzept ist nachvollziehbar dargestellt. Die horizontale Ausrichtung der Photovoltaik-Module ist bezüglich der Reinigungsintensität kritisch zu hinterfragen. Dennoch wird der konzeptionelle Ansatz zum Umgang mit erneuerbaren Energien positiv bewertet. Bezüglich der Gesamtenergieeffizienz zählt diese Arbeit zum Mittelfeld der abgegebenen Arbeiten.

Insgesamt handelt es sich um eine weit entwickelte Arbeit, deren wichtigste Qualität ein räumlicher Aufbau ist, der den Reichtum der verschiedenen Gebrauchsformen einer Bibliothek auf inspirierende Art und Weise in ein dreidimensionales Gebilde umwandelt.
Perspektive Alter Steinbacher Weg

Perspektive Alter Steinbacher Weg

Modellfoto Inneraum

Modellfoto Inneraum