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Mehrfachbeauftragung | 05/2016

Neugestaltung Bahnhofsvorplätze

Blick auf den Willy-Brandt-Platz (1)

Blick auf den Willy-Brandt-Platz (1)

1. Rang

Preisgeld: 32.000 EUR

BIERBAUM. AICHELE. landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

SCHOYERER ARCHITEKTEN_SYRA

Architektur

Senger Consult GmbH

Verkehrsplanung

verticalroom - Tobias Herrmannsdörfer

Visualisierung

Erläuterungstext

Erläuterungsbericht
1 Leitidee
Der Heidelberger Bahnhof liegt heute mit seinem qualitätsvollen Bahnhofsgebäude aus den 50iger Jahren in einer städtebaulich weitgehend ungeordneten Situation.
Die beim Bau des Bahnhofes vorhergesehene städtebauliche Fassung hat sich nicht ergeben. Auch die zeitweise geplante große Platzform mit einem deutlich ablesbaren, über die Straßen hinwegreichenden Platz ist heute nicht mehr möglich. Zwei große, zeichenartige Gebäude mit einem quadratischen und einem runden Grundriss und einer deutlich größeren Höhe als der Bahnhof beanspruchen Bedeutung. Die fehlende Fassung des Platzes im Süden und die starke Trennwirkung der großen Straßenquerschnitte reduzieren den tatsächlich als Bahnhofsplatz erlebbaren Raum auf die vom Auslober beschriebene unklare Platzfolge. Die ursprünglich besondere Gebäudestellung des Bahnhofes erscheint so heute eher zufällig.
Zudem haben sich gegenüber der Entstehungszeit die verkehrstechnischen Anforderungen und Paradigmen deutlich geändert. Der Bahnhof als Ort des Verkehrs wird heute neben dem Zug- und dem MIV-Verkehr auch durch den städtischen ÖPNV und das Fahrrad geprägt. Der ÖPNV, aber auch insbesondere das Fahrrad nehmen heute gegenüber dem KFZ eine sehr bedeutende Stellung ein, welche sich in Zukunft auch stadträumlich klarer abzeichnen wird.
Das Fahrradparkhaus als Manifest für das Fahrradfahren:
Der Entwurf für das Fahrradparkhaus bringt die heutige Bedeutung des Radverkehrs programmatisch zum Ausdruck - das Haus als Weg. Das Fahrradparkhaus wird als offenes Regal auf einem triangelförmigen Grundriss vorgeschlagen und die Architektur wird von einem Rampenband geprägt, welches sich von Etage zu Etage über die Gebäudeaußenkante windet. Die Erschließung erfolgt über zwei Aufzugstürme und eine interne Spindeltreppe. Die Ausfahrt erfolgt über das Rampenband.
Das neue „Radhaus“ fügt den prägenden Gebäuden am Platz ein Weiteres hinzu und schafft mit den Gebäuden der Print Media Academy und Der BG RCI gegenüber dem niedrigeren Bahnhofsgebäude einen Dreiklang aus Hochpunkten.
Stadträumlich definiert das neue Fahrradparkhaus die Platzfolge mit ihren jeweiligen Funktionen.
Die Bahnhofsvorplätze erhalten mit dieser neuen Figur eine selbsterklärende Funktionszuordnung.
Zudem werden Reisende die mit der Bahn die Stadt erreichen, bereits in der Empfangshalle durch eine digitale Fahrgastinformation frühzeitig informiert zu welchem der drei Plätze sie sich orientieren wollen.
Das RADHAUS wird zudem der Touristeninformation einen neuen angemessenen Ort bieten. Für jeden Touristen sofort auffind- und erkennbar, bietet es neben den heutigen Möglichkeiten der klassischen Touristeninformation eine attraktive Aussichtsplattform, eine kleine Bar mit öffentlichen Toiletten, sowie die Möglichkeit für die Zeit des Heidelberg- Aufenthaltes ein Fahrrad oder Pedelec zu mieten.

2 Konzeption der einzelnen Bahnhofsvorplätze:
Der Zentrale Bahnhofsvorplatz:
Der zentrale Bahnhofsvorplatz erhält eine großzügige, der Empfangshalle angemessene und freie Vorfläche und stellt den Bezug zwischen Empfangshalle und Kurfürstenanlage her. Er wird so seiner Bedeutung als Ankunftspunkt der Reisenden gerecht und schafft eine intuitiv ablesbare Orientierung.
Touristeninformation, Aussichtspunkt, ÖPNV- Haltestelle Taxistand und die Wegebeziehungen in die Stadt sind deutlich ablesbar. Großzügige Sitzinseln mit Rasenlinsen bieten eine besondere Aufenthaltsqualität. Die Platzfläche selbst wird freigehalten und kann unterschiedlichsten Nutzungen und Veranstaltungen Raum geben.
Südlicher Bahnhofsvorplatz:
Der Südliche Bahnhofsvorplatz mit Taxivorfahrt und Kurzzeitstellplätzen sowie Behindertenstellplätzen und Stellplätzen für Bahn und Polizei bietet zusätzlich Raum für eine Außengastronomie des Ibis Hotels. Die eindeutige Verkehrsführung besonders auch für den Taxistand gewährleistet einen reibungslosen Verkehrsfluss.
RADHAUS für 910- 1090 Fahrräder/ Kurzzeitstellplätze: 22 / Behindertengerechte Stellpl. : 4 / Taxivorfahrt 5 / Taxinachrücker (in Sichtweite): 10; Weitere Nachrücker außerhalb über Infosysthem angeschlossen

Nördlicher Bahnhofsvorplatz:
Vor dem nördlichen Ausgang der Bahnhofshalle entsteht ein weiterer, kleinerer Vorplatz, welcher durch eine weitere Sitzinsel einen besonderen Aufenthaltscharakter erhält und von den Bewegungen des MIV und Anlieferverkehrs freigehalten wird.
Daran schließt sich die zweite Bahnhofsvorfahrt mit Kiss & Ride-Funktion, weiteren Kurzzeitstellplätzen, Stellplätzen für Behinderte und für die Polizei an. Auch die Hotelvorfahrt und die Zufahrt der Anlieferung wird hier mit einer klar erkennbaren Verkehrsführung erschlossen.
Zwischen dem geplanten Hotelbau und dem Bahnhofgebäude entsteht ein neuer Platz mit hohem Aufenthaltswert. Er bietet mit dem Stadtbalkon einen Blick über die Bahngleise und hinüber zur Bahnstadt. In einer B-Ebene unter dem Platz können weitere 600 Fahrräder abgestellt werden. Die B-Ebene sowie der Bahnsteig 1 wird durch eine Fahrradrampe, sowie durch einen Aufzug und Treppen erschlossen. Eine großzügige Öffnung in der Platzfläche schafft den Sichtbezug zur B-Ebene und bringt Licht und Luft in diesen zudem zur Bahn hin offenen Raum.
Die endgültige Erschließung sollte hier im Zusammenspiel mit der, den Platz fassenden neuen Bebauung koordiniert werden.
Fahrradparken auf der B- Ebene: ca. 600 (erweiterbar) / Kurzeitstellplätze: 17 / Behindertengerechte Stellpl.: 1 / Kiss-& Ride-Plätze: 4 /Polizei: 1 Stellpl. / DB: 2 Stellpl. / LKW Vorfahrt und Ladezone / ausreichend Standplatz für Nextbike und DB Call a Bike sowie weitere Fahrräder auf der Platzfläche.

3 Flächen die im Zuge der Haltestellenplanung angepasst werden
Der Entwurf greift in diese Flächen nur sehr geringfügig ein. Die Erschließungsfunktionen werden vor allem durch die Neuordnung der gesamten Platzfläche verbessert. In einem weiteren, späteren Schritt wird durch die Verlagerung der Touristeninformation unabhängig von der Maßnahme für den ÖPNV die neue städtebauliche Fassung hergestellt. Der Umbau dieser Flächen kann so unabhängig vorab hergestellt werden.

4 Erschließung und Verkehr:
Siehe auch Beschreibung der Bahnhofsvorplätze.
Die geplanten Verkehrsführungen aus den Vorgaben wurden weitestgehend übernommen. Um die Situation des Radverkehrs auf den Bahnhofsvorplätzen zu klären wird eine gemischte Rad- und Fußgängerfläche vorgeschlagen.
Im Bereich der Bushaltestelle vor der Empfangshalle wurde der Radweg zur Entflechtung und blindengerechteren Fußgängerführung auf die entsprechende Busspur verlegt.

5 Materialien und Detailgestaltung:
Die Flächen des Vorplatzes erhalten eine einheitliche Pflasterung aus Natursteinpflaster (20 x 24 cm) im Reihenverband. Je nach verfügbarem Budget kann hier jedoch auch ein hochwertiger Betonwerkstein Verwendung finden. Der Platz erhält zudem eine Bänderung aus großformatigeren Natursteinplatten (Travertin wie am Bahnhofsgebäude), welche seine Ausrichtung und den Bezug zur Empfangshalle und deren Lisenen betonen. Die Entwässerung und die taktile Führung kann mit diesen Linien ergänzt werden.
Die Rasenlinsen mit den großzügigen Holzbänken können mit oder ohne Rückenlehne ausgeführt werden.

Vegetation und Baumerhalt:
Die den Bahnhofsvorplatz prägenden Platanen werden so weit wie möglich erhalten und durch Nachpflanzungen ergänzt.
Als in den kleineren Platzflächen wird als weitere Baumart z.B. Acer campestre `Elsrijk´ vorgeschlagen.
Die Sitzinseln sind mit Scherrasen auch als Aufenthaltsfläche nutzbar. Am nördlichen Vorplatz kann zu einem späteren Zeitpunkt bei zu starker Beschattung die Rasenfläche durch eine dauerhafte und pflegeleichte Staudenpflanzung ersetzt werden.

Licht:
Die Beleuchtung des Bahnhofsplatzes erfolgt mittels zylindrischen Mastleuchten mit Mehrfachkopf.
In diesen Leuchten können neben den Leuchtmitteln zur Ausleuchtung der Flächen auch weitere Aufsätze zur Akzentuierung besonderer Bereiche sowie zur Fassadenbeleuchtung integriert werden.
Auf dem zentralen Bahnhofsvorplatz werden diese Leuchten zudem als Stelen die Ausrichtung des Platzes betonen.
Die Sitzinseln erhalten unterhalb der Bänke eine dezente linienförmige Akzentbeleuchtung.
Die Fassaden können zusätzlich über Bodeneinbauleuchten differenziert ausgeleuchtet werden werden.
6 Wirtschaftlichkeit
Die geplanten Baumaßnahmen lassen sich problemlos als weitere Bauabschnitte nach oder wärend der Herstellung der neuen ÖPNV- Haltestellen umsetzen.
Alle Bauabschnitte sind ohne teure Zwischenlösungen schrittweise umsetzbar.
Die Konzeption des neuen Radhauses vereint eine Vielzahl von notwendigen Funktionen in einem wirtschaftlich günstig zu errichtenden Gebäude. Das Radhaus kann bei Bedarf aufgestockt werden.
Es entstehen neben der Bar im Radhaus auch weitere neue Gastronomieflächen auf den drei Plätzen
Durch Verwendung einfacher Materialien und ein relativ kleines Pflastermaß sind die Flächenbefestigungen günstig und dauerhaft umsetzbar. Bei Wartungsarbeiten an Leitungen können die Flächen einfach und kostengünsteig wieder hergestellt werden.
Das Fahrradparkhaus wird auf einer Fläche von 245m² auf einem massiven Keller (StB.) aufgesetzt. Zwischen Stahl-Rampenband und StB.-Geschossdecken umfassen StB.-Stützen die triangelförmigen Geschossdecken. Zwei StB. Aufzugskerne steifen das System aus und eine Stahl-Wendeltreppe dient zur fussläufigen Erschließung. Zwischen den Rampenbrüstungen dient ein bronzefarbenes Stahlgeflecht als Absturzsicherung. Alle Stahl-Bauteile und werden in Edelstahl ausgeführt und bronzefarben beschichtet (gem. Merkblatt 976/Informationsstelle Edelstahl) und alle StB. Bauteile erhalten ebenfalls einen bronzefarbigen Anstrich. Die Erdgeschossfassade für die Touristeninfo und die Bar werden mit einer bronzefarbenen Pfosten-Riegelfassade verkleidet. Der Innenausbau für die Touristeninfo und die Bar erfolgt mit industriellen Holzwerkstoffen. Somit werden alle Bauteile aus industriellen Serienprodukten sehr wirtschaftlich hergestellt und die Funktionalität mit einem architektonischen Anspruch gesichert.

Beurteilung durch das Preisgericht

Leitidee
Die Verfasser reagieren sensibel auf die Architektur des Hauptbahnhofs. Es entsteht ein ruhig gestalteter, vielfältig nutzbarer Bahnhofsvorplatz, der in überzeugender Weise, die für ein funktionierendes Bahnhofsumfeld erforderlichen Infrastrukturen, wie das Fahrradparken, Kurzzeitparkplätze, Kiss & Ride und Taxivorfahrt integriert
Konzept der Teilräume Bahnhofsvorplatz. Es wird eine hochwertige Oberflächengestaltung in Naturstein (optional Betonwerkstein) vorgeschlagen, die durch lineare helle Travertinbänder gegliedert wird. Durch die Ausrichtung der Bänder wird der Bezug zur Bahnhofshalle und deren Stützen betont ohne eine der Entwurfsidee der
50er Jahre widersprechende Zentralität zu erzeugen. Die zurückhaltende Platzgestaltung weiß, das Bahnhofsgebäude angemessen in Szene zu setzen. Aufgrund der Oberflächenstruktur ist der Platz nicht zwingend darauf ausgerichtet die Fußgängerströme auf die Mittelinsel der Kurfürstenanlage zu lenken, was positiv bewertet wird.
Die linsenförmigen Sitzinseln spielen sympathisch mit der Formensprache der Entstehungszeit, brechen zudem die Linearität der Travertinbänder. Sie werden als gelungenes gestalterisches Element von der Jury gewürdigt.
Die vorhandenen Bäume werden bis auf vier erhalten, die dem Neubau des Fahrradhauses, in dessen Erdgeschoss die Touristeninformation ausreichend Platz findet, weichen. Dafür werden Ersatzpflanzungen vorgeschlagen.
Die den Platz begrenzende Bushaltestelle in Nord Süd Richtung kann am Platz verlängert werden, sodass die im Entwurf dargestellte heute existierende parallel Führung entfallen könnte, was der Entwurfsidee gut täte.

Willy Brandt Platz Süd
In diesem Bereich werden neben dem Fahrradparkhaus, Kurzeitzeitparkplätze und der
Taxenhaltepunkt vorgeschlagen. Der vorgeschlagene Standort des Fahrradparkhauses wird städtebaulich ausdrücklich gewürdigt. Er hält einen würdigen Abstand zu dem Bahnhofshauptgebäude. Grundriss und Hülle sind im Rahmen der Detailplanung zu präzisieren.

Die PKW Stellplätze sowie deren Erschließung heben sich gestalterisch von der Platzfläche durch farbigen Asphalt ab. Die, den Platz heute nördlich begrenzende Anbindung entfällt. In diesem Zug entsteht die Möglichkeit einer komfortablen fußläufigen Anbindung an die Südseite der Kurfürstenanlage. Die Anbindung des Kraftverkehrs beschränkt sich auf die zu erweiternde südliche Einmündung.
Hierbei ist zu prüfen, wie an dieser Stelle eine Anbindung aus und in alle Richtungen ermöglicht werden kann.

Willy Brandt Platz Nord
Der Willy Brandt Platz Nord übernimmt vorwiegend Erschließungsfunktionen. Hierzu gehören die Anlieferung für den Bahnhof, die Vorfahrt für das geplante Hotel, das notwendige Parken für Bahn und Polizei sowie einige Kiss & Ride Plätze. Darüber hinaus finden einige oberirdischen Fahrradstellplätze sowie die Fahrradverleihsysteme hier ihre Standorte.

Ergänzend wird über diesen Platz bahnbegleitend die Fahrradtiefgarage erschlossen mit direkten Zugangsmöglichkeiten zum Bahngleis. Hier ist in der Detaillierung die konkrete Ausführung mit den bahnbetrieblichen Anforderungen abzustimmen. Die Oberflächengestaltung entspricht der des Willy- Brandt-Platzes Süd. Sie überzeugt durch ihre Funktionalität und gestalterischen Zurückhaltung. Die vorgeschlagene Lage der Sitzinseln ist in diesem Bereich zu überprüfen, da sie Fußwegebeziehungen sowie die Anlieferung stören. Aufgrund der klug gewählten dezentralen Standorte des Fahrradparkens (Parkhaus Ost + Tiefgarage West) besteht keine Notwendigkeit, der Einrichtung einer Rad- und Fußwegzone im Bereich der Plätze, wie von den Verfassern vorgeschlagen.

Wirtschaftlichkeit
bei den Platzoberflächen liegt die Arbeit im Falle des Natursteinbelags deutlicher über dem Budget. Die Kosten im Bereich des Fahrradparkens liegen deutlich unter dem Durchschnitt. Aufgrund der geringen unterirdischen Stellplatzanteile stellt sie sich als wirtschaftlichste Arbeit dar.

Resümee
Im Ergebnis überzeugt der Entwurf durch seine wohlüberlegte Durcharbeitung sowie die
überzeugende Zonierung der unterschiedlichen Teilräume funktional als auch durch seine
gestalterische Wertigkeit.
Blick auf den Willy-Brandt-Platz (2)

Blick auf den Willy-Brandt-Platz (2)

Lageplan (1)

Lageplan (1)

Lageplan (2)

Lageplan (2)

Schema Radwege+Parken / Orientierung+Information

Schema Radwege+Parken / Orientierung+Information

Schnittansicht Willy-Brandt-Platz

Schnittansicht Willy-Brandt-Platz