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Nichtoffener Wettbewerb | 05/2000

Gutachterverfahren „Gestaltung des Vorplatzes der Leipziger Volkszeitung“

Teilnahme

GFSL gruen fuer stadt + leben landschaftsarchitektur eG

Landschafts- / Umweltplanung

Erläuterungstext

Stadträumliches Konzept
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Der Raum vor dem LVZ-Gebäude entstand nicht in konsequenter Fortführung der charakteristischen Blockrandbebauung, sondern präsentiert sich als Ergebnis einer Störung des stadträumlichen Gefüges. Das offene Bekenntnis zu diesem Bruch, verbunden mit einem abstrahierten Aufgreifen der einstigen Situation, ermöglicht eine gestalterische Lösung, die eine moderne und zeitgemäße Raumbildung mit städtebaulichen Grundprinzipien vereint.
Das Motiv, dem Platz ein eigenständiges und aussagekräftiges Profil zu geben, welches ihn klar von den historisch gewachsenen Plätzen der näheren Umgebung unterscheidet, war richtungsweisend für die Reduzierung des Grüns auf wesentliche Elemente, die das Raumgefüge formen.
Die Ergänzung der Platanenallee auf der Karl-Liebknecht-Straße und die fragmentarische Fortführung bis zum Vorplatz des KPMG-Gebäudes bindet den Platz in die Stadtstruktur ein und gibt ihm eine transparente Kante zum Petersteinweg hin.
Der Fußgänger wird zum Platz geführt und durch die plötzlich entstehende Weite des Raumes eingeladen, ihn zu erleben statt nur zu tangieren. Umgekehrt erfährt der den Platz Nutzende durch diese Transparenz keine optische Trennung von der Umgebung. Der offene und städtebaulich indifferente Raumeindruck wird dadurch belassen und als Wahrnehmungsebene bewusst noch verstärkt.

Entwurfsidee
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Ausgehend von einem Spiel mit der vorhandenen städtebaulichen Lücke wird auch die Platzgestaltung nur fragmentarisch akzentuiert. Die bestehende städtebauliche Situation soll nicht überspielt werden, sondern Fragmentierung wird als ästhetisches Prinzip eingesetzt.
Die Gestaltungselemente sind dabei jedoch keine losgelösten Bruchstücke, sondern lassen sich gedanklich ergänzen und räumlich in einen Zusammenhang stellen.
Die strenge Linie der Platanenreihe löst sich in Richtung Nordkante des Platzes verspielt auf und lässt ihn dadurch mit den anschließenden Räumen kommunizieren. Ein „aus der Reihe tanzender“ Baum ist nicht nur Metapher für ein Aufheben des formalen Dogmas, sondern bildet durch die Wahl eines anderen Gehölzes einen spannungsvollen Kontrast.
Die gesamte Platzfläche erhält durch den einheitlichen Plattenbelag ein strenges Raster, welches die reduziert gesetzten Akzente aufbrechen. Die Oberflächenstruktur und das Erscheinungsbild des Belags orientieren sich am LVZ-Gebäude. Dadurch wird eine gestalterische Einheit von Architektur und Freiraum erreicht. Stahlbänder als Fugenbrüche stören die Ordnung und sind als überraschende Detailakzente erlebbar.
Prägende Vertikalen des Platzes sind zwei freistehende Treppenkonstruktionen. Als losgelöste Elementarteile der gebauten Architektur bilden sie abstrakte Symbole für einstmals genutzte und bewohnte Räume. Durch ihre transparente Materialität sind sie jedoch keine Rückstände einer ehemaligen Bebauung, sondern bewusst neu geschaffene Bauteile, die sich in vermeintlich schwebende Ebenen auflösen.
Den Türmen stehen im Boden des Platzes eingelassene Lichtflächen gegenüber. Sie greifen durch kalligrafische Inschriften nicht nur den historischen Kontext auf, sondern stellen im Zusammenspiel mit den Lichtstelen am Peterssteinweg und dem Gebäude das Beleuchtungsgerüst der Anlage dar. Dieses wird unabhängig von der öffentlichen Straßenbeleuchtung als Gestaltungsmittel eingesetzt und lässt interessante Effekte entstehen, die den Platz als eigenständigen Raum definieren.
Streng geformte Taxusprofile formen eine kraftvolle dunkle Kulisse zum Spiel feingliedriger Bambusbänder, die exotisch anmutende Blickpunkte auf dem ansonsten kühl-sachlich wirkenden Platz sind.
Zusammen mit den vegetativen Figuren fassen begrünte Stahlpergolen die verschiedenen Funktionsbereiche des Platzes und schaffen interessante Aufenthaltsräume. Durch ihre Dreidimensionalität sind sie trennende Grünelemente, welche einen attraktiven Vordergrund zu den nördlich liegenden Hofbereichen bilden. Gleichwohl implizieren sie eine gestalterische Verknüpfung mit den benachbarten Freiräumen. Als „Grüne Galerie“ nehmen sie Parkplätze auf, sind temporäre Aktions- und Informationsbereiche und zeichnen schließlich fragmentarisch die mögliche Rauminanspruchnahme eines künftigen Giebelanbaus nach.
Die pflanzlichen Akzente wirken bezüglich Farbe und Textur als spannungsvolle Kontraste zu den baulichen Elementen, die durch eine unauffällige Farbgebung und ebene Oberflächenstruktur in ihrer Dominanz zurückgenommen werden sollen. Die Anordnung der verschiedenen Fragmente zueinander erzeugt räumlich gegliederte Teilbereiche, die durch eine verhaltene Möblierung für den Platzbesucher nutzbar werden.
Schlichtheit und reduzierte Eleganz sind die bestimmenden Eindrücke der Platzgestaltung. Auf dem Platz stehend wird man Fragmente, Details und Einzelelemente wahrnehmen, die sich in der Perspektive von den Treppentürmen aus zu einem vielschichtigen Bild zusammenfügen und dem Betrachter die gedankliche und räumliche Struktur erschließen.

Künstlerische Idee
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Kunst im öffentlichen Raum heißt für mich, die speziellen Aspekte des Ortes produktiv in die Arbeit einfließen zu lassen. Meine Arbeiten sind insofern immer ortsspezifisch.
Ausgangspunkt für den Entwurf war die Suche nach einer Struktur, welche die Geschichte des Ortes bewahrt, ohne zu historisieren. Die Gebäude, welche sich früher an dieser Stelle befanden (insgesamt acht), hatten schließlich auch etwas mit der Geschichte der LVZ zu tun - seien es nun die verschiedenen Hinterhäuser, die durch die LVZ genutzt wurden, oder die Häuser Petersteinweg 21 und 23, in welchen sich ein Verkaufslokal der Leipziger Neuesten Nachrichten sowie des Abendblattes mit Anzeigen-Annahme befand.
Im Stadtarchiv habe ich deshalb die Bauakten der ehemaligen Gebäude studiert, um die Bebauung von vor 1945 rekapitulieren zu können. Dabei fiel mir auf, dass Charakter und Funktion eines Hauses sich schon im Treppenhaus widerspiegeln. Der Treppenaufgang ist wie das Auge eines Hauses.
Davon angeregt entwickelte ich die Idee, zwei der ehemaligen acht Treppenhäuser auf diesem Terrain als moderne, transparente Stahl-Glas-Konstruktionen (Trägerkonstruktion: verzinkter Stahl; Geländer und Trittflächen: Glas; Handlauf: Edelstahl) maßstabsgetreu und an den Originalstandorten wiederzuerrichten. Diese sind nun abstrakte, zeichenhafte Elemente. Auf opaken Lichtflächen ruhend, wirken sie wie Skulpturen.
Freistehende Treppen haben vielerlei Assoziationen und Implikationen: Aussichtsplattform, Signalturm zur Kommunikation über weite Entfernungen, Rednertribüne - bis hin zum Turm von Babel.
Gerade aber die Dopplung des Turmes verweist auf einen Sinnzusammenhang jenseits solcher Funktionalität. Es handelt sich nicht bloß um Aussichtsplattformen, es verbindet sich mit ihnen der Gedanke an Aufbruch, Freiheit und Unbegrenztheit. Die Losgelöstheit von einem wirklichen Zweck verleiht ihnen eine poetische Kraft, welche dem, der hinaufsteigt, bewusst wird.
Die zwei Türme sind optische Akzente, verstellen jedoch nicht den Blick auf das LVZ-Gebäude. Sie lockern die modern-sachliche, aber eben auch etwas unterkühlte Fassade auf und überbrücken den Bruch zur \"unfertigen\" Nordseite des Platzes.
Als Gegenstück zu diesen zwei vertikalen Skulpturen möchte ich weitere kleinere Lichtfelder auf dem Platz ebenerdig einlassen. Diese Lichteinschlüsse übertragen fragmentarisch die Kartografie der ehemaligen Gebäude auf den Platz und tragen Beschriftungen, welche in den Bauunterlagen an diesen Stellen zu finden waren.
Hierdurch wird die Qualität von Nähe und Ferne erfahrbar: Auf dem Platz stehend, wird man die Lichtfelder nur als solitäre Elemente wahrnehmen. Von den Plattformen auf den Türmen betrachtet, treten sie hingegen in Beziehung zueinander und erscheinen als Puzzleteile eines vormalig Ganzen.
Diese räumliche Beziehung verstehe ich als Analogie zu einer zeitlichen Nähe und Ferne: das Anwesende (die neue Qualität diese Ortes) in Bezug zum Abwesenden (die alte Bebauung und Nutzung, kurz: die Geschichte dieses Stadtraumes).
Die Schriftfragmente sind als bildhafte Spuren zu verstehen. Ich strebe keine Vollständigkeit an, es geht hier nicht um einen didaktischen Lehrpfad. Vielmehr wählte ich intuitiv bestimmte Punkte des Platzes aus. Manche Wörter haben signalhafte Konnotationen, andere spiegeln Triviales wider. Es mischen sich Zeichen, welche auf die Nutzungen durch die Leipziger Neuesten Nachrichten verweisen (Anzeigen-Annahme), mit Angaben zu bürgerlichen Lebensverhältnissen um die Jahrhundert-wende (Salon, Mädchenkammer). Insofern sehe ich hier auch eine Bewahrung von Stadtgeschichte in künstlerischer Form.
Die Lichtflächen liegen auf im Boden eingelassenen Fundamenten. Für die ebenerdige, opake Oberfläche wählte ich mattgeschliffenes Glas von 2,4 cm Stärke, so dass diese auch begehbar ist. Drei Grundflächengrößen sind dafür vorgesehen: 80 x 40 cm, 60 x 40 cm und 40 x 40 cm.
Die \"Beschriftungen\" mit den kalligraphischen Bildern sind auf der Unterseite des Glases realisiert. Durch diese Materialdistanz verunschärft sich die Wahrnehmung der Zeichen, was wiederum auf die zeitliche Ferne verweist.
Erst in den Abendstunden, wenn das Umgebungslicht schwindet, treten diese \"Lichtbilder\" stärker hervor. Durch die Verwendung von warmem Streulicht wird jedoch Theatralik vermieden, denn es geht mir nicht um dramatisierende Lichteffekte. Vielmehr soll eine Art \"inneres Leuchten\" entstehen.