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Offener Wettbewerb | 05/2016

Herstellung eines Verwaltungsgebäudes

1. Preis / Zuschlag

Preisgeld: 24.000 EUR

Karl Hufnagel Architekten

Architektur

Erläuterungstext

Leitidee

Ausgangspunkt für das Verwaltungszentrum Eschwege ist der Gedanke, mit einfachen Mitteln eine dem neuen Verwaltungszentrum im vis-à-vis zu Schloss und Stadtbibliothek angemessene Erscheinung auszubilden, in welcher sich die Architektur Eschweges im Allgemeinen und die städtebauliche Situation des Ortes im Besonderen widerspiegelt.
Die bauliche Erscheinung sucht ein Gleichgewicht zwischen Autonomie und Einbindung - zwischen architektonischer Setzung und Verankerung am Ort. Der Autonomie der vorgeschlagenen städtebaulichen Figur, die sich mit einer Gasse zum Nachbarn freistellt, antwortet die Verschränkung von moderner Erweiterung und historischer Architektur zu einem neuen Ganzen.
Ein Ensemble, das sich durch Erhalt und Einbindung der Stadtbild prägenden Bauten als Teil der gewachsenen Stadt definiert und in der Komplettierung den „Genius Loci“ mit den Anforderungen eines modernen Verwaltungsbaus im Herzen Eschweges in Übereinstimmung bringen will.
Die neue Gasse ist hierbei gleichzeitig Mittel der Distanz und der Verbindung, welche als typologisches Element - analog den Brandgassen der mittelalterlichen Stadt - eine in Jahrhunderten gewachsene kleinteilige städtische Lebenswirklichkeit mit ihrer Vielfalt von Häusern, Höfen und Gärten konkret anschaulich werden lässt.


Stadtraum und Architektur

Die stadträumlich und architektonisch bedeutenden Bestände – das Gebäude Schlossplatz 9, mit seinem den „Stadteingang“ markierenden überkuppelten Eckturm, und der Hauptbau der Forstgasse 2 mit seiner repräsentativen in Form und Maßstab auf den Schloßplatz bezogenen neobarocken Zwerchhausfassade und dem denkmalgeschützten Treppenhaus – werden Teil eines neuen Ganzen.
Dreiseitig zu den angrenzenden Stadträumen umgreift eine einheitliche neue Bebauung den Bestand. Sie formuliert, über dem extensiv begrünten Dach des zentralen Sitzungssaales, einen inneren Bürohof und einen das Gesamtensemble konstituierenden verbindenden „Hintergrund“ und gibt den heterogenen historischen Architekturen eine ruhige moderne (Ein)Fassung. Die Dachlandschaft der Umfassung untergliedert sich maßstäblich in Straßen begleitende Gebäudeflügel und einem „eingehängten“ Verbindungsbauteil zur Gasse.
Tragwerk und Konstruktion des Neubauteils werden in den Fassaden sichtbar zum Ausdruck gebracht. Vertikale Profile, erhaben zwischen die Decken nachzeichnende Kragbänder gesetzt, überziehen die Außenfläche in rhythmischem Abstand und haben als „umlaufendes Band“ die Ganzheitlichkeit von innerer Struktur und äußerer Form zum Gegenstand.
Die Materialisierung der Fassaden vor der tragenden Stahlbetonskelettstruktur kann sowohl als „ausfachendes“ Holzrahmenwerk, wie in einer schlichten Version als konventionelle gedämmte Putzfassade zwischen vertikalen und horizontalen Werksteinfertigteilelementen gedacht werden.
Eine Gestaltvorstellung, entwickelt aus den rationalen Anforderungen einer modular aufgebauten Bürostruktur, die ein hohes Maß an Flexibilität und Serialität voraussetzt, ist dabei gleichermaßen – gesteigert durch die subtile Staffelung der Geschosse, die sich aufsteigend dem öffentlichen Raum zuwenden und dabei den inneren Hof zum Himmel weiten - Referenz und zeitgenössische Interpretation der baulichen Tradition Eschweges mit über 1000 erhaltenen historischen Fachwerkhäusern.


Funktionalität und Flexibilität

In Analogie zur architektonisch stadträumlichen Konzeption findet sich die bauliche Struktur des Verwaltungszentrums. Der Ausgang der neuen Erschließungsachse - mit denkmalgeschütztem Treppenhaus, Saalfoyer und den vertikalen neuen Aufzugsanlagen - ist im ehemaligen Hauptbau Forstgasse 2 zum Schloßplatz orientiert und erstreckt sich bis zum gegenüberliegenden Eingang „An den Anlagen“. Die Reduktion der Zugänge entspricht der zweiseitigen Orientierung und erlaubt jeweils barrierefreie Hauptzugänge von den beiden unterschiedlichen Stadtniveaus.
Folgerichtig sind die Sonderfunktionen vorrangig in den Bestandsbauteilen, an den Schnittstellen der Erschließungen angeordnet, während der bauliche Rand als neutrale „Folie“ eine hochflexibel nutzbare Bürostruktur anbietet.
Der das Geviert und den Sitzungssaal umfassende Neubautrakt bezieht sich – dem Geländeversprung zwischen Schloßplatz und der Straße An den Anlagen folgend – auf die beidseitig angrenzenden Bestandsbauten, an die er jeweils etagengleich anschließt.
Der topografische Versatz der Neubauflügel erlaubt die uneingeschränkte Büronutzung und die Belichtung des erdgeschossigen Erschließungsumlaufes über Seitenoberlichtgaden, sowie die Ausbildung von gedeckten PKW-Stellplätzen im Verlauf der neuen die Stadtniveaus verbindenden Gasse. Die Anzahl der Parkplätze mit Zufahrt von den Anlagen und Ausfahrt zum Schloßplatz lässt sich durch den Einbezug der angrenzenden Technikräume weiter optimieren.
Die entsprechend der Belichtungssituation des Hofes variierend umlaufend erschlossene zwei- bzw. einbündige Anlage erlaubt – trotz der im Vergleich zur ersten Wettbewerbsphase erfolgten starken Verdichtung der baulichen Struktur - weiterhin neben der Ausbildung traditioneller Zellenbüros die Integration auch innovativer Verwaltungstypologien wie Kombibüro und Open Space.
Ein zusätzlicher Aspekt von Nachhaltigkeit, neben der Einbindung und Erhaltung des baulichen Bestandes - der eine stufenweise Errichtung und interimistische Teilnutzung während der Bauphase ermöglicht - ist die mögliche Generierung von zukünftigen Erweiterungsflächen im Dachbereich des zum Schlossplatz orientierten neuen Gebäudeflügels.
Den flexibilitäts- und nachhaltigkeitsbedingten geringfügig erhöhten Flächenbedarfen stehen perspektivisch immanente Vorteile bei Nutzungsveränderungen und ein sehr wirtschaftliches Gebäudevolumen im unteren Vergleichsbereich gegenüber.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Leitidee des Entwurfes ist die Suche nach einem angemessenen Gleichgewicht zwischen der Autonomie des Gebäudes und seiner Einbindung in die bestehende Struktur der historischen Stadt. Eines vorweg: Aus Sicht der Jury wird dies durch eine geschickte und gleichsam zurückhaltende Ergänzung der Bestandsbauten am Schlossplatz und an der Forstgasse durchgängig überzeugend umgesetzt, sowohl im städtebaulichen, wie auch im architektonischen Sinne Der in Proportion und Maßstab angenehm gegliederte Neubau ergänzt auf gelungene Weise den städtebaulich und architektonisch bedeutsamen Bestand - das Gebäude am Schlossplatz mit seinem den Stadteingang markierenden Eckturm und das Haus am Schlossplatz mit seiner repräsentativen Zwerchhausfassade – und schafft ein unverwechselbares, der geplanten Nutzung angemessenes Ensemble. Aus Sicht der Jury sollte die vollständige Freistellung der Gebäudefigur an der Forstgasse überprüft werden. Hier wären eine geschlossene Bauweise und das Schließen der Brandwand des Nachbargebäudes aus städtebaulichen, baurechtlichen und konstruktiven Gründen vermutlich sinnvoller. Eine durchgängige Befensterung des auf der östlichen Seite „eingehängten“ Verbindungbauteils ist durch die baurechtliche erforderliche Einhaltung der notwendigen Abstände zur Grundstücksgrenze nachzuweisen. Der Zugang zum Blockinnenbereich von der Südseite „An den Anlagen“ ist stadträumlich und funktional sehr gut gelöst. Das Dach als fünfte Fassade ist dem Kontext der historischen Altstadt entsprechend konsequent durch die ruhige Behandlung der Dachflächen entwickelt. Es wird empfohlen, Teile der notwendigen Haustechnik in den Dachraum zu integrieren. Das Dachgeschoss bietet zudem eine potentielle Reserve für einen späteren Ausbau bei entsprechendem Flächenbedarf. Für die Gestaltung der „begrünten“ Dachflächen über dem Sitzungssaal sollte ein landschaftsarchitektonisches Konzept entwickelt werden, sodass der Hof als qualitätsvolles Pendant zu den umliegenden öffentlichen Stadträumen entwickelt wird. Die Programm- und Funktionserfüllung ist durch den Entwurf in großen Teilen sehr gut nachgewiesen. Der Haupteingang zum Schlossplatz sowie das Foyer des Sitzungssaales sollten jedoch räumlich großzügiger gestaltet werden. Hier sind angemessene Flächen für die Entleerung des Saales sowie Orte der Kommunikation aus Sicht der Jury wünschenswert. Eine adäquate lichte Raumhöhe des Sitzungssaals unter Berücksichtigung der raumakustischen Maßnahmen und der Integration der Lüftungstechnik ist in der weiteren Planung zu gewährleisten. Gebäudeplanerisch sollte ein Brandschutzkonzept entwickelt werden, welches im Hinblick auf eine realistische Ertüchtigung der Bestandsbauten und ihrer Bauteile eine Einstufung der Gesamtanlage in die Gebäudeklasse 4 ermöglicht. Vor diesem Hintergrund ist die räumlich-funktionale Integration eines dritten notwendigen Treppenhauses im nordwestlichen Gebäudeteil zu prüfen. Das Nebeneinander verschiedener Büroformen wie gut geschnittene traditionelle Zellenbüros und innovativerer Verwaltungstypologie wie Kombibüro und Open Space wird im Neubauteil durch eine polyvalente Rasterstruktur und den Wechsel von ein- und zweihüftiger Erschließung überzeugend nachgewiesen. Im Bestandsgebäude dagegen – insbesondere im nordwestlichen Abschnitt - wären die Raumzuschnitte zu optimieren. Die von den Verfassern entwickelte Tektonik der räumlich wirksamen Fassade fügt sich in gelungener Weise in den Kontext der Fachwerkstadt Eschwege ein, ohne sich dabei anzubiedern. Die im Entwurf vorgeschlagene Qualität der Kragbänder und der vertikalen Fassadenelemente sowie die Materialisierung der Ausfachungen wären aus Sicht der Jury in der weiteren Bearbeitung unbedingt sicher zu stellen. Insgesamt wird hinsichtlich des Gebäudevolumens durch die kompakte Lösung ein sehr wirtschaftlicher Beitrag entwickelt, welcher durch ein gutes A/V-Verhältnis besticht und im Sinne der Nachhaltigkeit Nutzungsänderungen bis hin zu Erweiterungen im Dachbereich zulässt. Die moderne Erweiterung und die identitätsstiftende historische Architektur werden zu einem neuen, gelungenen Ganzen gefügt. Den Verfassern ist ein Gebäudeentwurf gelungen, der in unmittelbarer Nähe zum Stadtschloss sowohl in Bezug auf das behutsame Weiterbauen im historischen Kontext als auch In Bezug auf die Bedürfnisse eines zeitgemäßen Verwaltungszentrums überzeugt.