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Nichtoffener Wettbewerb | 07/2016

Plantage Potsdam

Blick auf den Rasensaal

Blick auf den Rasensaal

3. Preis

Preisgeld: 7.000 EUR

Atelier Loidl

Landschaftsarchitektur

ErlÀuterungstext

Bei der Umgestaltung der Plantage Potsdam zu einem öffentlichen Ort der ReprÀsentation, Kontemplation und Kommunikation stellen sich drei wesentliche Herausforderungen:

(1) Wie deutlich wird das gÀrtnerische Erbe der vergangenen drei Jahrhunderte sichtbar sein?
(2) Wie können die Anforderungen an Schulsport und Spiel, an einen lebendigen Stadtraum, integriert werden?
(3) Wie entsteht ein rÀumlich-atmosphÀrisch prÀgnanter Ort im Kontext Potsdamer Parks und PlÀtze?



(1) Das gÀrtnerische Erbe

Die Plantage ist seit je her mit seiner Lage am ‘Knick‘ des Stadtkanals ein besonderer Ort in der Potsdamer Stadtlandschaft. Angefangen mit der Urbarmachung des sumpfigen GelĂ€ndes als Baumplantage mit der Bebauung der Garnisonkirche und des Langen Stalls um 1730, ĂŒber die LennĂ©â€˜sche Umgestaltung zum freien Exerzierplatz mit grĂŒnem Rahmen 1850, der gĂ€rtnerischen Weiterentwicklung Adolf Gamballs und Hans Kölles zu einem Schmuckplatz (1900 und 1936), bis zur radikalen Teilung und Bebauung des Platzes ab 1969, erlebte die Plantage konsequent die Anpassungen an die Anforderungen des Zeitgeists.

Adaption

Um eine Haltung zu den unterschiedlichen Stadien der Entwicklung zu gewinnen und keine einfache Kopie oder Neuinterpretation eines historischen Raumbildes zu produzieren, hilft das entwerferische Mittel der Adaption („anpassen, verĂ€ndern“). Etwas Neues kann entstehen, ohne das die historische IdentitĂ€t verloren geht.
Im Vergleich der wichtigsten genannten Phasen kristallisieren sich drei Aspekte heraus, die ĂŒbernommen und an heutige AnsprĂŒche angepasst werden können:
- Von Beginn an als ein ‘grĂŒner ‘, von BĂ€umen dominierter Stadtplatz konzipiert, ist die Plantage schließlich Namensgeber des Ortes.
- Das robuste BaumgerĂŒst, als FĂŒllung oder Rahmen, die stringente WegefĂŒhrung und freie Mitte machten den Stadtplatz zu einem geometrisch formalen, aber auch zu einem in sich gekehrten Ort.
- Der programmatische Bezug zur direkten Nachbarschaft (als Exerzierplatz vor dem Langen Stall, als Schmuckplatz zur Kirche, als Spielplatz fĂŒr die Schule und als Parkplatz fĂŒr das Rechenzentrum) bestimmten seine Funktion.

Baumsalon und Rasensaal

Ein starkes RaumgerĂŒst aus BĂ€umen und FlĂ€chen prĂ€gt weiterhin den Charakter des Ortes. Im Layout der existierenden Gehölze lĂ€sst sich ein Ă€ußerer Gehölzrahmen konstruieren, der in seinem Inneren ein Arboretum unterschiedlicher Baumarten aufnimmt. Die hoch gewachsenen Pappeln und die LennĂ©-Platane erhalten dabei eine herausragende Position im Konzept des Baumsalons. Wie ein Lichthof funktioniert hingegen der Rasensaal. Die freie Mitte bringt Sonnenlicht unter die BĂ€ume, ist der kommunikative Mittelpunkt des Platzes und sorgt im locker angeordneten Arboretum mit seiner Geometrie fĂŒr eine wohltuende Klarheit.



(2) Sport und Spiel

Die NĂ€he zur Max-Dortu-Schule prĂ€gt heute das Programm des grĂŒnen Platzes. Gleichzeitig fehlt ein spannungsreicher und animierender Spielplatz im weiteren Umfeld des Quartiers. Kontemplative und kommunikative Orte werden vermisst.

Follies

Kleine ‘VerrĂŒcktheiten‘, die Follies, stimulieren den Baumsalon. Dabei handelt es sich um Objekte, die in ihrer Form oder Funktion so eigenwillig und interessant sind, dass sie zum Spielen, Ausruhen, Kommunizieren, Bewegen, Turnen und individuellen Aneignen begeistern. Typische GartenbĂ€nke werden in die LĂ€nge gezogen oder umrunden die BĂ€ume, der Kiosk erhĂ€lt seine eigenwillige Form aus der Zusammensetzung von Trafo, SportgerĂ€teunterstand und einem nachbarschaftlich organisierten CafĂ© und selbst die Schinkelleuchte wird in ihrer Anordnung zu einer kleinen ‘VerrĂŒcktheit‘. Die Formen der Spielorte legen sich um die Baumstandorte und fordern schon auf Grund der Kontur zum Spielen auf. Die Inhalte der Spielorte werden gemeinsam mit den Kindern der Nachbarschaft und der Grundschule entwickelt. Angedacht ist ein Spielen in und mit den BĂ€umen: Auf dem alten GlockengerĂŒst geht‘s hoch hinaus in die Baumkronen, Sandspiele finden im lichten Schatten der Gehölze statt und die bestehende Klettermauer windet sich nun als Boulderwand um die BĂ€ume. SelbstverstĂ€ndlich bietet das Arboretum auch didaktische Aspekte, indem Kinder und Erwachsene die unterschiedlichsten BlĂŒten und BlĂ€tter kennenlernen können.

Schulsport

Die Objekte des Schulsports sind in das Konzept der Follies integriert. Die Laufbahn aus einem hellen, geschliffenen Asphalt umrundet den Ă€ußeren Rand der Plantage und erfĂŒllt damit gleich mehrere Funktionen. Sie ist, auch bei bei Regen und NĂ€sse, ein barrierefreier Lauf- und sicherer Hauptweg durch die Plantage. Die „verrĂŒckte Innenbahn“ umrundet die BĂ€ume. Der Kiosk bietet ausreichend Raum fĂŒr SportgerĂ€te und Schultaschen. Entlang des Rasensaals bietet eine Sitzkante selbstverstĂ€ndliche Gelegenheiten zum Zuschauen und Pausieren.



(3) Raum und AtmosphÀre

Die Plantage lebt von Kontrasten: Licht und Schatten, ‘starkes‘ RaumgerĂŒst und ‘leichte‘ Follies, Geschichte und neue NutzungsansprĂŒche. Die Einzigartigkeit des Ortes steigert sich mit Errichtung des Glockenturms der Garnisonkirche. Obwohl die Plantage ein ruhiger, auf sich bezogener Raum ist, öffnet sich der Rasensaal wie ein großes Fenster zum Turm. Die ideelle Verbindung zwischen Bauwerk und Platz wird auf anmutige Weise wieder hergestellt.

Gehölze

Angefangen beim frischen GrĂŒn im FrĂŒhling, der leichten BlĂŒte, das Licht- und Schattenspiel im Sommer bis hin zur majestĂ€tischen Farbenpracht im Herbst, bestimmen die BĂ€ume die AtmosphĂ€re des Ortes. Nach Außen als Lindenrahmen gefasst (Tilia tomentosa ,Brabant‘, ohne Honigtau-Absonderungen), entwickelt sich im Inneren ein Arboretum - ein Baumgarten, der als vielfĂ€ltige Kulisse den Rasensaal fasst. Eine grĂ¶ĂŸere Anzahl unterschiedlichster Arten gilt es zu erkunden. Der farbenprĂ€chtige Amberbaum (Liquidambar styraciflua) steht neben leichten SchnurbĂ€umen (Sophora japonica), NĂŒsse tragenden Baumhaseln (Corylus colurna), feinen Gingko- (Gingko biloba) und blĂŒhenden TulpenbĂ€umen (Liriodendron chinese).

MaterialitÀt

Die Plantage steht in Ihrer MaterialitĂ€t im Kontext der großen Potsdamer PlĂ€tzen. Die wassergebundene Wegedecke, in strapazierfĂ€higer Stabilizerbauweise, erstreckt sich durchgĂ€ngig ĂŒber den Platz. Mit feinem Textur- aber ohne Farbunterschied ergĂ€nzt sich die Laufbahn aus geschliffenem Asphalt. Der Rasensaal erhĂ€lt eine Einfassung aus Baubronze, die sich an der Ostseite zu einer 30cm hohen SitzflĂ€che aufkantet. Das Material altert angenehm mit und beginnt bei starker Reibung zu glĂ€nzen - auch eine kleine ‘VerrĂŒcktheit‘ des Platzes.

Mobiliar

Die Eleganz der Potsdamer Parks wird in Form des leichten und stilvollen Mobiliars interpretiert und in den Baumrahmen der Plantage integriert. Lang gestreckte GartenbĂ€nke aus Metall unterstĂŒtzen die stringente Form des Rasensaals und laden mit ihrer hohen RĂŒckenlehne zum angenehmen Aufenthalt ein. Die Fassade des Kiosk wird aus GrĂŒnden der Langlebigkeit und der optischen Einheitlichkeit ebenfalls aus Metall gestaltet. Die gewĂŒnschte Eleganz wird durch diese Materialwahl, besonders in der Lage unter dem Baumdach, auf lange Zeit erzielt. Locker gruppierte Schinkelleuchten erhellen den Raum unter den BĂ€umen und sorgen fĂŒr ausreichend Sicherheit.

KanalgÀrten

Die Sichtbarmachung des historischen Stadtkanals lehnt an die bereits begonnen Rekonstruktion entlang der Yorckstraße an. Die Lindenreihen werden fortgefĂŒhrt und das Kanalbett mit einer 70cm tiefen, prĂ€zisen Rasentopografie visualisiert. Im Sommer und Herbst blĂŒht eine extensive Staudenwiese im Kanal, die als Band auch in den bereits bestehenden Kanal fortgefĂŒhrt werden kann.

Beurteilung durch das Preisgericht

Den Verfassern gelingt es mit wenigen Elementen, einen besonderen Ort in der Mitte Potsdams zu erzeugen, der sich mit großer EigenstĂ€ndigkeit behauptet und sich zugleich selbstverstĂ€ndlich in den Kanon der historischen PlĂ€tze einordnen kann.

Neben der LennĂ©-Platane bleiben auch viele der sonstigen BestandsbĂ€ume erhalten und sind sinnvoll in die neue prĂ€gende Gestalt integriert. Die Linden werden zu einem ein- bzw. zweireihigen Rahmen ergĂ€nzt. Sie umspannen den sogenannten „Baumsalon“ aus frei angeordneten GroßbĂ€umen verschiedenster Baumarten. Diese markante Raumfigur schafft es unproblematisch, den Platz sowohl allseitig nach außen abzubilden als auch in alle Erschließungsrichtungen durchlĂ€ssig zu sein. Wie eine Lichtung formt sich im Kontrast die offene Mitte, der Rasensaal, als nutzungsoffener Raum.

Trotz einfacher Struktur weist der Entwurf eine hohe Dynamik im Tages- und Jahresgang auf. LaubfĂ€rbung, unterschiedlicher Baumhabitus und variierende Wuchshöhen, BlĂŒte und Duft sowie das wechselnde Licht- und Schattenspiel erzeugen differenzierte AtmosphĂ€ren.

Der Baumrahmen nimmt viele Nutzungsangebote fĂŒr Spiel, Sport und Aufenthalt sowie notwendige FahrradstĂ€nder auf. Hier erweist sich die Grundstruktur als flexibles GerĂŒst fĂŒr im Laufe der Zeit verĂ€nderbare Angebote und WĂŒnsche der Nutzer. Die im 1. BA geforderten Sportanlagen können im Baumrahmen nachgewiesen werden. Sogar das Kleinspielfeld – als einfache RasenflĂ€che ohne weitere Ausstattung – steht schon von Beginn an zur VerfĂŒgung.

Kontrovers wird in der Jury diskutiert, inwieweit die Dimensionierung des Baumrahmens bzw. der Rasenmitte sowie die dargestellte Baumdichte zu starker Verschattung gerade in den attraktiven Tageszeiten fĂŒhrt und damit letztlich Nutzung wie AttraktivitĂ€t einschrĂ€nkt. Die Perspektive tĂ€uscht hier bezĂŒglich der tatsĂ€chlichen Proportionen der Lichtung. Optimierungen in Baumauswahl, Dichteverteilung und exakter Abstimmung der Baumstandorte mit Nutzung, Exposition und Orientierung erscheinen unbedingt notwendig und möglich. Kritisch hinterfragt wird zudem die Einfassung des Rasens aus Baubronze.

Die Verlagerung des Trafos kann nicht ĂŒberzeugen und ist wahrscheinlich der vorgeschlagenen Kombination mit kleinem CafĂ© und WC und der damit gewĂŒnschten stĂ€rkeren PrĂ€senz am Platz geschuldet. Angesichts der Abstrahlung eines Trafos scheint jedoch eine Kombination mit Aufenthaltsorten ohnehin nicht wĂŒnschenswert.

Die Splittung in mehrere Bauabschnitte kann mit diesem Entwurf gut und ohne große Anpassungen gelingen. Auch ist er an die möglichen Entwicklungen im Bereich Garnisonkirche/Rechenzentrum sehr gut anschlussfĂ€hig.

Insgesamt kann das vorgeschlagene Konzept bereits weitreichend die vielfĂ€ltigen, in Teilen auch konkurrierenden Anforderungen und WĂŒnsche in eine ĂŒberzeugende und geradezu entspannt wirkende Gestalt zusammenbinden, voraussichtlich im gegebenen Kostenrahmen. Die Offenheit und mit ausreichender Offenheit fĂŒr zukĂŒnftige Entwicklungen und NutzerwĂŒnsche. Die Offenheit fĂŒr zukĂŒnftige Entwicklungen und NutzerwĂŒnsche wie auch der dauerhafte Unterhalt werden hinsichtlich des Aufwands und der Kosten kritisch diskutiert.