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Nichtoffener Wettbewerb | 08/2016

Sanierung und Erweiterung der Staats- und Stadtbibliothek

Perspektive Vorplatz von Süden

Perspektive Vorplatz von Süden

1. Preis

Preisgeld: 60.000 EUR

Max Dudler GmbH

Architektur

Hager Partner AG

Landschaftsarchitektur

Uniola AG

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Synthese aus Alt und Neu

Die Sanierung und Erweiterung der Staats- und Stadtbibliothek Augsburg birgt die Chance den historischen Bau durch die Neuformulierung qualitätvoller in den städtischen Kontext zu integrieren. Die neue Bibliothek soll zugleich die Qualitäten des bestehenden Hauses mit den heutigen und zukünftigen Ansprüchen eines Bibliotheksbaus verbinden.
Der Entwurf für die Erweiterung greift Gestaltmerkmale der Repräsentationsarchitekur des Bestandsgebäudes auf und überträgt diese in eine zeitgenössische Sprache von einfacher Eleganz. Alt und Neu ergänzen sich zu einem neuen Ganzen. Die Symmetrie und Achsialität der neubarocken Baufigur wird dabei gewissermaßen durch eine gespiegelte Kubatur verdoppelt, wobei das repräsentative Treppenhaus des Altbaus als verbindendes Element Neu- und Altbau erschließt. Die auf diese Weise neu enstehenden Blickbeziehungen geben Orientierung und verstricken die historische mit der modernen Architektur.

Städtebau und Architektur

Die Staats- und Stadtbibliothek Augsburg situiert sich mit weiteren repräsentativen Gebäuden wie dem Stadttheater und dem Justizpalast entlang des grünen Rings um die Kernstadt. Unser Entwurf folgt dem städtebaulichen Grundgedanken dieser Stadterweiterung und stärkt mit seiner kompakten Gebäudekubatur die Bibliothek als repräsentativen Solitärbau.
Anstelle des abzureißenden Lesesaalgebäudes wird der Bestandsbau rückwärtig durch einen Neubau ergänzt, der den symmetrischen Baukörper spiegelt und in seiner Form analog zu diesem ausgebildet ist. Alt- und Neubau bilden – auch durch die Einhaltung der Traufhöhe des Bestandes – eine einheitliche städtebauliche Figur, welche die Prägnanz und Sichtbarkeit der Bibliothek erhöht.
Durch die Verbindung des neuen und des historischen Gebäudeteils wird die städtebauliche Mittelachse in Richtung des Stadttheaters fortgesetzt. Zusätzlich zum repräsentativen, historischen Eingang wird der Neubau über einen dem historischen Entree achsial gegenüberliegenden barrierefreien Zugang erschlossen. Die historische Eingangssituation durch das Mittelrisalit wird somit erhalten und durch einen gleichwertigen einladenden Eingangsbereich von der Gutenbergstraße aus ergänzt. Der parkähnliche Platz neben dem Gebäude fungiert als Verteilerstelle zwischen den beiden Zugängen.
Unser Entwurf versteht das prunkvolle, historische Treppenhaus als Herzstück des gesamten Bibliotheksbaus. Es bildet den Durch- und Übergang zwischen Alt- und Neubau und akzentuiert – indem sie das Gebäude bei Betreten des Treppenhauses sogleich als Bibliothek sichtbar macht – die öffentliche Funktion des Gebäudes.
Es wird eine Qualität in der Verwebung zwischen Alt und Neu hergestellt, die durch die entstehenden Achsen und Blickbezüge erfahrbar gemacht wird. Aus dem Lesesaal fällt der Blick in die Bibliotheksinnenhöfe sowie auf die alten Magazinfenster, die eine Schauwirkung entfalten können. Der räumliche Aufbau des Bestandes wird sichtbar – dies führt zu einer stärkeren Ablesbarkeit und Aneigenbarkeit der Bibliothek für ihre Benutzer. Die Bibliothekshöfe stellen einen qualitätsvollen Grünraum zur Verfügung, in dem gelernt, diskutiert und entspannt werden kann.

Erschließung und Funktionalität

Durch die Öffnung des Mittelrisalits erhält das großzügige, historische Treppenhaus eine neue Aufmerksamkeit und dient als verbindendes Element von Alt und Neu. Der repräsentative, prunkvolle Eingang auf der nordöstlichen Seite wird selbstverständlich erhalten, zusätzlich erhält die Bibliothek auf der südwestlichen Seite einen neuen, barrierefreien Eingang.
Betritt man die Bibliothek durch den historischen Eingang erreicht man sogleich das zentrale Treppenhaus, das durch Sichtachsen sowohl zum Eingangsfoyer als auch zum öffentlichen Lesesaal im 1. Obergeschoss eine rasche und intuitive Orientierung durch die Bibliothek ermöglicht. Der neue Eingang führt direkt in das helle und geräumige Foyer wieder mit Infopoints und Plätzen zur Kurzrecherche. Im 1. OG des Erweiterungsbaus befindet sich der doppelgeschossige Lesesaal – darüber ist der Ausstellungsraum in Form einer verglasten Galerie angeordnet; auch der Veranstaltungssaal befindet sich im 2.OG als Abschluss der Raumfolge. Die Ordnung der bestehenden Bibliotheksräume wird weitgehend übernommen. So bleiben die Magazinflächen zu großen Teilen wie bisher im sanierten Altbau, weitere benötigte Magazinflächen sind im Untergeschoss des Neubaus organisiert. Die Wiederbelebung des Zentralen Treppenhauses als Vertikales Raumelement bindet nun endlich auch die Cimeliensääle an eine Bibliotheksöffentlichkeit an.

Fassade und Materialität

In der äusseren Erscheinung soll die Erweiterung ein schlichte aber dennoch feine, der Nutzung entsprechende Wahrnehmung erreichen, die wir als zeitlosen Hintergrund für die ornamentierten Reichtümer des Bestandsbaus sehen.Die Fassade aus Kunststeinelementen nimmt die Reliefstruktur des Bestandes auf. In ihrer Gliederung verweist sie auf die traditionelle Dreiteilung in Sockel, Schaft und Attika – mit dem Eingangsbereich, dem erhöhten Lesesaalgeschoss und dem durch lisenenartige Elemente betonten Gebäudeabschluss.

Beurteilung durch das Preisgericht

Es liegt eine städtebauliche Setzung vor, die Alt- und Neubau in einer Figur markant zusammenfasst. Dies entspricht der städtebaulichen Körnigkeit der Gesamtsituation, bestehend aus Theater, Gerichtsgebäude und Volksschule, die im Sinne einer begleitenden Bebauung entlang der ehemaligen Wallanlage in einem zusammenhängenden Grünraum eingefügt sind. Die städtebauliche Disposition entspricht in hohem Maße den funktionalen innenräumlichen Zuordnungen und bildet zwischen Alt- und Neubau zwei Innenhöfe und eine großzügige Verbindungszone in den verschiedenen Funktionsgeschossen an. Durch den neuen Anbau entstehen neue Westfassaden des Bestandsgebäudes zu den Innenhöfen, die mit vertretbaren Eingriffen in die historische Bausubstanz verbunden sind.

Die Erschließung erfolgt über zwei gleichberechtigte Eingänge von Ost und West, von denen einer – vom Westen her – barrierefrei ausgebildet ist. Zwischen Neubau und Maria-Theresia-Gymnasium ist ein campusartiger Vorplatz formuliert, der teilweise die Funktionen des ruhenden Verkehrs der Gutenbergstraße aufnimmt. Die Organisation der Funktionen Richtung Campus muss überdacht werden: Mit Blick auf das Portal der Schule muss der Wendekreis der Anlieferung Richtung Süden verschoben werden. Die vorgeschlagenen Erschließungen werden übersichtlich und klar dargestellt und heben dadurch die Funktionen hervor.

Ein Blick auf die funktionale Zuordnung der Räume ergibt, dass die Zonierung in öffentliche, halböffentliche und nicht öffentliche Bereiche nicht konsequent durchgeführt wird. Im Lesesaal wird die Zonierung zwar dargestellt, doch ist in dem Entwurf eine überwachende Einsichtnahme des Lesebereichs von der Lesesaaltheke aus nicht möglich. Hier wäre ein korrigierender Eingriff in den Standort der Theke notwendig. Die Versorgung über Aufzüge ist gewährleistet, aber die Anbindung an die bibliothekarischen Servicestellen ist nicht konsequent durchgeführt. Im Erdgeschoss des Bestandsgebäudes ist die Umnutzung großzügiger und hochwertiger Räume als kleinteilige Büroräume ebenso unverständlich wie unbefriedigend (s. vor allem den alten Lesesaal des 1893 bezogenen Gebäudes). Die vorgesehene Nutzung dieses Erdgeschosses ist insgesamt kritisch zu bewerten. Im Bestandsgebäude ist die Erhaltung der bestehenden Tragwerke hingegen positiv hervorzuheben. Die Cimeliensäle werden zwar durch die neue Funktionszuweisung des Treppenhauses angebunden, jedoch ebenso wie das Dachgeschoss im Entwurf nicht bearbeitet. Multifunktionsraum und Ausstellungsraum, der für den Publikumsverkehr nicht direkt erreichbar ist, können nicht unabhängig voneinander genutzt werden. Die Lage der Garderoben ist mit Betreten des Gebäudes von der Gutenbergstraße aus unbefriedigend. Die Belieferung und der Abtransport größerer Chargen aus dem Magazin im Untergeschoss des Neubaus ist nur über ein als Gang und Aufzug ausgebildetes Nadelöhr möglich. Die Reduktion der Magazinflächen um 4 % ist nicht hinnehmbar.

Das vorgeschlagene Baugefüge mit einem Untergeschoss im Neubau erscheint in der Erstellung und im Unterhalt wirtschaftlich.

Freianlagen: Der wertvolle Gehölzbestand wird weitgehend erhalten. Dabei kann die Anordnung der Stellplätze nicht überzeugen. Der südliche Vorplatz mit der Integration der Gutenbergstrasse lässt eine hohe Qualität bezüglich Orientierbarkeit und Aufenthalt erwarten.

Insgesamt ist die vorliegende Arbeit eine kompakte Definition der konsequenten Erweiterung der Bibliothek und bietet als robuster Entwurf vielfältige und verheißungsvolle Optionen, auch wenn die Zuordnung der Räume und der bibliothekarischen Funktionen weiterentwickelt werden müssen.

Denkmalfachliche Beurteilung
Der Erweiterungsbau fügt sich in das städtebauliche Gefüge des historischen Stadtquartiers ein und ist aus denkmalfachlich-städtebaulicher Sicht zustimmungsfähig, die Abtrennung der seitlichen Höfe durch an das Baudenkmal anschließende Mauern wird problematisch gesehen, die Dominanz des Baudenkmals wird dadurch über das nötige Maß hinaus geschwächt. Nicht zustimmungsfähig wäre der vollständige Abbruch des rückwärtigen Mittelrisalites, ein historischer Bau von epochemachender Bedeutung würde dadurch substanziell und in seiner Erscheinung maßgeblich geschwächt. Gleiches gilt für die nennenswerten Eingriffe in Grundrisse und Ausstattung des Baudenkmals, insbesondere im Erdgeschoss. Die historisch überlieferte Unterscheidung in Magazinbereich mit sichtbarem Stützensystem und für das Publikum zugängliche Bereiche mit verputztem Tragsystem müsste unbedingt beibehalten werden.
Perspektive Lesesaal

Perspektive Lesesaal