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Nichtoffener Wettbewerb | 08/2016

Sanierung und Erweiterung der Staats- und Stadtbibliothek

Staats-und Stadtbibliothek Augsburg, Situation Gutenbergstraße

Staats-und Stadtbibliothek Augsburg, Situation Gutenbergstraße

Anerkennung

Preisgeld: 15.000 EUR

Gerber Architekten GmbH

Architektur

OSD GmbH

Bauphysik, Tragwerksplanung

wup Modellbau Wiens + Partner GmbH

Modellbau

Erläuterungstext

Städtebau
Das Grundstück der Staats- und Stadtbibliothek ist zentral in der Stadt Augsburg gelegen. Es ist Teil der im Jahr 1860 angeschobenen Stadtentwicklungsmaßnahme, die im Wesentlichen die Schleifung der mittelalterlichen Wallanlage vorsah und an deren Stelle Grünanlagen sowie prächtige Kulturbauten rückten. In unmittelbarer Nähe zu dem 1892 errichteten Bibliotheksgebäude befinden sich der Justizpalast und das Stadttheater, die ebenfalls Ende des 19. Jh. erbaut wurden. Zusammen mit dem Maria-Theresia-Gymnasium in der Gutenbergstraße auf der Südseite der Bibliothek, entstand ein Ensemble aus repräsentativen Kulturbauten rund um die Schaetzlerstraße das bis heute deutlich wahrnehm- und erlebbar ist. Zudem wurde durch die axiale Ausrichtung des Bibliotheksgebäudes zu der in nordöstlicher Richtung gelegenen Fürstbischöflichen Residenz ein weiterer stadträumlicher Bezug geschaffen.
Aus den beiden Gegebenheiten »Historische Ensemble« und »Axiale Ausrichtung« leitet sich die städtebauliche Setzung des neuen Erweiterungsbaus ab: In der Flucht des Bestandgebäudes wird ein zweigeschossiger Baukörper ergänzt, der sich bewusst in den bestehenden Achsbezug setzt. So wird einerseits das bestehende Ensemble gestärkt, da der städtebauliche Baustein »Bibliothek« in seiner Grundausrichtung lediglich erweitert statt verändert wird. Andererseits wird in der bestehenden Achse ein Pendant zum ursprünglichen Eingang zu schaffen, der diesem in seiner Qualität ebenbürtig ist, ohne den Bestand zu schwächen und zudem den heutigen Anforderungen der Barrierefreiheit gerecht werden kann.

Gebäude
Das vorgeschlagene Sanierungs- und Erweiterungskonzept sieht einerseits eine behutsame Sanierung des Bestandsbaus vor, die durch minimale Eingriffe in der weitestgehend denkmalgeschützten Struktur erfolgen sollen und andererseits den Anbau eines Lesesaals mit Foyer und Magazinfläche in Richtung Süden, der sich aus der baulichen Struktur, der Symmetrie, der Proportion und der Geometrie des Bestandsbaus ableitet.
Konzeptionell wird die Geschossdecke zwischen erstem Untergeschoss und Erdgeschoss des Bestandbaus „herausgezogen“ und als imaginäre Spiegelachse definiert. Der Entwurf bedient sich somit der vorgefundenen Symmetrie aus dem Bestand und aktiviert diese für den Neubau. Konkret entsteht ca. ein Meter unter der bestehenden Geländehöhe, auf Niveau des ersten Untergeschosses des Bestandsbaus, eine Verbindungsebene, die Neu und Alt barrierefrei miteinander verknüpft. Hier finden sich im Neubau der neue Eingang, sowie Foyer und der Veranstaltungsraum. Im Altbau befinden sich hier Verwaltung, Forschung und Werkstätten, sowie der Aufgang zur Ausstellungsfläche im Altbau für Besucher*innen.
Im ersten Obergeschoss befindet sich der prominente Lesesaal mit Freihandbereich im Neubau. Im Altbau finden sich hier ebenfalls Büros sowie der historische Lesesaal mit Ausstellungsbereich. Darüber (Altbau) bzw. darunter (Neubau) sind die Magazinflächen angeordnet, die ausschließlich von Mitarbeiter*innen betreten werden können. Die Anordnung der neuen Magazinflächen in den Untergeschossen folgt einerseits dem konzeptionellen Gedanken Spiegelung und schützt rein funktional die wertvollen Buchbestände vor Tageslicht.
Eine zentrale Funktion kommt dem Verbindungbau zwischen Neu und Alt zu: Als Ausstellungsfläche über zwei Ebenen werden hier die Cimeliensäle des Bestandsbaus neu interpretiert und macht so das Raumgefühl ebendieser Räume, die an sich nur in geführten Kleingruppen zu erreichen sind, für den Publikumsverkehr erlebbar. Die neue Ausstellungsfläche kommt den Anforderungen des Auslobers nach, in Zukunft Wechselausstellungen prominent inszenieren zu können und Besurcher*innen die wertvollen Bücherbestände zugänglich zu machen.
Veranstaltungsflächen finden sie im Erdgeschoss des Neubaus. Es wird einerseits eine separate, zurückgezogene Zone mit angegliederter Küche angeboten, andererseits kann das großzügige Foyer auch für größere Veranstaltungen herangezogen werden. Der offene Grundriss des Lesesaals ermöglicht auch hier eine flexible Nutzung. Die Möblierung kann ohne weiteres zur Seite geräumt werden um den Raum anderweitig nutzen zu können.

Freiraum & Campus
Das Ensemble, bestehend aus historischem Altbau und neuem Lesesaal, fügt sich als solitärer Baukörper in den grünen Ring der städtischen Wallanlagen ein. Der wertvolle Baumbestand wird nahezu vollständig erhalten und damit der ursprüngliche Charakter des Parks gestärkt.
Die leicht veränderte Wegeführung nimmt den ursprünglichen Zustand der Parkanlage aus dem späten 19. Jahrhundert auf, dabei werden Materialien farblich auf den historischen Baukörper abgestimmt. Schlichte aber elegante Sitzbänke wie auch die großzügige Stufenanlage des südöstlichen Eingangs bringen moderne Elemente in den Park und betonen die Gebäudeachse. Hier entsteht ein von langen Bänken gerahmter Platz, der als Campus fungiert und sowohl für die Mitarbeiter und Besucher der Bibliothek als auch von Schülern und Lehrern während der Pausen genutzt werden kann.
Zwischen Alt- und Neubau ergeben sich zu den Seiten des Cimeliensaals zwei kleine Höfe, in denen jeweils eine polierte Steinfläche die begehbare Glasvitrine spiegelt und damit Innenraum und Park miteinander verknüpft. So wird die beleuchtete Vitrine auch vom Park aus zur Skulptur und zum besonderen Herzstück des neuen Bibliothekskomplexes. Das Thema der »Schatzkammer« wir dadurch in besonderem Maße aufgegriffen und auch im öffentlichen Raum ablesbar ohne sich zu sehr aufzudrängen.
Die Gutenbergstraße dient weiter als Erschließung, wobei die Platzfläche sich durch ein hochwertiges Material von der Straße samt Stellplätzen abgrenzt. Hier werden zusätzliche Fahrradstellplätze geschaffen, die auch von Schülern genutzt werden können. Die jetzige Interimslösung des Zauns als Fahrradstellplatz entfällt dementsprechend. Die Anlieferung, sowie alle notwendigen Stellplätze werden ebenfalls über die Gutenbergstraße angebunden.
Entlang der Hauptfassade des Altbaus werden die Rasen-Parterres durch Staudenpflanzungen aufgewertet, die neben den Magnolien für jahreszeitliche Abwechslung entlang der Schaetzlerstraße sorgen.

Materialität
Die absolute Reduktion auf Betonflächen, geschliffenen Estrich und Glas im Inneren des Neubaus, ermöglicht die Inszenierung signifikanter Bauteile durch minimalistische Gesten wie beispielsweise punktuell eingesetzte Holzoberflächen im Bereich des Tresens oder der Sitzstufen im Foyer.
Im Außenraum zeigt sich das Gebäude ebenfalls minimalistisch. Die Ganzglasfassade zieht sich im gleichbleibenden Rhythmus, der sich aus dem Konstruktionsraster des Bestandes ableitet, um den Neubau. Durch hochreflektierendes Metallgewebe im Scheibenzwischenraum erscheint der Baukörper zunächst als opakes Gebilde, das seine Umgebung reflektiert (Parkanlage, historische Fassade) und gleichzeitig den geforderten Energiestandarts in höchstem Maße gerecht wird. Auf den zweiten Blick lassen sich allerdings auch dahinterliegende Ebenen schemenhaft erkennen. Das kommt besonders auf dem Vorplatz zum Tragen, da Besucher und Passanten einerseits das Innenleben des Neubaus als auch die Bestandsfassade wie durch einen Schleier wahrnehmen können.
Dieser Minimalismus und die Beschränkung auf das absolut Notwendige (rohe Oberflächen, wenig Wände, kaum Türen, reduzierte Fassade etc.) erzeugen eine der Aufgabe angemessene Architektur und werden zudem der geforderten Kosteneffizenz gerecht.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Bestandsbau der Staats- und Stadtbibliothek Augsburg ist in dem vorliegenden Entwurf ergänzt um einen zweigeschossigen Baukörper, der direkt an das Gebäude angebunden ist und um eine imaginäre Spiegelachse durch drei Tiefgeschosse ergänzt wird. Die Arbeit überzeugt durch den Ansatz, in der Hauptachse des Bestandsbaus einen gleich breiten, aber deutlich niedrigeren Baukörper anzuschließen. Die reduzierte Fassadengestaltung des Zubaus hält sich gegenüber der klassizistischen Fassade des Bibliotheksbaus zurück. Die Erweiterungsfläche beträgt insgesamt ca. 40%.

Der nahezu vollständige Erhalt des raumbildenden Großgrüns wird positiv bewertet. Die Anordnung der Stellplätze kann dabei nicht vollständig überzeugen.

Die barrierefreie Anbindung des Neubaus an den Geländeverlauf und die Geschosshöhen des Bestandes sind glaubwürdig nachgewiesen. Sympathisch ist die Anbindung des südlichen Eingangs mit Rampe und Sitztreppe an der Gutenbergstraße. Es entsteht eine sehr ansprechende öffentliche Freifläche, die eine Campussituation zur gegenüberliegenden Schule herstellt. Kritisch zu betrachten ist jedoch die geplante Anlieferung, die als ungeschützte Hebebühne ausgeführt ist. Weder die oberirdische Anbindung an die Zufahrt noch die Anbindung der Poststelle im UG sind überzeugend ausgearbeitet. Hier finden sich zu schmale Tür- und Flurbreiten und verwinkelte Erschließungswege.

Der oberirdisch gelegene Teil des Neubaus ist durch eine Ganzglasfassade mit hochreflektierendem Metallgewebe überzogen, das sich sodann auch wieder im Bestandsbau bei der Ertüchtigung der Fensterflächen findet. Der Einsatz von Metallgewebe zur Verschattung von Neubau- und Altbaufassaden bietet keine differenzierte Reaktion auf die Anforderungen der Energieeffizienz und die Behaglichkeit der Nutzer. Sämtliche Fensterflächen sind gleich behandelt. Die Steuerbarkeit fehlt.

Auf den ersten Blick erscheint die Gliederung der verschiedenen Funktionsflächen klar und übersichtlich. Dennoch wären in dem Entwurf verschiedene Funktionszusammenhänge zu überarbeiten. Es fehlen Aussagen zur Zonierung in öffentliche und kontrollierte Bibliotheksbereiche.

Unklar ist im Eingangsbereich die Situierung der Ortsleihe noch vor den Garderobenbereichen. Es ist auch nicht ersichtlich, an welcher Stelle der öffentliche, zu sichernde Bereich einsetzt.

Zu hinterfragen ist schließlich nicht nur die Duplizierung, sondern die dreifache Anordnung der Ausstellungsflächen. Zum einen werden die Cimeliensäle im Bestandsbau nachgewiesen (der zweite mit einem Luftraum), zum zweiten erfahren sie eine neue, moderne Interpretation im Verbindungsbau. Eine dritte Ausstellungsmöglichkeit besteht im Bestandsbau im 1. Obergeschoss.

Im Bestandsbau ist die Technik unter dem Dach untergebracht, die Deckenauslastung mit 11,5kN und nicht 15kN sollten im Bestandsbau nochmals geprüft werden.
Die Teilunterkellerung im 3. UG führt zu einem erheblichen konstruktiven Mehraufwand. Insgesamt ist die Erstellung der unterirdischen Kubatur als großer wirtschaftlicher Aufwand zu bewerten, dem kein entsprechender Mehrwert gegenübersteht.
Weder im Neubau noch im Altbau wird eine herausragende räumliche Qualität erreicht. Die geplante Ganzglasfassade ist aufwändig in der Herstellung und im Unterhalt.

Insgesamt handelt es sich um einen interessanten und in seiner Erscheinung angemessenen Vorschlag, der jedoch in mehreren Punkten nicht ausreichend ausgearbeitet ist.

Denkmalfachliche Beurteilung
Der Entwurf ist eine aus denkmalfachlich-städtebaulicher Sicht befriedigende Lösung. Eingriffe in die überkommene historische Bausubstanz des Baudenkmals sind vor allem im Erdgeschoss vorgesehen, hier wäre aus denkmalfachlicher Sicht nennenswerte Überarbeitungen erforderlich. Abbrüche von historischer Bausubstanz wären dabei so weit wie möglich zu reduzieren (u.a. Erhalt des historischen Lesesaals). Die Ertüchtigung der historischen Fenster wäre ohne Veränderung des überkommenen Erscheinungsbildes vorzunehmen und könnte in der dargestellten Form (Einbau von Metallgewebe) nicht die Zustimmung des Landesamtes finden.
Visualisierung

Visualisierung

Staats-und Stadtbibliothek Augsburg, Erdgeschoss

Staats-und Stadtbibliothek Augsburg, Erdgeschoss

Staats-und Stadtbibliothek Augsburg, Ansicht West

Staats-und Stadtbibliothek Augsburg, Ansicht West

Staats-und Stadtbibliothek Augsburg, Schnitt C-C

Staats-und Stadtbibliothek Augsburg, Schnitt C-C

Staats-und Stadtbibliothek Augsburg, Lageplan

Staats-und Stadtbibliothek Augsburg, Lageplan

Staats-und Stadtbibliothek Augsburg, Piktogramm Schnittperspektive

Staats-und Stadtbibliothek Augsburg, Piktogramm Schnittperspektive