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Einladungswettbewerb | 03/2016

Studienauftrag Industrieplatz Ost

Projekt Offene Mitte in Neuhausen am Rheinfall

Projekt Offene Mitte in Neuhausen am Rheinfall

Offene Mitte

1. Rang

Dachtler Partner AG l Architekten

Architektur

Andreas Geser Landschaftsarchitekten AG

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Situation und Analyse

Die Stadtstruktur von Neuhausen ist durch aneinander gewachsene, kleinteilige Stadthäuser und grossformatige, industrielle Solitärbauten geprägt. Diese ungleichen Strukturen treffen (in unmittelbarer Nähe zum Rheinfall) auf einen der ältesten Stadtblöcke Neuhausens zusammen. Diese Gegebenheiten am Betrachtungsperimeter machen diesen zu einem vielseitig beeinflussten Element im städtischen Gefüge.

Unmittelbar am städtischen Block befindet sich der Industrieplatz, von dem der Rheinfall fussläufig zu erreichen ist. Ebenfalls dient dieser Freiraum dem SIG-Areal als Hauptzugang. Nördlich wird der Block von der lebhaften Zentralstrasse gestreift, an der sich zahlreiche Einzelhändler aufreihen, während von Osten die Rheingoldstrasse auf den Block trifft.

Aufgrund der zahlreichen ungleichen Einflüsse auf die Parzellen, ist die bestehende Bebauung unverhältnismässig statisch, wenig einladend und reagiert weder auf die städtische Körnung, noch auf die Anbindung von SIG-Areal, Zentralstrasse und dem Rheinfall. Vor allem leidet die städtebauliche Durchlässigkeit an diesem Kernpunkt, da nicht zwischen den einzelnen Elementen vermittelt wird. Dies wird umso deutlicher, betrachtet man die gelungenere öffentliche Zugänglichkeit des nördlichen Blockes zwischen Zentral- und Willensstrasse.


Offene Mitte

Der städtische Block wird als fundamentaler Bestandteil des Neuhausener Stadtensembles verstanden. Bezugnehmend auf die unterschiedlichen umgebenden Nachbarn, öffnet sich das Stadtgeviert den Bewohnern Neuhausens und den Besuchern. Nahtlos gliedert es sich in das Weggefüge des Ortes ein und wird identifikationsstiftender Bestandteil des städtischen Neuhausens.

Der Block wird als durchgängiger, öffentlicher Stadtboden gedacht, so dass die für den Ort unerwünschte Trennung im öffentlichen Strassenraum aufgelöst wird. Das öffentliche Erdgeschoss und der nun offen zugängliche Freiraum vermitteln zusammen mit den fünf umlaufend öffentlichen Baukörpern in ihrer Körnung zwischen dem kleinteiligen Norden und dem industriell geprägtem Solitären. Die fünf Körper gliedern das Areal und laden zum Erkunden und Verweilen im Zwischenraum ein. Zu allen Seiten werden Eingänge kreiert und neue Wegbeziehungen geschaffen, so dass sich die bisherige Zäsur zwischen Zentralstrasse und Industrieplatz aufhebt. Neben der sozialräumlichen Einbindung zeugt auch der Städtebau von einer klaren Urbanität. Die fünf Baukörper des Betrachtungsperimeters steigern sich Richtung Süden bis zu einer Höhe von vierzig Metern. Die Freiformkubatur ermöglichen ein sehr situatives Reagieren auf die örtlichen Gegebenheiten und verleihen den Hochhäusern je nach Perspektive einen optischen Reiz.


Freiraum

Die Umgebungsgestaltung des Industrieplatzes Ost entwickelt sich aus der vorgefundenen landschaftlichen und typologischen Situation des Ortes im Zusammenspiel mit den entstehenden baulichen Maßnahmen. Die konzeptionelle Ausformulierung als neues, attraktives Bindeglied im städtebaulichen Kontext bewirkt eine qualitative Erweiterung des Stadt- und Landschaftsraumes. Dabei wird der Entwurf erkennbar verortet und nachhaltig in sein Umfeld integriert.
Das direkte Umfeld der Neubebauung erfährt durch die architektonischen Massnahmen eine sinnvolle Durchlässigkeit und Vernetzung im städtebaulichen Kontext. Das Areal öffnet sich dadurch und wird transparenter gegenüber der Öffentlichkeit. Durch die landschaftsarchitektonische Gestaltung der Zwischenräume entsteht vielfältig nutzbare und wertvolle Freifläche, die attraktive städtische Räume mit hoher Aufenthaltsqualität erzeugt.
Die Aufweitungen der Gebäudekörper werden als platzartige Situationen definiert. Sie beinhalten die Eingangsbereiche zu den Gebäuden und öffentlichen Einrichtungen und generieren spannende und funktionale Zwischenräume im Gefüge. Diese räumlichen Situationen sind durch wiederkehrende Elemente wie Materialität, Baumgruppen und Brunnen gegliedert, welche ihre Fortsetzung in der geplanten Entwicklung des angrenzenden Industrieplatzes und SIG Areals finden.
Die Bäume innerhalb der chaussierten Flächen sind in einer freien, hainartigen Struktur angeordnet. Diese gestalten und definieren die Platzsituationen im Bearbeitungsgebiet ohne eine Durchlässigkeit der Fussgängerverbindungen zu behindern. Die Baumgruppen bilden ein Pendant zu den einzeln platzierten Strassenbäumen im Ortskern. Das Element der Strassenbäume wird entlang der Industriestrasse und Weinbergstrasse bis hin zur Laufengasse fortgeführt.
Durch einen fortlaufenden Belag und Materialisierung werden einerseits die Bereiche der Industrieplätze optisch und räumlich verbunden und als zusammenhängendes Areal gelesen. Ebenso wird das Stadtzentrum und die Gemeinde Neuhausen besser mit dem Rheinfall verknüpft. Die Industrieplätze, als zentraler Ankunftspunkt des Schienen und Busverkehrs, dienen als öffentliche Begegnungszone und erfahren durch die Belagswahl eine hohe identifikationsbildende Wirkung und Aufenthaltsqualität.


Aktivierung des öffentlichen Raums

Eine Aufwertung der Situation wird durch ein vielfältig belebtes Erdgeschoss erzielt. Die Konzentration der Gastronomie mit einem Caféverkauf, einem Weinhandel und einem Restaurant aktiviert den öffentlichen Raum zum Platz. Weitere Belebung ergibt das zweiseitig ausgerichtete Restaurant, eine Apotheke, sowie der Eingang zum Detailhandel am untern Treppenlauf. Vervollständigt wird das Strassenbild der Lindenstrasse durch Erschliessungszugänge zum oberen Gewerbe und den Wohnungen. Primär ist die Adressbildung des Gewerbes zur Strasse ausgerichtet, während die Wohnungen vom Blockinneren erschlossen werden.
Dort orientieren sich die gut umlaufenden Ladenflächen zu den neu gebildeten Freiräumen. Dem Café wird auf dieser Ebene Platz für eine weitläufige Aussenbestuhlung angeboten. Die Büroflächen sind auf beide Hochhäuser verteilt und befinden sich im Split-Level, orientiert zur Lindenstrasse. Ein grossräumiges Büro mit allseitiger Umschliessung bietet die Flexibilität um in kleinere Einheiten aufgeteilt zu werden. Die Anlieferung für den Detailhandel findet seitlich diskret von der Lindenstrasse statt. Von dort werden auch die unteren Parkplatzebenen bequem erschlossen.


Wohnraum

Die 86 Wohnungen sind auf die oberen Geschosse der beiden Hochhäuser verteilt und sind durch eine durchdachte Anordnung und Gestaltung geprägt. Die städtebauliche Ausrichtung der beiden Hochhäuser und die damit verbundene Verschränkung der beiden Baukörper führt in den Wohnetagen zu minimalen Einsichten, während grosszügige Panormaausblicke gewährleistet werden. Der Weitblick wird durch die zweiseitige Ausrichtung der Wohnungen verstärkt. Die Wohnungen werden vom Kern über ein kompaktes Entrée erschlossen, von dem mehrheitlich Nasszellen und Reduits erreicht werden. Die gross dimensionierten Wohn-Ess-Bereiche erstrecken sich um die eingesteckten Loggien, wodurch der Wohnraum optimal gegliedert, sowie überdurchschnittlich gut belichtet wird. Je nach Position sind die Eckloggien ebenfalls mehrfach ausgerichtet. Die stringente, vertikale Anordnung der Wohnungsgrundrisse zieht sich über alle Wohngeschosse, wodurch eine hohe Effizienz erreicht wird. Der Wohnungsspiegel wird durch die Verteilung der 2 ½ – 4 ½ Wohnungen in den beiden Wohntürmen eingehalten.


Fassade und Erscheinung

Die Gebäude sind durch eine einheitliche, fein gegliederte Fassade gekennzeichnet. Die Erscheinung der Gebäude basiert auf einem unausgerichteten und rhythmisierten Fassadenraster, welches flexibel auf die unterschiedlichen Nutzungen reagiert. Kräftige, stehende und liegende Betonbänder trennen die Geschosse und Nutzungen. Dadurch werden sie ohne weiteres ablesbar. Die Loggien werden wie selbstverständlich integriert und ermöglichen eine passgenaue Setzung der Öffnungen. Im Sockel erfolgt eine selbstverständliche Gliederung der Laden- und Büronutzungen. Auch wird der, durch den Höhenunterschied entstehende Versatz der Geschosse wie selbstverständlich aufgenommen. Je nach Programm sind die Öffnungen großzügig gestaltet und geben den Innenräumen genügend Tageslicht.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die durchlässigen Baukörper werden als öffentliches Geviert mit städtischen Charakter angelegt, mit Zugängen und kleinen baumbestandenen Plätzen sowie einem durchgängigen Stadtboden, der eine hohe Durchlässigkeit zu schaffen vermag und der Bebauung zu allen Seiten ein Gesicht verleiht. Vom Industrieplatz her bietet sich eine attraktive Perspektive, durch welche sich die Tiefe des Areals erfassen lässt.

Das anschlussfähige Freiraumgeflecht ist auf zwei Ebenen angeordnet, mit kleinteiligen Zwischenräumen und der inneren Aufweitung einer mittigen Hauptgasse. Es weist eine sehr gute Durchwegung auf und eröffnet grosse Potenziale für weitere Entwicklungen auf den angren-zenden Parzellen, die wiederum einen Anschluss an die Zentralstrasse erlauben. Die Anordnung des Hochpunkts direkt am Industrieplatz schafft eine schön gefasste Platzsituation. Das Beurteilungsgremium ist aber der Meinung, dass die ausgewiesene Höhe von 40 m zu tief gewählt ist, und das Gebäude aus städtebaulicher Sicht um ein Geschoss erhöht werden sollte. Der Industrieplatz wird folgerichtig als eigenständige Platzfigur behandelt, die im Dialog mit den umgebenden Bauten steht und durch eine Bauminsel mit Brunnen akzentuiert wird.

Die direkt am Industrieplatz selbstverständlich gesetzten Volumen überzeugen, ohne dabei eine Hierarchie herzustellen. Die Ausrichtung der Fassaden schafft eine eindeutig gefasste Platzsituation. Der respektvolle Abstand zu den Nachbargebäuden zeigt einen sensiblen Umgang mit der benachbarten Bestandsbebauung. Der Umgang mit dem grossvolumigen SIG Bestandsgebäude überzeugt, da durch die Abdrehung des Neubaus ein direktes Vis-à-vis vermieden wird. Die Profilierung der Gebäude, bei der auch geschlossene Teile zurückgesetzt werden, erzeugt eine freundliche Gesamtwirkung des Ensembles. Das Sockelgeschoss nimmt die am Standort vorhandene Topografie auf. Es schafft einen Dialog zwischen den verschiedenen Nutzungen, welche in den unteren und oberen Geschossen verortet sind. Die Ausgestaltung der Fassade definiert zusätzlich zur städtebaulichen Setzung den Industrieplatz räumlich. Die klar strukturierte Fassade zeigt eine funktionelle Zonierung und wird durch die klare Struktur gleichzeitig als Einheit gelesen.

Aus Sicht der Nutzenden überzeugt die stimmige Adressbildung des Projekts. So wird die heute funktionierende Adressierung der Läden beibehalten und für die Wohnnutzung eine zusätzliche, klare Adresse geschaffen. Die entworfenen Wohnungsgrundrisse zeigen eine hohe Variabilität für Wohnungstypen und reagieren ausserordentlich gut auf die vorhandene Situation. Durch die leichte Abschrägung der Gebäudevolumen werden Wohnungen in hoher Qualität und mit einem guten Bezug zum Umfeld geschaffen.

Die Anordnung der Baukörper schafft in der Mitte einen öffentlichen Ort in Anlehnung an das Dorfzentrum Neuhausens. Einen Widerspruch sieht das Beurteilungsgremium in der Durchlässigkeit im Zusammenhang mit den in dieser Grösse vermeidbaren Treppenanlagen im Aussenraum. Die Überbrückung der Niveauunterschiede mittels Treppenanlagen steht den heutigen Anforderungen und dem Zeitgeist entgegen. Positiv beurteilt wird hingegen die Zusammenlegung der Einfahrt in die Tiefgarage mit der Anlieferung, die so die verkehrlich kritischen Situationen im Stadtraum zu reduzieren vermag. Ob die Anlieferung verkehrsplanerischen Anforderungen genügt, ist noch vertieft zu prüfen.