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Mehrfachbeauftragung | 06/2016

Neubau Bahnhofsgebäude

1. Rang

Architekturbüro Josef Prinz BDA

Architektur

Anno 11 Architekturprojekte

Architektur

Lintig + Sengewald

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Städtebauliches Konzept, Kontext zur Umgebung
Die Seetorquerung in Verlängerung der Achse Rathaus-Kirche-Seetorplatz – See bietet für die Stadt Radolfzell mit den deutlich verbesserten Bezügen zum Bodensee einen sehr wesentlichen Bestandteil im Gesamtkonzept für die Weiterentwicklung der Innenstadt von Radolfzell. Für die Umsetzung der Zielsetzungen für das neue Bahnhofsgebäude mit dem integrierten Gebäudebestand bieten die bereits erbrachten Planungen für die Seetorquerung und für das neue Gebäude bereits sehr gute, tragfähige Grundlagen, die es ggf. noch zu festigen und die es in Teilbereichen zu steigern gilt.

Die Gebäudeform der Vorstudie wird weitgehend übernommen. Im Grundriss wird die Gebäudestruktur geringfügig abgeändert, mit dem Ziel zum einen um räumlich klare, ablesbare, rechtwinkligen Freiräumen zu erreichen, zum anderen um dem Altbau eine bessere gestalterische Bindung zum Neubau zu ermöglichen. Ziel ist, nach Realisierung der Sanierung des Altbaus ein ganzes Neues, begründet und fundiert auf dem Bestehenden, zu erreichen. Weiter wird der Haupteingangsbereich durch die größere Vordachzone zusätzlich betont und somit deutlich ablesbar.

Städtebaulich soll das neue Gebäude an der „Ecke“ präsent sein, sich dann aber in der Dachform in weichen Linien zu See hin abstufen…Das Gebäude wird demnach an der Friederich-Weber-Straße überhöht vorgeschlagen um die notwendige städtebauliche Präsenz zu erreichen. Der Bestand wird über die einheitliche Attikahöhe zum See in die gesamte Gebäudestruktur eingebunden.

Als Fassadenmaterial wird unregelmäßig gebrannter, violett bräunlicher Ziegelstein im Normalformat vorgeschlagen. Die Ziegelfassaden des Altbaus und mehreren weiteren Gebäuden im Bahnhofsareal werden als verbindliches Thema aufgenommen, die Gebäude aus den verschiedenen Entstehungsjahren sollen als ein fein differenziertes, stimmiges und wertiges Ganzes wahrgenommen werden, ohne dass sich der Neubau trotz der städtebaulicher Sonderstellung zu sehr in den Vordergrund drängen sollte.

Das umlaufende neue Band der Ziegelfasse wird im Erdgeschoss gemäß den unterschiedlichen Anforderungen an die Fassaden mit Glas- Aluminium Fassaden oder im Bereich der geschlossenen Wandflächen mit lackierten Aluminiumleisten bekleidet.

Im Innenraum soll die Möglichkeit, die unterschiedlichen Dachhöhen erlebbar zu machen, durch große Oberlichter genutzt werden. Der Entwurf erhält eine Verknüpfung der städtebaulichen Außenform mit einem gesteigerten Raumerlebnis im Innenraum. Das Dach wird als „5.Fassade“ wahrgenommen.

Konstruktion / Materialien
Das Gebäude wird in konstruktiven klaren Grundzügen in Massivbauweise entstehen. Die tragenden Wände und Stützen in Stahlbeton, die Decken mit wirtschaftlichen Spannweiten bei Bedarf als Hohlkörperdecken. Die Glas-Aluminium Fassade ist nichttragend, dahinterliegend können Stahlprofile die Deckenscheibe tragen.

Freianlagen
Bahnhofsgebäude und Seetorpassage liegen zwischen Stadt und See in einem Sonderbereich, der vom Durchgangsverkehr geprägt wird. Bahn und Busbahnhof dominieren mit ihren Funktionsflächen den Ort.
Die in der Seetorstraße gepflanzten und am Seeufer selbst sehr eindrucksvollen schirmförmigen Platanen werden als verbindendes Element zwischen Stadt und See verstärkt. Als Zeugen unterschiedlicher Epochen, Eingriffe und Maßnahmen in Stadtraum und Landschaft unterscheiden sie sich in Größe und Erscheinung - und bilden doch ein ablesbares verbindendes Element zwischen Stadt und See. Die äußerst robuste Platane ist sehr unterschiedlichen, auch unwirtlichen Standortbedingungen gewachsen.
Die Seetorpassage wird in ihrer geplanten Form und Dimension übernommen.
Unmittelbar an das neue Bahnhofsgebäude angrenzende Flächen werden mit einem Asphaltbelag versehen, die Terrassen als Holzdecks ausgeführt. Weitere Flächen werden in Anlehnung an das Thema der Bahn als Splittflächen angelegt mit flachen Teppichen aus hitze- und trockenheitstoleranten Stauden und Kleinsträuchern (z.B. Thymian, Lavendel, Schafgabe u.a.).
Solitärgräser in Trögen aus Cortenstahl schirmen die Flächen der südlichen und nördlichen Außengastronomie von den Bahnsteigbereichen und vom Straßenraum ab.
Zum nördlichen Straßenraum ist dem neuem Gebäude ein großzügiger Bereich für die fußläufige Erschließung vorgelagert. Fahrradstellplätze und sonstige kleinere Einbauten sind hier vorstellbar.
In Verlängerung der Seetorpassage erfolgt die Querung der Friedrich-Werber-Straße mit einer breiten barrierefreien Furt. Sofern aus verkehrsplanerischer Sicht möglich, könnte der Belag der Seetorpassage im Fahrbahnbereich fortgeführt, der Übergang mit einer Bedarfsampel gesichert werden.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Verfasser wählt einen eingeschossigen Lösungsansatz und weist dem zentralen Gebäude durch die Überhöhung der Dachform in Richtung Stadtmitte eine angemessene, akzentuierende städtebauliche Bedeutung zu. Die Nordfassade des Neubaus korrespondiert mit der gegenüberliegenden Bestandsbebauung.

Die gewählte Grundrissorganisation sowie die Dachform betonen die Öffnung des Gebäudes nach Westen zur Seetorquerung. Der Fußgänger, der Besucher wird zur Unterführung, zum See geleitet. Die Lage der Gastronomie im Süden (Backshop) wird begrüßt und bezieht den angrenzenden Aussenraum ein. Die Zugänglichkeit zu den Gleisen 1 und 2 sollte hierdurch jedoch nicht beeinträchtigt werden.

Die, der Gastronomie im Altbau zugeordneten Aussenflächen, Freibereiche sind im Norden als auch im Süden räumlich klar definiert und zu den angrenzenden Verkehrsflächen klar abgegrenzt.

Der bestehende Gastronomiebereich bleibt im Wesentlichen erhalten und wird an der Schnittstelle zum Neubau im Bereich der bestehenden WC-Anlagen modifiziert. Die gewünschten Nutzungen Buch & Presse, Mobilitätszentrale und Backshop sind in ihrer Lage richtig positioniert und schaffen auf Grund der Grundrisstypologie große zukünftige Flexibilitäten.
Durch die konsequente Ausrichtung der Nutzungen nach Westen entsteht eine deutliche Belebung der Seetorquerung. Aussenraum und Innennutzungen verzahnen sich zu einem attraktiven öffentlichen Raum.

Durch die gewählte Fassadengestaltung wachsen Alt- und Neubau zu einem Gesamtbauwerk zusammen. Die durchgängige Glasfassade wird im Süden und Westen eingerückt vorgeschlagen, so dass geschützte Vorzonen für die angrenzenden Nutzungen gegeben sind. Diese konsequente Haltung wird auf der Nordseite nicht weitergeführt, was im Preisgericht kritisch diskutiert wird. Durch den architektonisch baulichen Umgang mit der Attika und der vorgeschlagenen Materialität (Ziegelmauerwerk) entsteht ein gestalterisches Bindeglied zwischen dem Neubau und dem Bestandsgebäude.

Die gewählten Oberflächenmaterialien sind jedoch mit den geplanten Materialien der Seetorquerung abzustimmen. Durch die geplanten Oberlichtsituationen in dem eingeschossigen Baukörper entstehen an gezielt gesetzten Bereichen räumliche Akzentuierungen und raumwirksame Belichtungssituationen. Innenbereiche und Eingangssituationen erhalten durch diese Entwurfsidee eine hohe innenräumliche Qualität. Geschickt wird die, in Teilbereichen entstehende Konstruktionshöhe für die Technikinstallation auf dem Dach verwendet.

Die kompakte Bauform, die gewählte Materialität und der Verzicht auf aufwendige konstruktive Details lässt eine wirtschaftliche Lösung vermuten.

Der Entwurf stellt einen überzeugenden Beitrag für die gestellte Aufgabe dar. Mit wenigen richtigen Setzungen und Entscheidungen entsteht ein Bahnhofsgebäude, das die städtebaulichen und architektonischen Herausforderungen annimmt und bewältigt.