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Nichtoffener Wettbewerb | 05/2009

"Energieberg Georgswerder" in Hamburg-Wilhelmsburg

3. Preis

Breimann & Bruun

Landschaftsarchitektur

DFZ ARCHITEKTEN

Architektur

Bruun & Möllers GmbH & Co. KG

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

ENERGIEBERG GEORGSWERDER

[ Leitgedanken freiraumplanerische und künstlerische Gesamtkonzeption ]

Der Energieberg von Georgswerder soll vieles sein: eine Informations- oder eine Wissenschaftslandschaft, eine Landmarke, ein Ort regenerativer Energien, ein Park des 21. Jahrhunderts. Doch all diese Attribute und Titel werden unserer Meinung nach dem Ort nicht gerecht, reichen nicht aus, die ehemalige Müllkippe zu einem dauerhaften Magneten zu entwickeln. Hierfür braucht es etwas Anderes. Es braucht eine neue Form von Transparenz – eine ‚aufklärende‘, eine erzählende Transparenz, die alle Schichten des Berges sichtbar macht und durch die sich eine vor Ort erlebbare Geschichte entwickelt, die interessierte Zuhörer findet. Nur so wird der Energieberg mehr als ein nur gelegentlich von Schulklassen besuchter Informationspunkt, nur so wird er zum langfristig und damit nachhaltig etablierten Ziel für Touristen, aber auch zu einem alltäglich nutzbaren Rückzugsraum für die Anwohner des Stadtteils Georgswerder/Wilhelmsburg.
So steht am Anfang des vorgeschlagenen Gestaltungskonzeptes eine nur dem Energieberg immanente Geschichte. Frei dem Janus Prinzip ist der Berg ein zutiefst ambivalenter Ort mit zwei untrennbar verbundenen Gesichtern – mit einer ‚hellen‘ und einer ‚dunklen‘ Seite. Oberflächlich betrachtet sehen wir eine grüne, seicht wogende Hügellandschaft. Fast im Verborgenen bleibt der, zum Teil hochgiftige, Müll, der zu Schutzzwecken im Laufe der Jahre mit zwei Dichtungsschichten abgedeckt wurde und dessen Absonderungen über den ganzen Berg verteilt noch heute über Messpunkte gemessen bzw. energetisch genutzt werden.
Ziel des Gestaltungskonzeptes ist es, diese Ambivalenz zu akzeptieren, wieder spürbar und damit erlebbar zu machen. So entsteht auf dem höchsten Punkt des Energieberges, von dem man weithin Aussicht auf das umgebende Panorama hat, ein Lesezeichen, ein Ort des Aufeinandertreffens – der schwarze Fleck. Hier endet das Grün der Landschaft und die Dichtungsbahnen brechen symbolisch aus dem Berg hervor. Die große tiefschwarze Fläche ist sowohl von der Autobahn als auch aus der Luft als Landmarke weithin sichtbar. Jedoch wird der schwarze Fleck nicht auf diesen Symbolcharakter reduziert, vielmehr soll er durch den Besucher als Aufenthalts- und Spielfläche aber auch als ein erlebbarer, zum Nachdenken anregender Ort genutzt werden. Seine Oberflächenbeschaffenheit (schwarzer Tartan) variiert, weist feste und weiche, dem Schritt nachgebende Bereiche auf, aus denen sich dunkle Kegel hervorheben. Kontrastierend erhalten die über den Berg verteilten Messpunkte und Schächte eine weiße Schutzabdeckung in Form von unterschiedlich großen Betonkegeln. Punktuell kann man durch sie in den Berg ‚hineinschauen’, da einige der Kegel den Blick zu den Messeinrichtungen freigeben. Der Besucher wird damit eingeladen, den Berg frei, nicht unbedingt an die Wege gebunden, zu erkunden, neugierig von Kegel zu Kegel zu laufen, um zwischendurch auf dem Schwarzen Fleck zu verweilen.

[ Erschließungs- und Sicherungskonzept ]

Erschlossen wird der Energieberg über die Fiskalische Straße. Hier soll ein Robinienwäldchen in die Anlage überleiten. Besucherstellplätze und temporäre Busparkplätze sind in diesen Bereich ausgelagert. Von hier aus gelangt der Besucher zum Vorbereich des Ausstellungspavillons und von dort direkt zum Berg. Die neu angelegten Wege sind barrierefrei ausgeführt, um eine Erschließung der Anlage für körperlich beeinträchtigte Personen zu ermöglichen. Hierbei nehmen sie sich als schmale Verbindungslinien von 1,20m Breite aus weißem Asphalt optisch in der Landschaft zurück. Zusätzlich zu dieser Wegeführung soll der Besucher die Kuppe des Berges frei erkunden können. Leitgedanke ist dabei, eine positive, einladende Stimmung zu erzeugen und keinen Ort der Verbote zu schaffen.
Da es sich trotz jahrelanger kontinuierlicher Schutzmaßnahmen immer noch um ein extrem empfindliches Terrain handelt ist es wichtig, eine klare, jedoch nicht zwanghafte Lenkung der Besucher und einen parallel dazu stattfindenden ungestörten Arbeitsablauf der Betreiber des Energieberges mit geringstmöglichen Abgrenzungsmaßnahmen zu ermöglichen. Deshalb trennt im Inneren ein, zum Großteil in den Pflanzungen verborgener, Zaun den frei betretbaren Bereich von der gesperrten Schutzzone. Eintritt zum Gelände erhält man über den Haupteingang an der Fiskalischen Straße oder optional über einen Nebeneingang von der Kleingartenanlage. Dieser momentan nicht durch den Kostenrahmen abdeckbare Zusatzeingang könnte bei späterer Realisierung die Bushaltestelle beim Kupferkrug und damit den Stadtteil Georgswerder direkt über die Kleingartenanlage kommend an den Energieberg anbinden.

[ Vegetationskonzept ]

Das Vegetationskonzept des Energieberges ist von immenser Bedeutung für dessen dramaturgische Erschließung. So schlägt es vor, die Vegetation im Norden komplett auszulichten, so dass dem Besucher aus dem Robinienwäldchen kommend freier Blick auf den Berg gewährt wird. Ebenfalls frei von strauchartiger Vegetation soll die gesamte Bergkuppe sein. Hier dominieren wilde, zweimal jährlich zu mähende Wiesenflächen das Bild, markieren damit klar die frei begehbaren Bereiche und setzten die Abdeckungskegel zurückhaltend in Szene. Im Gegensatz dazu werden der westliche und östliche Bereich konsequent mit einheimischen Gehölzen nachverdichtet. Die Ostseite wird durchgehend mit niedrig bleibenden Sträuchern bepflanzt, so dass der Blick in Richtung Autobahn als wichtige Sichtverbindung ohne großen Pflegeaufwand erhalten bleibt. Die Westseite hingegen wird mit höher werdenden einheimischen Gehölzen bepflanzt und bildet so einen starken Rücken für das Gesamtgelände. Damit wird ein Großteil des Baum- und Grünbestandes in das Vegetationskonzept integriert.

[ Architektonisches Entwurfskonzept ]

Der Weg aus dem Inneren des Berges zum Licht ist entwurfsleitendes Moment für das architektonische Konzept. Er steht dabei als Metapher für den Prozess der Entsorgung/Kontamination zur Versorgung, also für die Neuinterpretation und Nutzungsumwidmung einer kontaminierten Müllhalde zu einer zukunftsträchtigen Energieressource.
Diesem übergeordneten Gedanken folgend sollen die neuen Räumlichkeiten im Berg in der Erde liegen. Da man durch die Kontamination nicht in den Berg bauen kann, wird das Gelände in diesem Bereich topographisch ergänzt und an den vorhandenen Berg angebunden, also geringfügig in Teilbereichen aufgeschüttet. Es entsteht damit kein weiteres sichtbares Gebäude, sondern lediglich eine ebenerdige Fassade zum Betriebshof mit angrenzendem Maschinenpark als Zugang für Wissenschaftler und Verwaltungsangestellte. Sichtbar sind fragmenthafte in die Landschaft eingebundene Teilfassaden zum Berg und eine Zugangsfassade entlang der im Gelände eingelassenen Zugangsschneise, welche in einen sich zum Berg öffnenden Vorplatz mündet. Hier gibt ein Fenster Einblick in den Ausstellungsraum. Die Belichtung und Belüftung für die innenliegenden Nebenräume erfolgt über einen Lichtschacht. Die Raumkomplexe der Verwaltung und des Ausstellungsbereiches mit Seminarraum werden getrennt erschlossen, sind dennoch intern verbunden, sodass eine vernetzte Nutzung gegeben ist.
Der längliche Ausstellungsraum ist tageslichtdurchflutet durch eine satinierte Glasfassade zum Betriebshof. Von hier hat man über eine begrenzte Fläche Blick über den Betriebshof auf die Maschinengebäude, in denen kontaminiertes Wasser gereinigt wird. Erläuterungen zum Reinigungsvorgang erfolgen über einen der Infoterminals. Da die Maschinengebäude im Entwurf als ein bedeutsamer Bestandteil der gesamten Anlage und damit des Ausstellungs-und Informationskonzeptes betrachtet werden, sind sie durch die Herstellung von Sichtbeziehungen zum Ausstellungsgebäude in die Gestaltung einbezogen. Um dies kostensparend vorzunehmen, werden die Bestandsgebäude aufgrund ihrer wenig ansprechenden Optik mit einfachen leichten metallischen Gittergeflechthüllen (Streckmetall aus dem Baugewerbe) eingekleidet. Diese Einhüllung kann je nach zur Verfügung stehenden Geldmitteln aus der Verkleidung von Teilwandflächen, aus Verkleidung aller Wandflächen oder aus Mützenverkleidung erfolgen. Ein kleiner Foyerbereich mit Automaten für Erfrischungen und Sandwiches ermöglicht dem Besucher je nach Jahreszeit innen als auch außen im Patio kulinarisches Nachdenken über das Erlebte und Erfahrene.

[ Ausstellungskonzept ]

Das Ausstellungskonzept ergibt sich spielerisch aus dem Gestaltungskonzept des Energiebergs. Der Besucher kann dabei selber entscheiden, wie viel Information er wünscht. So ist die Gras bewachsene Kuppe des Berges mehr eine Landschaft der Gedanken denn der geschriebenen Information. Hier kann der Besucher spielerisch entdecken, aber auch nachdenklich die Landschaft in sich aufsaugen.
Der Besucher, der weiterreichendes Interesse an Hintergrundinformationen hat, kann sich über die wissenschaftliche Untermalung der Landschaft im Ausstellungsgebäude und dessen in den Berg eintauchende Zuwegung am Eingangsbereich informieren. Hier erhält er gebündelt Information zu den auf dem Berg Verwendung findenden Anlagen zur regenerativen Nutzung von Energien, zur Entstehungsgeschichte des Energiebergs, zur Bewältigung der Altlastenproblematik und zu technischen Aspekten der Sicherung und dauerhaften Nachnutzung des Areals. So geben, in den Boden der Zuwegung eingelassene, Glasplatten (am Abend selbstleuchtend) den Blick auf die einzelnen Schichten der Deponieabdeckung des Müllberges frei. Höhenangaben sowie Bezeichnungen sind mit vertikal angeordneten in die begleitende Sichtbetonwand eingelassenen Lichtlinien kombiniert. Im überdachten Bereich des Weges leitet ein selbstleuchtendes in die Betonwand eingelassenes vertikales Schichtenmodell der Deponieabdeckung als transparentes Schaubild über Eck geführt zum Eingangsbereich der Ausstellung. Rückseitig dient die selbstleuchtende Schichtung in Glas effektvoll der Belichtung der Versorgungsspange im Gebäude. Die eingelassenen Lichtlinien fließen im Tunnelbereich winkelförmig in die Decke über und inszenieren damit die perspektivische Wirkung. Ein Relief des Berges an der Außenwand dient als Landkarte. Außerdem hat der Besucher die Möglichkeit über eine begrünte Rampe, welche die Ausstellungsräume und Büros der BSU beherbergt, das Geschehen im Betriebshof der BSU zu beobachten.

[ Beleuchtungskonzept ]

Dem allgegenwärtigen Spiel mit den Gegensätzen/Ambivalenz trägt auch das Beleuchtungskonzept für den Energieberg Rechnung. Der Schwarze Fleck als prägendes Entwurfselement am Tage, verblasst mit eintretender Dämmerung in der Dunkelheit, verliert seine Dominanz. Im Gegensatz dazu beginnen dann die vielen hellen Abdeckungen der Einstiegsöffnungen in diffusem Licht zu glimmen und damit den Berg mit einem Netz aus Leuchtpunkten zu überziehen - ein Beleuchtungsszenario, das durch die in die Kegel integrierten Solarleuchten energieneutral ist und den Energieberg als Landmarke auch in den Abendstunden weithin sichtbar macht. Auf helle Strahler wird verzichtet, um nicht Vögel und Fledermäuse in die Nähe der Windkraftanlagen zu locken.
Die Landschaft des Energiebergs soll so subtil seine Geschichte erzählen, und dabei keines seiner beiden Gesichter übervorteilen, nicht nur die eine, die „Gute“ Seite des nachhaltigen Ortes erneuerbarer Energien betonen, sondern auch die andere, die „Dunkle“ Seite als Giftmülldeponie als wesentlichen Bestandteil des Genius loci akzeptieren. Es ist dieser Gegensatz der vor Ort erlebbar sein wird. So sind es nicht die Architekten, nicht die Entwurfsverfasser, sondern es sind die Besucher und ihre Geschichten, die die Landschaft neu interpretieren und damit ein Stück Landschaft des 21. Jahrhunderts kreieren.