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Mehrfachbeauftragung | 07/2015

Neubau Hospiz Paul-Schneider Straße

Hospiz Jena-Lobeda - Foto Einsatzmodell - Blick von oben

Hospiz Jena-Lobeda - Foto Einsatzmodell - Blick von oben

ein 2. Preis

Architekturbüro für Industrie- und Hochbau CML Christian Meyer-Landrut

Architektur

modellwerk weimar | Architekturmodelle, Modellbau, Frässervice, Laserservice

Modellbau

Erläuterungstext

Hospiz Jena – Erläuterungsbericht
„Wir können dem Leben nicht mehr Tage geben, aber dem Tag mehr Leben.“
Im Bewusstsein des nahen Endes verändert sich für einen Menschen die Wahrnehmung der Zeit. Kurz bevor ein Mensch wahrhaftig keine Zeit mehr hat, scheint sich anstelle der waagerechten Zeit die senkrechte Zeitausrichtung zu weiten in Tiefe und Höhe. Diese vertikale oder horizontale Dimension von Zeit ist die Frage von Quantität und Qualität. Dass wir in zwei Zeitebenen leben, in einer quantitativen Zeit leben, in einer uns sozusagen gegenüberstehenden Zeit, wenn wir sagen, wir haben die Zeit, das ist das, was wir an der Uhr ablesen, dieses Werkzeug und auf der anderen Seite leben wir in einer qualitativen Zeit, und diese Zeit macht den Tag unterschiedlich weit, obwohl er quantitativ gleich lang ist.
Für den Menschen in seiner letzten Lebensphase soll eine Herberge geschaffen werden, die es ihm ermöglicht, qualitative Zeit zu erleben. Im Zentrum steht der Bewohner, „der Gast“, sein Zimmer, welches sich über die Terrasse zu einem kleinen Garten hin öffnet und den Blick in die Ferne ermöglicht.

Der Freiraum gliedert sich in Bereiche mit unterschiedlichen Raumqualitäten ähnlich der baulichen Aufteilung, in große und offene Bereiche für die gemeinschaftliche Nutzung, aber auch in kleine und intime Bereiche, die individuell jedem Bewohnerzimmer zugeordnet sind.
Vor dem Haupteingang ist ein halböffentlicher Begrüßungsbereich angeordnet. Der Freiraum zeichnet sich hier durch wenige, aber kraftvolle gestalterische Elemente aus. Die Belagsflächen fließen als ruhige, dem Raum angemessene Geste, auf den Eingang zu. Der Freiraum wird durch Großbäume und gebogene Lehmmauern gegliedert. Unmittelbar neben dem Eingang ist ein kleiner, durch Lehmmauern geschützter Garten angeordnet, der das Thema des „Raum der Stille“ weiter nach außen trägt. Die Zufahrt erfolgt vom Drackendorfer Weg aus, dort sind 7 Stellplätze für die Besucher
längs angeordnet. Der vorhandene Fußweg wird in die Eingangssituation integriert, ist aber so angeordnet, dass er nicht den unmittelbaren Eingangsbereich berührt.

Die Lehmmauern werden als markantes gestalterisches Element im gesamten Freiraum des Hospizes verwendet. Sie bestehen aus gestampfter Lehmerde, die in der Umgebung von Lobeda gewonnen wird. Durch die spezielle Bautechnologie werden sich feine horizontale Schichten in leichter Farbabstufung zeigen, die sich im Tages- und Jahresverlauf und je nach Witterung in Struktur und Farbausprägung verändern. Die Lehmmauern sind ein lebendiger Bildträger der verborgenen Welt unter der Erde. Jede Lehmmauer ist anders, durch das Material, ihre Form und ihre Höhe und durch
ihre unterschiedliche Bewitterung. Kleine, mit farbigem Glas bestückte Öffnungen in den Lehmmauern fungieren als Lichtlinsen, die sich je nach Tageszeit in ihrem Farbspiel verändern. Die Lehmmauern „umarmen“ die einzelnen Gärten, sie markieren und gliedern die Freiräume und bieten Sichtschutz für die Bewohner. Die Anordnung und Höhe der Lehmmauern wird so gewählt, dass auch für liegende Bewohner sich der Blick auf die herrlichen Hänge des Saaletales und zur Lobdeburg öffnet. Sie sind ein lebendiger Hintergrund für die Pflanzen in den Beeten, die so ausgewählt und angeordnet sind, dass aus jedem Bewohnerzimmer zu jeder Jahreszeit ein reizvoller Naturbezug hergestellt werden kann.

Jedem Bewohnerzimmer ist ein eigener kleiner Garten als Rückzugsraum und Ausblick zugeordnet. Unmittelbar an das Bewohnerzimmer anschließend gibt es einen Bereich, der dem Bewohner in der warmen Jahreszeit als Sonnen- und Sichtschutz beim Aufenthalt im Freien dient. Daran schließt eine befestigte Fläche an, die durch Mauern gegenüber den Nachbarn abgeschirmt ist. Je weiter man sich von den Fenstern der Bewohnerzimmer entfernt, desto lockerer und offener wird die Gartengestaltung. Die unmittelbaren Nachbarn der jeweiligen Bewohner sind eingeladen, diesen Teil des Gartens bei gegenseitiger Sympathie zu besuchen.

Der Lichtplanung lag eine Tageslichtsimulation zugrunde, bei der wir feststellen mussten, dass das Grundstück von Mitte November bis Mitte Februar fast gänzlich verschattet ist. Daher lag es nahe zu prüfen, ob über eine Tageslichtlenkung eine entsprechende Qualitätsverbesserung des privaten Außenraumes sinnvoll ist. Nach eingehender Prüfung haben wir erkannt, dass entsprechende Spiegelkonstruktionen auf dem gegenüberliegenden Haus mit erheblichen Aufwendungen nur eine geringfügige punktuelle Verbesserung zeigen. Dabei konnten wir jedoch auch ermitteln, dass über die Wahl der Materialien im Außenraum die Beleuchtungsstärken im Außenbereich erheblich erhöht
werden können. Allein durch die Wahl von hellen Materialien kann ein Zugewinn tageszeitabhängig von 10% bis 90% sichergestellt werden. Dies haben wir bei der Außenanlagenplanung berücksichtigt.

Im Rahmen der Tageslichtgestaltung für das Gebäude haben wir folgende Maßnahmen vorgesehen: Zentrale Räume, wie der Gemeinschaftsraum und der Raum der Stille erhalten zusätzlich über ein umlaufendes Oberlicht eine gleichmäßige Ausleuchtung. Der zentrale Raum zwischen den „Gästezimmern“ und den Nebenräumen erhält im Dach eine „Lichtlinse“, die den Raum mit natürlichem Licht ausleuchtet. Gästezimmer erhalten durchweg eine Pfosten-Riegel-Konstruktion, so dass Licht einfallen und der Blick über die Gärten in den Freiraum schweifen kann. Die Bäder erhalten Oberlichter, durch die Tageslicht aus dem Foyer scheint.
Im Bereich des Foyers, „der Membran“, wird ein Lichtkamin vorgesehen, durch den das Licht auf die Wand des Raumes der Stille reflektiert wird, so dass im Innenraum des Foyers natürliche Lichtspiele entstehen können.
Das Kunstlicht basiert auf der Idee, in den Patientenräumen eine warme, wohltuende Lichtatmosphäre zu erzeugen. Diese wird durch die Materialien der Leuchten (Holz) und dem eher diffusen Lichtcharakter erreicht. Es werden mehrere Leuchten platziert, Wand-, Decken- und Nachttischleuchten.So ist für den Patienten eine geborgene ruhige Lichtsituation gegeben, aber auch ein Licht für den eventuellen Vorleser. Ein Grundlicht für Bad- und Eingangsbereich wird durch zurückhaltende Einbauleuchten mit Halogenlicht – möglichst dimmbar – gesichert. Der Wohn-/Essbereich wird mit Pendelleuchten ausgestattet, welche ebenfalls diese Holzanmut haben. Sie geben aber eine
deutlich hellere Lichtatmosphäre und sollten auch dimmbar sein, so dass auf die jeweilige Situation reagiert werden kann. In den Flurbereichen gibt es einen Rhythmus aus Deckeneinbauleuchten und Wandleuchten, jeweils an den Zimmertüren. Der Empfangsbereich wird mit orangefarbenen Pendelleuchten ausgeleuchtet. Hierdurch entsteht eine freundliche, jedoch auch sehr warme Lichtatmosphäre. Zusätzlich können auch Stehleuchten eingesetzt werden.

Neben dem Freiraum und der Lichtplanung wurde auch ein besonderes Augenmerk auf die Funktionalität, auf die Materialität und auf die Ausstattung gelegt. Diese Detailbetrachtungen werden in der Präsentation ausgeführt (siehe das Funktionsschema, das Material, die Ausstattung, Der Raum der Stille).

Die Kosten können aufgrund der eingeschossigen Bauweise und der geringen Spannweite trotz der Vielfalt der inhaltlichen Ansprüche sehr wirtschaftlich errichtet werden. Dabei können die Vorgaben für die Kostengruppen 300 und 400 zwischen 1.400 und 1.550 €/m² Bruttogeschossfläche eingehalten werden. Dies gilt auch für die Kostengruppen 200, 300, 400, 500 und 700 mit max. 2.150 €/m². Dies kann im Auftragsfalle im Rahmen einer gemeinsamen vorherigen Abstimmung hinsichtlich der tatsächlichen Qualitäten und Mengen als Beschaffenheitsgarantie definiert werden. Im Rahmen des Wettbewerbs wurden Grün- und Aufenthaltsflächen, insbesondere auch der zentrale Raum, den
Bewohnerzimmern direkt zugeordnet, die in diesem Maße über das eigentliche Raumprogramm der Ausschreibung hinausreichen.

Beurteilung durch das Preisgericht

In einer starken Architektursprache wurde durch das Büro CML ein stimmiges Gesamtkonzept geplant. Der im Eingangsbereich geplante Raum der Stille überzeugte durch seine Lage und natürliche, einzigartige Materialität. Der Bewohnerbereich ist übersichtlich vom zentral angelegten Pflegestützpunkt erreichbar und wird modern und wohnlich wahrgenommen. Positiv wurde ebenfalls die Qualität der Außenanlagen, insbesondere der Außenraumbezug der Bewohnerzimmer sowie die durchdachten Gemeinschaftsflächen bewertet. Die angedachte Materialität beeindruckte. Insbesondere wurden die als Sichtschutz angedachten Stampflehmwände in ihrer geschwungen Form positiv wahrgenommen.
Der öffentliche, repräsentative Eingang ist deutlich getrennt vom Liefer- und Personaleingang, der sich am entgegengesetzten Ende des Gebäudes befindet und somit lange Wege entstehen lässt.
Kritisch gesehen wurde der hohe Flächenverbrauch verbunden mit hohen Kosten. Ebenso ist die funktionale Trennung zwischen ambulantem und stationärem Hospiz nicht eindeutig gelöst. Die Anordnung der Personalräume im Bereich der Lieferzone wird ihrer Nutzung nicht gerecht. Ebenfalls sind durch den langgestreckten Baukörper weite Wege durch lange Flure notwendig. Auf Grund der großräumigen Gebäudegestaltung und Anordnung ist die Anlage eines Hospizgartens nicht möglich; zusätzliche Grundstücksankäufe sind zur Umsetzung des Entwurfes notwendig.
Hospiz Jena-Lobeda - Blick in den zentralen Aufenthaltsbereich

Hospiz Jena-Lobeda - Blick in den zentralen Aufenthaltsbereich

Hospiz Jena-Lobeda - Ausblick von der Bewohnerterrasse auf die Lobdeburg

Hospiz Jena-Lobeda - Ausblick von der Bewohnerterrasse auf die Lobdeburg

Hospiz Jena-Lobeda - Grundriss Erdgeschoss und Außenanlagen

Hospiz Jena-Lobeda - Grundriss Erdgeschoss und Außenanlagen