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Nichtoffener Wettbewerb | 09/2016

Justizzentrum Demmlerplatz

Perspektive vom Obotritenring

Perspektive vom Obotritenring

Anerkennung

Prof. Jörg Friedrich | Studio PFP GmbH Hamburg

Architektur

Erläuterungstext

Mitarbeiter: Götz Schneider, Friedrich Benter, Nils Klinkmann, Lisa Mu.
Gesamtkonzept:
Einhundert Jahre Baugeschichte werden gemeinsam mit den Neubauten in einem „Ensemble der Erinnerung“ an eine sehr unterschiedliche Nutzungsgeschichte von der Weimarer Republik über den Faschismus bis hin zur Selbstdarstellung einer freien Justiz in der neugegründeten Bundesrepublik erinnern, indem die unterschiedlichen historischen Schichten allesamt erkennbar und – in ihren Brüchen und kontroversen architektonischen Zeitgeistentwicklungen – im Stadtraum sichtbar für alle erhaltend restauriert werden. Zu einem „ Justizzentrum in Schwerin“ für die Zukunft wächst das bestehende Ensemble städtebaulich zusammen erst jetzt mit seinen beiden sehr einfachen, verdichteten Ergänzungen an den beiden bestehenden Seitenflügeln des Altbaus, in Fortsetzung der bestehenden Anlage, um mit ihrer Öffnung und Erschliessung zum Obotritenring städtebaulich die historische Gefängnisarchitektur und das Dokumentationszentrum dauerhaft sichtbar freizulegen im Stadtraum: „Architektur der Erinnerung“ und „Mahnmal für die Zukunft“ – das Justizzentrum verarbeitet und legt offen städtebaulich und architektonisch einen Teil einer wechselnden Justizgeschichte, die nicht immer ein Glanzlicht deutscher Rechtsprechung gewesen ist. Die Mauern sind geblieben, die Inhalte haben gewechselt. Die ergänzenden Neubauten schliessen die Strassenfassaden und bilden den architektonischen Rahmen für den neu erlebbaren Raum zwischen Gefängnistrakt und Dokumentionszentrum.

Beurteilung durch das Preisgericht

Ein „Ensemble der Erinnerung“ will der Wettbewerbsbeitrag schaffen; die historischen Schichten beginnend von der Weimarer Republik über den Faschismus, die ostdeutsche Nachkriegszeit bis zum heutigen Selbstverständnis als „freie Justiz“ im Stadtraum freilegen und konservieren.

Dieser Idee folgt der vorliegende Entwurf, indem er die Seitenflügel des historischen H‐förmigen Gerichtsgebäudes vom Architekten Ehmig – lediglich durch eine schmale Glaszäsur getrennt – in einer zeitgemäßen Form fortsetzt. In dieser Konsequenz waren die Zufahrten von den Nebenstraßen zum Obotritenring hin zu verlegen.

Im städtebaulichen Gefüge werden nun vom Obotritenring stirnseitig zwei viergeschossige Neubauteile erlebbar gemacht, die ihrerseits das Dokumentationszentrum (ein ehemaliges Haftgebäude nebst Freigängerhof) mit einem neuen Vorplatz spiegelsymmetrisch fassen. Der Freigängerhof bleibt dabei ganz im Sinne des Denkmalschutzes erhalten und erlebbar. Der Hof wird substantiell nicht verändert. Die Nutzung als Stellplatzfläche für Fahrräder ist mit dem Zeugniswert des Hofes nicht vereinbar, weshalb die Funktion an anderer Stelle unterzubringen ist.

Bestehende Straßen‐ und Gebäudefluchten werden behutsam aufgenommen und Geschossversprünge vermitteln als „Justizterrassen“ zur Bestandsanlage. Mit der im hochliegenden Erdgeschoss vorgenommenen Öffnung der Neubauteile wird schließlich die „freie Justiz“ städtebaulich zelebriert.

Die Ausbildung der streng gerasterten Lochfassade mit raumhohen Fensterelementen in einer Rahmung aus Neubaunaturstein beweist einerseits eine klare und wiedererkennbare Haltung, ohne dass sie andererseits den Widerspruch zu den weitestgehend verputzten Bestandsgebäuden sucht.

Um das Raumprogramm umzusetzen, werden die Funktionen in den Neubauteilen ökonomisch sinnvoll im Dreibund angeordnet. Hervorzuheben ist das gut nachvollziehbare Organisationsprinzip, das dem Entwurf zu Grunde gelegt wurde. – Beispielhaft sei die Entscheidung, Büronutzungen bewusst vom stark frequentierten Obotritenring abzurücken, erwähnt. Ebenso scheinen sich die Geschossübergänge von alt zu neu intuitiv, ja mühelos bewerkstelligen zu lassen.

Bemerkenswert ist allerdings die der Leitidee geschuldeten Entscheidung, die Kantine in den quasi‐ öffentlichen Bereich der nördlichen Flügelerweiterung zu verlegen, um als Pendant zur im Südflügel verorteten Bibliothek in einer sehr großen Geste „Offenheit“ zu suggerieren. – Deren Angemessenheit wird neben den damit verkomplizierten funktionalen und sicherheitstechnischen Belangen gleichwohl kritisch zu hinterfragen sein.

Die gewählte Ortbetonkonstruktion mit Flachdecken und Pilzkopfstützen befördert den Entwurfsgedanken und verspricht auch künftig eine hinreichende Nutzungsflexibilität. Eine Grünbedachung, die konzipierte hocheffiziente Wärmedämmung und der mögliche Einsatz regenerativer Energien runden den Entwurf im Hinblick auf die geforderte Nachhaltigkeit ab.

Die vorliegende Arbeit wird vom Preisgericht als wertvoller Beitrag für die Architektur und Baukultur angesehen.
Lageplan

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