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Nichtoffener Wettbewerb | 10/2016

Stadtstrecke

Engere Wahl

A24 Landschaft

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Stadtstrecke Bremen
Die Weser hat als stadtbildprägender Fluss die historische Entwicklung der Stadt entscheidend mitgeprägt. Während die Altstadtufer bereits ein großes touristisches Potenzial mit hoher Aufenthaltsqualität besitzen, hat die linke Weserseite und die Kleine Weser im Bereich der Bremer Neustadt einen eher landschaftlichen Charakter, der der zentralen innenstadtnahen Lage nicht genug Rechnung trägt.
Der Generalplan Küstenschutz sieht den Ausbau sämtlicher Deiche entlang der Unterweser vor, um den Klimawandel mit steigenden Meeresspiegeln gerecht zu werden. Auf der linken Weserseite im Bereich der Bremer Neustadt ist die Erneuerung der Hochwasserschutzanlagen zwischen der Eisenbahnbrücke der Linie Bremen-Oldenburg im Westen bis zur Piepe auf einer Länge von 1,8 km vorgesehen.

Auf dieser „Stadtstrecke“ kommt es zu einer grundlegenden Überformung der jetzigen Bestandssituation – so muss die bisher den Charakter des Ufers prägende Platanenreihe fallen. Der Verlust der gewohnten und lieb gewonnenen Stadtansicht stellt aber gleichzeitig eine Chance für eine, dem urbanen Kontext angemessene, Neugestaltung des linken Weserufers mit neuen zusätzlichen Nutzungsqualitäten dar.

Ihre unterschiedliche stadträumliche Situation verleiht den drei Abschnitten der Stadtstrecke jeweils einen ganz eigenen Charakter – von großmaßstäblicher Industrie mit der Weite der Weser, über den gefassten Raum der Kleinen Weser in Mitten eines lebendigen Stadtquartiers bis zum grünen Ufer als Übergang in die Landschaft.

Die Neugestaltung der Uferabschnitte wird aus dem jeweiligen stadträumlichen Kontext entwickelt und akzentuiert deren spezifischen Qualitäten.
Die Grundgliederung aus uferseitigem Deichunterhaltungsweg, oberem Deichverteidigungsweg und stadtseitigem Straßenraum zieht sich über die gesamte Länge der Stadtstrecke. Im Rahme der Vorgaben des Hochwasserschutzes werden die Wegebreiten von Abschnitt zu Abschnitt variiert. Das Spiel mit der abschnittsweise vor- oder zurückspringenden Ufermauer wird zum tragenden Gestaltungsprinzip für die neue Ufergestaltung. Das Prinzip ermöglicht die Erweiterung und Ausrichtung entweder zur Stadt- oder zur Wasserseite. Es entstehen somit unverwechselbare räumliche Situationen mit eigenen Atmosphären, jeweils mit engem Bezug angrenzenden Stadtraum. Während sich der erste Abschnitt mit seiner unteren Ebene stärker zum Fluss und dem beeindruckenden Altstadtpanorama orientiert, ist der mittlere Abschnitt eng mit den angrenzenden Kultureinrichtungen auf dem oberen Stadtniveau verbunden.
An ihren Enden schließt die Uferpromenade jeweils über einen Auftaktplatz mit Weserbalkon an das innerstädtische Grünsystem der Bremer Wallanlagen an. Mehrere Brücken verbinden die Promenade mit der anderen Weserseite. An diesen bilden kleine Brückenplätze eine gliedernde räumliche Zäsur der Promenade. Als durchgängige Promenade am linken Weserufer ist sie eine Hauptroute für den Radverkehr.

Ufermauer

Da die Mauer als stadtseitige Ansichtsfläche selbst zum gestaltprägenden Element und Identifikationsobjekt wird, kommt ihrer Oberflächengestaltung eine wichtige Bedeutung zu. Vorgesehen ist eine Klinkermauer, deren klassisches Material sich an die Gestaltsprache zahlreicher Fassaden im Bremer Stadtraum anlehnt. Als Motiv wird die momentan vorhandene und das linke Weserufer prägende malerische Platanenreihe herangezogen. Der Schattenwurf des Blätterdachs wird als Motiv auf die Wand projiziert. Die Schattierungen aus Grautönen beeinflussen die Rotation der Klinkersegmente und erzeugen eine bewegte
Oberfläche aus flachen und plastisch hervor tretenden Mauerbereichen. Somit bleibt als Reminiszenz das Blattmotiv alter Bäume in abstrahierter Form erhalten. Die Mauer erhält ein unverwechselbares Erscheinungsbild mit hoher grafischer Kraft, das sich auf subtile Weise mit dem Ort und seiner Geschichte auseinander setzt.
Konstruktion: Betonufermauer mit Klinkervorsatzschale

Abschnitt 1

Eisenbahnbrücke bis Bürgermeister-Smidt-Brücke
Der erste Promenadenabschnitt befindet sich in einem industriell geprägten Umfeld. Großmaßstäbliche Nutzungen, wie die Becks-Brauerei, ziehen sich rückwärtig entlang des linken Weserufers. Gleichzeitig kommt die beeindruckend Altstadtsilhouette und der breite Flussraum der Weser zur vollen Wirkung. Dieses großmaßstäbliche Umfeld bedingt eine urbane Gestaltung der Uferpromenade. Da die angrenzenden Industriebetriebe als in sich geschlossene Systeme funktionieren, die wenig Publikumsverkehr zulassen, wird in diesem Promenadenabschnitt eindeutig der Fokus auf den unteren Uferbereich gelegt. Das obere Stadtniveau wird zugunsten einer deutlich verbreiterten unteren Uferpromenade schmal gehalten. Die Fahrbereiche und Zufahrten für Lkw sowie Pkw-Stellplätze werden in eine 2m breite Mischverkehrsfläche aus Natursteinpflaster integriert. Das vorhandene Großsteinpflaster wird um Gehbereich aus gesägtem Pflaster ergänzt. Die Baumreihe aus Tilia cordata begleitet die Promenade stadtseitig, gibt ihr einen räumlichen Abschluss und visuellen Filter gegenüber den lärmintensiven Nutzungen. Den 84cm hohen Höhenversprung vermittelt eine begrünte Böschung. Unterbrechungen mit Treppenanlagen verbinden Straßen- und Deichniveau. Stadtseitige Balkone mit Sitzelementen schaffen Aufenthaltsbereiche auf dem oberen Promenadenniveau. Die 5 m Deichverteidigungsweg unterteilen sich in einen 3 m breiten Radweg mit Zweirichtungsverkehr und einen 2 m breiten Gehbereich aus wassergebundener Wegedecke. Durch die Verwendung von gleichem Natursteinsplitt in der wassergebunden Decke und zur Asphaltbeschichtung wird der Promenadenbereich visuell nur subtil voneinander getrennt.
Das untere Promenadenniveau wird beidseitig über 5m breite Rampen barrierefrei erschlossen. In die untere, aufgeweitete Promenade aus anthrazitfarbenem Asphalt schieben sich gestufte Rasenböschungen hinein. Diese gliedern die Uferpromenade in Bewegungs- und Aufenthaltsbereiche und reduzieren die Höhe der Ufermauer.

Die untere Uferpromenade wird eine „Aktivpromenade“. Bewegungsparcours, Streetballkörbe oder Bolderwände bieten ein breites Aktivitätenspektrum an. Sitzstufen in den Böschungen – die „Wesertribünen“ – dienen sowohl der Betrachtung der Aktivitäten als auch des Flusspanoramas.

Abschnitt 2

Bürgermeister-Smidt-Brücke bis Wilhelm-Kaisen-Brücke
Der städtische Promenadenabschnitt verstärkt die urbanen Qualitäten des lebendigen, kulturgeprägten Stadtquartiers.
Ab der Bürgermeister-Smidt-Brücke verläuft die Promenade entlang des wesentlich schmaleren Wasserlaufs der Kleinen Weser und gibt lediglich den Blick auf das gegenüberliegende Ufer des Teerhofs frei. Es entsteht ein geschlossenes Raumgefühl mit baulichen Raumkanten. Hier grenzen öffentliche, publikumswirksame Nutzungen direkt an die Promenade. Die Promenade reagiert darauf, indem das obere Niveau des Stadtraums maximal erweitert wird und die Ufermauer soweit wie möglich zur Wasserseite hin verschoben wird. Dadurch entsteht ein großzügiger stadtseitiger Flanierbereich, der die angrenzenden Kultureinrichtungen in die Bespielung des Außenraums einbezieht. Das erhöhte Promenadenniveau entspricht der notwendigen Höhe zur Flutschutzsicherung.
Das bis zu 1,10 m tiefer liegende Straßenniveau wird als Mischverkehrsfläche ausgebaut. Ein durchgehender, niveaugleicher Pflasterbelag aus Naturstein wird bis an die Hauskanten geführt. Das vorhandene Granitgroßsteinpflaster wird aufgegriffen und im Bereich der Gehspuren als gut begehbares
gesägtes Pflaster weiter geführt. Durch die unterschiedliche Oberflächenbehandlung und das Aneinanderstoßen beider Materiealien in einer Schnurkante entsteht eine subtile Trennung zwischen den einzelnen Funktionsbereichen ohne die Großzügigkeit der Stadtpromenade einzuschränken. Den breiten Promenadenbereich überspannt eine Doppelreihe aus Tilia cordata. Die Baumreihen trennen gleichzeitig den 3 m breiten Radweg vom Fußweg, der hier als breiter Flanierbereich von mindestens 5 m Breite den Deichverteidigungsweg integriert. Temporäre Bestuhlung für Außengastronomie kann hier problemlos entlang des Ufers aufgestellt werden.
An der Stelle des Brückenwiderlagers der ehemaligen Brautbrücke in Verlängerung der Brautstraße schiebt sich ein breiter Aussichtsbalkon in den Flussraum und betont die visuelle Verbindung zur Altstadt. Ein Kiosk betont diesen Ort und ergänzt das Nutzungsangebot. Gleichzeitig übernimmt diese platzartige Aufweitung den Übergang zum wesentlich schmaleren Anschlussbereich der östlichen Uferpromenade. Die Gestaltung der Promenade wird ruhiger und linearer. Der Radweg wird rückwärtig hinter der Baumreihe geführt, um dem uferseitigen Gehbereich viel Platz einzuräumen. Die Außengastronomie der Alten Schnapsfabrik kann in diesem Bereich angeordnet werden. Die acht bestehenden Platanen bleiben erhalten und in die Promenadengestaltung integriert. Die tiefer liegende, 5 m breite Uferpromenade wird über breite Rampen barrierefrei erschlossen. Vereinzelte Sitzelemente aus Beton schaffen Aufenthaltsmöglichkeiten entlang der Ufermauer.

Als verbindendes Element zwischen den Höhenniveaus von Promenade und Straßenraum vermittelt ein langes Treppenelement als markantes Stadtmöbel. Eine Treppenskulptur aus anthrazitfarbenem Beton mit vorspringenden Podesten und Sitzstufen sowie Gräserstreifen gliedert den Bereich und schafft unterschiedliche Aufenthaltsbereiche, die die angrenzenden Nutzungen gut ergänzen und bereichern.

Abschnitt 3

Wilhelm-Kaisen-Brücke bis Piepe
Der Promenadenabschnitt zwischen Wilhelm-Kaisen-Brücke und Piepe wirkt aufgrund der niedrigeren Bebauung und des grünen, gegenüberliegenden Ufers bereits weniger urban und geht ab der Piepe in ein parkähnliches Flussufer mit natürlichen Wiesen über. Dieser Abschnitt leitet von der Stadt in die Landschaft über.

Die Ufermauer springt hier wieder zurück und gibt der unteren Weserpromenade mehr Raum – man tritt aus der Stadt in den grünen Flussraum. Den 4 m breiten Deichunterhaltungsweg begleitet ein 1 m breiter Aufenthalts- und Pflanzstreifen. Auf einer 50 cm hohen Aufkantung wechseln sich Gräser- und Staudenpflanzungen mit Sitzauflagen ab. Ein spielerischer Rhythmus aus geschlossenen Sitzblöcken und offenen Pflanztrögen mit Präriestauden und Gräsern begleitet die Flutschutzwand. Das vorgelagerte Band reduziert die Höhe der Ufermauer und bietet attraktive Aufenthaltsbereiche unmittelbar am Ufer.

In Verlängerung der Leinestraße schiebt sich ein auskragender Aussichtsbalkon über die Mauerkante und ermöglicht einen weiten Blick in die Flusslandschaft.
Das obere Promenadenniveau ist aufgrund des engen Straßenquerschnitts auf die Mindestmaße reduziert. Der 5 m breite Deichverteidigungsweg gliedert sich in einen 2 m breiten Fußweg aus wassergebundener Wegedecke und einen 3 m breiten Radweg für Zweirichtungsverkehr aus mit Natursteinsplitt beschichteten Asphalt. Wie im Abschnitt 1 sind die Bereiche visuell nur subtil voneinander getrennt.
Eine Baumreihe aus Tilia cordata trennt die Promenade von der niveaugleichen, befahrbaren Mischverkehrsfläche und den Pkw-Stellplätzen. Sie bildet den optischen Rücken der Promenade und zeichnet den langen Bogen der Uferpromenade nach.

Den Endpunkt der Promenade und Übergang zur Landschaft bildet ein kleiner Platz. Den Abschlusspunkt markiert ein Baumdach mit Holzpodest. Gleichzeitig verspannt der Platz die Querverbindungen über die neue Fuß- und Radwegebrücke mit den parkartigen Wallanlagen entlang der Piepe.

Die Piepe, die als Relikt des zugeschütteten Holzhafens erhalten geblieben ist, zeichnet klar erkennbar die Form der ehemaligen Wallanlagen nach. Ein Aussichtsbalkon mit Sitzelement springt über die Böschungskante und bezieht die Piepe in die Promenade ein.

Beleuchtung

Als Beleuchtung kommt auf der gesamten Promenadenlänge ein zurückhaltender Leuchtentyp, wie die Linea von Hess, zum Einsatz. Die entlang der Baumreihen in einem Abstand von ca. 20 m gesetzten Lichtkörper orientieren sich mit einer Lichtpunkthöhe von 6 m zur Straßenseite und mit einer Lichtpunkthöhe von 4,50 m promenadenseitig. Durch ihr linienhaftes Erscheinungsbild greifen sie den Charakter der Baumreihen auf.

Den unteren Deichunterhaltungsweg beleuchten regelmäßig gesetzte Lichtspots, die in den oberen Mauerabschlussstein hochwassersicher integriert sind. Durch ihren flachen Lichtkegel unterstreichen sie die Plastizität der Mauerabwicklung.
Mit der Neugestaltung der Ufer entsteht auf der linken Weserseite mit dem Ring der Wallanlagen ein attraktiver Rundweg. Die Promenade verbindet unterschiedlichste Quartiere und trägt ganz wesentlich zur nachhaltigen Aktivierung dieser bei.
Trotz des Verlustes der imposanten Platanenreihe entstehen attraktive grüne Ufer mit hohem Potenzial für die Stadt Bremen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der konzeptionelle Ansatz, die drei Sequenzen der Stadtstrecke, die sich stadträumlich ableiten lassen, funktional und gestalterisch zu interpretieren, ist nachvollziehbar. Im Abschnitt „Becks Ufer“ wird die untere Ebene des Unterhaltungsweges verbreitert, im mittleren Bereich „Am Deich“ entsteht entlang des Verteidigungsweges ein breiter Promenadenbereich und im Abschnitt „St. Pauli Deich“ verschmälert sich die Stadtstrecke wieder. Die Klinkermauer mit ihren unregelmäßig verdrehten Steinen ist ein interessantes Motiv, das im Preisgericht jedoch auch kontrovers diskutiert wird. Die baulichen Details, wie bspw. der Mauerabschluss, überzeugen nicht, die Beleuchtung im Mittelteil wirkt zu dramatisch.
Im ersten Abschnitt werden intensive Freizeitnutzungen vorgeschlagen und Spielfelder angedeutet, eine an diesem Industrieufer im Grundsatz sinnfällige Ergänzungsnutzung für die Neustadt. Ballspiel mit Toren am Wasser wird jedoch nicht funktionieren. Die Formensprache der Vegetationsflächen und der Einbauten wirkt überladen. Die Pflanzbeete am Mauerfuß sind unfunktional, da sie ohne Bezug zum Erdreich sind. Die steilen Wiesenböschungen sind technisch schwierig und im Hochwasserfall anfällig. Die Wege von den Gewerbebauten zur unteren Ebene und damit zum Wasser, bspw. für Arbeitnehmer während der Mittagspause, sind lang, Treppe zum Ufer fehlen. Die Lage der kleinen Podeste zwischen Verteidigungsweg und Straße wirkt willkürlich gewählt. Die Linden in der grünen Böschung werten den Straßenraum auf, der Radweg ist hier angemessen breit, der Fußweg entsprechend schmal.
Im zweiten Abschnitt entsteht am Wehr eine Treppenlandschaft mit angenehmer Aufenthaltsqualität. Die Lindenallee setzt hier einen besonderen stadträumlichen Akzent. Allerdings bleibt hier die Verlängerung des Fußweges aus der Neustadt unberücksichtigt, es fehlt die notwendige Rampe auf die Ebene der Promenade.
Der dritte Abschnitt bleibt einfach mit einer einreihigen Lindenpflanzung. Bemängelt wird, dass lediglich am Ende der Stadtstrecke eine Rampe zum Unterhaltungsweg vorgesehen wird.
Das Verkehrskonzept mit Radweg und Stellplatzangebot funktioniert. Allerdings fehlt die Darstellung der Querung des Radweges im Bereich der Wilhelm-Kaisen-Brücke.
Aus Sicht des Hochwasserschutzes ist der Unterhalt der Hochwasserschutzwand wegen der vorgeschlagenen Begrünungen eingeschränkt. Es entsteht zudem eine geringfügige Einengung des Abflussquerschnittes der Kleinen Weser durch die Verbreiterung der unteren Promenade am Wehr.
Insgesamt zeigt dieser Beitrag einen einfachen und durchaus robusten Entwurf. Der konzeptionelle Ansatz verspricht jedoch stadträumlich mehr, als die entwerferische Umsetzung einlöst.