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Einladungswettbewerb | 12/2016

"SMART LIVING" – Urbanes Wohnen am nördlichen Juri-Gagarin-Ring

2. Preis / Nach Überarbeitung

Preisgeld: 30.000 EUR

worschech architects

Architektur

modellwerk weimar | Architekturmodelle, Modellbau, Frässervice, Laserservice

Modellbau

Erläuterungstext

1. Phase

Mitarbeiter:
Dipl.-Ing. Architekt Stephan Genge
M.Sc. Dipl.-Ing. Architekt Normann Ellers


Der Bebauungsentwurf verfolgt mit der städtebaulichen Ausformung der bestehenden Lücke am nördlichen Ring und der vorgeschlagenen Typologie der uferbegleitenden Bebauungstypologie die urbane Stärkung dieses Stadtteils unter Nutzung der erwünschten Höhenstaffelung zur Schaffung einer Dominante in der nördlichen Sichtachse des Rings. Trotz dieser neuen Maßstäblichkeit sorgt ein räumlich fein gestaffeltes Proportionsgefüge klar gegliederter Baumassen, Zwischenräume und Fassaden für eine baulich-räumliche Gestaltungsqualität der vorrangig auf das Wohnen ausgerichteten Nutzungsstruktur:

_Besatz des Teilbereiches A mit zwei prägenden Stadthäusern als 12- bzw. 14-geschossige Bauskulpturen, deren sich zum Ring hin öffnender Versatz eine Plaza ermöglicht, die in ihrer Form auch als einladende Geste verstanden werden darf und die durch die Einstreuung von topographischen Landschaftsinseln, immissionsgeschützt gegenüber dem Ring, einer vielfältigen Bespielbarkeit dient _Besatz des Teilbereiches B mit drei weiteren Gebäuden in Fortsetzung der Bautypologie des dritten Gebäudes von Teilbereich A unter Aufnahme der Bauflucht aus dem Johannesufer und mit einem „Schlußstein“ parallel zur Wallstraße _Schaffung einer nachhaltig interessanten „eigenartig“ gewachsenen Architektur durch spannungsvoll aufeinander Bezug nehmende Gebäudefiguren einer Familie mit ausdifferenzierten Fassadengliederungen als äußeres Merkmal weitgehend individueller Grundrißgestaltung _Durchdringbarkeit des Areals über die Plaza und entlang des Flußufers _Verweben der Baumassen und Räume des Baufeldes mit denen umgebender Quartiere als Angebot öffentlicher, halböffentlicher, gemeinschaftlicher und privater Nutzungsbereiche _Ermöglichen reizvoller Blickbeziehungen über die Stadt, zu Dom und Severikirche, Petersberg und Cyriaksburg, bis hin zu den Fahnerschen Höhen, dem Ettersberg nördlich von Weimar und dem Steiger als südlichem Abschluß der umgebenden

Städtebauliche Ordnung und Gliederung des Entwurfs ermöglichen den Auftritt als kompositorisch geprägtes Ensemble jeweils markanter skulpturaler Einzelformen der sich aus zwei Streifen entwickelnden höhergeschossigen Wohntürme und ergänzenden vier viergeschossigen Stadtvillen. Zeitgenössisch seriell und tonal interpretierte architektonische Merkmale, wie Vor- und Rücksprünge, Groß- und Kleinformen, Wand-Öffnungs-Verhältnisse und Integration des Grüns dienen als Gestaltungsmittel für das fortsetzend Neue. Der Formenkanon der Öffnungen basiert auf horizontal ausgerichteten und die Geschosse gliedernden Winkelelementen mit differenzierter Ausformung als eine Art plastische Tiefreliefs in L-Form, funktionsgerecht zu akzentreich komponierten Fassaden. Die bekennend freie Interpretation von Form und Raum, Fläche und Linie soll der Sprache der Architektur einen poetischen Charakter verleihen, der auch Sprachfärbungen zulässt und insgesamt als Ausdruck des Lebensgefühls unserer Zeit rezipiert werden darf. Die Gebäude erhalten ein individualisierendes Wechselspiel von differenziert geschichteten Oberflächen in regionaltypischem Kalkstein bzw. mit Kalkstein-farbiger Akzentuierung von Betonoberflächen sandfarbener, hellgrau und weiß geprägter Tongebung bis hin zu wetterbeständigen Kunstharzpaneelen holzähnlicher Anmutung im Bereich der Fensterbänder.

Die drei Gebäude auf dem Realisierungsteil des Areals (Teilfläche A) tragen Namen: Haus JURI, der 16-Geschosser, Haus VALENTINA mit 14 Geschossen und Haus LAIKA mit 4 Geschossen.

JURI nimmt in seinem viergeschossigen Längsriegel mit Adreßbildung zur Plaza eine auch zum Ring orien-tierte Apotheke auf; dahinter befinden sich Angebote für Wellness, Friseur und ein geräumiges Bistro-Cafe unter Einschluß der Nutzung von Teilflächen auf der Plaza. Das 1. Obergeschoß ist über das Foyer mit dem Erdgeschoß mit zweigeschossigem Luftraum verbunden und von dort der Fitnessbereich erschlossen. AWO-Wohngruppen befinden sich im 2. Und 3. Obergeschoß. Die Ebene +4 bietet mit einem großzügig geschnittenen Gemeinschaftsraum mit Küche und Sanitär den Übergang zur begrünten Dachterrasse mit gemeinschaftlichen und individuellen Pflanzbereichen, Sonnendeck und Sitzgruppen. In den Ebenen +5 bis +13 sind jeweils vier Wohnungen mit Übereck-Ausrichtung angeordnet. Die obersten zwei Ebenen +14 und +15 enthalten zwei Maisonette-Wohnungen und je Etage zwei weitere kleinere Wohnungen.

VALENTINA ist nicht minder sozialkulturell ausgerichtet. Vom Ring etwas zurückgesetzt wird dieses Haus dort begrenzt von der Bauflucht des südlich gelegenen Bürogebäudes. Die Straßenfassaden der ebenfalls südlich gelegenen Wohnbebauung des Johannesufers geben die Bauflucht an dortiger Seite vor. Der Ein-gang erfolgt – wie bei JURI auch – von der Plaza. Das ebenso zweigeschossige Foyer ist hier allerdings durchgesteckt und ermöglicht die Nutzung des eingegrünten Freiraums entlang des Johannesufers bis zur angrenzenden Wohnbebauung. Im Erdgeschoß sind mit separater Zugänglichkeit drei Praxen (oder Büros), ein Generationentreff und vom Foyer aus der Empfang für das im 1. bis 3. Obergeschoß befindliche Boarding-House mit 31 Appartements situiert. Die Ebene +4 bietet Raum für die Kinderbetreuung (Tagesmütter) mit Bezug zur angrenzenden grünen Terrasse und deren Nutzbarkeit. Die Ebenen +5 bis +13 sind dem Wohnen in Form von 4-Spännern mit Übereck-Ausrichtung der Wohnungen vorbehalten.

Haus LAIKA bildet den Übergang und Auftakt zur 4-geschossigen Bebauung zwischen Johannesufer und Wallstraße, jeweils mit 8 Wohnungen als Zweispänner ausgelegt.

Das 1. und 2. Untergeschoß enthält jeweils gemeinschaftlich oder individuell nutzbare Abstellräume, Fahrradstellplätze, Technikbereiche und Tiefgarage, die über eine zweispurige Rampe verkehrlich über die Wallstraße erschlossen wird. Sämtliche Treppenhäuser und Personenaufzüge der Gebäude sind mit dem Untergeschoß verbunden. Der Zugang zur Tiefgarage erfolgt darüber hinaus für Besucher über einen Zugang vom Foyer und über einen Fußweg entlang der Rampe. Die zentralen Räume mit den Entsorgungsbehältern sind in unmittelbarer Nähe der vertikalen Erschließungspunkte in den Untergeschossen aufzufinden. An der Wallstraße befinden sich im Bereich der TG-Ausfahrt die temporären Entleerungsstandorte mit freiraumgestalterischer Einbindung. Der Transport erfolgt durch den Hausmeisterdienst über die Rampe (ggf. mit Flurfördermittel).

Wohnungsschlüssel und Wohnungsgrößen folgen den Forderungen der Auslobung, sind gleichwohl variabel und im vorliegenden konzeptionellen Planentwurf beispielhaft dargestellt. In der konkreten Entwurfsplanung lassen sich die Belange der Bauherrschaft und der Nutzer zur realisierungsreifen Lösung führen. Aber auch künftig können durch geringfügige Eingriffe Wohnungsgrößen bzw. deren Zuschnitt verändert werden. Innerhalb der abgeschlossenen Nutzungseinheiten sind relativ freie, variable Grundrisslösungen und Ausbaustufen möglich.

Alle Wohnungen sind mit Freiraumbezug über eigene Loggien/ Wintergärten, die Dachterrassen und die Plaza bis hin zum Ufer des Flutgrabens versehen. Vor allem die zu den Wohnungen gehörenden Loggien können einer in der Grundausstattung enthaltenen Begrünung mit Gebäudebezug dienen und würden so nicht nur dem dadurch lenkbaren individuellen Bedürfnis nach Begrünung am Haus entsprechen sondern auch der außerordentlichen Gebäudewirkung im öffentlichen Raum. Der Freiraum wird von einer Plaza dominiert, eingefaßt durch Kurzrasenflächen mit Übergängen bis in’s Rough und in Strauchgruppen. Eine gestaltungsprägende Besonderheit der Adresse bilden die organisch und auch in der Höhe ausgeformten Rasenhügel, als Inseln wie zu einer Hügellandschaft transformiert und assoziativ an die Erfurter Umgebung ebenso erinnernd wie an die Namensherkunft der Wallstraße, einer im Mittelalter vorgelagerten Erdbastion.

Sämtliche Gewerbeeinheiten und alle Wohnungen sind ebenerdig bzw. barrierefrei durch Aufzüge erreichbar. Türbreiten, Sonderräume, wie Sanitärräume und Küchen können für Rollstuhlfahrer quantitativ und qualitativ anforderungsgemäß gestaltet werden. Auch der Freiraum kommt ohne Treppen, Stufen oder umständliche Rampen aus.

Das Tragwerk der beiden Hochhäuser soll in Stahlbeton mit wenigen tragenden Wänden und Rundstützen sowie im Fassadenbereich mit Randaufkantungen der Stahlbetondecken in differenzierter Höhe ausgeführt werden. Die thermisch abschließenden Konstruktionen der Außenwände können auf unterschiedliche Anforderungen funktionell (Verglasung/ Öffenbarkeitsprinzipien/ Verschattung) wie ökologisch (Energieeinsparung/ Materialwahl/ Wartungsfreundlichkeit) in der Ausführungsplanungsphase im System flexibel ausgelegt werden. Erhöhter Trittschallschutz, Schallschutzfenster (3-fach-Verglasung), kontrollierte Wohnraumlüftung, generell erhöhte Schallschutzanforderungen an die Konstruktion und Gebäudetechnik kennzeichnen ein dem Stand der Technik und aktuellen Anforderungen gerecht werdendes Bauwerk. Energetisch wird die EnEV 2014 (Fortschreibung 2016) zugrunde gelegt. Darüber hinausgehende Standards unterliegen der Entwicklung durch den Verordnungsgeber und der Festlegung durch die Bauherrschaft.

Beurteilung durch das Preisgericht

Mit einer gut ausbalancierten und feinsinnig ausgerichteten Addition von zwei im Aufriss Lförmigen Hochhäusern mit viergeschossigen Sockeln entsteht eine sehr überzeugende städtebauliche Gesamtidee, die gut an den Höhenmaßstab der Altstadt anknüpft und die beiden Hochkörper mit ihrer wohl akzentuierten Fernwirkung klug in diesen Kontext einbindet. Mit der Aufreihung viergeschossiger Stadthäuser an der Nord-Ost-Seite des Wettbewerbsgebiets soll der Übergang zu den kleinmaßstäblichen Baustrukturen der Wallstraße hergestellt werden. Stadträumlich schließt der niedrigere Hochhaus-Baukörper die Hochhausgruppe am Krämpfertor bestimmt aber zurückhaltend ab, während der höhere Baukörper an der gebogenen Raumschale unmissverständlich die Umlenkung am Ringende markiert. Zwischen dieser zunächst überraschenden aber folgerichtigen Setzung entsteht ein überzeugender Innenraum, der sich großzügig zur Innenstadt öffnet und zur Adressbildung beiträgt.

Durch ein stringentes Gestaltungsprinzip wird die sprichwörtliche „Familie von Raumarbeitern“ – Juri, Valentina und der Hund Laika – zu einem stimmigen Quartier zusammengebunden, dass sich gut in den Kontext einfügt. Stadträumlich weniger überzeugen kann die etwas lapidare Reihe der Stadthäuser an der Wallstraße.

Die offenbar bewusst enge Anlehnung der Architektur an den Formen- und Materialkanon des Geschosswohnungsbaus vermeidet zwar die Assoziation zu anonymen Bürohochhäusern, ob dieser Ansatz – zumal bei den großen Volumina – einen wertvollen Beitrag zur Typologie von Wohnhochhäusern im Sinne der Smart-Living Idee leisten kann, wurde kontrovers diskutiert und in Frage gestellt.

Die Grundrisse sind funktional und versprechen eine gute Wohnqualität. Für die großen, innen liegenden Flure der Erschließungskerne wird Optimierungsbedarf gesehen.

Unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten wird die aufwändige Fassadenkonstruktion mit vor gehängten Betonfertigteilen sehr kritisch bewertet. Konstruktion und Statik des Gebäudes lassen ansonsten eine wirtschaftliche Erstellung erwarten. Die Bildung von Bauabschnitten ist sehr gut möglich. Die zweigeschossige Tiefgarage funktioniert gut. Aufgrund der durchgängig vorhandenen Sicherheitstreppenhäuser sind keine Probleme aus Sicht des Brandschutzes erkennbar. Die Einfahrt zur Tiefgarage in der Wallstraße liegt dezent auf der Nordseite des höheren Turms. Die stadtraumverträglichere Integration dieser Einfahrt in das Gebäude sollte geprüft werden.

Insgesamt stellt die Arbeit einen interessanten Beitrag zur Hochhausdiskussion dar, wobei die vorgestellte Doppelturmanlage eine wohl abgestimmte Antwort auf die komplexe stadträumliche Situation gibt.
Modell - modellwerk weimar

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