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Nichtoffener Wettbewerb | 06/2016

Neubau Kinder- u. Jugendpsychiatrie und Psychotherapie

Perspektive Haupteingang

Perspektive Haupteingang

Anerkennung

Preisgeld: 3.850 EUR

tsj-architekten gmbh

Architektur

lad+ landschaftsarchitektur gmbh

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Erläuterungsbericht Architektur

Status Quo - die Aufgabe
Der Ev. Luth. Wichernstift e.V. beabsichtigt einen Ersatzneubau für die Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie zu erstellen, da in den vorhandenen Liegenschaften keine zukunftsfähige Bewirtschaftung möglich ist. Auf dem Hauptgelände des Wichernstifts steht hierfür, in zentraler Lage, ein stark eingegrüntes Grundstück mit leicht nach Norden abfallendem Gelände, zur Verfügung. Ein „Bauplatz“ (Ort) ist auf den ersten Blick nicht auszumachen.
Gemäß dem klinischen Konzept ist eine Trennung von pädagogischem und therapeutischem Raum von großer Wichtigkeit. Weiterhin stellt in Tradition diakonischen Handelns und christlicher Nächstenliebe, die zwischen-menschliche Beziehung der Mitarbeiter zu den ihnen anvertrauten Patienten und deren Familien eine grundlegende Qualität dar. Das Leben auf Station ist nach Alter und Geschlecht gemischt, in Form ähnlich einer „Großfamilie“, organisiert. Insgesamt ist eine wohnliche Atmosphäre („Krankenhausatmosphäre wäre …Störfaktor“) gewünscht.

Leitidee - Siedeln als Urerfahrung - das Pfahlbauprojekt
Unsere Kultur ist geprägt vom „sesshaft werden“, vom besiedeln geeigneter Orte. Hierbei wurden markante Gegebenheiten wie Hügel, Täler, Flüsse, Kreuzungen, etc. genutzt. In einfachen Kulturen -oder wo solche Orte nicht vorhanden waren- rammten die Siedler Pfähle in die Erde, gruppierten Behausungen um eine Feuerstelle und definierten damit einen Ort, an dem sie bleiben und leben wollten.
Leitidee ist, in Analogie zu frühen Siedlungsformen, für den Neubau der Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie einen Ort zu schaffen, der ähnliche Urerfahrungen ermöglicht.
Wir sind der Meinung, dass das Vorbild des Siedelns in hohem Maße mit den in der Aufgabe beschriebenen erzieherischen und therapeutischen Inhalten sowie Anliegen und den anzutreffenden sozialen Strukturen übereinstimmt: Bedürfnis nach Sicherheit und Schutz, -nach Austausch, der Einzelne, die Gruppe, die Gemeinschaft, der Anführer (das Vorbild), etc.
Räume in archetypischer Weise zu organisieren und das Leben auf einfache Zusammenhänge zu reduzieren kann eine heilende Kraft ausstrahlen.

Das Pfahlbauprojekt: vor Baubeginn feiern Kinder, Jugendliche, Therapeuten, Ärzte, Familienangehörige und Freunde des Wichernstifts ein Fest! Gemeinsam wird der neue Siedlungsort in Besitz genommen und im Freiraum vor dem Baufeld ein „Pfahl“ aufgestellt. Fest und Symbol legen den Grundstein für einen zukünftigen „guten Geist“ am Ort …

Städtebauliches und Landschaftsplanerisches Konzept
Das städtebauliche und landschaftsplanerische Konzept folgt dem Leitbild des Siedelns. Der Siedlungsort besteht aus Freiraum und Behausungen aus Gemeinschaft und Rückzug aus Freiräumen vor der dem Haus, dem „öffentlichen“ Raum (Platz, Anger) mit Pfahl, Feuerstelle, Treffpunkten und privaten Orten „hinter“ dem Haus.
Zentraler Gedanke des Konzepts ist, im Süden des Grundstücks, zwischen der markanten Weggabelung des Haupt-zuwegs und dem Gebäude einen Freiraum zu belassen, der als Vorzone einen Ort definiert, den „Siedlungsplatz“.
Der Raum ermöglicht es, Topografie und Baumbestand zu berücksichtigen und insbesondere das an der Weggabelung im Süden zunächst steiler abfallende Gelände (1-1,5m) behutsam in das Landschaftskonzept zu integrieren. Hierdurch ergibt sich eine natürliche theaterartige Situation, die zum Treffen, Aneignen und Bespielen einlädt.
Das Gebäude kann in zentraler Grundstückslage auf einer mittleren Höhe von 14.50 ü.NN optimal angeordnet werden. Die Einzelbaukörper sind als Langhäuser, analog der Michaeliskirche in Nord-Süd-Richtung, locker zwischen die vorhandenen Bäume gestreut. Dem Bild der Langhäuser folgend erhalten die Bauteile geneigte Dächer in moderner Interpretation. Der Archetyp „Haus mit Dach“ stärkt die Leitidee sowie die Identifikationsmöglichkeit des jungen Patienten mit seiner temporären Behausung.
Zwischen den Gebäudeteilen entwickeln sich Freiräume ganz anderer Qualität. Hier und in den angrenzenden Bereichen sind die Stationsgärten als Inseln im Park angeordnet. Die Gärten sind groß genug um -gleich einem Schrebergarten- in familiärer Gemeinschaft Beete anzulegen, zu spielen oder ein Picknick zu machen. Im äußersten Nordosten bleibt eine große Wiese bzw. Lichtung für Sport und Spiele.
Die Erschließung des Grundstücks erfolgt aus Süden über die vorhandene zentrale Zufahrt vom Rondell an der Oldenburger Straße. Die sonstige Verkehrserschließung mit Notdienstzufahrt, Anlieferung und Stellplätzen lagert sich im Südosten an die vorhandenen Strukturen des „Wirtschaftshofs“ der Altenhilfe an. Kurze Wege für die Speisenversorgung sind gegeben.
Insgesamt ordnet der Entwurf die unterschiedlichen räumlichen Qualitäten und Bedürfnisse nach Repräsentation (Öffentlichkeit - St. Michaelis), Schutz (Privatheit für Wohnen) und Wirtschaften passend zu den angrenzenden nachbarschaftlichen Bereichen.

Hochbauliches Konzept - leben und Leben lernen
Innerhalb des städtebaulichen Konzeptes sind die verschiedenen Nutzungsbausteine entsprechend des klinischen Konzepts eigenständig, höchst funktional und kompakt entwickelt.
Mittig bilden zwei Wohnhäuser aus vier Pflegestationen mit zentralem Gemeinschaftsbereich eine zweigeschossige U-förmige Organisationsstruktur. Über die zentrale Eingangshalle verknüpft schließt sich im Osten das „Haupthaus“ mit allen sonstigen Nutzungen an. Das dreigeschossige leicht geknickte Langhaus stellt bezüglich der Höhenent-wicklung den Übergang zur Nachbarbebauung der mehrgeschossigen Altenhilfe her und schirmt gleichzeitig die Kinder- und Jugendpsychiatrie dahingehend ab. In seinem Schutz lagert sich die Intensivpflege eingeschossig an.
Nach Westen schließt die mögliche Erweiterung -das kleinste Langhaus- das Ensemble ab.
Durch die Baukörperstellung sind die Innenräume überwiegend nach Osten und Westen ausgerichtet mit dem Vorteil guter Belichtung bei Vermeidung sommerlicher Überhitzung (Südsonne).

Die Wohnhäuser - Leben
Streng nach der Systematik des Raumprogramms sind die Stationen als eigenständige familiäre Einheiten entworfen, die sich in einer klassischen Wohntypologie in Schlafbereich und Wohnbereich mit Diele gliedern. Die gemeinschaftlich genutzten Räume liegen in neutralen Zonen zwischen den „Wohnungen“. Von zentraler Stelle, den Wohnungseingängen zugeordnet, können aus den Stationszimmern/Stützpunkten die Verkehrswege weitestgehend eingesehen werden. An den Südgiebeln sind stationsnahe Nutzungen angeordnet (Gruppen- und Einzelräume, Spieltherapie, Besucherzimmer, Elternwohnung und Bereitschaftszimmer) die auch zur flexiblen Nutzung geeignet sind und sich auf den Anger hinaus orientieren.
Die Wohnhäuser sind zusätzlich über einen eigenen zentralen Eingang mit Treppenhaus erschlossen und jede Station verfügt über eigenständige Ausgänge zu den Stationsgärten.

Das Haupthaus mit Therapie - Leben lernen
Das Gebäude wird über das zentrale Treppenhaus, das an die Eingangshalle anbindet erschlossen und in einen Süd- sowie Nordflügel geteilt. Von hier aus können alle Nutzbereiche neutral erschlossen werden. Rückseitig liegt ebenfalls zentral gelegen im Erdgeschoss die Anlieferung.
Im Südflügel sind im Erd- und 1. Obergeschoss alle Therapieräume beherbergt, die ebenerdigen Räume (Ergotherapie) mit Bezug zu den Freiflächen („Außenzimmer“). Die Sporthalle entwickelt sich unter Ausnutzung des Dachraums nach oben.
Im Nordflügel ist einhüftig nach Westen, im Schutz der dreibündigen Organisation (Kerne), die Krankenhausschule beherbergt. Die Räume verfügen ebenfalls über großzügige Austrittmöglichkeiten in den Garten.
Im 1. Obergeschoss liegt der Klinische Arztdienst als zusammenhängende Einheit.
Das Dachgeschoss nimmt komplett die Verwaltung und den hieran angegliederten Chefarztbereich ein.
Das Haupthaus ist entsprechend seiner Funktionen, Größe und topgrafischen Lage in Teilen unterkellert. Von hier aus erfolgt die gebäudetechnische Versorgung.

Die Intensivstation - eine eigene „kleine Welt“
Die Intensivpflege lagert sich eingeschossig, ebenerdig an den Nordflügel des Haupthauses an und erlaubt so an zentraler Stelle eine zweiseitige Erschließung sowohl vom Haupteingang aus, als auch durch eine eigenständige Notfallanfahrt. Dazwischen liegt die Notaufnahme. Um einen geschützten Freibereich, den Atriumhof sind alle Räume gruppiert. Einsicht in den Innenhof besteht lediglich intern aus den darüber liegenden Arztdienst- und Verwaltungsräumen. Der Krisenbereich mit Stützpunkt und überwachten Zimmern kann separat organisiert und von der übrigen Station abgetrennt werden. Nach außen erhält die Station zusätzlich einen eingefriedeten Garten.

Die Erweiterung - klein aber flexibel
In flexibler Zweibundorganisation lagert sich die Erweiterung an die vorhandene Gebäudestruktur und bildet einen sinnfälligen Abschluss. Die Erweiterung kann sowohl eigenständig betrieben, als auch mit dem Neubau verknüpft, werden.

Beurteilung durch das Preisgericht

Städtebau:
Die Verfasser schlagen einen 2-3 geschossigen Baukörper vor, der sich in vier polygonale Einzelhäuser gliedert. Die einzelnen Baukörper werden durch eine Querachse mit auskragenden Vordächern verbunden, die ebenfalls polygonal den Eingangsbereich und Vorplatz definieren. Diese Geste ist gelungen, da sie sensibel mit dem Geländeverlauf umgeht und sowohl die Bewohner in ihre Häuser leitet, als auch Besucher großzügig empfängt. Der Entwurf wirkt ohne die Erweiterungsbaukörper für die Tagesklinik städtebaulich stärker.

Erschließung:
Liegendvorfahrt und Anlieferung sich folgerichtig im Bereich der Intensivstation untergebracht. Über den Haupteingang und den großzügigen Wartebereich gelangt man in das 3-geschossige Langhaus, erdgeschossig in den Ergotherapie und Intensivbereich, obergeschossig befindet sich die Physiotherapie und der Klinische Arztdienst, sowie die Sporthalle über 2- Geschosse.

Funktionalität:
Die Bereiche sind funktional richtig zugeordnet. Im Dachgeschoss liegt die Verwaltung, hier entsteht eine große Dachterrasse und einige Lufträume über den Sportbereichen, um (dies ist der Kubatur geschuldet) den Baukörper zu füllen. Die Wohnbereiche sind bewußt von der Haupterschließung getrennt.

Stationen:
Zwei Stationen bilden je eine Einheit, die über 2 Geschosse organisiert ist. Die Treppenverbindung liegt im gemeinsamen Eingangsbereich und innerhalb der Stationen. Die Anordnung der Zimmer in Ost-West Richtung und die Abläufe der Stationen um einen Kern sind funktional angeordnet. Die Nachtwache allerdings, welche als wichtiges Kriterium der Auslobung beide Stationen überblicken können muss, funktioniert nicht.

Fassaden:
Die Gestaltung und Materialwahl der Fassaden aus Textilbeton- Fassadentafeln, die in gleicher Farbgebung im Dach durch Faserzementtafeln ersetzt werden, wird kritisch gesehen, da sie in dem Versuch der modernen Übersetzung des Satteldaches eine zu artifizielle Ausprägung findet und dem Ort und der Aufgabe nicht gerecht wird. Insgesamt versucht der Verfasser unter Rücksichtnahme auf den Ort eine Struktur zu schaffen, die aufgelockert ist. Der 3- geschossige Baukörper des Langhauses erscheint jedoch durch die wenig differenzierte Fassadengestaltung überdimensioniert.

Außenbereiche:
Die einzelnen Häuser verzahnen sich mit der Landschaft und schaffen wohlproportionierte Höfe und Zwischenbereiche. Der direkte Zugang zu den Außenbereichen ist über die innenliegenden Treppenhäuser gegeben.

Energie und Nachhaltigkeit:
Ein gasbetriebenes Blockheizkraftwerk ist als monovalentes System vorgesehen und muss ggf. unter wirtschaftlichen und technischen Aspekten mit einer weiteren Versorgung unterstützt werden. Die dezentrale Lüftungstechnik in den Wohnbereichen wird als machbare Lösung angesehen, sollte aber im Vergleich zu reinen Fensterlüftung untersucht werden. Eine Photovoltaikanlage ist aufgrund der unter Nachhaltigkeitsaspekten fragwürdigen Fassaden- und Dachmaterialwahl nicht vorgesehen. Trotz der hohen Glasanteile im Erdgeschoss bleiben die Räume aufgrund der weiten Auskragungen der Vordächer dunkel.
Lageplan

Lageplan

Grundriss EG

Grundriss EG

Grundriss OG

Grundriss OG

Ansicht Nord

Ansicht Nord