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Finalist 11 / 11

Offener Wettbewerb (nur für Studenten) | 10/2016

Messeakademie denkmal 2016 - "DenkMal Nutzung!“

Finalist

Katja Jantzen

Student*in Architektur

Matthias Rückert

Student*in Architektur

Erläuterungstext

SOZIALFABRIK FLÖHA
Nutzungsstrategien für die alte Baumwollfabrik

Situation

In Flöha, einer Kreisstadt im Großraum Chemnitz, befindet sich an dem Flußufer der Zschopau ein Industrieareal einer ehemaligen Baumwollspinnerei. Es ist ein eindrucksvolles Ensemble, das sich aus Fabrikgebäuden unterschiedlicher Entstehungszeiten zusammensetzt. In seiner Gesamtheit steht es beispielhaft für die Industrialisierung und die Entwicklung der Fabrikarchitektur in Sachsen.

Flöha wurde Anfang des 20. Jahrhunderts aus Einzelgemeinden zusammengeschlossen. Die Entwicklung von kleinen Dörfern zur heutigen Kreisstadt ging, seit der Gründung der Baumwollfabrik, mit dem Wachstum des Unternehmens einher. Aufgrund dieser Entwicklungsgeschichte besitzt Flöha kein historisches Zentrum. Nachdem die Produktion infolge der politischen Wende 1989 stillgelegt wurde, beschloss die Stadt daraufhin eine neue Ortsmitte auf dem Gelände der ehemaligen Baumwollspinnerei anzusiedeln. Seitdem wurden in den jüngeren Fabrikgebäuden vielfältige neue Nutzungen untergebracht. In dem sogenannten Wasserbau hat man ein Kulturzentrum mit Bibliothek, Vereinszentrum und Veranstaltungssaal eingerichtet, der Shedbau erhielt eine große Kindertagesstätte und die Stadtverwaltung. Das jüngste Fabrikgebäude soll in den kommenden Jahren zum Einkaufszentrum umgenutzt werden. Für die letzten leerstehenden Gebäude, die ältesten des Ensembles, werden noch passende Nutzungskonzepte gesucht.

Die Gründerbauten sind aufgrund der zu ihrer Entstehungszeit genutzten Wasserkraft auf einer Achse orthogonal zum ehemaligen Mühlbach erbaut worden. Die Zeile setzt sich dabei mit ihrer Geschossbauweise deutlich von den umliegenden Fabrikhallen ab. Während sich der Gründerbau von 1809 in seiner Gestaltung noch an eine Herrenhausarchitektur anlehnt, sind die Anbauten zu beiden Seiten bereits Entwicklungsschritte zu einer rationaleren und großräumigeren Fabrikarchitektur, die den gewachsenen Produktionsmaschinen angepasst worden war.


Städtebau

Die Fabrikgebäude spannen auf dem Areal einen ihren Abmessungen adäquaten großflächigen Platz auf. Dieser ist momentan nach Westen nicht gefasst und verliert sich. Um eine geschützte Platzsituation für die neue Ortsmitte Flöhas entstehen zu lassen, soll das Ensemble einen neuen Stadtbaustein erhalten. Dieser ist entlang des alten Mühlbachverlaufs ausgerichtet und schafft eine neue Fußgängerachse vom Baumwollpark durch die Gründerbauten bis zum Marktplatz. Er nimmt mit seiner Gebäudetiefe den industriellen Maßstab des Bestandes auf und schließt die offene Gruppierung zu einem Platzgefüge.

Der neue Stadtbaustein ist für Wohngrundrisse mit großzügigen privaten Außenräumen in Form von Dachgärten angelegt, die zusätzlich durch ihre gute Lage mit kurzen Wegen zu Kinderbetreuung und Einkaufsmöglichkeiten für Familien geeignet sind. Der Wechsel zwischen ein- und zweigeschossigem Baukörper, der durch die Dachgärten zustande kommt, lehnt sich an die Shedbebauung der Kindertagesstätte auf der gegenüberliegenden Seite an. Im Erdgeschossbereich werden Kleingewerbe untergebracht, um den Marktplatz mit alltäglichen Aktivitäten der Flöhaer zu beleben und sie zum Verweilen einzuladen.


Nutzungskonzept

Mit den bisher realisierten Umnutzungen der Bestandsgebäude wurden bereits wichtige öffentliche Einrichtungen an der neuen Ortsmitte platziert. Um eine ausgewogene Funktionsmischung für das Areal zu erhalten, ist nun die Schaffung von Wohnraum für die Konzeptentwicklung von zentraler Bedeutung. Dabei ist es wichtig eine neue dauerhafte Bewohnerschaft anzusiedeln, die das Quartier belebt.

Die Fabrikzeile ist sichtbar in drei Bauphasen entstanden, wobei für die Umnutzung jeder Teil separat behandelt wird. Aufgrund geringer Gebäudetiefen eignen sich der Ursprungsbau von 1809 und seine westliche Erweiterung für Wohnungen. Unterschiedliche Wohnungsgrößen sollen eine breite Bewohnermischung hervorbringen.

Da beide Bestandsgebäude in ihrer Gestaltung symmetrisch angelegt sind, erhalten sie jeweils mittig einen neuen zentralen Erschließungskern und die darauf aufbauende Wohnungsaufteilung geht von dieser Mitte aus. Über einen Gemeinschaftsflur werden im Bau von 1809 zwei Einzimmerapartments mit 37qm und zwei 4-Zimmer-Wohnungen mit 110qm erschlossen. Mit einem Schaltzimmer lassen sich die Wohnungsgrößen auch zu zwei 2-Zimmer- und zwei 3-Zimmer-Wohnungen umlegen. Im Erweiterungsbau sind im Regelgeschoss zwei 5-Zimmer-Wohnungen geplant, die für Wohngemeinschaften und Familien geeignet sind. Aufgrund geringerer Deckenhöhen im 5. und 6. Obergeschoß und der besonderen Dachstuhlkonstruktion im Ursprungsbau, werden diese Geschosse mit Maisonetten belegt, die über einen Luftraum die Wohnungen in die Höhe erweitern und auf die nach außen sichtbare Gliederung des doppelgeschossigen Mansarddachs eingehen.

Da in Flöha ein hoher Bedarf an altersgerechtem Wohnraum besteht, sind alle Wohnungen, bis auf die Maisonetten, barrierefrei angelegt und lassen sich leicht zu pflegefähigen Wohnungen umrüsten.

Der Klinkerbau von 1887, in der Sichtachse der Haupterschließung, hat tiefere Abmessungen als die Ursprungsbauten. Die Umnutzungsidee sieht für dieses Gebäude eine soziale Einrichtung vor, die unterschiedliche Aktivitäten unter einem Dach vereint. In erster Linie sollen dabei Arbeitsplätze für geistig oder körperlich beeinträchtigte Menschen entstehen. In den oberen Fabriketagen werden neben einer Holzabteilung eine Näherei und Weberei eingerichtet. Diese Werkstattbereiche orientieren sich an der Lebenshilfe Chemnitz, die diese Geschäftsfelder zukünftig weiter ausbauen möchte und nehmen zugleich Bezug zur Geschichte der Baumwollfabrik. Es geht weiter im Bereich der Textilindustrie, die früher produzierte Baumwolle gelangt nun in kleinerem Maßstab in die Verarbeitung. In den Werkstätten werden Kinder- und Arbeitsbekleidung, Taschen, Tücher, Spielzeug und Bürobedarf hergestellt.

Das Erdgeschoss ist der Begegnungsort der Einrichtung mit Cafeteria für Angestellte und Besucher. Dort werden die Arbeiten aus den Werkstätten ausgestellt und verkauft.

Das ehemalige Baumwolllager, der sogenannte Oederaner Bau, wurde zu seiner Entstehungszeit auf die damalige Rückseite der Fabrikanlage gebaut. Die Schauseite war die Südansicht der Zeile. Mit der Brücke und der späteren Erweiterung der Fabrik im Norden des Areals hat sich die Haupterschließung gedreht. Der Oederander Bau bildete daraufhin einen Teil der kleinteiligen Werkhofbebauung. Mit der heutigen Umnutzung des Werkhofs zum Marktplatz für Flöha kommt dem Oederanerbau eine besondere Stellung zu, er wirkt wie ein Ausstellungsobjekt auf dem großen Platz. Aufgrund dieser prominenten Situation eignet er sich für einen Gastronomiebetrieb. Im Erdgeschoss kann auf den Marktplatz bestuhlt werden. Das Obergeschoss ist für einen Veranstaltungssaal geplant mit Ausblick auf das Fabrikensemble ringsum.


Architektonische Gestaltung

Eine Vielfalt an Stützen charakterisiert den Innenraum der Ursprungsbauten von 1809 und 1826. Sie zeugen von Ausbesserung und Anpassung der Gebäude zu ihrer Produktionszeit. Indem die neuen Innenwände versetzt zu den Stützenreihen verlaufen, bleibt diese Vielfalt weiterhin sichtbar. Auch im Klinkerbau von 1887 geben die Stützen dem Innenraum seine charakteristische Eigenart. Der offene Grundriss im Erdgeschoss soll den Besucher beim Eintritt den Stützenwald erleben lassen. In den oberen Etagen bringt ein großzügig angelegter Flur mit Glastrennwänden Offenheit zu den Werkstätten. Bank- und Kursräume sind aus Lärmschutzgründen abgetrennte Bereiche, die über eine versetzte Anordnung dem Gemeinschaftsflur Vor- und Rücksprünge verleihen und Licht von verschiedenen Seiten einfallen lassen. In seinem Mittelteil um die Teeküche ist der Flur Treffpunkt und Verteiler, im hinteren Bereich geschützter Rückzugsort für die empfindsameren Beschäftigten.

Da der alte Treppenturm des Ursprungsbaus in seiner ursprünglichen Funktion zur vertikalen Erschließung für die neue Nutzung nicht mehr notwendig ist, soll er zurückgebaut werden und neuinterpretiert in Form eines Loggienturms wieder in Erscheinung treten. Ein zweiter Turmanbau auf der Westseite bildet sein Pendant und macht mit der vorgelagerten Bestandstreppe im Osten, das Element Turm im Außenraum zum Thema. Als Stahlkonstruktion aus Streckmetall setzten sich die neuen Anbauten vom historischen Bestand ab und verleihen der neuen Nutzung sichtbaren Ausdruck auf dem Fabrikgelände.

Insgesamt bedingen die neuen Nutzungen nur kleine Eingriffe in den Bestand. Die Konstruktion bleibt im Wesentlichen bestehen, lediglich in Teilen müssen Stützen den Erschließungskernen weichen. Die ehemaligen Fabrikgebäude werden durch die Umnutzung an die technischen und gesellschaftlichen Veränderungen angepasst und bleiben dabei dem Industrieensemble als Zeugnisse ihrer Entstehungszeiten erhalten.

Beurteilung durch das Preisgericht

Um eine geschützte Platzsituation für die neue Ortsmitte Flöhas zu schaffen, soll dem bestehenden Ensemble von Bauten und Freiflächen ein ein- bis zweigeschossiges Gebäude mit Gewerbebetrieben und Wohnungen hinzugefügt werden. Es ist entlang des alten Mühlbaches ausgerichtet und schafft eine neue Fußgängerachse vom Baumwollpark durch die Gründerzeitbauten bis zum Marktplatz. Mit seiner Gebäudetiefe nimmt es den industriellen Maßstab des Bestandes auf. Wohnungsgrundrisse mit großzügigen privaten Dachgärten, eine gute Lage mit kurzen Wegen zu Kinderbetreuung und Einkaufsmöglichkeiten machen sie für Familien geeignet. Die Gewerbebetriebe in den Erdgeschossen sollen den Marktplatz beleben.

In den bislang ungenutzten drei Fabrikgebäuden sollen unter anderem Wohnungen entstehen, um eine ausgewogene Funktionsmischung für das Areal zu erreichen. Die Fabrikzeile ist in drei Bauphasen entstanden; jeder Teil soll separat entwickelt werden.

Aufgrund geringer Gebäudetiefen eignen sich der Ursprungsbau von 1809 und seine westliche Erweiterung für Wohnungen unterschiedlicher Größen, die mittig durch einen neuen Erschließungskern erreichbar werden. Da ein hoher Bedarf an altersgerechtem Wohnraum besteht, sind viele Wohnungen barrierefrei angelegt und lassen sich leicht zu Pflege-Wohnungen umrüsten.
Im Klinkerbau von 1887 mit seinen tieferen Abmessungen soll eine soziale Einrichtung mit Arbeitsplätzen für geistig oder körperlich beeinträchtigte Menschen entstehen. Neben einer Holzabteilung orientieren sich Näherei und Weberei an der Geschichte der Baumwollfabrik. Das Erdgeschoss wird Begegnungsort, Cafeteria, Ausstellungs- und Verkaufsraum.
Der Oederan-Bau in seiner prominenten Lage eignet sich für einen Gastronomiebetrieb.

Insgesamt sind die Idee für die neuen Nutzungen und deren Umsetzung angemessen und denkmalgerecht - sowohl im städtebaulichen Maßstab als auch im Detail. Ein Vorteil liegt darin, dass die Neubauten, Instandsetzungen und Umnutzungen nach und nach umgesetzt werden können. Die Umnutzungsstrategie sieht für die Fassaden und die inneren Bauteile und Oberflächen der historischen Fabrikbauten eine vorsichtige, bestandswahrende Strategie vor. Auch die hinzugefügten Bauteile wie Treppentürme, Freisitz etc. zeigen Respekt vor dem denkmalgeschützten Bestand. Die nötige und erwünschte Revitalisierung der neuen Mitte Flöhas könnte durch die angedachte Nutzungsmischung gelingen.

Er verdient daher eine Anerkennung im Rahmen der Messeakademie 2016.
Lageplan

Lageplan

Ansicht Süd

Ansicht Süd

Ansicht Nord

Ansicht Nord

Ansicht West

Ansicht West

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