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Nichtoffener Wettbewerb | 09/2016

Stadtkaserne Frauenfeld und Oberes Mätteli

all day long

1. Preis

PARK Dipl. Arch. ETH SIA BSA

Architektur

Müller Illien Landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Projektvorschlag überrascht durch eine scheinbar einfache, im Einzelnen aber gut durchdachten Strategie. Das Kasernenareal wird integral erhalten, und der weite Atem der bestehenden Freiräume wird belassen. Der Kasernenplatz, der Kasernenhof sowie das Obere Mätteli als weiterer Platzraum werden aufgewertet. Eine Reihe von drei prägnanten Investitionsobjekten wird im Kontrast dazu für die Geleiseseite der Bahnhofstrasse vorgeschlagen. Trotz ihres kommerziellen Charakters wirken diese Bauten als stadträumlich wünschenswerte Klärung und entschiedene Massnahme zur städte - baulichen Aufwertung. Das Obere Mätteli wird gegen Osten mit einem objekthaften Neubauvolumen abgeschlossen. Dieser grossartig inszenierte Bau hat zweifellos öffentlichen Chrakter. In seiner Grösse, Setzung und Eigenständigkeit besitzt er gar das Potential zu einer Architekturikone. Im Kasernenareal wird kein einziger Bauteil zum Abriss vorgeschlagen, die Fragestellung wird in gewisser Weise umgekehrt: Wie kann mit diesem gewachsenen Ensemble so respektvoll wie möglich umgegangen werden – wie können die Bauten möglichst schonend angepasst und einer sinnvollen neuen Nutzung zugeführt werden? Dieser sorgfältige Umgang mit der Substanz zeichnet sich aus durch eine partiell vergleichsweise niedrige Eingriffstiefe, die verbunden ist mit relativ niedrigen Investitionen. Das schafft Raum für niederschwellige Angebote, die notwendig sind, um Areale dieser Grössenordnung innert vernünftiger Frist zu beleben. Diese Strategie überzeugt umso mehr, weil die Anlage, so wie sie heute dasteht, über beachtliche städtebauliche und freiräumliche Qualitäten verfügt – sowie über eine schöne Patina, etwas, was man nicht mit Geld kaufen kann. Der Kopfbau der Kaserne wird zu einem Seminarhotel umgebaut. Mit einer einladenden, von einer Pergola bekrönten Terrasse vor der Hauptfassade wird die Strenge des Militärbaus gebrochen, es entsteht ein Hauch von Grand Hotel gleich gegenüber dem Bahnhofgebäude. Günstige Gewerbeflächen bieten die langgezogenen Holzschuppen der Seitenflügel: Platz für Ateliers und Werkstätten; Raum für Vereine, die Kreativwirtschaft oder Startups. Die grandiose Doppelhalle an der Schmalseite des Hofs eignet sich in ihrer heutigen Form für Events aller Art. Eine grössere Eingriffstiefe wird für die niedrigen Eckbauten vorgeschlagen, hier sind diverse Infrastruktur- und Gastronutzungen unter - gebracht. Für die drei aufgeständerten Bauten entlang der Geleise stehen Büronutzungen im Vordergrund. Der Westbau beherbergt im Erdgeschoss den Bushof; der Mittelbau überdeckt die an dieser Stelle zur Auffahrtsrampe reduzierte Bahnhofstrasse; in den sechsgeschossigen Ostbau wird das Zeughaus als Sockel integriert – hinter der historischen Bogenreihe zur Strasse befindet sich eine Arkade, da - hinter liegen Ladenfronten. Der prägnante Solitär auf dem Oberen Mätteli wird als Standort für das Historische Museum vorgeschlagen. Der Kasernenplatz wird mit einfachen Mitteln zur Ankunftsadresse des Areals aufgewertet. Der Kasernenhof lässt in seiner Gestaltung Fragen offen, er wirkt allzu hart und platzartig, und die Unterkellerung mit einer Tiefgarage ist fragwürdig. Funktional wirkt der Vorschlag für das Obere Mätteli selbstverständlich – ein Eventplatz wie bisher, darunter das Parkhaus – doch insbesondere die Aufgänge und die Tiefgaragenabfahrt erscheinen wenig inspiriert und gegenüber der Bahnhofstrasse barrierenartig. Weil die städtebauliche Verdichtung hauptsächlich entlang der Bahnlinie erfolgt, führt die Platzierung der Volumen kaum zu einer Beeinträchtigung der direkten Umgebung der Kaserne sowie für die Wirkung der Altstadt. Die Setzung der Volumen und ihre Höhenentwicklung ist mit Rücksicht auf das Ortsbild (historische Bebauung) allerdings zu schärfen. Einhergehend mit der Verdichtung im Bahnbereich werden die Schutzobjekte wie auch das Obere Mätteli freigespielt, die geforderte Rücksicht auf die Schutzobjekte ist weitgehend gewährleistet. Aus denkmalpflegerischer Sicht ist eine zurückhaltende Aktivierung des Kasernengebäudes unter Beibehaltung der Binnenstruktur und der äusseren Erscheinung anzustreben. Kontrovers diskutiert wird deshalb auch die Verandalösung zum Kasernenvorplatz. Ob sich die Nutzung als Seminarhotel bzw. zu Schulungsräumen mit dem Erhaltungsansatz verträgt, wäre nachzuweisen. Der Projektvorschlag überzeugt in vielerlei Hinsicht durch die Prägnanz und Klarheit seiner Überlegungen. Dank der auch ökonomisch glaubwürdigen Nutzungsvorschläge der präzisen städtebaulichen Setzungen wird die konsequente Erhaltstrategie für das Kasernenareal plausibel gemacht – ja, noch mehr: plötzlich erscheint die Erhaltstrategie als einzigartige Chance.