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Nichtoffener Wettbewerb | 11/2016

„Neue Ortsmitte Oberharmersbach“ - Umbau/Modernisierung Rathaus und Feuerwehr sowie Umgestaltung Rathausplatz

Lageplan

Lageplan

1. Preis

Preisgeld: 12.000 EUR

Kayser Architekten GmbH, Aalen

Architektur

Volker Stauch Landschaftsarchitektur

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Städtebauliches Konzept
Der Abriss der Alten Post, die Aufwertung der Öffentlichen Representanz des Rathauses (Bürgerbüro) und die Umnutzung des Feuerwehrhauses mit Tourismusbüro und Veranstaltungssaal eröffnen die Chance der Gestaltung einer attraktiven und qualitätsvollen Ortsmitte im Zusammenspiel mit dem neuen Rathausplatz und dem angrenzenden Museumsareal Historischer Speicher. Dabei wird das Rathaus in südöstlicher Richtung erweitert, das Feuerwehrhaus behutsam seiner künftig öffentlichen Nutzung entsprechend umstrukturiert sowie der neue Gemeindeplatz als zentrales Element der Ortsmitte Oberharmersbach gestaltet.

Freiraumgestaltung
Vernetzung und Identifikation sind die Leitlinien der Freiflächengestaltung und Basis der künftigen Freiraumqualität im Umfeld der Ortsmitte. Zwischen Rathaus und ehemaligem Feuerwehrhaus entsteht ein ebener Freibereich als zentrale Fläche, vielfältig nutzbar und autofrei mit angrenzender terrassierter Naturbühne als topographischer Übergang anstelle der bestehenden Böschung. Es entsteht so eine neue direkte Anbindung des Museumsbereiches. Der Narrenbrunnen wird in seiner Bedeutung gestärkt indem er an die Nördliche Platzkante versetzt und durch ein platzbündiges Wasserspiel ergänzt wird.
Die erforderlichen Stellplätze werden als Kurzzeitparkplätze entlang der Durchgangsstraße und im Bereich des Nordgiebels Rathaus angeordnet. Hier sind auch die Behindertenstellplätze platziert – mit kurzer Wegverbindung zum barrierefreien Zugang Rathaus. Alle Bereiche sind LKW-befahrbar und mit großformatigen Natursteinsteinplatten im Wechsel mit Natursteinkleinpflaster belegt. Bodenhülsen für Sonnensegel im Bereich der Naturbühne, unterirdische Strom- und Wasseranschlüsse sowie die Platzbeleuchtung mittels blendfreier zylindrischer Mastleuchten ergänzt durch lineare Lichtelemente an den Kanten der Rasenterrassen und dezenter Fassadenbeleuchtung gewährleisten die Nutzung und hohe visuelle Qualität des Areals.

Funktionale und architektonische Umsetzung
Rathaus: Das unter Denkmalschutz stehende 1901 im neogotischen Stil erbaute Rathaus wird in seinem Erscheinungsbild komplett erhalten. Ein selbstbewusster Kubus fügt sich als Erweiterungsbau an der Südseite an und beherbergt mit dem Bürgerbüro und dem Sitzungssaal öffentliche Bereiche. Angrenzend an den bestehenden Haupteingang erstreckt sich das durch den Einbau einer Informationsvitrine mit integrierter Sitzbank aufgewertete Foyer. Der Erschließungsbereich mit Haupttreppe und neu angegliedertem Aufzug - zentral gelegen an der Schnittstelle zu den Funktionszonen - erschließt durch kurze Wege effizient die Gebäude-ebenen. Ein weiterer Zugang auf der Südseite des Anbaus ermöglicht die separate Erschließung des Bürgerbüros.
Zur Optimierung des Verwaltungsablaufes werden die Sachgebiete neu organisiert und zusammengefasst - so liegen publikumsintensivere Bereiche wie das Hauptamt, das Trauzimmer und das Bürgerbüro im Erdgeschoß, das Bürgermeisteramt im 1.OG am nördlichen Hauptgiebel und in räumlicher Nähe zum Sitzungssaal, während das weniger publikumsintensive Rechnungsamt im Dachgeschoß untergebracht wird. Den Nutzungseinheiten nicht direkt zugeordnete Archivräume werden im unterkellerten Anbau (Wasserdichte Wanne) untergebracht.
Die Eingriffe in die Bausubstanz sind minimiert, die Dachform bleibt unverändert – die Archivräume benötigen keine zusätzlichen Belichtungsflächen. Die Barrierefreiheit wird durch den Einbau eines Aufzuges mit ebenerdigem Zugang auf der Ostseite sowie der barrierefreien Anbindung des Bürgerservices an das Platzniveau gewährleistet. Das Brandschutzkonzept sieht vor die Bestandstreppe als abgeschlossenen Treppenraum (T30-Glaselemente) mit direktem Ausgang ins Freie als 1. Rettungsweg auszubilden. Es entstehen somit Nutzungseinheiten unter 400 m2. Als zweiter Rettungsweg kann über Fenster angeleitert werden. Sollten für die angestrebte Personenzahl im Sitzungssaal herkömmliche Kompensationsmaßnahmen wie eine interne Hausalarmanlage nicht ausreichen kann in der Gebäudefuge zwischen Bestand und Anbau problemlos ein zweiter baulicher Rettungsweg realisiert werden.

Feuerwehrgerätehaus: Das ehemalige Feuerwehrgerätehaus wird in seiner Kubatur erhalten. Aufgrund der geänderten Nutzungen schlägt der Verfasser den Rückbau des Turmes vor. Rathaus und Kirchturm dominieren somit künftig die Silhouette des Ortskerns.
Ein Anbau an der Nordwestseite bietet einerseits die Ersatzfläche für die Bäckerei, andererseits eine unterirdische Erweiterungsfläche für die Nebenräume der EG-Nutzung. Zum neuen Platz orientiert sich das Tourist-Office und lädt Kunden durch seine Transparenz mit großzügigem Fenster und Eingangsbereich ein. Der Veranstaltungsraum öffnet sich ebenfalls zum Festplatz und kann bei Feiern Außen- und Innenräume gemeinsam bespielen. Die öffentlichen WC-Anlagen sind barrierefrei vom Platz aus zu begehen. Der vorhandene Keller wurde zurückgebaut und die Bodenplatte abgesenkt.
Die Büro- oder Praxisflächen im Obergeschoss werden durch den topographischen Geländeversatz von Westen barrierefrei erschlossen – die erforderlichen Stellplätze sind ebenfalls dort angeordnet. Das neu gestaltete Eingangsplateau mit barrierefreier Erschließung der Gewerbeeinheiten öffnet sich an der Gebäudewestseite großzügig und gibt mit einer einladenden Geste, eine der Nutzung angemessene Zugangssituation frei.
Der bestehende Treppenraum bleibt erhalten, wird über ein großzügiges Foyer an den Vorplatz angebunden und erschließt gleichermaßen die beiden Gewerbeeinheiten, sowie die neu strukturierten Vereinsräume im Obergeschoss. Den Vereinsräumen vorgelagert erweitert sich der Treppenraum zu einer gemeinsamen Vorzone mit Aufenthaltsbereich und Zugang zum Dachboden mit potentiell weiteren Lagerbereichen. Die energetische Sanierung erfolgt im Wesentlichen durch die Dämmung der Bodenplatte, des Dachraumes und die Erneuerung der Außenhülle mittels hinterlüfteter Fassade mit Mineralwolldämmung sowie den Einbau neuer Fenster. Bestehende Öffnungen werden dabei weitestgehend erhalten, Eingangsbereiche sowie Sonderfunktionen mittels Fensterfaschen subtil hervorgehoben.

Gestaltung und Materialität
Das neue Ensemble aus denkmalgeschützten Rathaus, Rathausanbau, Gemeindeplatz sowie „Feuerwehrhaus“ fügt sich behutsam in den historischen Ortskern ein, bestehende Materialien werden dabei aufgenommen und zeitgemäß interpretiert. Im denkmalgeschützten Gebäude beschränken sich energetische Sanierungsmaßnahmen im Wesentlichen auf neue Innendämmung der Dachflächen, Kellerdeckendämmung, Einbau neuer Fenster und den hydraulischen Abgleich der Heizungsanlage sowie ggf. die Optimierung der Elektroinstallation. Die Fassade wird entsprechend dem Denkmalschutz restauriert und mit subtilen Beleuchtungsakzenten in Szene gesetzt.

Der Kubus der Rathauserweiterung auf der Südseite übernimmt mit seiner Natursteinfassade die Materialität des Gebäudesockels und der angrenzenden historischen Gebäude. Die Bestandsöffnungen auf der südlichen Giebelseite bleiben im Innenraum spürbar. Tief in der Laibung liegende Fenster orientieren sich an den Bestands-proportionen, übernehmen das Prinzip der Fensterfaschen und ermöglichen den Blickbezug zum Rathausplatz sowie der historischen Bebauung im Südwesten. Roh- belassene konstruktive Materialien wie Holz und Beton charakterisieren die Innenraumgestaltung. Die energetische Sanierung der Fassade des Feuerwehrhauses orientiert sich an der Materialität der historischen Museumsbebauung. Neben neuen Holzfenstern schlägt der Verfasser eine hinterlüftete Fassade mit Natursteinmauerwerk im Sockelbereich und einer Holzfassade mit unregelmäßiger Verschalung aus sägerauem Lärchenholz vor. Breite Laibungen aus Massivholz definieren die Eingänge und stärken den öffentlichen Charakter des Gebäudes. Charakteristische Elemente des Bestandsgebäudes wie das ziegelgedeckte Dach, Dachüberstände mit sichtbaren Sparren und Regenrinnen sowie die Lochfassade bleiben erhalten, Dachaufbauten werden zurückgebaut und durch Dachflächenfenster ersetzt. Durch die materielle Differenzierung der Fassaden Rathaus und Feuerwehrhaus erhält das Rathaus mit seiner Ornamentik ein Freistellungsmerkmal und eindeutige Dominanz in der Platzprägung.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit 1004 sieht südlich andockend an das historische Rathaus einen zweigeschossigen Anbau mit Flachdach vor, welcher mit einem zweiten Zugang eine Fuge zum Bestandsbaukörper ausbildet. In dem Erweiterungsbau sind im EG das Bürgerbüro und im OG der Sitzungssaal untergebracht. Zur internen Erschließung ist im historischen Rathaus ein Aufzug vorgesehen. Der Baukörper gliedert sich städtebaulich gut an den Bestand an, setzt sich gleichzeitig jedoch auch durch seine Kubatur und die vorgesehene Materialität vom historischen Bestand positiv ab. Die Höhe des Anbaus wird in Bezug auf das historische Rathaus allerdings kritisch beurteilt. Das historische Rathaus bleibt in seiner Funktion als städtebauliche Hauptadresse gewahrt und wird nur untergeordnet und unaufgeregt baulich ergänzt.
Kritisch zu sehen sind auch die vorgesehenen barrierefreien Zugänge im Osten (Lage zum Bach, Frage der Realisierungsfähigkeit durch Überbauung des Bachs) des Bestandsbaus bzw. im Süden des Erweiterungsbaus, welcher zu weiten Wegen und Problemen in der Auffindbarkeit führen würde.
Ebenso wie der Umgang mit dem Rathaus wird auch die städtebauliche Einbindung des Feuerwehrgerätehauses in den Platzraum positiv gesehen. Veranstaltungsraum und Touristik-Info werden richtigermaßen direkt vom Platzraum aus erschlossen, das Gebäude selbst wird nur im Erdgeschoss in der Fassadenstruktur bearbeitet, behält aber seinen schlichten Gesamtcharakter. Auch die Neuordnung der Parkierung und der Lagerfläche der Bäckerei Nock wird insgesamt strukturell gut, wenngleich in der Summe mit den Lagerflächen jedoch auch relativ aufwändig gelöst. Kritisiert wird beim Feuerwehrgerätehaus der Wegfall des Spritzenturms. Ebenso wurde die Sinnhaftigkeit einer Holzfassade diskutiert, wenngleich diese in einem angenehmen Kontext zur Materialität des Ergänzungsbaus des Rathauses steht.
Der Freiraum des Dorfplatzes ist in seiner Abfolge gut und logisch strukturiert: Die Sitzbank und der Narrenbrunnen mit Wasserspiel schaffen zum Straßenraum einen Filter ohne den visuellen Kontext einzuschränken. Hieran spannt sich ein multifunktional nutzbarer Raum zwischen Rathaus und Feuerwehrgerätehaus auf. Der nachfolgende Geländeversprung wird freiraumplanerisch durch Rasenterrassen überwunden und schafft einen guten Übergang zum angrenzenden Freiraum des Museums. Kritisiert wird die Dichte der Parkierung im Vorfeld des Rathauses im Hinblick auf die Wertigkeit der Fassade und der Längsparkierung vorgelagert zum Auftakt des Platzraums.
In der Summe stellt die Arbeit 1004 einen städtebaulich, architektonisch und freiraumplanerisch gelungenen Beitrag zur Lösung der Aufgabenstellung dar und erfüllt die Anforderungen der Aufgabenstellung in hohem Maße.
Modellbild

Modellbild

Nutzungsschema

Nutzungsschema

Grundriss Erdgeschoss

Grundriss Erdgeschoss

Grundriss Obergeschoss

Grundriss Obergeschoss

Grundriss Dachgeschoss

Grundriss Dachgeschoss

Ansicht Nord

Ansicht Nord

Ansicht West Rathaus

Ansicht West Rathaus

Ansicht Ost Feuerwehrhaus

Ansicht Ost Feuerwehrhaus

Ansicht West Feuerwehrhaus

Ansicht West Feuerwehrhaus

Ansicht Süd

Ansicht Süd

Schnitt AA

Schnitt AA