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Freiraumplanerisches Werkstattverfahren | 10/2016

Kaiserplatz

Perspektive Kaiserplatz

Perspektive Kaiserplatz

1. Rang / Zur Realisierung empfohlen

Lützow 7 Müller Wehberg Landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Der Kaiserplatz - Düren die Stadt des Papiers und des Wassers

Der Kaiserplatz in Düren wird im stadtbaulichen Kontext mit dem Marktplatz gesehen. Die klassische Doppelplatzanlage bietet im Zusammenspiel der Nutzungsoptionen eine hohe stadträumliche Qualität und erhält mit der Renovierung und Umgestaltung des Ensembles eine zeitgenössische Aufwertung auf dem Fundament des Städtebaus der 50iger Jahre.
Eine ganzheitliche Sichtweise fordert dazu auf die Essentials des Stadtbodens als fließendes Kontinuum zu verstehen und als gestaltprägende Oberflächendetails fortzuschreiben und weiterzuentwickeln. Die individuelle Platzabfolge erfolgt wie zum Beispiel am Annaplatz durch wohl gesetzte Intarsien ausgesuchter Gestaltung und Materialität.
Der Regel nach ist der Stadtboden des Kaiserplatzes analog zum Marktplatz und der Kölnstraße zu den Gebäuden hin in der Materialität durch einen Mosaikoberstreifen und einem Auslagenbereich vor den Geschäften gerahmt. Die Anforderungen des Linienbusverkehrs an die Materialität der Decke sind hier durch die Interpretation einer Regel wie zum Beispiel auf den Querungen des Fahrverkehrs an der Wirtelstraße vorgesehen. Die Fahrbereiche werden farbig dem umgebenden Material angepasst in der Ausführung als halbstarrer Belag vorgesehen.
Mit Bezug auf das adressbildende Rathaus und in Anlehnung an die ursprüngliche Gestaltung des Platzes zentriert eine Intarsie die frei nutzbare Platzfläche. Die Funktionen des Platzes, die alltäglichen Bewegungen und Nutzungen, erhalten großzügig und klar ablesbar je einen signifikanten Ort innerhalb des Raumgefüges.
Die Stadt des Papiers und des Wassers ist Ideengeber bei der Gestaltung des Kaiserplatzes. Einem gefalteten Blatt nachempfunden wirkt die aus einem laststabilen, halbstarrem Belag hergestellte und fugenlose Oberfläche der Papierintarsie leicht geknickt und schattiert. Zu dem übernehmen die in ihrer Ausrichtung an vorhandene Sichtbezüge orientierte Faltlinien und Gefälle die Funktion der Entwässerung der Fläche. Die farblich nuancierte, geschliffene und signifikant wirkende Oberfläche besteht aus einem farblich wählbaren Mörtel mit variierenden Natursteineinlagerungen über einem bituminösen Traggerüst (z.B. Confalt). Die Solitärbaumgruppe im Westen wird im Osten der freie Raum mit der imposanten Rathaustreppe und dem temporären, interaktiven Wasserspiel gegenübergestellt. Die den Fahrbogen der Busse begrenzende Auffaltung des Blattes Papier im Gegenüber der Stadtfuge zum Marktplatz bietet sich hier als kurzweilige und orientierende Sitzgelegenheit an. Im Bereich der Großbaumgruppe ist die Topografie der Flächenfaltung etwas ausgeprägter. Hier erheben sich hölzerne Sitzlounges, die sich mit leicht unterschiedlichen Neigungen aus der Oberfläche der Intarsie herausschieben. Unter dem Blätterdach lädt die skulptural gefaltete Partie der Intarsie zum Verweilen und Spielen ein. Als Angebot für die Kleinen bietet ein integriertes gefaltetes Spielobjekt aus farbigen Melaminharzplatten mit geneigten Flächen, Höhlungen und Unterschnitten weitere Verweilqualität.
Zwei ikonografische Pavillons stehen als Wetterschutz, Aufenthalt und als Bushaltedächer zur Verfügung. Die stützenfreie Dachkonstruktion wird in Anlehnung an eine Origamifaltung aus gefalteten massiven farblich eloxierten Blechen vorgestellt. Paravents aus Glas schützen vor Wind und Schlagregen.
In Gegenüber der vorhandenen Platanenreihe, die fußläufig als Weg zu den Bussen der südlichen Haltestelle dient wird die imposante Rathausterrasse mit Freitreppe einladend inszeniert. Eine sanft sich über die Treppe herauf faltende Tribüne aus Holzstreben bietet sonnige Sitz- und Liegeflächen mit Blick auf das Wasserspiel und das vis-à-vis. Ein großzügiges Holzpodest mit integriertem Baumstandort verleiht der Terrasse zum Osten einen schützenden räumlichen Akzent. Einige Sonnenschirme und die temporäre Aufstellung einer mobilen Espressobar und Snackeria, Citrönchen bieten Orte für den Verzehr softkulinarischer Angebote an wetterbedingt schönen Tagen. Das Terrassenensemble dient des Weiteren als erweiterte Veranstaltungsfläche im Zusammenschluss mit Events im Rathausfoyer.
Die Verkehrsfläche der zentralen Rendezvoushaltestelle ist um je 10m an der Zehnthofstraße und am südlichen Bussteig verlängert. Fahrinformationsstelen, Lampen und Bänke sind in Parallelaufstellung mit einem Abstand von 2,5m vom Hochbord positioniert. Im Abschnitt gegenüber der bestehenden Rathaustreppe wird aufgrund der Aufstellung der Bühne zum Stadtfest auf Einbauten verzichtet.
Veranstaltungen können nach wie vor bei der vorgeschlagenen Platzgestalt wie bisher stattfinden. Bühnen können unter Sperrung des Fahrverkehrs auf der Fahrbahn oder bei Busbetrieb auf dem Platz im Gegenüber der Rathaustribüne aufgebaut werden. Die leichte Faltung der Papierintarsie und der ebenerdige Einbau des Wasserspiels ist hier kein Hindernis, der gesamte Kaiserplatz ist barrierefrei angelegt.

Beurteilung durch das Preisgericht

Mit großzügiger Geste stellen die Verfasser das Rathaus auf den „Boden der Tatsachen“, also auf den zukünftigen gemeinsamen Stadtboden. Mit diesem pragmatischen Ansatz wird das skulpturale Rathausensemble deutlich herausgearbeitet und der Kaiserplatz mit dem Marktplatz sehr selbstverständlich verknüpft. Auch die sogenannte Rendezvous-Haltestelle wird als der entscheidende Frequenzbringer akzeptiert und mit farblich angepasstem, dabei funktionsoptimalem Spurmaterial ausgestattet.

Bei aller Gelassenheit im Umgang mit dem Stadtboden und Busrendezvous werden mit einem leichten Augenzwinkern zwei Setzungen auf dem wichtigsten Platz Dürens vorgenommen, die dem Platz seine Identität geben und „einen Umweg lohnend erscheinen lassen“, um einen bekannten Reiseführer zu zitieren:
Die für Düren wichtigen Themen, wie Wasser und Papier, werden eindrucksvoll inszeniert. Eine Intarsie im Stadtboden wird wie ein zerknüllter Papierbogen auf dem Platz ausgebreitet und kann so einen Bezug zum Papiermuseum herstellen. Ein „verrücktes“ Entwässerungsgefälle faltet den besonderen Bodenbelag zu einem subtilen Relief auf, das mit einer Horde interaktiver Wasserdüsen – mal kantengeschärft, mal wasserverschleiert – wechselnde Eindrücke liefert, das sich gleichzeitig als beiläufiger Spielort anbietet. Schließlich faltet sich der Papierbogen am Busspurradius zu einem „Eselsohr“ hoch, auf dem der Besucher schmunzelnd Platz nehmen kann.

Einzelne locker gestreute Bäume in gebührendem Abstand zur Ratssaalfassade erzeugen den schattigen Aufenthaltsbereich, nehmen aber gleichzeitig wieder auf das Thema Papierherstellung Bezug. Im Gegensatz zu den Bänken entlang der Bushaltestelle können die gekanteten Holzlounges in der Baumgruppe jedoch noch nicht überzeugen, da sie die Leichtigkeit des gefalteten Papierstreifens eher konterkarieren.

Die zweite Setzung rollt gekonnt den „roten Teppich“ in Form einer Banktreppe vom Platz zum Rathausplateau hoch, sodass dieser ein wenig ins Abseits geratene Stadt-Balkon zurück gewonnen wird. Auch dieses Holzmotiv spielt auf die Papierherstellung an. Die Kleinbaumgruppe in einem Holzpodest setzt einen weiteren Aufenthaltsakzent auf dem Plateau und vermag die angedacht temporäre Espressobar „Citrönchen“ gut zu verorten.

Die Platzierung der Buspavillons mit ihren gefalteten Dächern bietet bezogen auf die Intarsie und auf die Verknüpfung mit dem Marktplatz überraschende Blickwinkel, bedarf im Hinblick auf die Wartefunktion an der Bushaltestelle aber noch der räumlichen Feinjustierung.

Die Beleuchtung ordnet sich dem Beleuchtungskonzept der Innenstadt unter. Eine Licht-Akzentuierung des Wasserspiels wäre wünschenswert.

Zur Klärung der räumlichen Situation wäre es aus Sicht des Preisgerichts zielführend, den Stadtboden-Belag bis an das Rathaus und die Freitreppe heranzuführen.

Der Beitrag verleiht dem prominenten Rathaus eine klare ruhige Rahmung. Die aus der Geschichte abgeleiteten Setzungen machen Dürens wichtigstem Platz mit spielerischer Leichtigkeit zu einem Anziehungspunkt und verleihen ihm eine eigene Note im Reigen der innerstädtischen öffentlichen Räume.
Perspektive Kaiserplatz

Perspektive Kaiserplatz

Lageplan

Lageplan

Lageplan Umfeld

Lageplan Umfeld

Detail

Detail

Schnitt Ost-West

Schnitt Ost-West

Schnitt Nord-Süd

Schnitt Nord-Süd