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Offener Wettbewerb | 11/2016

Urbane Freiräume für das Quartier Elbbrücken

Anerkennung

Preisgeld: 9.000 EUR

SINAI Gesellschaft von Landschaftsarchitekten mbH

Landschaftsarchitektur

Jens Gehrcken - visualisierung+architekturfotografie

Visualisierung

Erläuterungstext

Soziale Sphären, urbanes Relief

Enorme Dichte. Hochfrequentierte Infrastrukturen. Brodelnder Buisness District und entspanntes Wohnumfeld. Das Quartier Elbbrücken forciert eine Urbanität der Kontraste unter zugespitzten Bedingungen.

Der Entwurf zum Freiraum an den Elbbrücken handelt von der Gestaltung von Lebensräumen in gegensätzlichen sozialen Sphären. Er formuliert die Ebenenwechsel zwischen Orten größter Offenheit und Öffentlichkeit, Orten der Nachbarschaft und Orten des Rückzugs.

Das zentrale Bild des Quartiers zeigt einen Ebenenwechsel in physischer Hinsicht: Ein urbanes Relief mit der skulpturalen Abbildung des Wechsels von der Stadtebene zur Wasserebene.


Zonierung und Materie

Jede typologische Zueignung oder soziale Reichweite erhält eine für sie typische Signatur im urbanen Relief. Sie zeichnet sich durch eine spezifische Materialbehandlung, durch ihre Programmierung und durch identitätsstiftende formale Ausprägungen aus. Dabei wird aber vorgeschlagen, für die öffentlichen Räume der Stadtebene durchgängig das gleiche Bodenmaterial als gestalterischen Träger zu verwenden, das durch unterschiedliche Verarbeitung differenzierte Qualitäten entwickelt. Die vorgeschlagenen Materialien basieren auf dem Farbkanon der Grauwacke und bilden einen ruhigen, warmdunklen Fond mit sehr guter Alterungsfähigkeit. Demgegenüber zeichnen sich die privaten oder eher privaten Räume durch einen hellen Belagston (Granit) aus, der deutlich kontrastiert.
Die folgenden Teilräume werden so herausgearbeitet:

- Das Zentrum: Der Amerigo-Vespucci-Platz ist nicht nur das Herz des Quartiers, sondern eine stadträumliche Dominante der Hafencity als Ganzes, ein Begegnungsraum zwischen Quartiersöffentlichkeit und Stadtöffentlichkeit und die Bildikone des Quartiers Elbbrücken.

- Die metropolitanen Räume: Einen ähnlichen Grad der Öffentlichkeit (auch wenn zum Teil in privater Hand) weist das Umfeld des Bahnhofs mit dem Mobility Hub und den Verbindungsräumen am Turmensemble auf.

Diese großstädtischen, starkfrequentierten Räume zeichnen sich durch großformatige Betonplatten in verschiedenen Bahnbreiten aus. Der Platz als Zentrum erhält als Alleinstellungsmerkmal eine helle Linierung die wie ein Leitsystem wirkt.

- Die öffentlichen Quartiersplätze an Kirchenpauerstraße und Lucy-Borchardt-Straße werden formal sehr frei gehandhabt, folgen aber konkreten Spielregeln. Sie werden so adressbildend und charakteristisch als Nachbarschaftsplätze, und geben dennoch dem Quartier als Ganzes Identität.

- Die privateren Wohnplätze schließen die Platzspangen im Wohnumfeld ab. Formal und vegetativ setzten sie die Themen der Quartiersplätze fort. Mit dem auffälligen Materialwechsel wird jedoch der Übergang zwischen den sozialen Zonen verdeutlicht.
Ihr Maßstab und ihre Zugehörigkeit zum Quartier machen die Plätze auch in ihren kleinteiligeren und lebhaften Belägen deutlich: Vorgeschlagen werden richtungslose Verbände aus Kleinsteinpflaster mit geglätteten Köpfen.

- Die Kaiebenen des Baakenhafen werden, wie das Kirchenpauerkai, als übergreifendes Kontinuum verstanden, das die Quartiere (Baakenhafen und Elbbrücken) an „ihrem“ Hafen verbindet. Die hier entwickelten Gestaltungsprinzipien werden also mit geringen Modifikationen aufgenommen.


Zwei Zonen und sieben Ebenen: Der Amerigo-Vespucci-Platz

Der Platz ist geprägt durch sein markantes Relief: Der östliche Platz ist Teil der Stadtebene, im Westen schließt er an die 4,50m tiefer liegende Kaiebene an. Dazwischen liegen sieben unterschiedlich tiefe Platzterrassen, die jeweils in Sitzstufenhöhe übereinander gestaffelt sind. Mit ihren Versätzen im 63°-Winkel nehmen die Stufen Bezug auf die städtebauliche Raumöffnung in Richtung Bahnhöfe (Block 120), und spannen sich dabei ein zwischen den versetzten hochbaulichen Anschlusspunkte der Platzkanten. Die Hauptausrichtung der Terrassen wird jedoch durch die Längsachse des Hafenbeckens bestimmt. Die Anlage ist so vom Mittag bis zum Sonnenuntergang besonnt und so prädestiniert als Hauptaufenthaltsbereich des Platzes, wenn sie nicht als Tribüne für Konzerte und Veranstaltungen genutzt wird. Über die Treppenanlage zum Versmannkai und die Fahrrad- und Fahrverkehrrampe zum Petersenkai führen die Haupterschließungen randlich zur Kaiebene. Im Zentrum der Terrassen sind barrierefreie Rampen in die versetzten Sitzmauern „eingeschliffen“. Über die Ausbildung der Stufen mit hellem Betonwerkstein in dunklem Plattenbelag erhält das Relief eine markante grafische Nachzeichnung. Dieses grafische Motiv verläuft auch über den ebenen Platzbereich und entfaltet so eine Lenkungswirkung für Fußgänger diagonal über den Platz zur Hauptachse Versmannskai.

Markante Solitärbäume bestimmen Zonierung und Atmosphäre des Platzes: In lockerer Verteilung, jedoch die Platzkanten nachzeichnend, bestimmen sie vor allem die gut besonnte Nordseite des Platzes. Mit einem durchgängigen Ansatzhorizont der Kronen von 11,50 m ü.NN lassen die hochschäftigen Gleditsien und Kiefern Blickbeziehungen von allen Seiten auf das Hafenbecken zu. Zwei „Gräserwolken“ unterlagern die Baumgruppen in den Sitzstufen und am Pavillon. Sie sind geprägt von robusten, urbanen Blockpflanzungen (Deschampsia, Calamagrostis) mit eingestreuten spektakulären Hochstauden (Eremurus). Eine bandartige Gliederung sorgt für Durchlässigkeit und kann am Pavillon von den Außensitzplätzen besiedelt werden. Die derart weich gefasste Kernfläche des Platzes im Süden bleibt für wechselnde Nutzungen und Marktgeschehen offen.


Raum für Alle: die Quartiersplätze

Die an den Wohnstraßen (Lucy-Borchardt-Straße) liegenden Platzfolgen sind Alleskönner; sie sind Bewegungs- und Begegnungsraum, grüne Oasen und Orte für Spiel und Sport auf engem Raum. Sie werden dabei von übergreifenden Gestaltungsmotiven zusammengefasst: Vorgeschlagen ist eine weite formale Spanne zwischen weichen organischen bis geometrischen Motiven mit spezifischen pflanzlichen Themen. Der Wiedererkennbarkeit ist hoch. Dabei gelten jedoch einige gestalterische Spielregeln die für das Quartier typisch sind: Die Grundfigur besteht aus einem Pflasterrahmen und einem angerartigen Platzkern. Diese Kernbereiche sind durch Vegetationskörper gegliedert, in den Zwischenräumen entstehen Bewegungszonen, Spiel- und Aktivkerne und Ruheplätze. Der Bodenbelag aus epoxidgebunden Platzdecken weist grafische Linierungen auf, aus denen sich die Pflanzinseln entwickeln. Die Platzfolge im Norden ist eher kristallin und kantig, diejenige im Süden weist weiche und organische Strukturen auf. Die Einbettung des Fahrverkehrs der Lucy-Borchard-Straße folgt zurückhaltend dem Prinzip der weichen Separation. Die Bordlinie im Norden wird als Orientierungslinie wie ein Tiefbord über den höhengleichen Platz geführt. Zusätzlich „führenden“ Charakter entwickelt der schräge Zuschnitt der Pflanzkörper der Platzinseln.


Die Kaiebenen

Für die Kaiebenen wird eine Fortführung des Gestaltungskanons am Baakenhafen vorgeschlagen: Mit den rauen und geschnittenen (Fahrrad-befahrbaren) Großpflasterstrecken als Saum sowie den Gehbahnen und großformatigen Tafeln des Kaikopfes aus Beton. Die Kaimauern werden formal als Senkrechte vereinfacht, erhalten jedoch mit einem feinen Relief eine eigene Haptik. Die Materialität geht dabei in den braun-ockerfarbenen Farbbereich des Klinkers über. Im Aufenthaltsbereich vor den Kaikanten werden locker gesetzte amerikanische Eschen und Sumpfeichen gepflanzt. Die Kaiabsenkung auf der Nord- und Ostseite des Hafenkopfes erfolgt mit drei eingesenkten Sitzstufen.


Metropolitane Räume und Mobility Hub

Die gestaffelten Räume am Hochhauscluster und der Station weisen einen verbindenden Belag auf, der mit locker gestellten Bäume eine zwanglose Gliederung erhalten. In der Blickebene sind Offenheit und gute Orientierung gegeben. Vor der Station sind die Fahrradständer in Gruppen unter den Baumgruppen verortet. Gedeckte Fahrradstellplätze, Lade- und Servicestation sowie die Paketstation sind in 2 Pavillonartigen Überdachungen zusammengefasst.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die aufgespannte Platzfläche gliedert sich in einen östlich ebenen Stadtplatz und eine westliche Terrassenlandschaft. Ein starkes grafisches Thema überspannt den Platz und zeichnet den städtebaulichen Verlauf der Straßenachse Zweibrückenstraße nach.

Das grafische Thema wird logisch abgeleitet. Die starke Linearität prägt die Zonierung. Die an die Linien gelegten Grünflächen werden für den Platz als zu klein empfunden. Reine Beetflächen bieten dem Aspekt des Lagerns und Spielens keinen Raum.

Die mittig in den Platz und die Terrassenlandschaft eingeschnittene Rampe liegt so prominent ungünstig, da die nötigen Geländer zur Sicherung hier in der Ansicht des Raumes stören würden.

Die variierenden Themen in den Passagen mit grünen Inseln werden positiv gesehen. Insgesamt ist aber das Kritische an der Arbeit die zu großen steinernen Flächen und die unzureichende Zonierung der Aufenthaltsbereiche.

Insgesamt wird die starke Idee eines zusammenhängenden Stadtplatzes gewürdigt, auch wenn diese kontrovers diskutiert wurde.
Lageplan 1:2000

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Lageplan 1:500

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Schnitt 1:200

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