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Mehrfachbeauftragung | 11/2016

Neugestaltung Rochusplatz

Perspektive

Perspektive

2. Rang

DEWEY MULLER Partnerschaft mbB Architekten Stadtplaner

Architektur

Förder Landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Städtebau

Ausgangslage und Leitidee.

Das nahezu planlose Aufeinandertreffen der unterschiedlichen räumlichen und baulichen Strukturen der unmittel-baren Umgebung und die abrupten Übergänge in Maßstab und Körnigkeit verlangen nach einer Bauform, die
– im Rahmen des Möglichen – alledem standhält. Der Bebauungsplan gibt dafür die neu zu schaffenden Raum-kanten vor. Die sich hieraus ergebende städtebauliche Figur lässt sich wie zusammengesetzt aus den folgenden drei Bausteinen lesen:

1. der großen Winkelform, die den nördlichen Abschluss der mit den Vitalishöfen im Süden beginnenden Wohnblöcke darstellt und zur Venloer Straße wie auch zur Äußeren Kanalstraße hin eine klare und sig-nifikante Architektur benötigt;
2. der kleinen Winkelform, die den neuen Rochusplatz nach Süden und Osten begrenzt, über die Art der Nutzung den öffentlichen Raum belebt und sich mit dem Platz verbindet, und
3. dem daran anschließenden Baukörper, der den Innenhof der neuen Wohnbebauung nach Süden ein-fasst und den räumlichen Abschluss der Steubenstraße im Norden bildet.

Die Umsetzung des Nutzungsprogramms ist in der Architektur dieser drei Bausteine ablesbar.

In Verbindung mit der Neugestaltung und einer differenzierteren Bespielung der angrenzenden öffentlichen Räume und dem umfassenden Wohnungsangebot kann das Bauvorhaben zu einem Initialprojekt werden, um Ehrenfeld und das nördliche und südliche Bickendorf räumlich und funktional miteinander zu verbinden und ein Zusammenwachsen der Stadtteile zu fördern.

Städtebauliche Einbindung.

Eine funktionierende Nutzung der Einzelhandels- und Gastronomieflächen im Erdgeschoss trägt entscheidend zum Gelingen des Vorhabens bei. Die Eingänge des Supermarkts, der kleineren gewerblichen Einheiten im Erdgeschoss und auch die Hauseingänge zu den Büro- und Praxisflächen in den Obergeschossen befinden sich alle am Rochusplatz. Die erdgeschossige Gewerbefläche im Nordosten an der großen Straßenkreuzung kann ihren Eingang sowohl an der Äußeren Kanalstraße wie auch an der Venloer Straße haben.

Neben der Ausrichtung der gewerblichen Nutzungen auf die öffentlichen Räume sind die eindeutige Adressbil-dung der Wohnungen und die Gestaltung der Hauseingänge maßgeblich für die städtebauliche Einbindung des Projekts. Nahezu alle Wohnungen haben als Adresse die Venloer Straße oder Äußere Kanalstraße, mit Ausnah-me der Sonderwohnformen in dem südlichen Wohngebäude am Ende der Steubenstraße. Diese Wohnungen sind vom Innenhof in unmittelbarer Nähe des Durchgangs zum Rochusplatz erschlossen, um nach Süden zu-sammenhängende Gartenflächen für die Erdgeschosswohnungen zu ermöglichen, die hier, wie die Wohnungen an der Äußeren Kanalstraße, Hochparterre sind.

Ein- und Ausfahrt der Tiefgarage liegen an der dafür vorgesehenen Position an der Äußeren Kanalstraße. Die laut Bebauungsplan ebenfalls mögliche Lage der Tiefgaragenrampe an der Vitalisstraße wurde nicht übernom-men, da dies die dort maßgebliche Vernetzung der öffentlichen Räume – Rochusplatz, Süd- und Westseite der Erdgeschossflächen z. B. mit Außengastronomie, räumliche Überleitung und Durchgang zur Wohnbebauung Steubenstraße etc. – empfindlich stören würde.


Architektur

Gliederung der Baumassen. Fassaden und Hauseingänge.

Nach Norden und Osten wird die zulässige 5-Geschossigkeit vollständig ausgeschöpft. Entlang der Venloer Straße zeichnet sich der Einzelhandel im Erdgeschoss als Sockelzone ab, die über Eck an der Äußeren Kanal-straße fortgeführt wird und dort an den Hochparterre-Wohnungen endet. Die eingerückten Hauseingänge an der
Venloer Straße rhythmisieren den Sockel. Sie bilden die Adressen von mehr als der Hälfte der neu geschaffenen Wohneinheiten. Die Eingänge sind soweit minimiert, dass dennoch ohne Vordächer ein regengeschützter Bereich mit Briefkästen und Klingeltableau vor der Haustüre sowie ein kleines gläsernes Foyer vor dem Aufzug, dem Treppenantritt und dem Kellerabgang entstehen. In den Obergeschossen werden die Treppenräume durch partielles Einschwenken der Fassade abgebildet. Es entsteht ein zur Sockelzone gegenläufiges Relief, das die Nordfassade in ihrer Länge auf den Maßstab und die Lesbarkeit der einzelnen Häuser herunterbricht, zugleich aber die großstädtische Geste behält, die der Ort an dieser Stelle braucht. Die aus dem Relief der Nordansicht entwickelten Eckfenster auf den Treppenpodesten öffnen auf allen Geschossen den Blick nach Westen in die Venloer Straße und nach Alt-Bickendorf und stellen so den Bezug aus den Häusern zum Stadtteil her.

Die gerundete Fassade im Übergang zur Äußeren Kanalstraße überspielt die vorgegebene spitzwinklige Geomet-rie der Ecke und schafft an der ansonsten räumlich ausufernden Straßenkreuzung den fehlenden Orientierungs-punkt an der „Schnittstelle“ zwischen Ehrenfeld und Bickendorf und wird zum Erkennungszeichen des neuen Quartiers. Stadtauswärts nach Westen hin endet die Fassade mit dem dort durch Baulinien festgesetzten Gebäu-devorsprung und leitet in den Rochusplatz über. Die zurückgesetzte Ostfassade und die südliche Begrenzung des Platzes sind um ein Geschoss niedriger und setzen sich als rein gewerblich genutzte Gebäude in Proportion und Materialität der Fassaden von den Wohngebäuden ab.

Die gewerblichen Nutzungen erhalten durchgängig als einheitliches Fassadenmaterial Ziegel. Die Fassaden der Wohnungen sind grundsätzlich verputzt, an den Straßenseiten mit einem kleineren Anteil an Gliederungselemen-ten aus Ziegel. Am Innenhof erhalten die Wohnfassaden ausschließlich Putz, teilweise im Farbton abgesetzt als Faschen im Bereich von Fenstern und Loggien. Insgesamt sind die Fassaden am Innenhof mit Balkonen, Loggi-en, Vor- und Rücksprüngen kleinteiliger gegliedert als die Fassaden zum öffentlichen Raum.

Grundrisse und Wohnungsmischung.

Aus sämtlichen Wohnungen gelangen die Bewohner straßenungebunden in den Innenhof, da die Treppenräume im Erdgeschoss und über der Einzelhandelsfläche im 1. Obergeschoss durchgesteckt sind. Die Wohnungen entlang der Venloer Straße und der Äußeren Kanalstraße sind, bis auf wenige Ausnahmen bei den Eckhäusern, mit ihren Terrassen, Balkonen und Loggien nach Süden und Westen zum Innenhof ausgerichtet. Die Wohnberei-che sind teilweise, je nach Wohnungstyp, zwischen Straße und Hof durchgesteckt oder vollständig zum Innenhof orientiert.

Der Standard-Haustyp kommt 6-mal vor. Er misst in der Tiefe, bedingt durch Vor- und Rücksprünge, zwischen 13,25 m und 14,00 m, in der Breite 16,50 m. Er deckt als 2- bis 3-Spänner das Spektrum der 1- bis 5 Zimmer-Wohnungen vollständig ab. Im Süden gegenüber der Steubenstraße, gibt es eine modifizierte Variante dieses Typs mit einer Breite von 23,25 m für die rollstuhlgerechten Wohnungen. Dieses Haus ist im Erdgeschoss über die Wohnung der Wohngemeinschaft mit dem benachbarten Regeltyp verbunden. Über die Eckhäuser, die als 4-Spänner geplant sind, lässt sich das Wohnungsgemenge in Verbindung mit der Flexibilität der Regeltypen be-darfsabhängig noch nachsteuern. Der dargestellte Wohnungsspiegel entspricht nahezu den Vorgaben, mit einem leichten Überhang an 1- und 2-Zimmerwohnungen.


Freiraum

Anbindung an die Umgebung.

Die städtebaulichen Vorgaben bedeuten im Umfeld von Venloer Straße, West-Center, GAG-Beständen und Äußerer Kanalstraße eine vollständige Neuordnung der Außenräume und bieten die Chance einer umfassenden Aufwertung und vielfältigen Nutzung.

Der neue Rochusplatz mit seiner nun angemessenen Proportion und Größe behält seine Funktion als Wochen-markt bei und könnte zukünftig womöglich auch als Weihnachtsmarkt genutzt werden. Bauminseln gliedern die nach wie vor große Platzfläche und schaffen den menschlichen Maßstab und die Aufenthaltsqualität im alltägli-chen Gebrauch. Der im Bodenbelag abgesetzte Platzrahmen bezieht die Kapelle und die nördliche Seite der Venloer Straße im Bereich der Bushaltestelle mit ein und schlägt die Brücke nach Alt-Bickendorf.
Nördlich der Wohnbebauung bilden zwei Baumgruppen – 1-reihig und 2-reihig – aus dem Blickwinkel der Woh-nungen einen zumindest „gefühlten“, wenn auch nicht unbedingt messbaren „Luft- und Lärm-Filter“ zur Venloer Straße. Da es sich um hochstämmige Bäume handelt, wird der Blick von der Straße auf die Geschäfte im Erdge-schoss freigehalten. Die Flächen unter den Bäumen erhalten Sitzbänke, sind als wassergebundene Decke ausgeführt und im Bereich der 2-reihigen Baumgruppe z. B. als Boule-Fläche bespielbar. An der Äußeren Kanal-straße übernehmen die Bestandsbäume die abschirmende Funktion zum Straßenverkehr. Sie werden auf der Straßenebene, auch in Verbindung mit der Bushaltestelle, neu gefasst. Die befestigten Flächen vor der Ge-schäftsnutzung gehen in die Vorgärten vor den Hochparterre-Wohnungen und die Heckeneinfassung der Tiefga-rage über.

Die Fuß- und Radwegeverbindung zwischen Äußerer Kanalstraße und Vitalisstraße ist so dimensioniert, dass sie für Müll- und Rettungsfahrzeuge befahrbar ist und eine Baumreihe aufnehmen kann, die den Raum zwischen Bestand und Neubau gliedert und die Südgärten und Balkone der neuen Wohnungen aufwertet.

Die großen Bestandsbäume in der Vitalisstraße „tröpfeln“ mit Ergänzungspflanzungen in Richtung Marktplatz aus und erinnern an die historische Wegeverbindung. Die Erdgeschossnutzung der 4-geschossigen südlichen Platz-bebauung bestimmt maßgeblich die Nutzungs- und Aufenthaltsqualität im Übergangsbereich von der Vitalisstraße nach Norden zum Rochusplatz und nach Osten zur Steubenstraße. Es sollen keine Vor- und Rückseiten entste-hen. Ein Café oder Restaurant mit Eingang vom Rochusplatz z. B. hätte dann nach Westen und Süden seine Außenflächen. Der Durchgang vom Rochusplatz zur Steubenstraße verstärkt diese „Gelenk“-Wirkung und erhöht die Durchlässigkeit zwischen den Außenräumen. An der Passage befinden sich der Ausgang aus dem Teil der Tiefgarage, den auch die Kunden und Mitarbeiter der Geschäfte, Praxen und Büros nutzen, und der Hauptein-gang zu den gewerblichen Flächen in den Obergeschossen, außerdem eine kleinere Geschäftseinheit, z. B. Bäcker oder Imbiss. Nach Osten schließt sich unmittelbar der Durchgang aus dem gemeinsamen Innenhof der Wohnungen an, der optional, z. B. über Nacht geschlossen werden kann.

Innenhof, Spielflächen und Mietergärten.

Der Innenhof ist zwar, im Sinne kurzer Wege für die Bewohner, auch für Außenstehende – gegebenenfalls „kontrolliert“ – zugänglich, doch signalisieren Dimensionierung und Gestaltung der Zugänge vom Platz und von Süden her, dass es sich um einen privaten Innenhof handelt.

Die Mietergärten sind gegenüber der Hoffläche erhöht, im Norden um das herausgerückte Ladengeschoss, ansonsten als Hochparterre. Den Rückseiten der Läden ist an der West- und Nordseite des Hofes eine Pergola als berankte Stahlkonstruktion vorgelagert. Sie nimmt die Fahrradständer und die Müllcontainer auf, hält auf der Nordseite rückwärtig auch das Geländer zu dem Weg vor den Mietergärten und ist durch „Balkone“ im 1. Oberge-schoss und Treppen in den Innenhof rhythmisiert. Den Kern des Innenhofs bildet ein Blütenhain mit Spielinseln, umsäumt von einem Weg mit auf die Spielfläche ausgerichteten Bänken. Die „Balkone“ zwischen den Pergolen bieten Sitz- und Aufenthaltsflächen mit Blick auf den Blütenhain.

Beurteilung durch das Preisgericht

Auszug aus dem Protokoll der Jurysitzung
Mehrfachbeauftragung „GAG Rochusplatz“ in Köln-Bickendorf
Niederschrift über die Sitzung der Bewertungskommission
am 28. November 2016 im Konferenz Zentrum im Technologiepark Müngersdorf, Raum Plenum 2:

Dewey Muller mit Förder Landschaftsarchitekten (2. Rang)

Die schlichte Kubatur des Entwurfes setzt die Vorgaben des Bebauungsplans konsequent um. Die Arbeit besticht durch eine klare Formensprache, die sich gegenüber der Umgebung bewusst zurücknimmt. Kritsch wird der verkürzte Schenkel an der Äußeren Kanalstraße gesehen, der den Innenhof unnötig mit Lärm belastet und in der Abwicklung entlang der Äußeren Kanalstraße eine zu große Lücke lässt.
Die Fassadengestaltung ist angemessen und harmonisch und nimmt Anleihen aus dem bestehenden Gestaltungskanon der Umgebung. Das leichte Einklappen von Mauerteilen rhythmisiert die Fassade ohne aufgesetzt zu wirken. Die runde Eckausbildung nimmt Bezüge zur Architektur der 20er Jahre und schafft eine unaufgeregte Betonung an der vielbefahrenen Straßenkreuzung. Auch die eingezogenen Eingangsbereiche können überzeugen.
Die Gewerbeflächen sind gut platziert, die Nutzungsverteilung schlüssig. Die gut geschnitten Wohnungsgrundrisse überzeugen, insbesondere die Entwicklung des Wohnungstypus mit einer Wohnküche wird als wichtiger Beitrag positiv aufgenommen. Auch ermöglicht die geschickte Grundrissorganisation einen direkten Zugang aus allen Wohnungen in den Innenhof.
Die differenzierte Freiraumgestaltung des Innenhofes mit privaten Gärten, Gemeinschaftsflächen, Pergolen und Treppenaufgängen lässt eine gute Nutzbarkeit bei hoher Qualität erwarten. Auch die Gestaltung des Raumes hin zur Steubenstraße und des Rochusplatzes werden positiv aufgenommen, auch wenn der Übersprung der Platzgestaltung über die Venloer Straße nicht in Gänze gewinnen kann. Die Verortung von Müllstandorten und Fahrradabstellanlagen ist nachvollziehbar.
Perspektive

Perspektive

Lageplan

Lageplan

Erdgeschoss

Erdgeschoss

Obergeschoss

Obergeschoss

Wohnungsverteilung

Wohnungsverteilung

Schnitt A, B

Schnitt A, B

Ansicht Ost, Ansicht Süd

Ansicht Ost, Ansicht Süd