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Mehrfachbeauftragung | 12/2016

„BECOLIN"

4. Preis

Peter Alt Architekten Stadtplaner

Architektur

Erläuterungstext

Bearbeiterteam:
- Peter Alt, Architekten, Stadtplaner
- Axel Thös, Verkehrsplaner
- Paul Pattay, Landschaftsplaner

Zum städtebaulichen Konzept:

eine offene Struktur als Leitbild für eine wünschenswerte Entwicklung des östlichen Innenstadtquartiers von Saarbrücken zwischen Bismarckstraße und Mainzer Straße:
Einzelbaukörper (6000 qm BGF) im Gleichgewicht mit städtebaulich angemessenen Freiräumen als Platzstrukturen, Licht und Luft in den Straßen und Plätzen ebenso wie in den kleingewerblichen Nutzräumen, in den Büros, Cafes, Restaurants und Treffpunkten.
Keine Verschattungen, stattdessen Sichtverbindungen, freie Bewegungs- und Aufenthaltsräume Innen wie Außen.
Im Zentrum: der Konzertsaal mit dem denkmalgeschützten Becolingebäude, dem ehemaligen Firmensitz von Becker & Sohn als Foyer, zur zentralen Erschließung - denkbar auch für ein Bürogebäude anstelle des Musikzentrums, mit Aufzug und Treppenhaus bis hinunter in die große Tiefgarage mit allen erforderlichen Autostellplätzen.
Wenn auch die Gebäudefunktion grundsätzlich austauschbar erscheinen mag, so ist doch der Konzertsaal wünschenswert: als Herz und Image für das neue Stadtquartier.
Davor ein Platz, frei und ungezwungen, wie eine städtische Loggia, gebildet aus den weitergeführten Blockkanten der Bebauung an der Mainzer Straße, ganz im Sinne des ursprünglichen Bebauungsplanes. Selbstverständlich mit Kunst, Wasser, Bänken und allem was dazugehört.
Die bestehenden Gebäudekonturen werden aufgenommen. die Dimensionen der neuen Gebäude: allesamt licht und transparent auftretend, ein Wechselspiel aus Glas, Aluminium und Backstein in Anlehnung an Industrie, Gewerbe und Handel im Quartier.
Einzig das neue Musikzentrum tritt besonders hervor: z.B. eine "musikalische" Fassade, wie ein Notenblatt mit feinen horizontalen Linienstrukturen und ovalen Fensteröffnungen gleich Noten in einem gregorianischen Choral.
Das denkmalgeschütze Becolingebäude darin eingebettet und frei in Glas gehüllt.
Das Ziel: Arbeit, Freizeit und Kultur - städtisches Leben im neuen Becolin- Quartier.


Zum freiräumlichen Konzept:
Die Außenanlagen, der Freiraum ist vor allem Aufenthaltsraum für Arbeitspausen, nach der Arbeit, bzw. für Bewohner und Besucher. Im Verkehrsraum (shared space) sind Radfahrer und Fußgänger sehr sicher.
Weder Zulieferer noch Besucher können von der Mainzer Straße bis zum Lyoner Ring das Quartier durchfahren, nur der Feuerwehr ist dies erlaubt.
Die unterschiedlichen Höfe vom schattenspendenden Baumhain bis zu den unter Bäumen parkenden Autos sind zum Verweilen unter freiem Himmel geeignet.
Optische Störungen wie parkende Autos werden durch immergrüne Bepflanzung der Baumtröge ausgeglichen; der nicht zu vermeidende Verkehrslärm auf dem Becolin- Platz wird durch das plätschernde Wasser der Fontänen übertönt.

Materialien:
Da der gesamte Freiraum durch die Tiefgarage unterbaut ist sind erhebliche technische und vor allem biologische Zwänge zu berücksichtigen.
Um Pflanztröge gestalterisch zu vermeiden, werden die Grünflächen mit Treppen, Rampen und niederen Sitzmäuerchen barrierefrei gegenüber den Wegeflächen erhöht (45 cm).
Nur in den Teilbereichen, in denen Hochstämme absolut notwendig sind (Parken, Baumhain) sind Bäume vorgesehen; wo es gestalterisch vertretbar ist, werden statt Bäumen mehrstämmige Großsolitäre gepflanzt.
Alle ausgewählten Gehölze sind sogenannte "Klimabäume", d.h. es sind Arten, die sowohl eine sehr hohe Trockentoleranz als auch eine hohe Winterhärte aufweisen.
Bäume:
gleditsia triacanthos - Gleditschie, sophora japonica - Schnurbaum, tilia platyphyllos - Sommerlinde
Solitärsträucher:
amelanchier lamarckii - Kupferfelsenbirne, celtis australis - Zürgelbaum, cercis siliquastrum - Judasbaum, cornus mas - Kornelkirsche, crataegus crus galli - Hohensporn - Weißdorn, fraxinus ornus - Blumenesche, koelreuteria paniculata - Blasenbaum, liquidambar styraciflua - Amberbaum, malus evereste - Zierapfel, mespilus germanica - echte Mispel, sorbus aria - echte Mehlbeere.

Der Baumhain, der mediterrane Hof und der Cafehof erhalten eine trockenheitsresistente Untersaat aus Gräsern und Kräutern, die nur selten gemäht werden muss, aber absolut trittsicher ist.
Die befestigten Flächen sind aus Naturstein (Travertin) in Bahnen (freie Längen) vorgesehen.
Als Fahrbahn nur optisch ablesbar, nicht höhenversetzt ist Großpflaster aus Kalkstein vorgesehen.
Stufen und Sitzstufen sind aus Travertin, die Mäuerchen aus Klinker wie Teile der Gebäude.
Die Möblierung (Beleuchtung, Poller, Papierkörbe, Bänke usw.) und Beschilderungen sollten auf das mögliche Mindestmaß beschränkt werden, dafür aber von gehobener Qualität sein. Ebenso die Beleuchtung, die sich weitestgehend an den Gebäuden orientiert. Eine Mittelreihe aus Straßenlaternen sorgt für eine gute mitternächtliche Ausleuchtung.


Zu Mobilität und Verkehr:
Integriertes städtebauliches und Freiraumkonzept besitzt hohe Integrationsfähigkeit für alle Verkehrsarten und stärkt die Aufenthaltsqualität für Fußgänger. Durch die Gestaltung der Zufahrten zur Tiefgarage, zum Besucherparkplatz und zur Fahrradgarage als gemischte Verkehrsflächen (Begegnungsbereiche mit weicher Separation)und die verteilte Aufstellung von Radabstellanlagen an den Gebäuden erfolgt eine Betonung der Aufenthaltsfunktion im gesamten Planungsbereich.
Aus der Tiefgarage wird ein direkter Zugang zum zentralen Bereich über eine zweihüftige Treppenanlage mit zusätzlichem Aufzug und zu den einzelnen Gebäuden über eigene Zugänge hergestellt. Die gute Erreichbarkeit im ÖPNV wird durch die attraktive Lage des Planbereichs zur Verknüpfungshaltestelle Römerkastell von Saarbahn und Bus und den zur Mainzer Straße geöffneten neuen Becolinplatz gestärkt.
Die straßenseitige Anbindung des Planbereichs erfolgt über die vorh. Straßenabschnitte Lyonerring, An der Römerbrücke und Ostspange. Über die Ostspange besteht eine umwegfreie Anbindung an die Stadtautobahn A 620 bzw. an die Mainzer Straße.
Für ambulanten Service- und Notfallverkehr sowie VIP-Verkehr wird eine direkte Vorfahrt vor das ehem. Becolingebäude über den Becolinplatz von der Mainzer Straße aus ermöglicht. Die Durchfahrt entlang der neuen Gebäude zwischen Lyonerring und Mainzer Straße wird durch ansprechende Möblierung (z.B. Poller) verhindert. Für eine Notfallsituation ist die Tiefgarage von Rettungskräften über eine Notzufahrt von der Mainzer Straße her direkt zu erreichen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Aus denkmalpflegerischer Sicht wird der Umgang mit dem denkmalgeschützten Becolin-Ge-bäude und die Angliederung des Musikzentrums an dieses gelobt. Gleichwohl wird kritisiert, dass keine Variantenplanung erfolgt ist und der Entwurf aus Sicht des Auswahlgremiums mit einem Bürogebäude nicht funktionieren würde. In Bezug auf die Büroorganisation und die Vermarktung werden ebenfalls Probleme gesehen. Die Tiefe der Gebäude wird demnach kritisch hinterfragt. Gleiches gilt für die Grenzbebauung im östlichen Teilbereich. Eine Brandwand würde eine ge-wünschte Entwicklung in östlicher Richtung ggf. erschweren. Der Entwurf berücksichtigt mehrere Freiräume, deren Hierarchie jedoch nicht eindeutig klar wird und die in Konkurrenz zueinander treten. Hinzu kommt der damit verbundene Pflegeaufwand.