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Offener Wettbewerb | 11/2016

Ersatzneubau Wohnsiedlungen 5 – 7

dihei

5. Rang / Baufeld 7

Enzmann Fischer Partner AG

Architektur

Beurteilung durch das Preisgericht

«dihei» in der vorstädtischen, der ständigen Verdichtung unterworfenen Szenerie von Affoltern bedeutet ein Leben in Gemeinschaft am halböffentlichen Raum einer «Wohngasse». Als Interpretation des zukünftigen genossenschaftlichen Lebens wird hier ein halböffentlicher, halbprivater, halbgeschlossener und halboffener Innenraum entwickelt, der in fünf verschiedenen Ausprägungen und Grössen die sehr unterschiedlichen Baufelder 5.1, 5.2, 6 und 7 mit einer Grundidee bespielt, ohne dabei formal ein Muster künstlich über das Ganze zu ziehen. Nordwest und Südost orientierte Zeilentypen mit vornehmlich durchgesteckten Wohnungen schliessen sich jeweils zur Wehntalerstrasse und zur In Böden mit einem schmalen Gebäudeflügel zusammen. So entstehen klare Strassenbezüge sowie Adressen zum öffentlichen Raum, und das Leben der inneren Gemeinschaft wird gestärkt.
Dieses Innere ist die sogenannte Wohngasse, zu der unabhängig von Himmelsrichtungen alle privaten Aussenräume und Küchen orientiert sind, sodass hier glaubhaft das Leben in einer neuartigen, genossenschaftlichen Gemeinschaft stattfinden kann. Auf der Zeilenrückseite ist der Raum zur nächst benachbarten Bebauung als «Gartenhof» mit viel Grün ausgebildet. Ein Wohnzimmer mit einem Eck-Erker und die Schlafzimmer sind in diesen ruhigen, privaten Raum mit Blick in die Bäume orientiert. Diese klare Nutzungstrennung und das Verständnis, dass die Positionierung des privaten Aussenraums nicht in erster Linie den Gesetzmässigkeiten einer idealen Belichtung folgt, ist auf den ersten Blick ungewöhnlich. Sie erscheint aber absolut schlüssig, wenn «dihei» bedeutet, sich im städtischen Kontext langsam und immerfort zwischen den Polen eines lebendigen Strassentreibens und einer zurückgezogenen Privatsphäre in unterschiedlichen Schichten bewegen zu können. Daraus leitet sich notwendig ab, die Typologie des Innenhofs neu zu definieren.
Das Projekt «dihei» arbeitet mit einer klaren Hierarchisierung der Aussenräume, was im ganzen Projekt sehr konsequent und überzeugend verfolgt wird. Fraglich ist, ob trotz der Dualität zwischen belebter Wohngasse und dem kontemplativen grünen Wohnhof nicht doch die Möglichkeit bestehen sollte, den Wohnhof für die Bewohnenden erreichbar zu machen, ohne diesem dadurch die Ruhe zu nehmen. Die Anfangs- und Endpunkte der Wohngasse könnten teilweise noch etwas spezifischer ausgebildet sein.
Die grosse Gebäudetiefe führt zu einem eher schmalen inneren Achsraster. Der «Normalbaustein» der Anlage ist ein Dreispänner, der an den Ecken und Köpfen zu einem Zwei- bzw. Vier spänner wird. Über eine knappe, in den meisten Wohnungen aber vorhandene Eingangssituation erreicht man eine Halle, die von den Projektverfassenden als «Mitte dazwischen» bezeichnet wird. Dieser gut proportionierte, innen liegende Raum wird nur über die Küche und das Wohnzimmer belichtet. Die Wiederbelebung der gründerzeitlichen Halle führt zu einem heute durchaus
vorstellbaren Raum für flexible Nutzungen und zu einem Bindeglied zwischen der lebhaften Seite der Wohnung mit Küche und Esszimmer an der Wohngasse und den Wohn- und Schlafräumen zur ruhigen Gartenseite hin. Sämtliche Grundrisse sind «Zimmergrundrisse» mit abschliessbaren Einzelzimmern. Eine Grosszügigkeit über das Ganze entsteht durch Enfiladen, von miteinander verbundenen Zimmern und der Möglichkeit, sich über eine Ankleide innerhalb der Wohnung im Kreis bewegen zu können. Die zur Bildung der Halbhöfe notwendige «L-Figur» der Zeilen lässt zu mehreren Himmelsrichtungen belichtete Aussenecken entstehen, allerdings auch Innenecken, von denen einige nach Nordwesten ausgerichtet sind und daher schwierige Belichtungsund
Überecksituationen produzieren, die «heilbar» sind, aber in einer Projektüberarbeitung genau geprüft werden müssten. Die Fassaden sind durch die erkerartigen Wohnzimmer und die Loggien rhythmisiert und geprägt. Die Zeichnungen lassen auf eine nachhaltige Konstruktion in verputztem Einsteinmauerwerk schliessen, von der man sich wünschen würde, dass sie bei der Projektausarbeitung beibehalten werden kann.
Mit 280 Wohneinheiten erfüllt der Projektvorschlag die quantitative Mindestanforderung des Wettbewerbsprogramms. Das Projekt erweist sich trotz der geringen Geschossigkeit, aufgrund der optimierten Wohnungsflächen und Baukosten, als wirtschaftlich.
Das Projekt zeigt entgegen der herkömmlichen Logik des Siedlungsbaus den Mut, die Orientierung der Wohnungen nicht seriell nach der Belichtung zu schichten, sondern um eine neue, zeitgemäss definierte Mitte zu ordnen und dabei jeder Wohnung ausreichend Privatsphäre zu zugestehen. Mit dieser «Raumsortierung» gelingt dem Projekt eine typologische Erfindung, die auf die sehr unterschiedlichen Baugrundstücke angewendet den Grundtyp glaubhaft modifiziert und so mit einer Idee über das Ganze dennoch in jeder Situation einen schlüssigen neuen Ort schaffen kann.