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Nichtoffener Wettbewerb | 01/2017

Bahnhofsareal

Lageplan

Lageplan

Anerkennung

Preisgeld: 13.000 EUR

KBK Architekten Belz | Lutz

Architektur, Stadtplanung / Städtebau

Hupfer Ingenieure GmbH

Bauingenieurwesen

Erläuterungstext

Der Ludwigsburger Bahnhof soll im Zuge der klima- und zukunftsgerechten Entwicklung der Stadt zu einem multimodalen Verknüpfungspunkt ausgebaut werden. Dabei sollen sowohl die vorhandenen Verkehrsströme besser mit einander verwoben werden, als auch ergänzende Angebote integriert werden. Außerdem soll das Bahnhofsumfeld als Stadteingang der besonderen Qualität von Ludwigsburg als Arbeits-, Innovations- und Wohnstandort mit historischer Identität gerecht werden.
Allerdings ist das direkte Bahnhofsumfeld bereits mit der Abwicklung der heute vorhandenen verkehrlichen Aufgaben überfordert. Die räumliche Entflechtung der Verkehrsströme zugunsten einer höheren Aufenthaltsqualität, Orientierung und Sicherheit, bei gleichzeitiger Verknüpfung zwischen den Umsteigepunkten stellt die Kernherausforderung dar.
Der Gleiskörper durschneidet mit chirurgischer Präzision und Unumkehrbarkeit die Stadt in Ost und West. Im Zuge des zunehmenden Verzichts auf mobilen Individualverkehr, gewinnt die Barrierewirkung der Zäsur aufgrund ihrer Unmaßstäblichkeit immer mehr an Bedeutung.
Konzept
Die mit dem Autotunnel bereits begonnene Entzerrung der Verkehrsströme im Bahnhofsumfeld soll zugunsten der Fahrradfahrer und Fußgänger fortgesetzt werden. Die neue Überdachung des ZOBs zum Anlass nehmend, wird der Fahrrad- und Fußgängerverkehr sprichwörtlich aus dem Knäuel der Verkehrsströme gehoben. Künftig können Fußgänger- und Radfahrer über das Dach des Busbahnhofs gehen und fahren, das Dach wird mit Stegen zu einem Netz ausgebaut, dass sowohl die durch den Gleiskörper vorhandene Trennung in Ost-West Richtung aufhebt, als auch das „Überspringen“ des Busbahnhofs sowie des Bahnhofsplatzes ermöglicht. Die konsequente Ergänzung des Radwegenetzes entwickelt den Bahnhofsbereich von einem Radverkehrshindernis zu einer leistungsfähigen, direkten und komfortablen Verknüpfung mit dem Bahnhof und dem übrigen Radwegenetz. Die Verbindung vom Schillerdurchlass über das neue Fahrradparkhaus bis zur Unterführung der Keplerstraße in der Dachebene bietet darüber hinaus eine erhebliche Erlebnisqualität. Über die Myliusstraße (erreichbar über das Fahrradparkhaus) und die Rampe am Schillerdurchlass werden zudem der Schillerplatz, das Schulzentrum, sowie Innenstadt und Altstadt mit der Weststadt verbunden.
Der Bahnhof wird an gleicher Stelle mit reduziertem Flächenprogramm neu erstellt. Das durch die Reduzierung der Gewerbeflächen erhöhte Freiflächenangebot, lässt Raum für eine angemessene Vorzone. Ankommende verlassen künftig nicht direkt im verkehrsbelasteten Kreuzungsbereich das Bahnhofsgebäude, sondern vielmehr auf einem neuen grundrisssymmetrischen, trapezförmigen Platz mit hoher Aufenhaltsqualität zwischen Bahnhof, Busbahnhof und Musikhalle. Statt wie bisher „im Platz“, stehen alle drei Gebäude um den neuen Bahnhofsplatz. Nach dem „Shared-Space“-Prinzip ist der neu entstandene Stadtraum, sowohl dem Fußgänger als auch der querenden Bus und Stadtbahnverbindung gewidmet. Grüne Rasenkissen, Bäume und Wasserspiele weisen die dem Verweilen gewidmeten Flächen aus. Unterstützt wird die Zonierung in Durchgangs- und Aufenthaltsbereiche durch eine grafische Gliederung der Bodenbelagsflächen. Sie machen den Raum für alle Verkehrsteilnehmer lesbar und erhöhen damit ganz selbverständlich die Sicherheit. Für PKW wird die Myliusstraße ab der Alleenstraße gesperrt, Taxis dürfen an der Kreuzung Myliusstraße/ Bahnhofsstraße nur rechts abbiegen. Hier sind auch die Taxistände in direkter Nähe zum Eingang, bahnhofsnah untergebracht. Die Andienung mit dem PKW erfolgt ausschließlich über das Westportal, und die neuen Quartiere auf der Westseite der Bahn. Die konsequente Trennung von Pkw-Anfahrt und Umweltverbund-Seite erleichtert die Orientierung für die Verkehrsteilnehmer und ermöglicht eine Minimierung der Verkehrsmenge, der verkehrsbedingten Emissionen und der Trennwirkung auf dem Bahnhofsvorplatz. Darüber hinaus werden Störungen im Busverkehr sowie Gefährdungen und weitere Beeinträchtigungen im Fußgänger und Radverkehr vermieden.
Der Bahnhof selber verknüpft als Kopf alle Verkehrsströme miteinander. Das Gewerbeflächenangebot wird auf ein bahnhofsnahes Spektrum reduziert. Gastronomieangebote im Erdgeschossbereich können den neuen Außenbereich beleben, gleichzeitig profitieren diese Nutzungen erheblich vom neuen Bahnhofsvorplatz. Die restliche Erdgeschosszone funktioniert als Verteiler zu den drei Verkehrsebenen (Bahnsteig, Bahnhofsplatz/ Bushof, sowie dem Steg) und ist als überdachte Erweiterung des Bahnhofsplatzes konzipiert. Auf dem Dach der zweigeschossigen Bahnhofshalle sind weitere Gastronomieangebot denkbar, die von der besonderen Atmosphäre über dem Bahnhofsplatz mit Blick auf die historische Musikhalle profitieren. Drei über dem Freiraum auf dem Dach schwebende Gebäuderiegel verleihen dem Bahnhof die am Kopf der Myliusstraße notwendige bauliche Masse und schaffen zusätzliches Nutzungspotential.
Der Busbahnhof selber wird in kompakter Form zwischen Karlsstraße und Leonberger Straße organisiert und erfüllt die vorgegebenen Anforderungen hinsichtlich Anzahl der Halteplätze, der Dimensionierung der Verkehrsflächen. Er erlaubt eine optimale Orientierung bei bestmöglichem Verkehrsablauf für alle Verkehrsteilnehmer. Dabei werden die Abmessungen der Fahrverkehrsflächen der Busse auf die Abmessungen begrenzt, die bei angemessener Geschwindigkeit im Omnibusbahnhof sowie entsprechend dem Gestaltprinzip des Bahnhofsvorplatzes erforderlich sind.
Die Überdachung der Mittelinsel versteht sich gleichermaßen als Steg und als befahrenes Dach. Die Struktur ist gegliedert in eine geweitete Verkehrsebene und eine Grünebene, die sich Verweben und dem Dach eine dem Maßstab der Nutzer angepasst Kleinteiligkeit geben. Der Höhenversatz der Ebenen bringt zudem Tageslicht auf den Bussteig. Zwei massive Kerne, die die Dachaufweitung aussteifen, bieten Raum für ergänzende Nutzungen (WCs, Kiosk, etc.).
Die Verkehrszone auf dem Dach wird erweitert durch Abstellflächen für Fahrräder mit Ladestationen für Pedelec und E-Bikes, die sinnvollerweise durch ein Angebot mit Leihrädern ergänzt werden. So wird ein fast nahtloses Umsteigen von Pendlern ermöglicht, die an beiden Enden der Busbahnhofüberdachung mit Aufzügen, die auch die Bahnquerungen und den Bahnsteig für S- und Stadtbahn erschließen, die Platzebene mit allen anderen Verkehrsangeboten erreichen.
Mit dem Fahrrad oder zu Fuß erreicht man über den Steg außerdem die neuen Quartiere auf der Westseite der Gleise. Die „Keplerschen Höfe“ bieten einen attraktiven Verwaltungsstandort. Die direkte Anbindung an das Bahnhofsareal und die Weststadt, sowie die gut sichtbare Lage werden ergänzt durch eine Abfolge von Innenhöfen, die einen gegenüber den Einflüssen von Bahn- und Auto geschützten qualitätsvollen Außenraum bieten.
An der Spitze des Areals steht „Das Kepler“. Ein 20-geschossiges Hochhaus mit Verwaltungsnutzungen im Sockelbereich und Wohn-/ Hotelnutzungen im Kopf. Mit einer Höhe von ca. 70 m ist das Gebäude stadtbildprägend.
Das gesamte Keplerareal ruht auf einer zwei (Keplersche Höfe) bzw. dreigeschossigen (Das Kepler) Tiefgarage mit ca.800 Stellplätzen. Sie erfüllen einerseits den Bedarf an Stellplätzen der neuen Nutzungen und ergänzen andererseits das Angebot an bahnhofsnahen Abstellmöglichkeiten. Die besondere Topografie des Areal ermöglicht die Unterbringung der „Tiefgarage“ weitgehen ohne Erdbewegung im Sockel der Bebauung.
„Das Nest“ auf dem ehemaligen Nestlé-Areal ist ein kombinierter Wohn- und Verwaltungsstandort, der einerseits von der denkmalgeschützen Bebauung eine eigenen Identität bekommt und andererseits durch den Abriss der bahnhofsseitigen, großflächigen Produktionsgebäude eine Anschlussmöglichkeit an das Bahnhofsareal erhält. Der Neubauteil erhält ebenfalls einen Sockel mit einer zweigeschossigen Tiefgarage. Über den Verbindungssteg kann nicht nur der Busbahnhof und der Bahnhof erreicht werden, hier gibt es außerdem einen direkten Zugang zu den Bahnsteigen.
Die Ausfahrt von der Solitudestraße in die Bahnhofstraße und in den Bahnhofstunnel wird zu Gunsten einer Neubebauung aufgelassen. Die zu erwartenden Verkehrsverlagerungen sind minimal und sowohl verkehrstechnisch als auch emissionstechnisch zu vernachlässigen. Eine Beeinträchtigung des Erschließungssystems über die Solitudestraße zu dem gleichnamigen Parkhaus und Richtung Mathildenstraße bleibt unbeeinflusst, da die Straße bereits derzeit weitgehend nur in diese Richtung befahrbar ist. Auf dem Kallenbergschen Gelände entsteht das Kallenbergquartier, als Ärztehaus mit ergänzenden Gewerbenutzungen im Erdgeschoss und Wohnen in den Obergeschossen der Bahn abgewandten Blockseite.
Resümee
Ziel des Entwurfs ist die Entwicklung des gesamten Bahnhofsareals hin zu einem multimodalen Verknüpfungspunkt zwischen bestehenden und neuen Stadtquartieren, sowie zwischen den unterschiedlichen Verkehrsmitteln, in hoher funktionaler und städtebaulicher Qualität.

Beurteilung durch das Preisgericht

Das Leitmotiv des Entwurfs sind die vielfältigen Verknüpfungen für Fußgänger und Fahrradfahrer zwischen den Stadtbereichen östlich und westlich der Bahn durch eine zweite Stadtebene. Die Wahl dieses Motivs aus einer Kombination von Stegen und Gebäudevolumen wird für den vorhandenen Ort hinsichtlich der Dimensionierung, Aufenthaltsqualität und Geste kritisch hinterfragt. Die Vielzahl und Lage der Verbindungen ist überinstrumentiert und nicht an allen Stellen sinnvoll gewählt. Zudem wird die bestechende Idee einer störungsfreien Anbindung aller Bereiche durch eine unklare Wegeführung, insbesondere im Bereich des Bahnhofsgebäudes, konterkariert.

Die Idee der Verknüpfung über eine zweite Stadtebene spiegelt sich auch in den städtebaulichen Strukturen der Teilquartiere wider. Diese sind plausibel aus dem Kontext entwickelt. Im Keplerdreieck ist die Lage des Hochpunktes richtig gewählt. Seine Dimensionierung ist hingegen zu massiv. Die Öffnung eines Platzes mit Freitreppe zur Keplerstraße ist aufgrund der hohen Verkehrsbelastung der Keplerstraße keine gute Lösung, da dem öffentlichen Raum hier eine ausreichende Aufenthaltsqualität fehlt. Die Einbindung des mhplus Hochhauses, durch eine aufgelockerte Blockrandbebauung, ist gut gelungen. Insgesamt überzeugt die Anbindung des Keplerdreiecks durch einen zusätzlichen Steg nicht, da diese Wegeverbindung südlich der Keplerstraße keine Fortsetzung findet.

Die städtebauliche Grundfigur im Kallenberg’schen Gelände wird im Sinne einer behutsamen Stadtreparatur begrüßt. Nicht nachvollziehbar ist die gewählte Höhenentwicklung der Gebäude an der Ecke Solitudestraße / Leonberger Straße.

Im Nestle-Areal ist im Vergleich zu den anderen Teilquartieren der Bezug der Neubebauung zu den bestehenden Stadtstrukturen weniger überzeugend gelungen.

Das neue Bahnhofsgebäude ist mit seiner Kammstruktur nicht präzise in den Stadtgrundriss, an der Verbindung des Bahnhofsplatzes mit der Myliusstraße, gesetzt. Seine Kammstruktur wirkt fremd an diesem Standort. Eine gestalterisch überzeugende Handschrift für den Bahnhofsplatz wird vermisst. Die gezeigten Referenzbeispiele wirken wie eine Collage, sind jedoch nicht stadträumlich im jeweiligen Kontext plausibel verankert.

Die verkehrliche Funktionalität des Busbahnhofs ist gut gelöst. Die komplexe Verknüpfung der Verkehrsströme im Bereich des Busbahnhofs (Umsteigebeziehungen / Zu- und Abfahrten) ist gelungen. Diese Qualität ist jedoch nur durch die Verteilung der Verkehrsarten auf zwei unterschiedliche Stadtebenen möglich, die zu keiner ausreichenden Belebung des öffentlichen Raums und gegebenenfalls zu Angsträumen führt.

Die prägnante Leitidee des Entwurfs wird anerkannt. Sie führt jedoch zu einem starken Eingriff in das Stadtbild, erzwingt einen hohen Erschließungsaufwand und ist in Teilbereichen funktional fraglich. Insgesamt wird die Angemessenheit der Lösung bezweifelt.
Isometrie Gesamtareal

Isometrie Gesamtareal

Bahnhofsvorplatz mit Busbahnhof

Bahnhofsvorplatz mit Busbahnhof