modgnikehtotsyek
ALLE WETTBEWERBSERGEBNISSE, AUSSCHREIBUNGEN UND JOBS Jetzt Newsletter abonnieren

Nichtoffener Wettbewerb | 02/2017

Entwicklung ehemaliges VION-Gelände

Anerkennung

Preisgeld: 5.000 EUR

Poos Isensee Architekten

Architektur

GrünPlan Landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Entwicklung ehemaliges Vion-Gelände in Wunstorf
Stadtplanung, Architektur

Wie kann man ein Baufeld mit doppeltem Handicap und scheinbar aussichtsloser Lageungunst in eine Oase verwandeln, in der der hohe Schallpegel des Schienen-Güter-Verkehrs ausgeblendet ist und die Südsonne sprichwörtlich blendet und ganz nach Belieben den Wohnhäusern zur Verfügung steht?
Unsere Antwort ist die Zonierung in drei Baugebiete mit unterschiedlichem Charakter und der Prägung, die ihnen durch die Aufgabenerfüllung zukommt.
Wir haben daher gleich am rückwärtigen Hang des Lärmschutzwalles drei sanft abstaffelnde Terrassen-Gartenhofhäuser als Patio-Typen ein- bis zweigeschossig, back to back und in Reihe geschaltet, ost-west-orientiert angeordnet. Der Patio-Innenhof liegt an einem Wintergarten, der das Vorderhaus mit dem hinteren Schlafbereich verbindet und von der Südsonne beschienen wird, woraus der kompakte Eigenheimbereich seine überaus hohe Qualität bezieht. Einerseits kann das Grundstück auf diese Art radikal bis an den Rand ausgenutzt werden, andererseits ist von der 16 m emporragenden begrünten Lärmschutzwand in der perspektivischen Verkürzung fast nichts zu sehen.

Ein besonderer Vorteil bedeutet, dass die Terrassierung ein überdachtes Parkdeck beinhaltet und die Erschließungsgassen und Spielflächen Auto-frei gehalten werden können.

Es entsteht eine geradezu mediterrane Wohn- und Nachbarschafts-Atmosphäre mit intimem, introvertiertem Charakter, dessen sparsam bemessener Grünbereich durch die Nähe zum grünen Anger und weiterer Gemeinschafts-Grünflächen kompensiert wird.

Unser Konzept sieht daher konsequent vor, dreigeschossige Mehrfamilien-Punkthäuser in diese Grüne Mitte des Angers zu legen, damit für öffentliches Durchqueren, Erlebnis-, Spiel- und Treffpunkte genügend Platz bleibt.

Die langgestreckte Entwicklungsfläche einer Regenwasser-Retention bietet Anlass, Sitzplätze, Sonnendecks, Brückenverbindungen zu gestalten, die für eine hohe Aufenthaltsqualität sorgen und das identitätsstiftende Herz der Anlage darstellen.
Zur Luther Straße bildet die Doppelreihe der privaten Doppelhaushälften janusartig die Abschirmung, aber auch gleichzeitig die Überleitung zur Bestandsbebauung der Einzelwohnhäuser, allesamt der Südsonne zugewandt.

Von all den genannten Grundsatzüberlegungen profitiert das angrenzende städtische Verknüpfungsgebiet, macht sich die Gesamthaltung der Zonierung zu eigen und vervollkommnet das ehemalige Vion-Gelände in überzeugender Weise.

Landschaftsplanung

Die 'Grüne Mitte' des Areals bietet Platz für Spielflächen, kleine Sitzplätze und baumbestandene Wiesenflächen, erschlossen durch ein extensives Wegenetz. Ergänzt werden diese Grünflächen durch eine langgestreckte Muldenzone parallel zur Straße an der Gartenhofsiedlung, welche das erforderliche Regenwasserretentionsvolumen abdeckt. Die harte Kante an der Spielstraße, ergänzt durch einzelne Sonnendecks und Brücken ergeben mit den weichen Uferlinien auf der Angerseite ein spannungsvolles Zusammenspiel und ein weiteres markantes Gestaltungsmerkmal. Bauliche Anlagen sowie Heckenpflanzungen formulieren Privatheit und Öffentlichkeit in vielfältigen Variationen.

Bauwerk, Statik

Auf der Nordseite wird der Wall zusätzlich mit integrierter Bebauung stabilisiert.
Hochverdichter Boden des Wallkörpers im Zusammenspiel mit steifen Winkelstützwänden aus Stahlbeton sichert einen ausreichend tragfähigen und setzungsarmen Unterbau für die obere Wohnbebauung. Zur Sicherung des Wallfußes wird über die gesamte Länge ein vorgelagertes Parkdeck angeordnet. Dieses wird als sehr steifes, kastenförmiges Bauwerk ausgebildet und dient gleichzeitig als Keller und Unterbau für die mittlere Wohnbebauung.

Schallschutz, Akustik

Der erforderliche Schallschutz gegenüber den vorhandenen Verkehrsgeräuschen (insbesondere Schienenlärm)wird durch eine integrierende Bauweise realisiert. Die Kombination des erforderlichen geräuschabschirmenden Bauwerks (Lärmschutzwall mit aufgesetzter Lärmschutzwand) mit den in der Höhe gestaffelten Gebäuden ermöglicht eine optimale Ausnutzung der zur Verfügung stehenden Fläche. Durch die Einbeziehung eines Parkdecks in das Lärmschutzbauwerk wird auch die Geräuschentstehung durch Individualverkehr im Wohngebiet minimiert und somit eine ruhige Wohnumgebung innerhalb der zukünftigen Gebäudestruktur geschaffen.

Die Lärmschutzmaßnahme besteht im unteren Bereich aus einem aufgeschütteten, an die Bahnlinie angrenzenden Wall. Zum Erreichen der erforderlichen Höhe der schalltechnisch notwendigen Beugungskante wird auf den Wall eine Lärmschutzwand aufgesetzt, die neben einem begrünten Steilsystem auch aus Glaselementen besteht. Hierdurch wird die wegen der südwestlichen Lage der Hauptgeräuschquelle zu erwartende Verschattungswirkung minimiert und ausreichender Lichteinfall auf die hinter dem Lärmschutzbauwerk liegenden Wohngebäude und Aufenthaltsflächen im Freien gewährleistet. Da an den Enden der Lärmschutzmaßnahme keine hinreichende Überstandlängen realisiert werden können, sieht die Planung vor, an diesen Stellen das Lärmschutzbauwerk durch steile Abstützungen möglichst nah an die entsprechenden Grenzen zu führen. Für Gebäude, die in den Randbereichen nicht den vollumfänglichen Schallschutz erhalten können, kann durch eine Anordnung von nicht schutzbedürftigen Räumen (Küchen, Bäder, Treppenhäuser etc.) in geeigneter Weise passiver Schallschutz sichergestellt werden.

Bezüglich der schalltechnischen Auswirkungen der baulichen Maßnahme auf die Geräuschsituation in der bestehenden Nachbarschaft wird durch den begrünten Wallfuß sichergestellt, dass zum einen keine pegelerhöhenden Schallreflexionen entstehen (Schallabsorption durch Begrünung) bzw. durch die Wallneigung Schallreflexionen in unkritischer Weise nach oben erfolgen. Im Zusammenhang mit den schallharten Glaselementen der auf den Wall aufgesetzten Lärmschutzwand ist festzustellen, dass die an den Glasflächen stattfindenden Schallreflexionen aufgrund der Lage deutlich oberhalb der Geräuschquelle nach oben erfolgen werden, sodass es auch hierdurch zu keinen negativen schalltechnischen Auswirkungen kommt. Vielmehr wird sich gegenüber der bisherigen Bebauung mit einer nahezu geschlossenen Industriebebauung eher eine Verbesserung der schalltechnischen Situation für die Nachbarschaft ergeben.
Insgesamt führt das schalltechnisch wirksame Bebauungskonzept zu einer im Rahmen der hier vorliegenden geräuschbelasteten Lage zu weitestgehend ruhigen Wohnverhältnissen, wobei durch die Anordnung und Staffelung der in die Lärmschutzmaßnahme integrierten Bebauung auch in einem hohen Maße ruhige Aufenthaltsflächen im Freien geschaffen werden, die einer individuellen und gemeinschaftlichen Nutzung zugeführt werden können.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die konzeptionelle Idee, den hohen Lärmschutzwall durch eine flach absteigende Wohnbebauung zu beantworten, wird positiv bewertet und stellt eine städtebaulich inspirierende Lösung dar.
Konsequent wird die Unterbringung der Stellplätze in dem Wall beantwortet und hält das Wohnquartier weitgehend frei vom Individualverkehr. Lediglich für die nördliche Erschließung der Einfamilienhäuser ist eine befahrbare Erschließungsstraße erforderlich. Die barrierefreie Erschließung der höhergelegenen Gartenhofhäuser mittels Aufzug ist nur über die Tiefgarage möglich; dabei erscheinen acht Aufzüge unwirtschaftlich, was auch für die Gesamtanlage gilt.
Dies ist insgesamt eine städtebaulich schlüssige Idee, die allerdings nur mit hohem Aufwand umzusetzen ist.

Der Geschosswohnungsbau im zentralen Bereich wirkt eher zufällig und in seiner Anzahl der Wohneinheiten zu gering. Das Mischungsverhältnis des Wohnungsbaus ist – bedingt durch die hohe Anzahl der Gartenhofhäuser – für Wunstorf wenig marktgerecht und deutlich zu hoch.

Als positiv zu werten ist die Einfamilienhausbebauung am Luther Weg zur vorhandenen gegenüberliegenden Bebauung.
Der zentrale Grünbereich aus Regenwasser- / Retentionsflächen wirkt im Bild wie ein Wasserband, ist aber außer bei Hochwasser eine Grünfläche, weshalb Stege, Brücken und Stufen dann fremdartig wirken.

Insgesamt stellt die bauliche Antwort mit dem Lärmschutzwall einen städtebaulichen und freiraumplanerischen Beitrag dar, der jedoch dem Wunstorfer Maßstab nicht gerecht wird. Auch die Verknüpfung mit dem innenliegenden Geschosswohnungsbau kann nicht überzeugen.
Die Wallbebauung lässt sich nur in einem Bauabschnitt realisieren und erfordert dafür einen Investor der bereit ist, dieses Vorhaben zu bauen.

Das Preisgericht würdigt die Ausarbeitung der Wohnbebauung entlang der Lärmschutzwand.
Ausschnitt Planungsgebiet Bild 1

Ausschnitt Planungsgebiet Bild 1

Gebäudestruktur Planungsgebiet Bild 2

Gebäudestruktur Planungsgebiet Bild 2

Aufsicht Planungsgebiet Bild 3

Aufsicht Planungsgebiet Bild 3