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Nichtoffener Wettbewerb | 03/2017

Gedenkort Deportationsrampe

3. Preis

Konermann Siegmund Architekten

Architektur

Volker Lang

Kunst

Erläuterungstext

Gedenkstätte zur Deportation der Juden aus Mainz

Ein langgestreckter Quader liegt wie ein erratischer Block auf der straßenbegleitenden Grünfläche und begrenzt diese nach Norden zum Firmengelände. Aus dem rohen, unbehandelten Beton sind zur Straßenseite hin
schmale, scharfkantige, unverglaste Öffnungen ausgestanzt. Diese Ansicht lässt die eigentliche Funktion und Bedeutung des Gebäudes nicht erkennen - beides erschließt sich erst nach dem Eintreten.

Der Eingang befindet sich an der einen Schmalseite. Außen neben der Eingangstür gibt es eine einzige Information in Form eines konzisen Textes, dessen Buchstaben in die Betonwand eingelassen sind (durch eine in die Schalung eingelegte Negativmatrize):
Im März und September 1942 wurden vom Güterbahnhof Mainz in drei großen Transporten jüdische Frauen, Männer und Kinder in die Vernichtungslager nach Polen deportiert. 1300 bis 1400 Juden aus Mainz wurden dort ermordet.

Der entworfene Raum ist ein umschlossener Gang, den man durch eine profane Metalltür betritt. Der Raumeindruck ist durch die Proportionen und Oberflächen nicht behaglich. Die Breite von 2,90m entspricht exakt der eines Standardgüterwagens der ehemaligen Deutschen Reichsbahn. Die Betonwände und die Betondecke sind wie die Außenflächen unbehandelt und roh, der Boden besteht aus Bodenbrettern von alten Güterwagen. Diese sind über einem Hohlraum aufgelagert und schwingen leicht. Sie haben eine besondere Bedeutung: in dem der Bretterbelag unter Mühen während der Fahrt aufgerissen wurde, war dieser die einzige Fluchtmöglichkeit aus einem verriegelten Wagon.
Tageslicht fällt nur über die schmalen Wandöffnungen ein. Die Tiefe dieser Öffnungen ist doppelt so groß wie die Breite, so dass ein Ausblick nur in der Frontalen möglich ist.
Der Weg richtet sich in die Tiefe.
Am Ende gelangt man durch eine Lichtschleuse in eine fensterlose Zelle belegt mit Kies, der jeden Schritt zu einem knirschenden Geräusch verstärkt, und einer geöffneten Decke, die den Blick in den Himmel richtet. Der Weg des Besuchers heute hat einen Ausweg - eine schwere Betontüre entlässt ihn nach draußen.
Auf der 22m langen geschlossenen Seitenwand des Ganges folgt man im Gehen der Abwicklung eines Films, dessen Abfolge über 11 Monitore vom Betrachter nur in der Bewegung erfasst werden kann. Der Film zeigt eine aufgezeichnete, gewaltsame Szene von SS-Männern an einem oder mehreren Juden währende einer Deportation. Durch die Wiederholung des Films bei erneuter Auslösung geschieht eine Verschiebung vom Zweck der Gewalt auf die Gewalt selbst.
Die sinnlose, willkürliche Gewalt wird verstärkt durch die unangenehme Enge der Raumkonzeption, die ein unmittelbares Entweichen des Betrachters verhindert. Die Dichte der Konfrontation sollte die ausweglose Lage der dem Abgrund des Unrechts Ausgelieferten physisch spürbar vermitteln.

Das Gebäude ist über die straßenbegleitende Grünfläche frei zugänglich.
Technisch wird die Oberfläche im Bereich des Zugangs bzw. Ausgangs als Schotterrasen ausgeführt, so dass sich im Laufe der Zeit dort die Wege abzeichnen.
Auf besondere physische Absperrungs- oder Sicherheitsmaßnahmen wird verzichtet, da diese erfahrungsgemäß Vandalismus ohnehin nicht verhindern, sondern eher noch provozieren würden. Bei Dunkelheit wird das Grundstück durch einen Flutlichtmast ständig grell ausgeleuchtet. Über eine ständige Videoüberwachung des Innenraums wäre nach zu denken.