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Nichtoffener Wettbewerb | 03/2017

Gedenkort Deportationsrampe

1. Preis

ATELIER . SCHMELZER . WEBER Architekten PartGmbB

Architektur

Andreas Theurer

Kunst

Erläuterungstext

LEITIDEE

Ein lineares architektonisches Band
- trägt die Namen der aus Mainz deportierten jüdischen Bürger
- demonstriert die historischen Bahn-Rampen und flankiert die ehemaligen Gleise
- bildet ein Tor der Reflexion, das Anfang und Ende zugleich ist.
- rahmt einen Platz, dessen menschliche Schatten an den Verlust erinnern.

Ein überraschender Ort, der mitten im Leben an Vertreibung und Tod erinnert.
Ohne Pathos öffnet er sich dem Mainzer Bürger, bezieht ihn ein und lässt ihn zum Teil der Geschichte werden.

DEPORTIERTE MAINZER BÜRGER

Der neu geschaffene Platz zeichnet sich im städtebaulichen Kontext durch architektonische Sachlichkeit aus. Die Namen der Ermordeten sind dauerhaft eingeschrieben in eine Gedenkwand, die den Ausgangspunkt der Mainzer Deportationen markiert. Die Öffnung des Platzes zum öffentlichen Fahr- und Gehwegenetz weist ihn weithin sichtbar als Ort des Gedenkens aus.

OPFER-TÄTER-RELATION

Der Entwurf verzichtet auf eine große Geste und versucht stattdessen die Bürgerinnen und Bürger partizipativ in die Gestaltung einzubeziehen.

Erst beim Betreten des Platzes erlebt der Betrachter die suggestive Wirkung der Perspektive. Die zunächst kaum wahrnehmbare, rückwärtige Verspiegelung des Baukörpers verlängert die historischen Gleise in eine imaginäre Ferne, die gleichzeitig reflektierte Gegenwart ist. Der Spiegel wird mit Auszügen aus den überlieferten Briefen bedruckt, die in ähnlicher Weise Erfahrungen aus der Ferne zurück nach Mainz übermittelten.

Die in den Bodenbelag eingesetzten, menschlichen Schatten stehen für den tragischen Verlust der jüdischen Mitbürger und erinnern an die mit diesem Ort verbundene, historische Schuld - als Apell, der nicht vergeht, als Schatten der bleibt.
Wenn sich an sonnigen Tagen der eigene Schattenwurf mit den Schattenbildern im Bodenbelag kreuzt, dann wird die persönliche Reflexion des Betrachters in ganz besonderer Weise herausgefordert.
Dies geschieht nicht immer – jedes Mal anders (andere Zeit, anderer Sonnenstand) – aber sicher immer wieder von Neuem.

VERWEISCHARAKTER FÜR KÜNFTIGE ZEITEN

Der partizipative Charakter des Ortes, das Teilnehmen und Teil werden der Geschichte schärft unser Bewusstsein für die Zukunft.

DER KÜNSTERISCH RÄUMLICHE ANSPRUCH

Der Gedenkort lädt den zufälligen Passanten ebenso ein wie den interessierten Bürger.
Der Platz öffnet sich in seiner gesamten Breite der südlichen Hauptverkehrsachse, grenzt sich dabei aber deutlich von der nördlichen Industrieanlage ab, ohne dessen Charakter zu negieren.
Er nimmt wesentliche Bezüge zum ehemaligen Güterbahnhof auf (historische Gleise, Rampe, Wartebereich, industrielle Bebauung, Längsausrichtung) und entfaltet dabei eine markante, dynamische Platzsituation mit hoher Aufenthalts- und Erfahrungsqualität. Die vorhandenen Sitzmöglichkeiten, die Überdachung, die geplante Beleuchtung der Namen sowie die vorhandenen Parkplätze machen den Ort auch in den Abendstunden sowie bei schlechten Wetterbedingungen erlebbar und nutzbar.
Die Ergänzung des Baumbestandes am östlichen und westlichen Rand trägt wesentlich zur räumlichen Fassung des Platzes bei.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Entwurf zeichnet sich erstens durch eine unspektakuläre Öffnung zum Straßenraum, zweitens durch eine klare räumliche Definition des Ortes und drittens durch eine visuell konkret nachvollziehbare Umsetzung des Gedenkgegenstandes der Deportation Mainzer Bürger durch die Nationalsozialisten aus.
Die übrig gebliebenen Relikte des originalen Deportationsortes (Schiene und Rampe) sind als Spolien auf gut erlebbare Weise in das Mahnmal integriert. Zugleich wird durch ihre Anordnung innerhalb des Platzes ein neuartiger Ort geschaffen, der auch aus der Ferne erfahrbar ist. Die Situation der Deportation wird durch die Flucht der Schienen und ihre Aufnahme in das Torhaus visuell erfahrbar. Der abschließende Spiegel trägt einerseits ein historisches Dokument, das Zeugnis von der Deportation gibt, thematisiert andererseits den heutigen Betrachter, indem er ihn in die Situation hineinspiegelt.