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Offener Wettbewerb | 04/2017

Großfestung Koblenz

Feste Franz

Feste Franz

Anerkennung

Preisgeld: 9.000 EUR

hutterreimann Landschaftsarchitektur GmbH

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Nichtoffener Realisierungswettbewerb mit Ideenteil „Großfestung Koblenz“

Auf den Spuren der Großfestung

Die Geschichte der Stadt Koblenz war schon immer militärisch geprägt. Koblenz ist eine der ältesten Städte Deutschlands und geht bereits auf eine militärische Gründung (Castell Confluentes) der Römer zurück.
In Reaktion auf den Wiener Kongress 1814/15 nach den napoleonischen Koalitionskriegen wurde um Koblenz ein Festungsring errichtet, der nach Fertigstellung das zweitgrößte Festungssystem Europas darstellte.
Bereits ab 1890 wurde die Stadtumwallung jedoch zugunsten der Flächenentwicklung der Stadt aufgegeben, woraufhin Koblenz eine verspätete Gründerzeit erlebte.

Nachdem Koblenz nach Beendigung des 1. Weltkrieges entmilitarisierte Zone wurde, musste es entfestigt werden, was bedeutete, dass die meisten Festungsanlagen (mit Ausnahme von Ehrenbreitstein) geschliffen wurden.
Nach dem 2. Weltkrieg breitete die Stadt sich dann auch auf die bisher nur von den Festungen gekrönten Hochplateaus aus. Die verbliebenen Gebäude der Anlagen wurden als Notunterkünfte genutzt und verfielen danach entweder oder wurden abgerissen (Feste Franz).

Die Stadt Koblenz wuchs mit ihrer Festung und am Ende über sie hinaus!

Die Großfestung Koblenz beschränkte bis zur Schleifung der Befestigungsanlagen um den Altstadtkern die (flächenhafte) Entwicklung der (modernen) Stadt und ist heute in ihrer Gesamtheit nicht mehr zu erkennen.
Also ist es die Aufgabe, die Großfestung Koblenz (vertreten durch die Altstadt im Rahmen der historischen Festungsmauer und die 4 Festungen/Forts) offen zulegen und attraktiv zu gestalten.

Eine Offenlegung und Attraktivierung der Festungs- inklusive umgebender Parkanlagen (Festungsparks) soll zum einen dazu führen, dass neue Identifikationsorte in den Quartieren entstehen, die diese bereichern.
Zum anderen sollen die Festungen untereinander und mit der historischen Altstadt verknüpft werden, um die Großfestung Koblenz in ihrer Ausdehnung nachvollziehbar zu machen. Hierzu werden die Festungsparks mit Ankerpunkten (Orte mit Spuren der Großfestung) in der historischen Altstadt über attraktivere Wegeführungen verbunden.
Auch sollen die Blickbeziehungen untereinander und mit der Altstadt gestärkt werden.

Sehen ... Verstehen ... Aneignen

Spurensuche im Bereich der Großfestung

Welche Ausdehnung hatte die hist. Festungsanlage? Was ist heute noch vorhanden (baulich, strukturell, namentlich, ideell ...)? Was kann davon „gehoben“/gesichert werden? Welche Elemente sind es wert ggf. rekonstruiert zu werden?
In Anlehnung an archäologische Arbeit wurden die Relikte der Großfestung als entwurfstragende Elemente gesucht.

Nach Sichtung aller Spuren wurden zwischen denen unterschieden, die eine Fernwirkung ermöglichen, und denen, die eine Nahwirkung erzielen.
Spuren mit Fernwirkungspotential sind wichtig für die Herstellung der Blickbeziehungen, die mit Potential für die Nahwirkung sind wichtig für die Einbindung und Verknüpfung der Festungsparks in den Quartieren.

Spuren mit Fernwirkung:
Spuren, die eine große verbindende Fernwirkung haben sind in Koblenz vor allem die horizontalen Elemente der stadtzugewandten Fronten (Festungsmauern, krenelierte Mauern, Ringmauern, Brustwehre, Zinnen ...). Typische Materialien sind Schiefer- und Grauwackebruchsteine mit Gliederungen aus rotem Sandstein.
Durch eine Offenlegung bzw. Rekonstruktion aber auch (in Ausnahmefällen) Ergänzung dieser horizontalen fernwirksamen Elemente wird es möglich, Sichtbeziehungen zwischen den 4 Festungen und der Altstadt herzustellen und so eine Verknüpfung der Großfestung Koblenz zu erreichen.
Es finden sich ergänzende vertikale Elemente an den Festungen, die Fahnen. Auch diese erzielen eine Fernwirkung, die auf die Sichtbeziehungen unterstützend wirken können.

Spuren mit Nahwirkung:
Spuren, die innerhalb der Festungsareale kleinmaßstäblicher sichtbar werden sind bspw. der typische Naturstein der Festungsmauern, Reliefs, Inschriften, Widmungen an Gebäuden und baulichen Anlagen, Reste von Wällen, Traversen bzw. regelmäßigen Bodenmodellierungen, Schießscharten, Poternen u.ä. aus militärischer Notwendigkeit herzuleitende Details an Gebäuden oder baulichen Anlagen. Diese Spuren können bei Offenlegung und Verknüpfung die ursprüngliche Ausdehnung der Festungsanlage sichtbar machen. Sie vermitteln die Verstrickung zwischen Quartier und Festung bzw. die Verankerung der Festung im Quartier und haben die Kraft identifikationsbildend zu wirken.

Offenlegung der Spuren mit Fernwirkung (Sehen):
Der Entwurf setzt folgende Mittel ein, um die vorgefundenen Spuren mit Fernwirkung offen zulegen:

Die historischen Festungsmauern werden freigestellt und restauriert und in einigen Teilen ergänzt. Sie werden durch eine einheitliche Mauerkrone (farbiger Betonwerkstein) in der für die Festungsgebäude typischen rötlichen Farbe des Sandsteins betont und in der Fernwirkung in einen eindeutigen Zusammenhang gesetzt.
In den Festungsarealen werden an historischen oder auch strategisch wichtigen neuen Orten Aussichtsbalkone erstellt. Auch diese sind mit den o.g. Mauerkronen markiert. Die Flächen der Balkone werden als ruhige Flächen in flächigem naturfarbenen Belag ausgebildet. Entlang der Mauer verläuft ein 1,5 m breiter Orientierungsstreifen aus Grauwacke.
Hier können die vertikalen Elemente (Fahnen) zur Stärkung der Sichtbeziehungen ergänzt werden.

Zur Markierung der Ankerpunkte in der Altstadt (Platz am ehemaligen Löhrtor, Brückenköpfe und Befestigungsmauern an der Eisenbahnbrücke mit ehemaligem Wolfstor und historischer Burg, Kasematten am Deutschen Eck/Deutschherrenhaus, Befestigungsmauern an der Pfaffendorfer Brücke und am Rheinufer inkl. Rheinkavalier) werden die gleichen entwerferischen Mittel und Materialien wie an den Aussichtsbalkonen auf den Festungen empfohlen.

Offenlegung der Spuren mit Nahwirkung (verstehen):
Alle vorgefundenen o.g. Spuren zur Erreichung einer Nahwirkung werden erhalten und ggf. unter Rückgriff auf eine besondere Materialauswahl in den ehem. Festungsbereichen behutsam ergänzt.
Durch bewusste Wegeführung und Setzung von Aufenthaltsbereichen werden diese Spuren verknüpft. Die Wegeflächen werden als ruhige Flächen in Terraway ausgebildet. An der Mauer verläuft ein 1,5 m breiter Orientierungsstreifen aus Grauwacke.

Moderne Interventionen (aneignen):
Einige historische Orte werden ganz bewusst umgewidmet und mit modernen Mitteln interveniert. So werden im Bereich der Feste Franz auf den rekonstruierten Wallanlagen und im Fort Asterstein im Bereich der Kommunikation (?) Orte des Spiels und der Kontemplation auf historische Orte des Kampfes gesetzt.

Feste Franz:
Der Kehlturm und die Mauern der Festung sind bereits fernwirksam. Sie werden gestärkt und teilweise ergänzt und rekonstruiert und mit der beschriebenen Mauerkrone verbunden. Der Baumbestand wird behutsam ausgelichtet, um historische Blickbezüge wieder herzustellen.
Die historische Zuwegung von der Bodelschwinghstraße/Ecke Mayener Straße über den gedeckten Gang zum Haupteingang, die Poterne und weiter über den erhöhten Gang (Neuinterpretation Balkon) zum Eingang Reduit wird vollständig offengelegt und (barrierefrei) ertüchtigt. Im Inneren des Hofes des Reduit entsteht ein ruhiger Erschließungsplatz für Veranstaltungen, Cafénutzung und als möglicher Zugangsbereich bei musealer Nutzung. Die Ausdehnung des historischen Gebäudes bzw. des Hofes wird durch das Nachziehen der Fassadenlinie mit einer Sitzmauer und das Freilegen des historischen Innenhofbereiches sichtbar gemacht. Die weitere Wegeverbindung verläuft entlang des Steilhanges über die Kommunikation in den Bereich des heutigen Volksparkes. Am vorhandenen Platz (alter Flankenturm?) entsteht ein neuer Balkon. Über diese Wegeverbindung wird auch der Franzosenfriedhof neu angebunden.
Im Kernbereich der Festung werden Teile der historischen Wallanlagen rekonstruiert und mit dem Wallspielplatz mit Spieltraversen (EPDM) besetzt. Die historischen Escarpe wird durch eine Sitzmauer nachempfunden. Der Bereich des historischen Grabens wird behutsam freigestellt und durch ein Plattenband in seiner Dimension markiert. In Verlängerung der Wallanlagen entsteht auf der Poterne eine neue Aussichtsplattform.
Der vorhandene Sportplatz im Inneren der Festungsanlage wird integriert. Im Osten wird der Kehlturm über einen großzügigen Stadtplatz angebunden. Hier besteht Entwicklungspotential entsprechend der städtebaulichen Entwicklung entlang der Bahnlinie.

Fort Asterstein: Das erhaltene Reduit der Anlage liegt seiner Funktion als Rückzugsort (Kernwerk) versteckt im Grün und ins Gelände geduckt. Elemente mit Fernwirkung sind hier nicht mehr vorhanden. Daher werden fernwirksamen Mauern in Verbindung mit einer Wegeverbindung in Anlehnung an die historische Wegeführung über die Teufelstreppe (alternativ durch die Siedlung an der Bienhornschanze) neu interpretiert bzw. hergestellt. Diese Verbindung verläuft im Winkel über die Kommunikation zum Eingang des Reduits. Hier wird ein neues Entreé heraus gearbeitet . Um dieses Reduit werden die historischen Wallanlagen mit Escarpe, Contrescape und Kaponniere rekonstruiert, um die historischen Einbindung der Anlage sichtbar zu machen. Dazu sollte der Friedhof langfristig sukzessive nach Süden verlagert werden. Der Baumbestand wird an dieser Stelle behutsam reduziert. Entlang des Steilhanges zum Rhein entstehen Aussichtsbalkone. Dabei werden die Standorte des Obelisken und des historischen Flankenturmes integriert. Die Balkone und Aussichtsplätze werden durch die neue Wegeverbindung wie eine Perlenkette verbunden.
Historische Sichtbeziehungen werden durch eine behutsame Überarbeitung des wertvollen Baumbestandes wieder hergestellt.
Die Zufahrt zum Kolonnenweg wird aufgewertet. Eine zusätzliche Zufahrt von der Lindenallee wird hergestellt.

Fort Konstantin: Kehlturm und Mauern des Forts haben bereits eine hohe Fernwirkung. Im Hof der Anlage wird ein Aussichtsplatz analog derer in den anderen Festungen verortet.
Die Wegeanbindung von Fort Konstantin an die Stadt ist derzeit mangelhaft. Sie erfolgt über die Unterführung durch den Bahnhof. Daran anschließend wird ein neuer verbindender Platz zur Klärung der unübersichtlichen Verkehrssituation vorgeschlagen. Die historische Wegeführung entlang des Hanges unterhalb des Forts wird gesichert und zur Erschließung ertüchtigt. Es entstehen an den Wegekehren kleine Plätze zum Verschnaufen. Die historische Zuwegung führt zentral auf den Festungseingang zu. Parallel dazu und in der Verlängerung der ehemaligen Exerzierhalle wird ein Spiel- und Freizeitbandes ausgebildet, das den neuen Standort für den kleinen Sportplatz aufnimmt. Die Fläche vor dem historischen Fort wird zugunsten einer „Freiheit Konstantin“ freigeräumt. Die Verknüpfung der verbindenden Wege in das Quartier wird gestärkt.
Die PKW Stellplätze werden unterhalb der niedrigen Mauer um die „Freiheit Konstantin“ geordnet.

Fahrradstellplätze werden in allen drei Festungen dezentral an Eingangsbereichen verteilt, jedoch immer in respektvollem Abstand zu den historischen Spuren.

Festung Ehrenbreitstein: Die Festung ist ebenfalls Teil des Systems Großfestung Koblenz. Sie ist sehr fernwirksam und bereits vollständig offengelegt und angebunden, Auch sie wird durch einen Ankerpunkt mit der Altstadt verbunden.

Wie die Schleifung der Festung die Grundlage für die Ausbreitung der Stadt ins Umland und auf die Hochplateaus bildete, könnte mit einer Offenlegung und Revitalisierung der Festungsstandorte der (um die Bereiche der 4 Festungen erweiterte) Altstadtkern wieder eine anziehende, bündelnde, konzentrierende Wirkung bekommen.


Bauabschnitte:
1. BA – Sehen: Herstellung der übergeordneten Anbindung – Fernwirkung/Blickbeziehungen
2. BA – Verstehen: Herstellung der Anbindung an die Quartiere und Offenlegung historischer Dimensionen/Spuren
3. BA – Aneignen: Spiel- und Freizeitschienen
Fort Asterstein

Fort Asterstein

Feste Franz

Feste Franz

Fort Asterstein

Fort Asterstein

Fort Konstantin

Fort Konstantin

Großfestung Koblenz

Großfestung Koblenz

sehen ... verstehen ...

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... aneignen

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