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Offener Wettbewerb | 04/2017

Stadt Weimar - Haus der Weimarer Republik

Perspektive Gartengeschoss

Perspektive Gartengeschoss

1. Preis

Preisgeld: 12.000 EUR

Muffler Architekten

Architektur

Erläuterungstext

Situation • Historische Ereignisse stiften Identität. Dies trifft auf das Gebäude am Theaterplatz 4 zu. Es ist unmittelbar gegenüber des bedeutsamen Weimarer Nationaltheaters platziert und spielt in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle. Der denkmalgeschützte Bau einer ehemaligen Wagenremise (1823) ist Zeitzeuge einer wechselhaften Geschichte. Wie die Stadt hat sich auch das Gebäude transformiert und wurde mehrfach bauliche Veränderungen. Das zuletzt als Kunsthalle bzw. „Bauhaus-Museum“ genutzte Gebäude orientiert sich städtebaulich klar zum Theaterplatz und präsentiert hier seine Schaufassade. Der symmetrische Grundgedanke des Originalentwurfs ist durch die Veränderung der seitlichen Annexbauten nicht mehr unmissverständlich ablesbar. Trotzdem entwickelt sich der große Ausstellungsraum der Kunsthalle klar aus seiner ursprünglichen Symmetrie heraus. Während der Bestand zum Platz hin baulich gefasst ist und in klarem Bezug zu diesem steht, verliert sich diese präzise Situierung im Rückbereich.

Städtebau • Im Zusammenhang mit dem Entwurf des „Hauses der Weimarer Republik“ findet eine Umgestaltung des gesamten Quartiers statt. Es soll in Umfeld der Planungsaufgabe ein innerstädtisches Quartier entstehen, das seine Qualitäten aus der Neuordnung des Bestehenden generiert. Die Setzung neuer städtebaulicher Körper erzeugt eine bewusste Zonierung der Quartiers-Innenbereiche in privat und öffentlich Räume, die zum Verweilen einladen. Das Museum soll dem Zeughofquartier eine markante Adresse geben und ihm so Eigenidentität verleihen. Eine entscheidende Rolle hierbei spielt die Ruine des ehemaligen Zeughauses, die in unmittelbarem Zusammenhang zum Haus der Weimarer Republik steht. Die erhaltenen Außenwände des Sockelgrundrisses verschneiden sich im Rückbereich mit dem Baukörper der Kunsthalle. An ihnen lässt sich die Geschichte beider Häuser ablesen - Sie stiften Identität und bietet die Möglichkeit dem Rückraum der bisherigen Kunsthalle ein neues Gesicht zu verleihen.

Konzept • Der Entwurf folgt einem einfachen, aber klaren Konzept: Das Bestehende wird durch minimale Eingriffe aufgewertet. Foyer, Museumsshop und Garderobe leiten in das Gebäude ein und erschließen den großen Saal der Kunsthalle. Dieser beherbergt den ersten Teil der Ausstellung, bietet jedoch auch alle Möglichkeiten zur flexiblen Nutzung für Veranstaltungen oder Sonderausstellungen. In logischer Konsequenz spiegelt sich das Portal des Saals an seine Rückwand und bildet somit den Übergang zum Erweiterungsbau. Das Neue interagiert mit dem Bestehenden, soll es aber nicht umklammern, sondern mit respektvollem Abstand behandeln. Hierbei vermittelt ein leichter Erschließungskörper als Fuge zwischen Bestand und Neubau und verknüpft so alle Ebenen des Hauses der Weimarer Republik an deren Schnittstelle vertikal. Gleichzeitig wird hier die Ruine des Zeughauses direkt erlebbar.

Funktion • Der erweiternde Museumskörper lagert auf der Zeughausruine auf und bildet drei einfache Räume, die ihrer jeweiligen Nutzung entsprechen: Das Erdgeschoss beherbergt mit dem Multifunktionsraum und einem kleinen Café die Bereiche politischer Bildung. Es ist transparent und öffnet sich zu allen Seiten hin. Der Raum ist kaum gefasst und nur durch Möbel zoniert. Zentrales Element ist die Wahrnehmung der denkmalgeschützten Sockelwände des ehemaligen Zeughauses.

Im mittleren Geschoss wird der Ausstellungsbereich weitergeführt. Der Raum bietet Flexibilität und kann nach Belieben durch eingestellte Körper oder mobile Trennwände gegliedert werden. Er bildet ein neutrales Raumvolumen und fokussiert sich auf die museale Darstellung. Zwei gezielt gesetzte Fenster bieten unmittelbare Ausblicke in den Freiraum.

Das Obergeschoss bietet Raum für wissenschaftliches Forschen. Hier siedeln sich - in einem flexiblen Rahmen - Büros, Besprechungsbereiche sowie ein Bibliothek an. Ein langes Fensterband dient der Belichtung und baut einen Bezug zum Außenraum auf.

Das Untergeschoss wird weitestgehend belassen und nimmt Lager- sowie Technikflächen auf. Die öffentlichen Toiletten werden saniert und erhalten einen neuen, dem Entwurf entsprechenden Eingang.

Materialität und Tektonik • Der Entwurf soll in seiner Wirkung gleichzeitig Ruhe und Präsenz ausstrahlen. Der Erweiterungskörper schreibt die Geschichte der Kunsthalle weiter und verleiht dieser eine neue Identität. Dem heterogenen Bestand soll daher ein homogener Körper angelagert werden, der eine klassische Eleganz suggeriert. Diese überstrahlt das Bestandsgebäude nicht, sondern erscheint als dessen Konterpart. Eine einfache und rohe Stahlbetonkonstruktion bildet das Grundgerüst. Im Erdgeschoss fließen Innenräume in Aussenräume und inszeniert die historischen Wände des Zeughauses. Darauf lagert ein solider Körper, der zu schweben scheint. Fenster, so wenig wie möglich, lediglich der Funktion dienend. Ansonsten einfache verputzte Räume mit zurückhaltenden Oberflächen und nachhaltigen Materialien.
Um dessen klare und homogene Wirkung zu unterstreichen hüllt sich der museale Körper in ein Kleid. Weiße Rundrohre profilieren die Fassade des Erweiterungsbaus. Ein Haus das Nutzungen und Funktionen erweitert, das Bestehende aber als Kulisse belässt.

Aussenraum • Die Außenräume des Zeughofquartiers erhalten private sowie öffentliche Qualitäten. Im östlichen Freiraum ist der Spielplatz vorgeschlagen der als urbaner Freiraum dient und durch eine Baumgruppen dominiert wird. Neben den geplanten Grünflächen wird für das gesamte Quartier ein Belag aus Kopfsteinpflaster vorgeschlagen, der den Theaterplatz mit dem Piazza Geleitstraße / Rittergasse verbindet. Es entsteht ein innerstädticher Raum mit hoher Aufenthaltsqualität.

Nachhaltigkeit • Der Baukörper definiert sich als kompaktes Volumen und weist ein optimiertes und baulich reduziertes Hüllflächenverhältnis auf. Dadurch werden energetische Maßnahmen, Lüftungs- und Klimatechnik sowie andere haustechnische Installationen auf ein Mindestmaß begrenzt. Die thermische Behaglichkeit wird unter den geforderten Nutzungsbedingungen im Sommer und Winter sichergestellt. Der bauliche Wärmeschutz orientiert sich am Standart der Niederenergiebauweise.

Wesen der Aufgabe • Das bauliche Konzept des Entwurfsvorschlags soll aufzeigen, dass die funktionalen Anforderungen der Bauaufgabe, das Eingehen auf gewachsene bauliche Strukturen - unter Einbeziehung der landschaftlichen Gegebenheiten - ein gesamtheimliches und identitätsstiftendes Erscheinungsbild zwischen „Bestehendem“ und „Neuem“ bewirkt.
Diese Vielschichtigkeit wird durch eine präzise Zonieren und einen sensiblen Umgang mit Materialität und Atmosphäre zu einem weiteren Baustein im neuen Haus der Weimarer Republik zusammengeführt.

Beurteilung durch das Preisgericht

Städtebau
Mit einem sehr diszipliniertem Einsatz der Gestaltungsmittel gelingt der Arbeit eine klare, in die angrenzenden Stadträume angemessen einbindende Grunddisposition.
Die mittige Eingangssituation zum Theaterplatz mit seitlich angrenzender Garderobe und Museumsshop übernimmt unaufgeregt die vorgefundene Figur.
Ebenso bleibt die Baukörperdisposition entlang des südlichen Durchganges zum Zeughof unverändert beibehalten. Ein komplementär hierzu neu hinzugefügter Erschliessungsweg entlang der ebenfalls unveränderten Nordfassade schafft die gewünschte Erhöhung der Durchlässigkeit zwischen Theaterplatz und Zeughof. Die damit verbundene Option einer inhaltlichen, Verweilqualitäten schaffenden, Bespielung des nördlichen Vorplatzes wird leider nicht genutzt.

In Richtung Zeughof wird ein, das Ensemble geschickt ergänzender dreigeschossiger Neubau vorgeschlagen, welcher die vorhandenen Rudimente des Zeughauses nicht zu einem die historische Kubatur mehr oder weniger nachempfindenden Volumen komplettiert, sondern diese als Zeitzeugen einer unwiederbringlichen Vergangenheit unverändert erhält und in eine attraktive Abfolge von Innen- und Außenräumen einbindet. Mit dem Volumen des Ergänzungsbaus gelingt es zudem, die durch den Abriß des Zeughauses verloren gegangene Raumfassung des Theaterplatzes wiederherzustellen.

Die Hauptwegeverbindung in Richtung Donndorfbrunnen/Rittergasse wird folgerichtig erhalten, durch das Einrücken des Neubaus nach Norden und ein damit verbundenes zusätzliches Wegeangebot durch das Zeughausfragment sogar noch gestärkt. Die in Richtung Geleitstrasse und Böttchergasse neu formulierten Raumkanten sind grundsätzlich nachvollziehbar, Lage und Ausbildung der zusätzlichen Wegeverbindungen allerdings nur bedingt überzeugend. Kritisch gesehen werden die Dimension des eigentlichen Zeughofes als öffentlichem Freiraum und - damit verbunden - die Ausbildung und Ausdehung des östlich daran angrenzenden Gebäudevolumens.

Funktionalität
Die Anforderungen des Raumprogramms werden erfüllt. Ausgehend von der oben bereits beschriebenen Eingangssituation und dem sich unmittelbar anschliessenden Ausstellungsbereich 1 entwickelt die Arbeit eine ebenso einfache wie überzeugende Raumabfolge. Über ein an den östlichen Giebel anschliessendes Treppenhaus sind der Übergang in den Neubau und die barrierefreie Erschliessung der übrigen, jeweils halbgeschossig versetzen öffentlichen Räume (Multifunktionsraum und Cafe unterhalb und Ausstellungsbereich 2 oberhalb des Eingangsniveaus) möglich. Ein zweites Obergeschoss beherbergt - in sehr attraktiver Lage und mit Blick auf den Zeughof - die geforderten Büroräume.

Eine weitere Stärkung der hier - dank ausreichender Höhe grundsätzlich gegebenen - Blickbeziehung zum Theaterplatz wäre aus Sicht des Preisgerichtes wünschenswert.

Einschränkend ist zu sagen, dass die sehr wirtschaftliche Disposition der Arbeit und das minimierte Neubauvolumen nur eingeschränkte Möglichkeiten in Bezug auf einen variantenreichen Museumsrundgang und die separate Erschliessung der Ausstellungsbereiche bietet.

Die Anordnung des Museumscafes im Sockelgeschoss wird im Preisgericht kontrovers diskutiert. Insbesondere aus Sicht des Nutzers wären eine Anbindung des Cafes an den Eingangsbereich und - damit verbunden - die Orientierung zum Theaterplatz wünschenswert.

Gestaltung
Während für den Gebäudebestand lediglich eine behutsame, die historischen Qualitäten wiederherstellende Behandlung vorgeschlagen wird, emanzipiert sich der Neubau zum Zeughof als ein gelungener Beitrag zum zeitgenössischen Bauen, ohne dabei die notwendige Zurückhaltung und Einbindung in den Gesamtkonzept vermissen zu lassen.

Die Kombination von grossflächigen Verglasungen im Erdgeschoss mit ebenso zurückhaltend wie einprägsam gestalteten Stahl-Rundrohr-verkleideten Fassaden in den beiden Obergeschossen erzeugt eine als ausgesprochen positiv bewertete Anmutung des Neubaus, welche den - bislang als düster und muffig wahrgenommenen - Zeughof zu einem attraktiven innerstädischen Raum aufwertet und auch dem Haus der Demokratie ein sehr angemessenes, nicht mit historischen Reminiszenzen belastetes Erscheinungsbild gibt.

Die Gestaltungsqualitäten des als "gläserne Fuge" ausgebildeten Treppenhauses können anhand der zur Verfügung stehenden Unterlagen nicht abschliessend beurteilt werden. Dies gilt auch für Materialisierung und Detailierung der Innenräume.

Realisierbarkeit
Die kompakte Kubatur ebenso wie die klare Unterscheidung zwischen zu erhaltendem Bestand und diszipliniertem Neubau lassen eine wirtschaftliche Realisierung und eine ebensolche Unterhaltung des Projektes erwarten. Dies wird durch den intelligenten Umgang mit den, nicht durch zusätzliche Lasten aus den aufgehenden Geschossen belastenden, Rudimenten des Zeughauses noch unterstrichen.

Die Frage, ob aus dem "Vortreten" des Neubaus ggü. der historischen Kubatur des Zeughauses besondere Aufwendungen im Bezug auf den Erhalt des angrenzenden Spielplatzes resultieren, wird im Preisgericht nicht einheitlich bewerten.

Fazit
Insgesamt gelingt dem Verfasser eine sehr überzeugende, die Diskussionen des Preisgerichtes in vielfacher Hinsicht bereichernde Interpretation der Wettbewerbsaufgabe.
Grundriss Erdgeschoss

Grundriss Erdgeschoss

Grundriss Obergeschoss

Grundriss Obergeschoss

Längsschnitt

Längsschnitt

Querschnitt

Querschnitt

Ansicht Nord

Ansicht Nord

Ansicht Ost

Ansicht Ost

Ansicht Süd

Ansicht Süd

Ansicht West

Ansicht West

Fassadendetail

Fassadendetail