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Mehrfachbeauftragung | 06/2017

Fassadengestaltung Am Wall, Nr. 157-161

Gewinner

Püffel Architekten

Architektur

Erläuterungstext

Erläuterung
Der bevorstehende Verlust des Gebäudeensembles „Harms am Wall“ verlangt nach einer Versöhnung. Versöhnung durch ein Gebäude, das sich zum einen aus dem Kontext der Umgebung entwickelt und zum anderen einen neuen stadträumlichen Akzent setzen sollte. Wir haben beides versucht.

Stadträumlicher Akzent
Die Wegeverbindung von den einzigartigen Wallanlagen mit seiner bedeutenden flankierenden Geschäftsstraße „Am Wall“ zur Bremer Innenstadt ist ein wichtiger Baustein, um für den Fußgänger die City erlebbar und attraktiv zu gestalten. Die Verlegung des Durchgangs in die Achse der Museumstraße halten wir für unabdingbar. Um die Passage vor allem von der Wallseite gut erkennbar zu halten, haben wir den Eingang von beiden Seiten zweigeschossig geplant. Es soll dadurch ein Tor zur Altstadt entstehen.

Fassadengliederung
Am Wall: Neben einer klar als Sockel ausgebildeten Erdgeschosszone mit Haus- und Ladeneingängen haben wir auch das 1. Obergeschoss leicht gegenüber den Regelgeschossen abgesetzt. Dadurch soll der Sockelbereich noch etwas überhöhter und besser proportioniert wirken. Die Regelgeschosse werden durch ein strenges filigranes Pfeilerraster gebildet. Die durchlaufenden Pfeiler bei der Passage, den Hauseingängen und an den Gebäudeenden treten jeweils hervor und bilden eine Ebene mit der des Dachgesimses. Durch dieses tektonische Netzwerk soll die Fassade sowohl horizontal als auch vertikal gegliedert werden. Die Vor- und Rücksprünge in den Pfeilern und Stürzen sollen an die Fassaden von Bremer Kaufhäusern aus den 1920er Jahren erinnern. Der Eingang zur Passage wurde plastisch aus der Ordnung der Fassade „herausgeschnitten“ und soll dadurch den gewünschten Akzent erwirken.
Die ortstypischen steilen Dachflächen werden durch einfache schmale Gauben aufgebrochen. Die Gaubenfenster nehmen das Raster der Regelgeschosse auf, wobei sich die Höhe der Fenster nach oben hin verkleinert.
Insgesamt sollen die Gauben zum einen für eine gute Belichtung sorgen, zum anderen die Dachfläche plastisch gut profilieren.

Herdentorswallstraße: Wir übernehmen das Fassadenraster der Wallseite, reduzieren jedoch die Profilierung der Pfeiler. Das zusätzliche sichtbare Untergeschoss ergänzt die offene transparente Sockelzone und die Pfeiler bilden in allen drei Ebenen ein einheitliches Raster. Der an dieser Seite notwendige Sonnenschutz wird durch Senkrechtmarkisen erreicht. Aufgrund der hohen Wertigkeit auch an dieser Fassadenseite möchten wir auf Loggien oder Balkone verzichten.
Bei einer möglichen Wohnnutzung sehen wir hier eher den „Französischen Balkon“ mit
bodentiefen Fenstern und Glasbrüstungen.

Materialität
Das Ortstypische Material der Bremer Innenstadt ist neben dem Backstein der Sandstein aus Obernkirchen mit gelblichem Grundton. Auch wir würden diesen Sandstein für die gesamten beiden Fassadenseiten verwenden. Als vorgefertigtes Plattenmaterial bildet er so die kräftig gegliederte und fein profilierte Wallfassade als auch die reduziertere Rückansicht. Die Oberflächen sollten dabei nicht glatt geschliffen sondern gestockt sein. Die Dachhaut besteht aus vorbewittertem Zink in Stehfalzdeckung ebenso die Gaubenwangen und -fronten. Die Holz-Alu-Fenster haben eine äußere Deckschale im Bronzeton. Ebenso könnten die Schriftzüge für die Passage und die Eingänge in dieser Farbe gehalten sein.

Passage
Auch hier zieht sich die Materialität des Sandsteins sowohl an den Wand-, Boden- und Treppenflächen durch. Die Wandflächen erhalten zur östlichen Seite hin große Glasflächen mit Einblicken in die dahinter befindlichen Läden. Wir finden, dass dort auch weitere Eingänge entstehen könnten, damit die Passage nicht nur zum Durchgehen reduziert wird. Ebenso wie die Passagenschriftzüge sollten die Beleuchtungskörper frei hängend sein. Die großen satellitenförmigen Hängeleuchten gliedern zum einen gut den hohen Raum und bieten gleichzeitig bei Dunkelheit genügend Ausleuchtung. Verstärkt wird die Beleuchtung der Treppe durch Wandeinbauleuchten.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Beitrag zeigt sich sehr schlüssig und im Detail gut durchgearbeitet. Die unterschiedlichen Anforderungen wurden in hervorragender Weise in Einklang gebracht. Die Lösungen ergeben sich selbstverständlich aus dem gewählten Entwurfsansatz.

Die Passage erhält von beiden Seiten einen differenzierten aber angemessenen Auftritt, auch durch die konsequente Abbildung über zwei Geschosshöhen. Der vorgeschlagene Ladeneingang „über Eck“ sowie die Anordnung von Schaufenstern im Bereich des Durchgangs unterstützen die großzügige und einladende Geste weiter.

Die Materialwahl ist standortangemessen, ortstypisch und hinreichend durabel, um dem Gebäude eine langfristig qualitätvolle Anmutung zu verleihen.

Die Entrées zu beiden Seiten der Vorderfront sind gut gelungen. Sie leiten sich einerseits selbstverständlich aus der Gliederung der oberhalb anschließenden Fassade ab und bieten gleichzeitig ein überzeugendes Maß an Adressbildung und Auffindbarkeit.

Die enge und regelmäßige Fassadengliederung maximiert die Flexibilität der dahinterliegenden Grundrisse. Dies gilt fast uneingeschränkt auch für das 1. OG, welches gleichzeitig zusätzliche interessante Nutzungsoptionen (als Mezzaningeschoss) im Neubau ermöglicht.

Als besonders gelungen wird die durch eine Vertikalgliederung subtil umgesetzte Reminiszenz an die vorherigen drei Bautypologien an der Wallseite innerhalb des gewählten Gestaltungskanons empfunden.

Die Ausnutzung des Daches wurde über die eng stehenden Einzelgauben gut mit der Forderung eines „echten“ und eindeutig ablesbaren Steildachs abgewogen.

Weiterhin zeigt das neue Gebäude nach beiden Seiten dieselbe Identität und reagiert doch sensibel auf ihre unterschiedlichen Anforderungen.

Das gezeigte Relief mit dem starken, das Gebäude zusammenhaltenden Traufgesims und den flächenbündig ansetzenden Pilaster hat eine hohe gestalterische Qualität, erfordert jedoch auch eine sehr sorgfältige technische Umsetzung, insbesondere des Dachanschlusses.

Insgesamt zeigt der Entwurf sehr hohe Qualitäten und löst die gestellten Anforderungen in überzeugender Weise. Es entsteht ein elegantes, hanseatisch-zurückhaltendes Gebäude mit dennoch eindeutiger und besonderen Gestaltqualität, welches das direkte Umfeld und den Stadtraum nachhaltig positiv beeinflussen wird. Der Beitrag erscheint aufgrund der festgestellten Qualitäten umsetzungsfähig.