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Nichtoffener Wettbewerb | 11/2017

Neuordnung und Sanierung Kooperative Gesamtschule - KGS - Leeste

2. Preis

Preisgeld: 16.000 EUR

abj Architekt:innen

Architektur

ARCHITEKTURBUERO 1

Architektur

Erläuterungstext

DIE AUFGABE | NEUE SCHULE IM BESTAND

Das bestehende Gebäude ist strukturell für die aktuellen Herausforderungen moderner Pädagogik bestens geeignet. Es gibt mit dem Stützenraster und der Bandfassade einen Rahmen mit hoher Flexibilität. In die Jahre gekommen und stückweise saniert, will der Wettbewerb nun Konzepte für Fassade, Lerncluster und Gesamtorganisation der Schule finden.

DIE GESAMTORGANISATION | VOM GROSSEN INS KLEINE

Folgendes Ziel wird formuliert: Die Orientierung erfolgt intuitiv. Die Räume sind inspirierend, hell und mit unterschiedlicher Privatheit.
Eine klare Struktur wird vorgeschlagen: Eine Lernstraße startet am Haupteingang mit dem Großen Forum, welches neu gestaltet besser mit Innen und Außen vernetzt ist. Die Lernstraße führt entlang der Fachklassen, der Verwaltung und der Jahrgangsstufe 5 in den Ganztagsbereich. Diese Lernstraße ist zweigeschossig, Lufträume und Treppen verbinden sie. So werden in die bestehende Tragkonstruktion Öffnungen geschnitten und die Treppenhäuser werden Richtung Lernstraße orientiert. Längs der Straße nimmt die Öffentlichkeit langsam ab und mit Eintritt in die verschiedenen Cluster werden die privaten Räume erreicht.

DIE JAHRGANGSCLUSTER | WOHNUNGEN MIT RÄUMEN FÜR ALLE UND ALLES

Die Schule wird auf Jahrgänge aufgeteilt und in Cluster zu je sechs Klassen organisiert. Der Entwurf schlägt die Jahrgangscluster als wohnliche Landschaft vor, eine Entwicklung die es z.B. im modernen Büro- oder Hotelbau schon länger gibt.
In dieser Landschaft gibt es je drei Klassenräume, die geschlossen werden können und für Frontalunterricht geeignet sind und drei Klassenräume, die flexibel andockbar sind und offene Lernformen fördern. Dazwischen liegt eine Lernlandschaft - ein offener mit Möbeln und Vorhängen strukturierbarer Raum für Gruppenarbeit und Differenzierung. Die Übergänge/ Grenzen zwischen den Räumen können mit einfachen Mitteln von introvertierter Abgeschlossenheit bis zu nahezu kompletter Offenheit aller Räume variiert werden.

Das wird durch einen Baukasten möglich, der mit zwei Elementen arbeitet und diese jeweils auf zwei verschiedene Arten einsetzt.
Erstens: Wände mit Oberlichtern ab Höhe 2,20m und großformatigen Türen bzw. schallabsorbierenden, auffallend gestalteten Vorhängen. Dieses Element ist gleichzeitig multifunktionales Möbel, Stauraum etc.
Zweitens: Variable Möbel. Diese Elemente im Zentrum des Clusters schaffen zusammen mit den Vorhängen eine Wohnatmosphäre - sie strahlen vom Zentrum bis in die Räume des Lernclusters.

Die beiden Elemente werden sowohl raumabgrenzend verwendet – siehe die drei abtrennbaren Klassenräume – als auch raumbildend eingesetzt – frei stehende Wandscheiben zonieren einen fließenden Raum.

Fußboden und Decke des gesamten Jahrgangsclusters sollen homogen den Gesamtraum überziehen. So wird der Boden als warmer, robuster und leicht pflegbarer Holzboden angeboten. Die Decke wird geöffnet, das Raumvolumen damit vergrößert und das Klima verbessert. Die Zwischenräume werden mit runden Leuchten und schallabsorbierende Deckensegeln aufgefüllt.

FASSADE UND RAUMKLIMA | FLEXIBILITÄT IM STRENGEN RASTER

An die Fassade docken partiell Vordächer an und vermitteln zum Außenraum.
Im bestehenden Fensterband wird eine Kombination verschiedener Fensterformate vorgeschlagen. Diese Fensterformate können variabel kombiniert werden, so wird auf unterschiedliche Anforderungen reagiert. Sie ermöglichen in den Lernclustern Stoßlüftung - handliche Fensterformate in optimaler Bedienhöhe - Nachtlüftung - hohe schmale Fenster mit Wetterschutzgittern - und Winterlüftung - kippbare Fensterformate weit oben, über die sich kalte Luft im Gegenstrom der aufsteigenden Heizkörperströmung erwärmt. Ergänzt wird dieses System mit CO2 Ampeln, welche die Luftqualität anzeigen. So wird die Notwendigkeit der Lüftung von Räumen in das pädagogische Konzept der Schule integriert. Auf eine mechanische Zwangslüftung der Klassenräume kann so verzichtet werden und gleichzeitig tragen die Schüler die Erkenntnis der Lufthygiene nach Hause.

HAUSTECHNIK I NICHT ENTWEDER ODER, SONDERN SOWOHL ALS AUCH

Für die Lerncluster wird die natürliche Belichtung und Belüftung vorgeschlagen. Hier ist die Verantwortlichkeit für die eigenen Räume gegeben. Gleichzeitig wäre eine Implementierung in die Bestandsstruktur aufwändig.
In den öffentlichen Räumen entlang der Lernstraße wird eine mechanische Be- und Entlüftung mit effizienter Wärmerückgewinnung geplant. Im Forum können bestehende Technikräume und Leitungsführungen revitalisiert werden und längs der Straße können auf dem Dach Lüftungsgeräte ergänzt werden. Senkrecht wird die Zuluft in das EG geführt und über die Lufträume im Obergeschoss abgesaugt.
Die Kombination beider Systeme – mechanische Lüftung in der Mitte, natürliche Lüftung in den Jahrgangsclustern – schafft ein angenehm natürliches Raumklima. Besonders durch die Nachtspülung – forciertes Auskühlen der Räume in der Nacht über Lüftungsklappen und Lüftungsunterstützung – wird die Überhitzung der oberen Geschosse vermieden.

MATERIALITÄT | ZWISCHEN PRAGMATISCH PRAKTISCH UND WOHNLICH GEMÜTLICH

Es soll eine natürliche, unkomplizierte Schule entstehen. Für alle Bodenbeläge werden robuste und beständige Materialien gewählt. Die abnehmende Öffentlichkeit spiegelt sich wieder. Die Straße bekommt einen geschliffenen, robusten, hellen Estrich, die Jahrgangscluster werden durch einen Holzboden wohnlich.
An der Decke ist für die öffentlichen Bereiche eine Lamellendecke zwischen der Rasterdecke vorgesehen – ähnlich dem Bestand nur heller. In den Jahrgangsclustern und Fachklassenräumen wird die abgehängte Decke entfernt. Das Raumvolumen wird größer, die Speichermasse der Konstruktion wird genutzt, das Raumklima wird besser. Die Zwischenräume werden mit runden Leuchten und runden Akustikdeckensegeln zur Verbesserung der Akustik aufgefüllt.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die größte Stärke der Arbeit ist ihre Offenheit für pädagogische Unterrichts-Konzepte der Zukunft.
Der Entwurf schafft es, in den Jahrgangsköpfen abgeschlossene Klassenräume in eine flexible Lernlandschaft zu integrieren und gewährleistet damit eine große Offenheit für zukünftige pädagogische Entwicklungen in der Unterrichtsgestaltung, ohne jetzt schon eine zu offene Struktur zu schaffen, die die Schule in ihrer momentanen Form überfordern würde.
Positiv zu sehen sind die intelligenten Zonierungen der Jahrgangsköpfe auch im Hinblick auf eine allseitige natürliche Belichtung, die überzeugend ergänzt wird durch ansprechend in die Akustikdecke integrierte Leuchtencluster. Gelungen ist auch die geordnete Organisation der Musikräume im Bereich des großen Forums.
Die Gestaltung besticht mit einem differenzierten und hochwertigen Material- und Farbkonzept. Insbesondere der Einsatz nachhaltiger und dauerhafter sowie leicht zu pflegender und unempfindlicher Materialien wird positiv hervorgehoben.
Negativ zu bewerten ist die fehlende, in der Auslobung geforderte autonome Nutzbarkeit des großen Forums. Ebenso kritisch betrachtet wird die Schaffung einer Verbindung in den Fluren zwischen EG und OG durch Öffnungen in der Decke und das Einbringen einer offenen Treppe. Obwohl eine natürliche Belüftung in den Klassenräumen begrüßenswert erscheint, wird die Umsetzung in Form der vorgeschlagenen Fensterlösung als nicht realisierbar eingeschätzt.
Insgesamt präsentiert diese Arbeit in Bezug auf die angestrebte Pädagogik ein in der räumlichen Umsetzung der Lernlandschaft überzeugendes und zukunftsweisendes Konzept, bei dem aber die Vereinbarkeit von Anspruch und Realisierbarkeit fragwürdig scheint.