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Studienauftrag | 03/2017

Kramgasse 72 | Rathausgasse 61

Gewinner

Buol & Zünd Architekten

Architektur

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Autoren diagnostizieren im Bestand Spuren über alle Phasen der Baugeschichte und behandeln alle gleichwertig. Diese werden zusammen mit den neuen Eingriffen in einem integralen Projekt einverleibt und zu einer neuen Glaubwürdigkeit verwoben. Die Recherche wird intensiv betrieben und das Projekt sinnlich-charmant entwickelt und dargestellt sowie mit Herzblut vorgetragen.
Im Innern von beinahe 30 Metern Bautiefe sucht das Projekt im Grundriss eine durchgängig orthogonale Struktur, welche sich an der Geometrie des Kinos orientiert und in welche sich die Raum- und Tragstruktur inklusive Hoffigur und Treppenhaus einbinden. Was im Schnitt gemäss Tradition eindeutig als zwei Häuser gelesen werden kann, vermischt sich in den Geschossgrundrissen zu einer homogenen Fläche, wobei auch die übliche Hierarchie zwischen hochwertigem Vorderhaus und tieferwertigem Hinterhaus verschwimmen. Einzig die beiden Raumschichten zur Gasse scheren dagegen aus, indem sie parallel zu den Gassen verlaufen. Diese Grundanlage widerspricht der typologischen Spurensuche mehrfach, indem in der Lektüre der Stadt die tiefen Wohnräume für den Tagesaufenthalt am Tageslicht der Gassen liegen und nicht die untiefen Schlafräume. Die typologische Inversion ist wohl der Privatisierung derselben geschuldet, da die am Hof angeordneten Veranda zwar gut proportioniert sind, aber auch der Erschliessung der Nachbarwohnungen dienen und damit nicht privatisiert werden können. Gleichzeitig weist der kleine viereinhalbgeschossige Innenhof eher prekäre Lichtsituationen auf, welche die Aufenthaltsqualität in den unteren Geschossen einschränkt. Die ortstypische Kammerung wird lediglich für die Schlafzimmer angeboten, die Wohnräume werden aufgrund der proklamierten modernen Transparenz ortsuntypisch über eingestellte Sanitärkörper gegliedert.
Der zentrale Innenhof und die repräsentative Haupttreppe bilden das verführerische architektonisch e Herzstück der Anlage. Der Korbbogen der ursprünglichen Hofausbildung wird zum Gestaltungsmotiv für den neuen Hof, örtlich gespiegelt auch zum Brüstungsmotiv. Wohl daraus abgeleitet werden auch Rundungen im Grundriss beim Treppenhaus, welche aber eher der weichen Verkehrsführung geschuldet sind und teilweise auch in andern Häusern vorkommen und bei den eingestellten Körpern eingeführt, was formal eher aufgesetzt wirkt. Die zusätzlichen Fenster in der Fassade Kramgasse durchstanzen zwar das Traffeletbild an Stellen, welche das Bild nicht fragmentieren. Die Aufstockung über dem Bild ist subtil gelöst.
Das Projekt weist eine grosse Geschossfläche aus und die grösste Anzahl an Wohnungen. Die Haupterschliessung der Wohnungen erfolgt über das Schlossgässlein und das eine Haupttreppenhaus, was zusätzliche Erschliessungsfläche reduziert, hingegen die Attraktivität der Adressierung zurückstuft. Die flexible Unterteilung und Nutzungsflexibilität des Erdgeschosses ist für die Vermietbarkeit vorteilhaft. Die Dachform mit durchgängigen Lukarnen ergibt zwar eine gute Ausnutzung, ist aber bezüglich volumetrischer Verträglichkeit kritisch zu beurteilen. Die Wohnungen weisen keine Nebenräume und die Verkaufs- und Gastroflächen keine Verkaufs- und Lagerflächen aus.
Das Projekt präsentiert einen engagierten Beitrag mit Spürsinn, welcher aber eher motivisch und weniger typologisch angelegt ist. Die Ausnutzung des Projektes ist sehr gut, überschiesst aber im Dach das verträgliche Mass. Der charismatische Innenhof überzeugt, die architektonischen Motive sind im sensiblen Kontext teilweise etwas zu laut angelegt.