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Award / Auszeichnung | 07/2007

best architects 08

LIDL-Markt am Alten Meßplatz, Mannheim [Kategorie Gewerbe- und Industriebau]

Auszeichnung

AJR Atelier Jörg Rügemer

Architektur

Erläuterungstext

Alltagsarchitektur re-interpretiert
Neubau eines LIDL-Marktes am Alten Meßplatz, Mannheim


Präambel
Im Bereich der Verkaufs- und Discounterarchitektur geraten architektonische Ansprüche und Profitmaximierung in einen spannungsgeladenen Konflikt. Allerdings definieren diese Gebäude unsere Alltagsarchitektur und -kultur; sie sollten von daher sorgsam und verantwortlich entworfen und umgesetzt werden. In den USA sind heute das Besondere, die Qualität, die Atmosphäre und die Begabung des Ortes markttreibende Faktoren einer Erfolg versprechenden Immobilien- und Retailwirtschaft (Christ, Wolfgang: Los Angeles 2001 - Europäisierung in Stadt und Center: www.stadtundcenter.de/). In Europa werden diese Faktoren im Bereich der Discountmarktarchitektur erst langsam berücksichtigt.

Jenseits der globalen Entwicklungen prominenter Epicenter- und Flagship-Stores ist der Entwurf des LIDL-Marktes am Alten Messplatz in Mannheim der Versuch, eine kontextbezogene Architektur für ein einfaches Discountgebäude zu entwerfen, die trotz des scheinbaren Widerspruchs auch als definierendes Element der Unternehmenskultur fungieren kann. Das Projekt versucht aufzuzeigen, dass Konsum auch Baukultur sein kann, oder aber diese zumindest fördert. Bezeichnungen wie Supermarkt, Discounter, Corporate Identity und Architektur müssen sich nicht gegenseitig ausschließen.

Das stereotype Firmenimage und die damit verbundene Gestaltung der Gebäude der Firma LIDL ist ähnlich der Verkaufsketten von Mc Donalds oder Aldi mit wenigen Ausnahmen in ganz Europa gleich. Aus diesem ursprünglich US-amerikanischen Trend, Verkaufs- oder Hotelketten weltweit immer demselben Erscheinungsbild zu unterwerfen, folgerte die Pop-Art Künstlerin Laurie Anderson einmal, dass dieses Konzept für die Benutzer ein Gefühl von „Zuhause“ symbolisiert.

Weiterhin ist es Wunsch des Bauherren, dass der Charakter eines LIDL-Standardgebäudes durch eine einfache, „billige“ Erscheinung manifestiert wird. Normalerweise wird dieses Konzept konsequent vom Innenraum und der eigentliche Produktpräsentation bis zur Erscheinung der Außenfassaden durchgeführt. Der LIDL-Markt am Alten Meßplatz in Mannheim löst sich von den vorherrschenden, stereotypen Monostrukturen der Discounterkette, ohne die Firma LIDL als Bauherren zu verleugnen. Ähnlich der Supermarktkette M-Preis in Österreich versucht der Entwurf bewusst, dem Trend der Entwicklung jener „architekturfreien Zonen des Kaufens und Verkaufens“ entgegenzuwirken, „die in Ihrer Fertigteil-Konformität in der Stadt wie auf der grünen Wiese aussehen, als stellten sie lediglich überdimensionale Rabattzeichen dar“ (G. Matzig, in: Preis für vorbildliche Handelsarchitektur in NRW, Initiative StadtBauKultur NRW, 2004).


Planungsgeschichte und urbaner Kontext
Dem Trend der Aufwertung unserer Innenstädte folgend, versucht das Beispiel aufzeigen, dass ein an prominenter Stelle entwickelter Discountmarkt auch zur Quartiersverbesserung geeignet sein kann. Das Ergebnis des ersten Preises des 2002 durchgeführten städtebaulichen Wettbewerbs „Kurpfalzachse Mannheim“ eröffnete neue Möglichkeiten für die Entwicklung des Gebietes am Alten Meßplatzes in der Mannheimer Neckarstadt. Im Verlauf der weiteren Planungen wurde das Ufergrundstück westlich der Kurpfalzbrücke von der Stadt Mannheim an die Firma LIDL verkauft. Voraussetzung war, dass LIDL zusammen mit einem der Wettbewerbsarchitekten das Grundstück in Anlehnung an den urbanen Kontext bebaut. Der Wettbewerbsvorschlag deutete den geforderten Einzelhandel südwestlich des projektierten Meßplatzes in Ufernähe des Neckars an. Anschließende Studien belegten, dass der Standort hinsichtlich einer durchgängigen Verbindung des Meßplatzes von der Neckarstadt zum Neckarufer gut gewählt war.

Das prominente Grundstück an der Dammstraße liegt in einer Übergangszone zwischen parkartigem Grünstreifen, der dem Neckarufer im Westen folgt, und der offenen Platzfläche des Alten Meßplatzes im Osten. Im Süden wird es gerahmt durch die Uferböschung mit einer Reihe großer Pappeln und den daran anschließenden Neckarwiesen, im Norden durch die Dammstraße mit anschließender geschlossener Blockbebauung. Der Parkplatz, der dem Gebäude im Westen vorgelagert ist, wird von einem Blätterdach überspannt, welches den Übergang vom Park in die bebaute Zone unterstützt.


Entwurfskonzept
Als Architekten sind wir nicht gezwungen, den Auffassungen unserer Kunden gehorsam zu folgen, da wir unsere eigenen räumlich-konzeptionellen Ideen und Vorstellungen haben. Von daher war es eine Herausforderung, den Auftrag der Firma LIDL für den Entwurf eines Discountmarktes am Neckarufer anzunehmen. Diese bestand darin, das kreative Potential innerhalb der engen Grenzen und Konditionen von LIDL zu ermitteln und daraus ein zeitgemäßes, modernes Gebäude zu entwickeln, welches die Hauptmerkmale der Discountkette berücksichtigt, ohne auf die normalerweise geforderten Module des stereotypen Standardgebäudes zurückgreifen zu müssen. Erschwert wurde die Aufgabenstellung durch die vertragliche Vorgabe der Bauherren, gestalterisch nicht in den standardisierten Innenraum einzugreifen. Damit war das Konzept der Hülle determiniert; diese übernimmt die Aufgabe, die schwierige Funktion des Einzelhandels behutsam in die Umgebung einzubinden.

Nach intensiven Fassadenstudien wurde die Hülle auf Naturstein-Gabionen und Lärchenlamellen festgelegt. Beide Materialien leiten sich vom Grundstück ab, darüber hinaus basieren die Gabionen auf dem Erscheinungsbild der LIDL-Verwaltung in Speyer, die aus groben Waschbetonfertigteilelementen besteht. Die Gabionen sind eine abstrakte Interpretation dieses Materials, zusammengehalten durch die metallene Struktur des Einkaufswagens.

Die äußere Fassadenschicht besteht aus 14,5 cm tiefen Gabionenkörben im Standardmaß, die mit hellem Kalkstein und dunklem Basalt befüllt sind. Diese sind der tragenden Konstruktion aus Stahlbetonhalbfertigteilen vorgehängt. Sie lassen den Gebäudekörper wie selbstverständlich aus dem Boden gewachsen erscheinen und bieten für die zukünftige Fassadenbegrünung einen hervorragenden Untergrund. Durch ihre hohe Masse sorgen die Gabionenkörbe für ein wesentlich verbessertes Klimaverhalten des Gebäudes.

Eine Gliederung der horizontalen Straßenfassade wird durch eine gezielte Befüllung der Gabionenkörbe mit unterschiedlichen Materialien erreicht. Grundsätzlich werden die Körbe mit hellem Muschelkalk befüllt, in jedem fünften Korb kommt jedoch dunkler Basalt zum Einsatz. Die Bauteile, die an die kastenförmige Masse des Marktes angedockt sind – Backshop, Anlieferung mit Umfassungsmauer, Gabionen-Flanken der Einkaufswagen-Anlage – werden in dunklem Basalt gefüllt. Notwendige Regenfallrohre befinden sich hinter den Gabionenkörben und sind von außen nicht sichtbar.

Die hölzerne Dachkonstruktion stellt eine Abstraktion der das Grundstück umgebenden Baumkronen dar. Das umlaufende Lammellenband strukturiert die Fassade und zeichnet die dahinter liegende, extensiv begrünte Flachdachkonstruktion auf der Außenhaut nach.

Fenster- und Türöffnungen ordnen sich dem Fassadenraster der Gabionenkörbe unter. Die Rahmenprofile wurden im LIDL-typischen Enzianblau lackiert, die Fenster- und Türlaibungen aus Aluminium werden durch die Schicht aus Gabionenkörben kastenartig bis zur äußeren Fassadenebene durchgeführt.

Die großzügige, raumhohe Fassadenfront öffnet sich zum Parkplatz und kehrt das Gebäudeinnere demonstrativ nach Außen. Im horizontalen Holzlamellenband wurde das LIDL-Logo bündig eingelassen. Die brüstungslose Glasfassade wird durch blaulackierte Aluminiumrahmen mit sehr schlankem Profil gegliedert und ist in der gesamten Höhe in der Horizontalen nicht unterbrochen. Die Schiebetüranlage wurde bündig mit der Fassade eingebaut. Die Fassadenkonstruktion läuft in voller Höhe um den Backshop herum und integriert diesen in das Konzept. Die Untersicht des stützenfrei auskragenden Vordaches wurde aus weiß lackierten Holzwerkstoffplatten, in die Downlights integriert wurden, hergestellt.

Unter dem auskragenden Vordach befinden sich massive Flanken aus aufgestellten Natursteinkörben, die mit dunklem Basalt gefüllt wurden; diese ersetzten die übliche Brüstung in der Eingangsfassade und verdecken die Einkaufswagen-Anlage.

Schlussfolgerung - Der Entwurf des LIDL-Discountmarktes am Alten Meßplatz reduziert die vom Bauherren geforderte Firmenidentität auf das notwendigste. Das formale Hauptmerkmal des Gebäudes ist die Box, die auf das übliche, überdimensionale Satteldach zugunsten eines ökologisch begrünten Flachdaches verzichtet. Der Gebäudeentwurf und die verwendeten Materialien gehen individuell auf die vorherrschenden Konditionen und die Umgebung ein und versuchen, mit ihr harmonisieren, ohne die eigentliche Funktion des Gebäudes zu bestreiten.



Redefining Retail Trade Architecture
The LIDL-Superstore at the Alter Meßplatz in Mannheim

Introduction
Architectural demands and profit maximization come heavily into conflict in the field of retail and discount trade architecture. Yet those buildings define our everyday culture and have to be carefully and responsibly considered by their planners. In the United States, the ‘particular’, the ‘atmosphere’, the ‘quality’ and the ‘spatial context’ are current market factors that promise a successful real estate and retail economy (Christ, Wolfgang: Los Angeles 2001 – Europäisierung in Stadt und Center: www.stadtundcenter.de/). In the field of discount trade architecture in Europe, these factors are just beginning to be considered.

Beyond the global emergence of prominent epicenter and flagship stores, the LIDL Superstore is an attempt to develop architecture for simple discount trade buildings that act as a defining and developing element of the enterprise culture. The project shows that terms like supermarket, discount market and architecture are not mutually exclusive.

Similar to trade chains like Mc Donald’s, the corporate identity and building appearance of LIDL Company buildings are the same all over Europe. The pop artist Laurie Anderson once concluded that this concept symbolizes “home” for its users.
Furthermore, the concept of LIDL buildings is characterized by the manifestation of the “cheap” in the sense of “tacky”. It is consequently carried out through the buildings’ exterior all the way into the interior product presentation. The project of the LIDL Superstore in Mannheim tries to dissociate itself from the predominantly existing stereotypical mono-structures of the existing discount chains without denying the company. The project intentionally counteracts the trend of the development of “architecture-free zones of selling and buying” that define themselves through their prefab-conformity, presenting only outsized discount signs in the urban and suburban context (Gerhard Matzig, in “Preis für Vorbildliche Handelsarchitektur in NRW“, StadtBauKultur NRW 2004).

Planning History
In 2002, the winning scheme of the urban competition for the Kurpfalzachse in Mannheim opened new possibilities and horizons for the development of the “Kurpfalzachse” area and in particular for the area of the traditional fairground, the “Alter Messplatz” in the Neckar City. Part of the proposal was the accommodation of a 1.800 m2 retail trade building at the Neckar River. The competition scheme indicated the retail development close to the riverbank, southwest of the projected Messplatz plaza that connects the Neckar City with the Neckar River.

During the revision of the competition result, LIDL acquired the site along the banks of the Neckar River from the city of Mannheim, to change its location in favor for a new building and a bigger site at the “Alter Messplatz” plaza. Prerequisite to the contract was to develop the project with one of the competition winners.

Design Concept - As architects, we are not obliged to be obedient to our clients without reservation, because we always have our own artistic scope. Therefore, it was a challenge to accept the commission for the design of the LIDL superstore, particular against the background of the well-designed urban scheme of the “Kurpfalzachse” project. The Superstore design was about to detect the creative potential within the stipulated general conditions of LIDL Company and to design a building with a contemporary, modern appearance, which then would consider the main identity of the discount chain without using the stereotypical building elements of the LIDL standard building. This design task turned out to be even more difficult by the owner’s contractual default not to intervene formatively in the standardized interior. Thus the concept of wrapping was determined; it supports the task to carefully merge the difficult function of the retail store into the existing environment.

The applied materials of the envelope are based on the horizontal layers of the predominant site elements: trees and massive ground. Beyond that, the natural stone façade elements reflect the clients’ hidden fondness for washed concrete panels that are packed in the galvanized abstraction of a shopping cart: the gabion basket.

The exterior façade is made of standard 14,5 cm thick gabion baskets that are filled with bright limestone and dark basalt. Those are hung from the structural wall elements. The specific layering of solid rock material that wraps the building, and the green roof improves the climate performance of the building substantially.

Two different filling materials in the steel baskets organize the horizontal street façade: Limestone for the general façade, and dark basalt in every fifth basket. The building elements that are added to the simple LIDL-box - as there are the bakery, the loading zone and the shopping cart walls – are filled with dark basalt in order to underline the strong appearance of the simple architectural envelope. Rain drainage is hidden behind the façade structure.

The wooden roof structure is based on a simple abstraction of the braches of the surrounding trees. The exterior lamella band organizes the façade vertically and outlines the flat roof with its extensive green layer.

The store’s window and door openings are adjusted to the grid of the standard gabion baskets. The frames are colored in LIDL-typical gentian blue; their inner aluminum faces pass through the thick layer of gabions to end flush with the exterior façade.

The LIDL Superstore’s west façade opens to the parking lot, demonstratively showing its interior to the outside. The logo sits flush with the wooden lamella band and is centered above the entrance. The generous floor-to-ceiling glazing is structured through thin aluminum mullions; the façade is not interrupted by structural elements in its verticality. It runs around the bakery, stating the latter as an integral part of the building. The double sliding door system sits flush within the exterior façade layer. The ceiling of the cantilevering roof structure is finished in white plywood with downlights that are integrated in the surface.

The shopping cart stalls are located in front of the entrance façade, covered by the roof cantilever. They are framed and hidden by standard gabion baskets filled with dark basalt that are a substitute for the standard parapet in the entrance façade of the archetypal LIDL store.


Conclusion
The realized store reduces LIDL’s established building Corporate Identity to the necessary. The simple box is its main formal characteristic; the enormous gabled roof has disappeared and is replaced by an ecological green roof structure that reflects the contextual conditions. The building’s design and materiality is individual, it adjusts to the environment and harmonizes with it, while not denying its function of a retail discount store.