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Einladungswettbewerb | 07/2017

„Urbanes Leben am Papierbach“ Baufeld D - „Boardinghaus“ auf dem Gelände der ehemaligen Pflugfabrik

Visualisierung

Visualisierung

1. Preis

Preisgeld: 12.000 EUR

f64 Architekten

Architektur

DR. SCHUETZ INGENIEURE Beratende Ingenieure im Bauwesen PartG mbB

Tragwerksplanung

Erläuterungstext

Städtebau, Situation, Erschließung

Der Winkelförmige Baukörper des Boardinghouse am Papierbach begrenzt als kleiner Stadtbaustein das neue Quartier und vermittelt durch seine besondere Form zum Park und zur kleinteiligen Bebauung im Süden. Er steht mit klaren Kanten zu Wegen und Plätzen und umfasst den parkartigen Garten, der Teil einer Kette von Grünräumen ist. Mit seinem Gegenüber im Norden bildet der Bau ein Tor zum verkehrsberuhigten Quartier. Der Blick zum Mutterturm bleibt unverstellt.
Das Boardinghouse ist - von Süden auf der Von-Kühlmann-Straße kommend - der Auftakt des neuen Stadtquartiers. Der gefasste Garten verbindet sich mit dem Landschaftspark am Mutterturm und Lech. Hier zeigt das Gebäude seine weiche und stärker gegliederte Seite. Kombinierte Loggien und Balkone verzahnen die Wohnungen mit Park und Naturraum. Die Hülle aus geschlämmtem Klinkermauerwerk nimmt Bezüge auf zum zukünftigen Nachbarn im Norden und zur Industriegeschichte des Quartiers. Im Norden und Westen nehmen sich die Fassaden zurück und formulieren eine kraftvolle Begrenzung des Öffentlichen Raumes, im Norden weist der zurückspringende Sockel zu den Eingängen und dem zweigeschossigen Foyer.
Das durchgesteckte Foyer mit Begrüßungstisch, Lounge und Zugang zur vertikalen Erschließung verbindet den öffentlichen Raum mit dem Bewohnergarten. Beim Eingang erreicht der Gast auch den Waschsalon der sich zur Zufahrt hin orientiert. Tiefgarageneinfahrt, Fahrradstellplätze und Zugang zum Fahrradraum sind ebenfalls unter dem Dach des Gebäudeeinschnittes organisiert.
Kurzparken für Ein- und Auschecken erfolgt unkompliziert vor dem Haus auf dem als Shared Space aufgefassten Vorfeld.



Fassadengestaltung

Der Baukörper steht als ruhige Setzung zwischen Garten, Wege- und Platzflächen. Die Fassade aus Klinker wird im Sockelgeschoss differenziert und somit beruhigt, so dass eine Vier-Geschossigkeit ablesbar ist. In Teilbereichen, wo Wohnungen im Sockelgeschoss vorhanden sind geschieht dies durch Weglassen der Loggien und regelmäßige Fassadenteilung. Die anderen Wandflächen sind von klaren Feldern besetzt, innerhalb derer die Fassade spielerische Modifikationen erfährt. Auf den Garten- und Parkseiten des Gebäudes binden Bänder aus Stahlbeton geschossweise die vorspringenden Balkone zu ruhigen Figuren zusammen. Fensterlaibungen und Loggien, sowie die Untersichten sind in Klinker ausgeführt, wie die Wandoberfläche, Fensterrahmen und Geländer sind messingfarben.



Geschossigkeit

Die Gebäudehöhe orientiert sich an der maximalen Wandhöhe ab OKFFB EG der Auslobung. Mit der Einführung des zusätzlichen Gartengeschosses gelingt es, ein zum Garten durchgestecktes Foyer zu gestalten und die zur Verfügung stehende Gebäudekubatur trotzdem wirtschaftlich zu nutzen. Die Vorgabe des Gestaltungsleitfadens, das Gebäude auf einen Sockel zu Erschließungs- und Platzfläche zu stellen wurde beim Eingangsbereich modifiziert, da der Stadtboden hier mit der rampenartigen Fahrzeugerschließung geneigt am Gebäude anschließt. Der Bezug zu Park und Garten ohne zusätzlichen Sockel ist schlüssig. Die unterste Ebene des Gebäudes wird durch eine differenzierte Gestaltung, teilweise Geschlossenheit und den eingezogenen Eingangsbereich abgesetzt.



Freianlagen

Die Erschließung erfolgt über die Von-Kühlmann-Straße über den verkehrsberuhigten Bereich auf der Nordseite. Als Flächenbelag ist ein Granitstein mit gestockter, ebener Oberfläche vorgesehen.
Im Westen verläuft der Geh- und Radweg von einer platzartigen Aufweitung parallel zum Gebäude und verbindet das Areal mit dem Bahnhof. Die zur Bahn vorhandene Gehölzsukzession wird zum lockeren Auenhochwald entwickelt und zum Weg hin lichter gestaltet.
Die Freiflächen des Boardinghouse werden als Landschaftsgarten mit blütenreichen Wiesen und Bäumen gestaltet. Der vorhandene Baumbestand und der Teich werden erhalten. Als Aufenthaltsbereich ist ein großes Holzdeck zwischen Teich und Haus vorgesehen. Rasenterrassen verbinden den Gartenbereich mit dem höhergelegenen Gelände im Westen. Den Wohnungen dort sind kleine Hochterrassen mit einem seitlichen Sichtschutz vorgelagert, eine Wiesenterrasse mit Sockelmauer schafft Distanz zum öffentlichen Raum.
Auf dem extensiv begrünten blühenden Dach sind drei Holzdecks vorgesehen. Zwei sind Wohnungen im OG 3 zugeordnet, die größere, teils überdachte Terrasse ermöglicht eine Bewirtschaftung und gemeinschaftlichen Aufenthalt.
Regenwasser wird in der Dachbegrünung und im Teich zurückgehalten, der Überlauf ist über einen offenen Bachlauf mit Abfluß in den Papierbach vorgesehen.



Wohnungen, Innere Erschließung

Wenige Wohnungen befinden sich direkt am Garten mit der großen Gemeinschaftsterrasse. Zum Hang hin sind im Gartengeschoss Nebenräume wie Kellerabteile, Lager, Müllraum und Anlieferung angeordnet. In den oberen Geschossen sind die Wohnungen in wirtschaftlicher Weise zweihüftig über einen Flur erschlossen. Der gewünschte Wohnungsmix wird eingehalten.
Eine Fassadenöffnung beim Austritt aus Treppe und Aufzug bietet Orientierung und Bezug zum Garten. Eine zweite Notwendige Treppe befindet sich im südlichen Flügel.
Jeder Wohnung ist eine Terrasse, ein Französischer Balkon, eine Loggia, oder die Kombination von Loggia und Balkon zugeordnet. Die zwei größten Wohnungen verfügen über einen eigenen Zugang zur extensiv blühend begrünten Dachfläche mit einem eigenen kleinen privaten Holzdeck. Alle anderen teilen sich eine Gemeinschaftliche Terrasse mit Teilüberdachung, Theke zur vielseitigen Verwendung, Liegestühlen und Sitzgelegenheiten.
Die Wohnungen und die Freibereiche im Garten und am Dach sind barrierefrei erreichbar. Die Bewegungsflächen in den meisten Wohnungen und Bädern erlauben eine barrierefreie Nutzung im Sinne der BayBO.



Innenräume

Die Wohnungen sind mit geölten Eiche-Parkett Fußböden ausgestattet, die Deckenuntersicht zeigt die sichtbare Fichte-Rohdecke Massivwände sind verputzt. Die Farbgebung der Wandoberflächen ist weiß und im Spektrum beige, ocker, rot.
Wohnungen mit Loggien verfügen über einen integrierten Arbeitsplatz in der zur Loggia verglasten Nische. Der erforderliche Schallschutz wird über dezentrale Lüftungssysteme in der Fensterlaibung gewährleistet.
Das Foyer erhält einen Granitbelag ähnlich dem Vorplatz im Freien, jedoch mit geschliffener Oberfläche, Begrüßungstisch und Backoffice sind möbelartige Einbauten.



Konstruktion, Energie, Wirtschaftlichkeit, Nachhaltigkeit

Das Gebäude ist als Massivbau mit zweischaligen Außenwänden konzipiert, tragende Wände sind je nach Situation die Flur- und Außenwände oder die Schotten. Der angestrebte Energiestandard eines kfW Effizienzhauses 55 kann mit der vorgeschlagenen Bauweise der Gebäudehülle gut eingehalten werden. Die in den Wohnungen sichtbar verbauten Holz-Beton-Verbunddecken stehen für Nachhaltigkeit, gutes Raumklima und eine Wohnliche Atmosphäre. Lediglich in den Fluren muss eine Bekleidung aus nicht brennbaren Materialien an der Decke erfolgen. Nichttragende Wände werden kostengünstig in Trockenbauweise hergestellt.
Die gewählte Konstruktion und der angestrebte Energieverbrauch lassen in Bau und Unterhalt ein nachhaltiges und wirtschaftliches Gebäude erwarten.



Ver- und Entsorgung

Die Anlieferung ist untergeordnet an der Westseite vorgesehen. Mit kleineren Fahrzeugen kann auch über die Tiefgarage angeliefert werden. Ein Personalaufzug erreicht alle Geschosse über das Hausdamen-Zimmer. Lager- Müll- und Technikräume sind neben der Anlieferung situiert.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die besondere Qualität der Arbeit liegt im intelligenten Umgang mit dem Ort und seinen topografischen Gegebenheiten: Der Höhenunterschied zwischen der Von-Kühlmann-Straße und dem Platz am Karl-Schrem-Bau wird nicht als Problem, sondern als Chance begriffen. Daraus entsteht eine verblüffend logische und überzeugende Definition der Eingangssituation und zwar sowohl für das Gebäude selbst, als auch für den übergeordneten örtlichen Kontext. Es gibt keinen Distanz schaffenden Sockel - das Haus steht ganz einfach auf dem Boden. Die von der Stadt herankommenden Besucher werden bereits auf der Ebene des Parks und des Mutterturms empfangen und auf einladende Weise ins Quartier und in das Gebäude hineingeführt. Im Zusammenwirken mit der aus dem Freiraum-Wettbewerb übernommenen Gestaltung des Zwischenraums zum Quartier B2 entsteht eine großzügig gegliederte Vermittlung der unterschiedlichen Niveaus. Diese integrative Haltung wird unterstrichen durch eine – in positivem Sinne – zurückhaltende Architektursprache, die sich auf selbstverständliche Weise in ihre Umgebung einfügt und gleichzeitig einen prägnanten, aber nicht zu lauten Akzent setzt. Der Baukörper überzeugt einerseits als einheitlich materialisierte Großform, zum anderen nimmt er mit einem in den Flächen differenziert komponierten und im Relief feinfühlig austarierten Fassadenbild Bezug auf das jeweilige stadträumliche und landschaftliche Gegenüber. Lediglich einige EGFassaden fallen in ihrer additiven Wiederholung gleicher Elemente qualitativ etwas ab. Der Eingang wird durch die Zweigeschossigkeit angemessen akzentuiert und gibt sich sowohl von der Stadtseite als auch aus dem Quartier deutlich zu erkennen, was durch das besondere Motiv der abgerundeten Kanten elegant und einladend unterstrichen wird. Besonders positiv wird auch die direkte Anbindung des Foyers an den Garten beurteilt.

Die räumliche Struktur ist sinnvoll organisiert, die Anordnung der größeren Einheiten an den Stirnseiten und der Nordseite gut gelöst. Kritisch werden die Flure ohne Tageslicht gesehen. Dieses Problem ließe sich jedoch durch geringfügige Änderungen in den Grundrissen lösen. Begrüßt wird der direkte Außenraumbezug sowohl vom 3. OG aus auf die Dachterrassen, als auch in Wohnungen im EG (mit vorgelagerten Vorgärten) und im Gartengeschoss. Jedoch sollte der Ausgang zur Dachfläche gestalterisch (und B-Plan-gerecht) überarbeitet werden; überdies erscheint die Terrassenfläche am Teich zu groß, sie sollte zugunsten des Biotops angepasst werden. Bezüglich der Daten fällt auf, dass die Arbeit im Vergleich der Geschossflächen und der Kubatur sehr hoch liegt. Dies resultiert – neben der intensiven Nutzung des Gartengeschosses, das damit planungsrechtlich als Vollgeschoss gewertet wird - aus der Überschreitung der westlichen Baugrenze und damit einer Verbreiterung des Gartenflügels um ca. 1 m. Das Preisgericht ist nach eingehender Diskussion der Ansicht, dass durch diese Überschreitung jedoch keine städtebaulichen Spannungen entstehen und die Südansicht vom Bahnhof her dadurch eher an gewünschter Prägnanz gewinnt.

Mit ihrer klaren städtebaulichen Setzung, einer Architekturhaltung, die die Identität der Ortes stärkt, ohne die Umgebung zu übertönen, und nicht zuletzt mit der klugen und erfindungsreichen Lösung der Eingangssituation bietet die Arbeit einen äußerst überzeugenden Beitrag für die gestellte Aufgabe.
Lageplan

Lageplan

Gartengeschoss und Hochparterre

Gartengeschoss und Hochparterre

Ansichten und Schnitte

Ansichten und Schnitte

Geschosse

Geschosse