modgnikehtotsyek
ALLE WETTBEWERBSERGEBNISSE, AUSSCHREIBUNGEN UND JOBS Jetzt Newsletter abonnieren

Nichtoffener Wettbewerb | 11/2017

Rathaus Steinweg und Janshof

Anerkennung

Hahn Helten Architektur

Architektur

3PLUS FREIRAUMPLANER Kloeters I Müller I Kastner PartGmbB Landschaftsarchitekten + Architekt

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

PRÄMISSE
Durch die geplante Neustrukturierung und Erweiterung des Rathauses in Brühl entsteht in der Mitte des historischen Stadtkerns, in räumlicher Nähe zu den Schlössern Augustusburg und Falkenlust, ein zeitgemäßer, repräsentativer Rathauskomplex. Besonderes Augenmerk gilt, neben der funktionalen und städtebaulichen Eingliederung sowie der Wirtschaftlichkeit und Nutzungsflexibilität, vor allem Aspekten der Stadtentwicklung und der Denkmalpflege.
Der unter Denkmalschutz stehenden Gebäudeteil von 1858 wird deshalb erhalten, der Anbau aus den 60iger Jahren wird durch einen Neubau zu ersetzt, um durch eine funktionale wie architektonische Synergie den künftigen Anforderungen an ein bürgernahes modernes Rathaus gerecht zu werden. Gleichzeitig soll die gegebene städtebauliche Situation dahin weiterentwickelt werden, dass neue stadträumliche Qualitäten entstehen, die der sehr belebten Innenstadt eine ruhige Grünzone mit besonderer Verweilqualität entgegensetzt.


STÄDTEBAULICHES KONZEPT
Unter Berücksichtigung der Belange der benachbarten Privatliegenschaften fasst der Neubau den Janshof räumlich stärker und klärt so die Situation am Übergang zu Steinweg und der weiteren Gebäudenachbarschaft. Dies folgt konsequent dem Duktus des historischen Stadtgefüges von Gassen und Platzsituationen.
Der Neubauteil wird so positioniert, dass er zum einen den Kopf zur neuen Platzsituation bildet wie auch die Verbindung beider stadträumlichen Bereiche klärt. Gleichzeitig wirkt er aber auch als formales Bindeglied zur benachbarten Bebauung, durch das nun sowohl der Janshof als auch der Steinweg räumlich klarer artikuliert werden. Der Janshof erfährt zusammen mit dem kraftvollen städtebaulichen Akzent des Neubaus eine funktionale und gestalterische Aufwertung, die seiner Bedeutung im historischen Stadtgefüge gerecht wird und komplementäre Aufenthaltsqualitäten im Sinne eines öffentlichen Raumes anbietet. Die pointierte Kontur des Altbaus mit seinem überhöhten Eckrisalit am Rathausplatz wird gegenüber durch die Ausbildung eines markanten Gebäudesockels am Neubau diagonalsymmetrisch gespiegelt um zum Janshof überzuleiten.


PLATZGESTALTUNG JANSHOF
Das Zentrum von Brühl ist umgeben von vielfältigen Grünstrukturen, der Kernbereich selber ist dagegen fast frei von Grün. Gerade deshalb ist nicht nachvollziehbar, warum eine so wertvolle, weil zentrumsnahe Fläche wie der Janshof, ausschließlich zu Verkehrszwecken genutzt wird. Ein qualitätsvoller „grüner Platz“ an einer solch exponierten Stelle, in unmittelbarer Nähe zum Rathaus, könnte sich innerhalb von kurzer Zeit zu einem ruhigen, gerne aufgesuchten Ort für die Bürger entwickeln.


VERKEHRLICHE FUNKTIONEN
Die Auslobung macht deutlich, dass der Platz auch zukünftig bestimmte verkehrliche Funktionen erfüllen muss, die Planung berücksichtigt deshalb sowohl Zufahrtsnotwendigkeiten als auch eine Mindestanzahl an Stellplätzen.


DER PLATZ
Frei von verkehrlichen Nutzungen bleibt das „Herz“ des Platzes, das zu einem langgestreckten wassergebundenen Band umgestaltet wird. Der freundliche, helle Splittbelag gestattet Bewegungsfreiheit sowohl in Längs- als auch in Querrichtung. Gegliedert wird der Platz durch locker eingestreute Bäume mit lichter Krone, deren Laub- und Astwerk den Bodenbelag ganzjährig mit einer schönen Schattenstruktur versehen. Zu den, nur auf einer Platzseite angeordneten Stellplätzen, befinden sich hüft- bis brusthohe, geschnittene Heckenskulpturen, die einerseits dem Platz ein räumliches Rückgrat verleihen, andererseits aber auch die parkenden Fahrzeuge verdecken. An die Heckenformen formal angelehnte und teilweise mit Rückenlehnen versehene Sitzplattformen, bieten den Bürgern die Möglichkeit, sich hier zu treffen, zu lesen, zu chatten oder nebenan Boule zu spielen. Selbstverständlich eignet sich die Fläche auch zur Aufnahme einer freien Bestuhlung, bsp. zur gastronomischen Nutzung.

Mitten in der Stadt kann sich dieser Platz so zu einem Ort mit ganz eigenen Qualitäten entwickeln. Bewusst als Gegensatz zum steinernen Marktplatz ganz in der Nähe ein eher ruhiger Ort zur kontemplativen Erholung


RATHAUSUMFELD
An der Vorderseite des Rathauses wird der Belag der angrenzenden Fußgängerzone nahtlos an die Fassade geführt, eine Stufenanlage mit seitlicher Rampe führt in das Gebäude. Die Rampe wird seitlich durch einen langgestreckten Sitzblock abgeschirmt, um deren Dominanz zu reduzieren, der Eingang selbst wird stärker betont.
Von der Rückseite des Rathauses aus wird der Platzbelag bis an die Fassade, und auf der Erschließungsachse sogar durch das Gebäude hindurch geführt, das Rathaus wird an dieser Seite Teil des Janshofes. Die Rest- und Wertstoffbehälter werden durch einen blickdichten Zaun abgeschirmt.

MATERIALIEN
Der Platzrand wird mit reihenverlegten Betonplatten in unterschiedlichen Breiten befestigt. Möglich ist die Verwendung des Materials in der benachbarten Fußgängerzone, um den Janshof so besser in den Stadtraum einzubinden. Die Stellplätze werden zu Gunsten eines homogenen Erscheinungsbildes mit dem gleichen Belag versehen und lediglich dezent markiert. Höhensprünge soll es im Platzbereich an keiner Stelle geben. Bei einer Sperrung des Platzes für Fahrzeuge ist der Janshof auch für kleinere Events, wie z.B. Flohmärkte etc. nutzbar. Der Kernbereich des Platzes soll mit einem hellen Splittbelag versehen werden, die Pflanzenskulpturen sind abwechselnd aus Eiben oder Buchen. Als Baumart wird die dornenlose Gleditschie (Christusdorn) vorgeschlagen.


INNERE GEBÄUDESTRUKTUR
Das bisherige und auch zukünftige Rathaus Brühl bietet durch seine zentrale Position, seine gute Einbindung in das städtebauliche Gefüge aus historischer Blockstruktur, öffentlichen Gebäuden und Straßen- und Platzräumen und seine gute Erreichbarkeit für alle Bewohner einen idealen Standort für ein bürgernahes Verwaltungsgebäude. In Synergie mit dem denkmalgeschützten Altbau schafft ein neuer Kopfbau ein Ensemble, dass in alle vier Himmelsrichtungen orientiert ist.

In dem zum Markt hin ausgerichteten Gebäudeteil von 1858 soll auch künftig, nach der Sanierung, eine Großteil der klassischen Rathausfunktionen Platz finden. Neben großflächigen Büros für Bürgerservice und Beratungsdienste besetzt vor allem das Trauzimmer im großen Erkersaal im 1. Obergeschoss den festlichsten und prominentesten Raum des Ensembles. Über den bereits jetzt vorhandenen Eingang, direkt neben einer optional an dieser Stelle neu zu schaffenden Ausstellungshalle, kann der Bereich unabhängig vom Publikumsverkehr erschlossen werden. In den darüber liegenden Geschossen des Altbaus sind die unterschiedlichen, zum Teil weniger von der Öffentlichkeit frequentierten Abteilungen untergebracht. Der Anbau am Markt, der seit den 50iger Jahren das Rathaus ergänzt, bliebt in seiner äußeren, erhaltenswerten Erscheinungsform bestehen und tritt dadurch nicht in Konkurrenz zum Neubau. Nach innen und zum Hof hin wird diese Struktur dagegen erneuert und nimmt weitere Büros auf.

Die Nutzung des Neubaus ergibt sich aus der beschriebenen funktionalen Zonierung der bestehenden Struktur heraus und entwickelt diese weiter. Die natürlich belichteten und belüfteten Büros der Abteilungen in den Obergeschossen werden allesamt von einer breiten, kommunikativen Mittelzone heraus erschlossen. Architektonisch entwickelt sich diese Struktur aus den Achsen des bestehenden Treppenhauses. Hierüber erfolgt auch die barrierefreie Verknüpfung aller Höhenniveaus von Bestand und Neubau; die gesamte Erschießungs- und Infrastruktur sowie alle Nebenräume sind in dieser Zone angeordnet. Dies schafft eine einfache Orientierung sowie maximale Flexibilität auf allen Ebenen.
Im Zusammenspiel von Bestandsbau und Neubau wird der Innenhof auf eine klare geometrische Form zurückgeführt, die das denkmalgeschütze Gebäude wieder erkennbar werden lässt und ein Ort des Rückzugs und der Ruhe bietet. Von der Mittelachse, wie auch von den südöstlichen, zum Hof hin orientierten Besprechungsräumen aus, werden dadurch wechselseitige Blickbezüge zwischen Neubau und Bestand ermöglicht.

Der Neubau wird mittig über eine Eingangsachse sowohl vom Steinweg als auch vom Janshof aus erschlossen. Im Schnittpunkt mit der inneren Hauptachse des Gebäudes liegt ein zentraler Anlauf- und Infopunkt, der der Bibliothek im Westen, dem Bürgerservice im Osten, wie auch dem Büro- und Verwaltungsbereich in den Obergeschossen gleichermaßen dient. Darüber hinaus öffnet sich die Erdgeschosszone insbesondere im Bereich der Bibliothek durch eine hohe Transparenz der Fassaden und schafft von der Straße Blicke tief ins Gebäude hinein. Die hier gelegene Bibliothek, die drei Etagen des neuen Kopfbaues nutzt, ist durch einen großen Luftraum, in dem eine leichte Treppe die interne Erschließung ermöglicht, miteinander verbunden.
Auf der Eingangsebene neben der Bibliothek befindet sich auch ein kleines Lesecafé, das sich, so dies gewünscht, im Sommer mit einer südorientierten Terrasse zum Janshof hin nach draußen erweitern lässt. Im Untergeschoss sind Magazinreihen vorgesehen, in denen die Mehrzahl der tageslichtempfindlichen Medien untergebracht sein wird. Immer wieder wird diese Struktur durch kleine Veranstaltungs- und Arbeitsnischen aufgebrochen. Im flexibel nutzbaren Obergeschoss sollen vor allem Lese- und Arbeitsplätze mit Tageslichtzugang vorgesehen werden, außerdem ist an dieser Stelle Raum für Lesungen und Seminare denkbar. Jede der drei Bibliotheksebenen bietet somit optimale Bedingungen für die jeweiligen Nutzungsanforderungen.

Die Neufassung des Rathauses schafft einen Dialog von Alt und Neu über eine klare, selbsterklärende Erschließungsstruktur. Insbesondere der auf der Nahtstelle zwischen Alt- und Neubau positionierte Durchladeaufzug und eine offene Treppenanlage ermöglicht es nun, neben den Belangen der Barrierefreiheit, dem Brandschutz und der Arbeitsstättenverordnung, auch allen funktionalen Erfordernissen beider Bereiche in angemessener Weise gerecht zu werden. Die verschiedenen Splitlevel-Etagen von Neu- und Altbaus werden so nahtlos miteinander verknüpft.

Die großzügige Disposition des Erdgeschosses lässt ein breites Spektrum von öffentlichen Nutzungen zu. Auch der Bürgerservice wird durch repräsentativ angeordnete Frontofficeplätze zu einer freundlich, hellen und bürgernahen Anlaufstelle. Die Transparenz der Fassaden bietet den Bürgern einen Einblick in die öffentliche Bibliothek. Darüber hinaus bietet sie zudem verschiedensten anderen, den Bürgern gewidmeten repräsentativen Veranstaltungen, Ausstellungen und Empfängen einen angemessen feierlichen Rahmen, da dessen Offenheit die angrenzenden, zum Teil neu definierten Stadträume einbezieht.
Die Baustruktur der darüber liegenden Verwaltungsebenen des Neubaus schafft moderne Arbeitsplatzvoraussetzungen, die über die Momentaufnahme der gegenwärtigen Erfordernisse hinaus eine nachhaltige flexible Nutzung in verschiedenen Arbeitsformen sicherstellt.


GEBÄUDEHÜLLE
Die Gliederung der Baumasse sowie der Fassaden des Neubaus erfolgt mit Hilfe verwandter gestalterischer Mittel, um auch hier die Synthese beider Bauglieder ablesbar zu machen. Analog zur Erschließung des Bestandes, erfolgt die neue Erschließung des Ensembles über einen mittigen Zugang, der als signifikantes Element das Gebäude strukturiert.
Wie an der Straßenkreuzung Steinweg/Markt erfolgt auch mit dem neuen Kopfbau eine besondere Betonung der Ecke zum Janshof. Mit einer differenzierten, sich über zwei Ebenen erstreckenden Fassadengliederung wird die Bibliothek in ihrer besonderen Funktion für die Bürger ablesbar. In Anlehnung an Akzente wie Erker und Turm des Denkmals charakterisiert der aufgelöste Sockel den Neubau durch seine transparente Ausbildung. Obwohl in einer abstrakten Architektursprache gehalten, ist der Neubau wie sein historisches Pendant klassisch in Sockel, Mittelzone und Dach gegliedert. Die Linien, die das Denkmal dabei vorgibt, werden an einigen Stellen aufgenommen und weitergeführt, an anderen Stellen jedoch neu interpretiert. Die plastische Tiefe der Fassadenstruktur des Neubaus fügt der gründerzeitlichen Plastizität des historischen Baus komplementär eine eigene Differenzierung hinzu.
Auch die historische Dachform wird im Neubau aufgegriffen, jedoch ohne diese selbst oder die Form der Gauben zu kopieren.
Die Rhythmik der aus Betonfertigteilen gefügten Fassade leitet sich aus der historischen Lochfassade her. Auch die Fensterproportionen sind an den Öffnungen des Denkmals orientiert.


BRANDSCHUTZ, BARRIEREFREIHEIT UND WIRTSCHAFTLICHKEIT
Investitionskosten und zukünftige Unterhaltskosten stehen nach Durchführung der Umbau- und Neubaumaßnahme in einem sehr guten Verhältnis zum qualitativen und quantitativen Ergebnis der Baumaßnahme. Barrierefreiheit und Brandschutz sind durch optimale Anordnung von Aufzug und Treppenhäusern gegeben. Lediglich ein minimaler Teilbereich des Denkmals ist nicht barrierefrei angebunden. Eine hohe Nutzungsflexibilität ist im Neubau durchweg gegeben. Mehrere Nutzungen, über eine reine Verwaltungsnutzung hinausgehend, allen Voraus der Bürgerservice und die Bibliothek sind parallel denkbar und führen durch die Ausbildung einer zentralen Adresse und Anlaufstelle zu mehr Bürgernähe. Durch die Wiederherstellung der historischen Baufluchten und Gassenbildung ist ein sehr wichtiger Impuls für die Innenstadtentwicklung Brühls und die positive Entwicklung des „Janshofs“ zu erwarten.

Das Gebäudeensemble entspricht den repräsentativen Ansprüchen an ein Rathaus der Stadt Brühl in einer souveränen, kohärenten und vielfältig angemessenen Weise.

KONSTRUKTION UND MATERIALITÄT
Die Primärstruktur des Gebäudes basiert auf einem hohen Maß an Vorfertigung. Dem folgt auch die Fassade in ihrer seriellen Struktur von Betonfertigteilen. Diese werden als feingewaschene, in Anlehnung an die Farbigkeit der historischen Fassade, eingefärbte Elemente im Wechsel mit Fensterelementen versetzt. Der haus-technische Standard kann vor dem Hintergrund des kompakten Bauvolumens und dem ausgewogenen Öffnungsgrad der Fassaden auf einem Passivhausniveau erfolgen, um eine extrem energieeffiziente und nachhaltige thermische Versorgung bei großem Komfort zu ermöglichen.


FAZIT
Der Erhalt des Denkmals des Rathaus B, ergänzt durch einen optimierten Neubau, stellt eine qualitativ hochwertige Entwicklung des Standortes im Herzen der Stadt Brühl dar. Impulsgebend für die städtebauliche Entwicklung der gesamte Brühler Innenstadt, insbesondere aber für den Bereich des Janshof, definiert der Erweiterungsbau den Ort neu. Mit der öffentlich zugänglichen und transparenten Bibliothek am Kopf des Anbaus und durch eine ablesbare Struktur entsteht ein funktional modernes und architektonisch angemessenes wie auch repräsentatives Rathaus für die Stadt Brühl.
Lageplan

Lageplan

Ansicht Nord

Ansicht Nord

Grundriss 3.OG

Grundriss 3.OG