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Nichtoffener Wettbewerb | 07/2017

Umbau der evangelischen Zufluchtskirche Spandau zum gemeinwohlorientierten Zentrum

Aussenpersepktive

Aussenpersepktive

1. Preis

Preisgeld: 21.000 EUR

ff-Architekten Feldhusen Fleckenstein

Architektur

2B Planungsgesellschaft mbH

Tragwerksplanung

Erläuterungstext

Situation:

Die Zufluchtskirche im Falkenhagener Feld wurde 1965 von dem Architekten Bodo Fleischer gebaut. Zunächst wurde nur der Gemeindebereich erstellt, 1967 die Kirche ergänzt.
Das Gebäude liegt an der Westerwaldstraße an einem Quartiersplatz. Mit dem Clubhaus und der Bibliothek wurde in jüngster Vergangenheit versucht, im städtebaulichen Kontext der siebziger Jahre an der Westerwaldstraße Einrichtungen aus dem Bereich Bildung und Soziales zu konzentrieren, um eine Quartiersmitte zu entwickeln.
Einhergehend mit dem Zusammenschluss der Zufluchtskirchengemeinde mit der Jeremia‐
Kirchengemeinde wurde die Entscheidung getroffen, die Zufluchtskirche als Stadtteilzentrum mit Cateringküche umzunutzen und die bestehende Kita zu erweitern. Damit entsteht die Chance, die Konzeption eines Quartiersplatzes ‚Westerwaldplatz‘ mit einem weiteren gestaltprägenden Baustein zu stärken.

Zufluchtskirche:

Der in zwei Bauabschnitten realisierte Baukomplex setzt sich aus dem Kirchenraum und einem eingeschossigen Gemeindebereich sowie einem zweigeschossigen Wohnungstrakt zusammen.
Dabei fügt sich der Gemeindebereich U‐förmig an den Kirchenraum an, so dass ein Innenhof ausgebildet wird. Das Gebäude wird in der Fuge zwischen Kirchenraum und Gemeindebereich erschlossen.
Das Gebäude ist durch seinen introvertierten Charakter bestimmt, die Räume ordnen sich um den grünen Innenhof, der Gemeindesaal orientiert sich ausschließlich auf diesen.
Das Erscheinungsbild der Kirche ist durch eine komplexe Stahlbetonkonstruktion bestimmt und weist die charakteristischen Merkmale der sechziger Jahre auf. Die skulpturale Form des Ensembles bestimmt die stadträumliche Situation an der Westerwaldstraße mit einer hohen gestalterischen Qualität.

Zielsetzung:

Mit der Entscheidung, das Zufluchtskirchengemeindezentrum als Quartierszentrum zu
entwickeln, muss sich der Gebäudekomplex in das städtische Umfeld öffnen. Die
Herausforderung in der Umnutzung des Gemeindezentrums liegt darin, einen niedrigschwelligen Zugang in das Gebäude zu entwickeln und trotzdem dem architektonischen Konzept des Gebäudes gerecht zu werden.

Ziel der Umplanung ist es, die Nutzungsbausteine derart in das Bestandsgebäude einzu‐räumen,
dass die baulichen Eingriffe minimiert werden. Die drei Nutzungsbausteine werden wie folgt im
Gebäude verteilt:
Das Quartierszentrum mit Veranstaltungsraum, Büros und Seminarräumen wird im
ehemaligen Gemeindebereich organisiert. Der Zugang über ein Foyer erfolgt von der
Westerwaldstraße aus.
Der Kirchenraum sowie der ehemalige Verwaltungstrakt der Gemeinde werden als Kita
umgenutzt. Der Kirchenraum wird zu einem Spiel‐ und Gruppenbereich transformiert.
Der Verwaltungstrakt wird als Personal‐ und Sanitärbereich für die Kinder umgebaut. Der
nördlich gelegene Zugang wird neu formuliert.
Die Cateringküche mit Personalbereich und Lagerflächen wird im Souterraingeschoss
organisiert. Über einen Speiseaufzug wird die Küche mit dem multifunktionalen
Veranstaltungsraum verbunden.

Quartierszentrum:
Die Räume des Quartierszentrums und des Veranstaltungssaals werden im ehemaligen
Gemeindebereich untergebracht. Dabei wird die bestehende Raumstruktur nur punktuell an das vorgegebene Raumprogramm angepasst.
Der ehemalige Gemeindesaal soll als multifunktionaler Veranstaltungsraum das neue Herz des Stadtteilzentrums werden. Die Mehrzweckausrichtung ist dabei integraler Bestandteil des Stadtteilzentrumskonzeptes. Ziel ist es, einen Quartierstreff für alle Generationen zu entwickeln.
Es sollen Veranstaltungen für die Nachbarschaft, Integrations‐ und Senioren‐angebote sowie die Speisung der angrenzenden Kita möglich sein. Zudem sind kulturelle Veranstaltungen im Saal denkbar: so können die Gastgemeinden der Kirchen oder die Bibliothek den Saal für kulturelle Veranstaltungsformate nutzen. Der Saal eröffnet Chancen für die Initiierung und Entwicklung vielfältiger Kooperationen mit den Nachbarn am Westerwaldplatz (Klubhaus, Bibliothek, Familienberatung, etc.).
Ein zentrales gestalterisches Element ist die Neuorientierung des ehemaligen Gemeindesaals als Mehrzwecksaal auf den Westerwaldplatz. Dazu sollen geschosshohe Glaselemente in die Fassaden des Saals integriert werden und diesen zum Platz hin öffnen. Durch eine großzügige Terrasse mit Treppenanlage erfährt der Mehrzwecksaal eine Erweiterung in den Außenraum. Mit diesem Schaufenster wandelt sich der vormals introvertierte Gemeindesaal in einen offenen und transparenten Raum. Städtebaulich greift diese Maßnahme auch die Geste des benachbarten Clubhauses auf.
Der Saal kann durch flexible Schiebewände in kleinere Einheiten unterteilt werden, so dass eine hohe Nutzungsvariabilität gegeben ist. Damit kann der Umstand ausgeglichen werden, dass nicht alle im Programm aufgeführten Räume nachgewiesen werden können. Auf der Innenhofseite erhält der Saal einen Arkadengang, der die Seminarräume mit dem Büro‐bereich verbindet, ohne dass der Saal betreten werden muss.
Zur barrierefreien Erschließung wird das Untergeschoss zukünftig mit einem Aufzug
angebunden. Die vorhandenen Sanitärbereiche im Souterraingeschoss können dadurch erhalten werden.

Kita in der Kirche:

Um die Kita in den Kirchenraum zu integrieren, gilt es, den Kirchenraum zu transformieren.
Dabei muss einerseits die Maßstäblichkeit des Raums an die Kinder angepasst werden,
andererseits der ursprüngliche Raum in seinem Volumen nachvollziehbar und erlebbar bleiben.
Das Konzept sieht vor, eine ringförmige Zwischenebene einzuziehen, die sich wie ein Form‐stück in die Geometrie des Raumes einfügt. Der Zuschnitt der Ebene orientiert sich an der
bestehenden Geometrie des Kirchenraums, ist streng an der Symmetrieachse des Raums
ausgerichtet. Im Erdgeschoss ordnen sich vier Gruppenräume um einen zentralen,
gemeinschaftlichen Raum. Die Gruppenräume schieben sich an die Fassaden, die zum
Außenraum durch großflächige Verglasungen geöffnet werden. Zwei zusätzliche Gruppenräume befinden sich im Bereich der Empore.
Die eingebaute Ebene wird im Obergeschoss als offene Galerie konzipiert. Der Zuschnitt der
Ebene erzeugt verschiedene Bereiche, die mit unterschiedlichen Spielthemen belegt werden
können. Die barrierefreie Erschließung der Ebene erfolgt über einen Aufzug.
Die U3 Kinder erhalten im ehemaligen Foyer vier eigenständige Gruppenräume, von denen drei miteinander verbunden werden können. Diese drei Räume verfügen über einen Zugang zum Innenhof, der den Kleinkindern vorbehalten bleibt. Alle Räume sind außerdem mit dem
Kirchraum verbunden, so dass die U3‐Kinder eng an die Spielbereiche der ‚großen‘ Kinder
angebunden sind und gleichzeitig ihren eigenen Rückzugsbereich erhalten. So können die U3‐ Kinder fließend an den Rhythmus der ‚großen‘ Kinder herangeführt werden. Ein zentraler
Schlafbereich mit angegliedertem WC und Wickelbereich ist in der ehemaligen Taufkapelle
eingerichtet.
Das Foyer mit zwei Garderobenräumen und Abstellflächen für Kinderwägen nutzt den
barrierefreien Zugang auf der Nordseite.
Die Einbauten in den Kirchenraum sind als Holzbau konzipiert, der sich wie eine Intarsie in die Geometrie der Kirche einfügt. Damit wird bewusst ein Kontrast zwischen dem skulpturalen Betonbau und den neuen Einbauten hergestellt. Die neuen Holzoberflächen werden akustisch wirksam ausgebildet.
Neben den beschrieben Fassadenöffnungen werden Dachfenster in die gefaltete Dachlandschaft eingebaut, so dass ein lichtdurchfluteter, offener Raum entsteht.

Cateringküche:

Der Küchenbereich wird im Souterrain an der Nord‐West‐Ecke organisiert. In den angrenzenden Seitenflügeln werden Lager und Personalräume untergebracht. Die Andienung erfolgt über eine Treppe, die auch als Fluchtausgang vorgesehen ist, und eine Hubbühne. Der
Veranstaltungsbereich wird mittels eines Speiseaufzugs angedient. Mit der vorgeschlagenen
Anordnung kann die bestehende Raumstruktur weitestgehend erhalten werden.

Baukonstruktion, Fassaden, Energetische Sanierung:

Die Grundsubstanz des Gebäudes befindet sich in einem dem Alter entsprechendem guten
Zustand. Teilbereich der Stahlbetonkonstruktion wurden saniert – wahrscheinlich mit einer
Spritzbetonauflage. Der Wohn‐ und Verwaltungsbereich wurde bereits mit einem Wärmedämmverbundsystem versehen.
Das Gebäude aus den 60er Jahren verfügt über eine schlechte Energiebilanz. Das liegt einerseits an der geringen Dämmfähigkeit der Fassadenhülle als auch an dem ungünstigen Verhältnis von Bauvolumen und Hüllfläche. Vor allem die außenliegende Stahlbetonkonstruktion stellt für die Sanierung der Gebäudehülle eine Herausforderung dar.
Da das Gebäude nicht unter Denkmalschutz steht, greifen die Anforderungen der ENEV.
Um die energetische Gesamtbilanz des Gebäudes zu verbessern und damit auch die
Betriebskosten zu optimieren, werden zwei grundsätzliche Strategien vorgeschlagen, die im
weiteren Planungsprozess auszuarbeiten sind:

Hüllensanierung:
Die Gebäudehülle wird energetisch ertüchtigt. Die Fenster werden als Holzrahmenfenster
erneuert und mit einer Isolierverglasung entsprechend der Anforderungen der ENEV
ausgestattet. Die geschlossenen Fassadenbereiche werden mit einer mineralischen Dämmung versehen. Diese wird an den Sichtbeton‐Stützen, ‐unterzügen und ‐attiken als
Wärmedämmverbundsystem mit Dickputz ausgeführt. Die ausgefachten Bereiche der
Stahlbetonkonstruktion (heute Klinkerverblendung) erhalten hinterlüftete Holzverkleidung, die
jeweils mit den seitlich angrenzenden Holzfensterelementen eine Einheit bildet. Damit bleiben
die Proportionen der Fassadenteilungen erhalten, gleichzeitig verweist das neue Material auf die Transformation des Gebäudes. Der geplante verglaste Arkadengang zum Innenhof bildet eine neue thermische Hülle aus und vereinfacht an dieser Stelle die energetische Ertüchtigung der
komplexen Gebäude‐ und Fassadengeometrie. Sämtliche Dächer sind zu erneuern und
energetisch zu ertüchtigen.

Einsatz regenerativer Energien:

Die Einrichtung der Cateringküche bietet großes Potential, über Wärmerückgewinnung
regenerative Energie zu nutzen. Dabei wird Abwärme der Küche für die Warmwasseraufbereitung und für die Beheizung des Gebäudes genutzt ‐ je nach Intensität der Küchennutzung.
Die großen Dachflächen bieten zudem die Möglichkeit Photovoltaikelemente zu verbauen, um
Strom zu generieren. Als zusätzliche Maßnahme kann der Einsatz von Geothermie geprüft
werden. Der großflächige Außenraum bietet die Möglichkeiten für den Einsatz einer solchen
Technologie.
In der weiteren Planung sind die verschiedenen Ansätze hinsichtlich ihrer Synergien zu prüfen. Es wird davon ausgegangen, dass der Einsatz regenerativer Energien die Anforderungen an den Wärmedämmwert der Fassade reduziert und somit den baukonstruktiven Aufwand verringert.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Entwurf für die zum Stadtteilzentrum und Kita umgenutzte Zufluchtskirche überzeugt durch einen respektvollen Umgang mit dem Bestand, der über gezielte Eingriffe der neuen Nutzung selbstverständlich und zeitgenössisch zugeführt wird.

Die gewünschte Öffnung des Ensembles gelingt über eine getrennte äußere Erschließung von Stadtteilzentrum vom öffentlichen Platz aus, ergänzt um eine dem ehemaligen Gemeindesaal vorgelagerten Freitreppe, sowie einer der benachbarten Schule zugeordneten rückseitigen Erschließung der Kita. Der neue Stadtteilzentrumseingang mit der großen Zeder wird mit der Freitreppe um ei-nen Bestandsbaum herum zu einem schöneren Ensemble ergänzt und kann zur Belebung des Platzes beitragen.

Folgerichtig wird das Stadtteilzentrum zum Platz hin, die Kita vor allem im Kirchensaal zum Garten hin und die Krippe zum Innenhof hin organisiert. Der In-nenhof bleibt als Zentrum erhalten. Die Funktionen der Catering Küche werden im UG untergebracht und an beide oberirdischen Nutzungsbereiche unabhängig angebunden.

Insbesondere überzeugt die Erschließung innerhalb des Stadtteilzentrums, die eine unabhängige und somit den verschiedenen Nutzungen angemessene Er-schließung ermöglicht, so dass z.B. das Café unabhängig von Beratungs- und Gruppenräumen funktionieren und so erst multifunktional genutzt werden kann.

Die Gliederung und Nutzbarmachung des Kirchensaals gelingt herausragend. Die erforderliche kleinteilige Raumstruktur aus intimeren Einzelräumen wird strukturell an den Seiten angeordnet und so zentral ein gemeinschaftlicher aber zonierter Raum erzeugt. Dieser zentrale Raum öffnet sich zugleich in die Höhe des Kirchensaals und erhält über die Anordnung und Formgebung der Deckenöffnung den Raumeindruck der zeltartigen Dachform. Der entstehende Tisch wird ebenfalls durch die zentrale Deckenöffnung in gut nutzbare Zonen gegliedert und öffnet endgültig einen Eindruck des Bestandsraums.
Lageplan

Lageplan

Grundriss KG

Grundriss KG

Grundriss EG

Grundriss EG

Grundriss Empore

Grundriss Empore

Längsschnitt

Längsschnitt

Querschnitt Kirchenraum

Querschnitt Kirchenraum

Ansicht von Süden

Ansicht von Süden

Innenraum

Innenraum