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Investoren- und Projektwettbewerb | 08/2017

Wohnsiedlung Mutachstrasse und Stadtteilpark Holligen Nord

1. Rang / 1. Preis

Preisgeld: 30.000 CHF

GWJ Architektur AG

Architektur

ORT AG für Landschaftsarchitektur

Landschaftsarchitektur

Wir sind Stadtgarten

Investor*in

Architekt Martin Beutler

Stadtplanung / Städtebau, sonstige Fachplanung

Beurteilung durch das Preisgericht

ln Fortsetzung der nord- und ostseitig angrenzenden Quartierstruktur formuliert sich das Projekt als schmalen Hof, der zusammengefügt aus Einzelbauten unterschiedlicher Form eine innere räumliche und soziale Dichte erzeugt. ln Ergänzung dazu entsteht im Abstandsraum zu den nördlichen Nachbarbauten ein ruhiger Gartenhof, im Süden wird der Park über seine geplante Dimension hinaus ausgeweitet. Die damit entstehenden Freiräume ergeben ein sinnvolles und reiches Angebot für die Siedlung; die klare räumliche Begrenzung des Parkes stützt seine Position als urbanen Freiraum. Der Bereich zwischen Wohnbau und öffentlichem Parkweg ist allerdings zu schmal geraten.

Der Hauptzugang zum Hof liegt an der Huberstrasse, Lücken zwischen den Gebäuden schaffen Durchlässigkeiten in allen Richtungen. Der östliche Abschluss bildet ein Winkelbau, der gegen Aussen einen Quartierplatz als Teil der durchs Quartier führenden Nordsüd-Verbindung formuliert und im Erdgeschoss den Quartierrau beherbergt.
Dieser wirkt als Nahtstelle zwischen Quartier und Siedlung und soll in der Anfangsphase von der Genossenschaft, später aber vom Quartier betrieben werden. Dieses Angebot an das Quartier wird sehr begrüsst! Gegen innen vermag die volumetrische Setzung der Gebäude an dieser Stelle nicht gänzlich zu überzeugen. Dem ohnehin engen Hof fehlt genau hier die Besonnung, wo sich der eigentliche Schwerpunkt des Siedlungslebens entfalten könnte. Das geknickte Gebäude überschreitet geringfügig die maximal zulässige Gebäudelänge.

Die Erschliessung der Wohnungen erfolgt konsequent über den Hof. Sie ist als offene Treppenanlage konzipiert, die in Kombination mit den Wohnungen zugeordneten Aussenplätzen luftige Körper bilden, die als zeichenhaftes Logo der Siedlung verstanden werden können. Diese Balkone dienen weniger dem privaten Rückzug, als der Kommunikation mit den Nachbarn, weshalb ihre partielle Nordorientierung in Kauf genommen werden kann; zumal die davon betroffene Wohnzeile südseitig vom Weitblick in den Park profitiert. Dass die Erschliessung im Dachgeschoss nicht überdacht ist, dürfte auf wenig Akzeptanz stossen und wäre zu überprüfen. Die Zufahrt und ein Teil der Tiefgarage liegen teilweise ausserhalb der Baulinie, was nicht bewilligungsfähig ist.
Die Wohnungen in den oberen Geschossen sind weitgehend als Zweispänner organisiert und auf einem einfachen und rationellen Grundraster aufgebaut. Beidseitig einer innenliegenden Schicht mit Nasszellen liegen Räume von ca. 14m2, die zusammengefasst ein Durchwohnen ermöglichen, aber auch ein zusätzlicher lndividualraum abgetrennt werden kann. Die Wohnungen sind gut proportioniert und trotz knappen m2 auch bei abgetrenntem Wohnbereich sehr gut nutzbar. Etwas weniger gelungen sind einige Spezialfälle bei den mehrspännigen Gebäuden, wo die Zugänge durch die Küchen allzu unvermittelt erfolgen. Hier könnte eventuell mit Grosswohnungen Abhilfe geschaffen werden. Im Erdgeschoss findet sich ein gelungener Mix aus Clusterwohnungen, Ateliers, Werkstätten, Waschküchen und Wohnungen. Deren geschickte Anordnung erlaubt eine lebendige Hofnutzung trotz der räumlichen Nähe der Häuser zueinander. Die Gebäude sind nur unter der Nordzeile unterkellert, die Wohnungen der Südzeile haben nur Kellerzugang über den Hof.

Der architektonische Ausdruck der Gebäude ist einfach, robust und sinnfällig strukturiert. Die Siedlung bildet gegen Aussen eine kräftige Einheit, die als urbane KuIisse für den Park bestehen kann. Gegen lnnen gliedern die Aussenzimmer die Länge der Fassade und schaffen Raumnischen, die einen Vorder- und Hintergrund bilden. Ob diese mit brennbarem Material verkleidet werden dürfen, ist aus brandschutztechnischer Sicht wohl eher fraglich. Die vorgeschlagene Materialisierung mit einem verputzten Einsteinmauerwerk und Ausfachungen im EG in Holz lässt eine gute Gesamtwirkung erwarten.

Dank einfachsten Körpern, sauberer Baustruktur, Minimierung von Flächen, Volumen und Untergeschossen kann das Projekt eine glaubwürdige Unterschreitung der Mietvorgaben anbieten.

Freiraum
Siedlungsfreiraum
Die Huebergass bildet das attraktive Rückgrat der neuen Bebauung. Diese lebhafte Mittelzone zwischen den Gebäuden funktioniert als gemeinschaftlicher Begegnungsraum mit halböffentlichen EG-Nutzungen an den Gebäudeköpfen. Die vorgeschlagenen Zugangsbalkone strukturieren den länglichen Raum und schaffen einen guten Filter zwischen der Huebergass und den Erdgeschosswohnungen. Durch die zurückhaltende aber räumlich präzise Gestaltung entsteht eine Zone mit unterschiedlichen Qualitäten und einer hohen Aneigenbarkeit durch die Bewohner. Die räumliche Proportion der Gasse und die Nähe der Gebäude schaffen einen hohen Grad an Urbanität im lnnern der Bebauung.
Nördlich der Bebauung ist eine Schicht mit sogenannten Gartenzimmern, welche teilweise durch einzelne Bewohner, teilweise gemeinschaftlich bewirtschaftet werden. Diese informelle Zone hat eine hohe Wandelbarkeit und durch die Trittsteinbiotope auch einen ökologischen Wert. Die Detailgestaltung soll über partizipative Prozesse mit den Bewohnern gemeinsam erfolgen. Diese Gartenschicht ist ein wichtiger Rückzugsbereich zu der lebendigen Huebergass und für die Gemeinschaft, wie auch die einzelnen Bewohner, von hohem Nutzwert.
Während der Übergang von der Huebergass zur Huberstrasse angemessen ist, scheint der östliche Übergang von der Mutachstrasse zum Kopfbau mit dem Quartierraum zu wenig geklärt. Präzisere Aussagen zur Gestaltung dieses Platzes wären wünschenswert. Die Freiräume der Siedlung sind insgesamt sehr atmosphärisch und von hoher Qualität für das Zusammenleben. Sie ergänzen in ihrer Nutzungsvielfalt das Angebot, welches vom Stadtteilpark abgedeckt wird, ideal.

Park
Die Verfasser verstehen den Park als eigenständigen Stadtraum, welcher eine ,,wilde Quartieroase für die Bewohner der Siedlung, wie auch für alle andern", darstellen soll. Entsprechend ist das Erdgeschoss als Hochparterre ausgebildet und die Gebäude haben zum Park hin keine Balkone. Diese Haltung ist sehr überzeugend und wird der Aufgabe zur Erstellung eines Stadtteilparks gerecht.
Der Übergang von der Siedlung zum Park schafft eine topografische Skulptur mit Einzelbäumen in Vegetationsintarsien. Dieses sogenannte Parkband funktioniert als Verbindung in Ost-West Richtung, als Zugang zur unteren Parkebene und als Filter zur Überbauung. Die räumliche Wirkung und die formale Ausformulierung dieses Elementes wurden in der Jury kontrovers diskutiert, mit der Schlussfolgerung, dass die Filterwirkung stärker sein sollte.
Die Platanenreihe als Abschluss des Parkes im Westen geht auf die bestehende Kammerung der Freiflächen vom Loryplatz bis zur Huberstrasse ein. Diese Baumreihe ist sinnvoll und richtig, jedoch vermag sie den sensiblen Übergang von der Strasse zum Park alleine nicht zu klären. Der vorgeschlagene Kiesstreifen als Zone zwischen Wiese und Strassenraum mag funktional und räumlich nicht zu überzeugen.
lm Park wird die Hartfläche auf ein Minimum reduziert, was sich in einer grossen, vielseitig nutzbaren Spiel- und Liegewiese ausdrückt. Die Wiese senkt sich von der Huberstrasse her kontinuierlich ab und geht im Osten in einen Teich über. Die Weite des Parks wird dadurch schön in Szene gesetzt. Strukturiert wird die Wiese mit einem Wildhecken-Clump entlang des querenden Weges im Westen. Dieses Element ist zwar ökologisch wertvoll, wirkt in der Lage und Ausgestaltung aber etwas willkürlich.
Mit der Spiellandschaft entlang des Böschungsfusses der Schlossstrasse entsteht ein räumlicher Filter zum Park, gleichzeitig wird diese Zone funktional aufgeladen. Somit gelingt es, den Park bis an die Strasse aufzuspannen. Die grosszügige Treppenanlage als Übergang von der unteren Parkebene mit Wasserbecken und -spielplatz zur oberen Ebene mit der Parkachse und dem Allwetterplatz bildet eine attraktive Arena für den Park. Der vorgeschlagene Allwetterplatz bedeutet für das gesamte Quartier einen Mehrwert und seine Positionierung neben dem Sportplatz San Siro ist richtig. Die gestalterische Einbindung des Allwetterplatzes in das unmittelbare Umfeld wirkt jedoch unausgereift.
Die Anlage- und Lebenszykluskosten liegen im erwarteten Bereich. Das Projekt bietet durch die verschiedenen Biotoptypen wie Wildhecken, Heckensaum, Wasserflächen, etc. ein grosses ökologisches Potential.

Soziale Nachhaltigkeit
Der Entwurf besticht durch eine klare, auch sozialräumliche Vision, die plausibel ausformuliert ist. Öffnungen der fünf Baukörper sind aus der Analyse der räumlichen Bezüge der Umgebung folgerichtig abgeleitet. Stadträumlich entsteht ein neues, eigenständiges Quartier mit hohem ldentifikationspotential und der geforderten innovativurbanen Qualität. Der Charakter der neuen Überbauung ist auch für das umgebende Quartier einladend; dennoch bleibt die Hof-Gasse ein klar siedlungsbezogener Raum, der im positiven Sinn eine hohe soziale Kontrolle vermittelt. Die Enge der siedlungsinternen Freiräume, die in den Erdgeschossen zur Gasse hin angeordneten siedlungsoffenen Nutzungen sowie die den Gebäuden ebenfalls zur Gasse hin vorangestellten offenen Erschliessungszonen fördern Kontakte unter Bewohnerlnnen, Nutzerlnnen und Gästen gleichermassen. Sie zwingen allerdings auch zu Kontakten und lassen ein Sich-aus-dem-Weg-Gehen kaum zu.

Der konzeptionelle Entscheid, Richtung Park nur französische Balkone anzubieten, wird positiv beurteilt: So bleibt die zentrale Orientierung der Überbauung auf die Gasse ausgerichtet und der Park wird nicht zum erweiterten Freiraum der Wohnungen, sondern erhält eine eigenständige Öffentlichkeit.
lm Erdgeschoss des östlichen Baukörpers schlagen die Verfasser, gut platziert und proportioniert, als Siedlungsabschluss und Scharnier zur Umgebung den Quartierraum mit Veranstaltungssaal und Café vor: Er wendet sich nach Osten zur Strasse hin, öffnet auch für Aussenstehende den Blick nach lnnen in den Hof, verbindet Bewohnerlnnen mit Nachbarschaften und legitimiert letztere, am Siedlungsleben teilzuhaben. Richtung Park präsentiert sich ausserdem ein attraktiv gelegenes Café als Attraktor für die Öffentlichkeit und bindet die ebenfalls richtig platzierten und proportionierten Spielflächen des angrenzenden, weitgehend nutzungsoffenen Parks ein.

Die Verfasser interpretieren den Quartierraum mit Angeboten auch für die Umgebung als Dreh- und Angelpunkt des Gesamtprojekts und formulieren ein massgeschneidertes Betriebskonzept. Eine der wesentlichen Stärken des Entwurfs in Bezug auf die künftige Prozessgestaltung ist die Selbstverpflichtung durch den Bauträger, eine 80%-Stelle für die Bewirtschaftung der gemeinsamen Räume und Flächen sowie für die Durchführung der partizipativen Prozesse zur Verfügung zu stellen.

Gesamtwrìrdigung
lnsgesamt handelt es sich beim Projekt Huebergass um ein äusserst sorgfältig erarbeitetes und vielschichtiges Projekt, dem mit seiner städtebaulichen Analyse eine überzeugende Einbindung der Siedlung in den Stadtkörper gelingt und Mehrwerte für das ganze Umfeld schafft. Dies gilt auch für den Park, dessen hohe Nutzungsvielfalt, deren räumliche Verteilung und das Schaffen von Orten welche von den Besuchern aktiv angeeignet werden können, überzeugt. Auf kleinem Raum bietet er unter. schiedliche Atmosphären an auf eine angemessene und unaufgeregte Art.
Aus raumgestalterischer Sicht ist die Proportion des Hofes - dort wo er zur Sackgasse wird - zu überprüfen. Aufgrund der hohen räumlichen Dichte und der Vielfalt an angebotenen Nutzungsmöglichkeiten in Erdgeschoss und Hof muss davon ausgegangen werden, dass die Bewohnerschaft eine gewisse Homogenität in ihrer Haltung zur Gemeinschaft aufweisen würde. Sollte sich das Projekt aber so umsetzen lassen, wie das in den vielen Textblöcken antizipiert und beschrieben wird, bekäme Bern mit Huebergass ein interessantes Vorzeigeprojekt für das gemeinschaftsorientierte Wohnen.