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Nichtoffener Wettbewerb | 08/2017

Umbau und Erweiterung der Wolfgang-Borchert-Schule

Lageplan

Lageplan

Anerkennung

Preisgeld: 7.000 EUR

Behnisch Architekten

Architektur

Endreß Ingenieurgesellschaft mbH Brandschutzsachverständige

Brandschutzplanung

Pfefferkorn Ingenieure

Tragwerksplanung

Erläuterungstext

Architektur und Materialität:
Die bestehende Wolfgang-Borchert-Schule in der Blumenstraße 13 im Berliner Stadtbezirk Spandau soll zu einer integrierten Sekundarschule umgebaut, modernisiert und erweitert werden. Heute ist die Schule auf zwei Standorte verteilt und wird nach der Fertigstellung der Erweiterung und des Umbaus an einem Standort ihr neues zuhause finden.

Die 1957 errichtete Schule entspricht heute nicht mehr den Anforderungen an ein modernes Schulhaus. Weder die technischen Installationen noch das räumliche Angebot bieten die Voraussetzungen, welche zur Umsetzung der sich wandelnden neuen zukunftsweisenden pädagogischen Konzepte notwendig sind. Auch die Umsetzung eines Ganztagesangebots mit Mensa und Freizeiträumen ist in den Bestandsgebäuden nicht mehr gegeben.

Das Schulareal der Wolfgang-Borchert-Schule liegt nordwestlich der Altstadt zwischen Falkenseer Damm und Blumenstraße. Die unmittelbare Umgebung weist ein heterogenes Stadtbild auf. Soziale Infrastruktureinrichtungen und großmaßstäbliche Wohnbauten beschreiben gestalterisch den städtebaulichen Rahmen. Teile der Bestandgebäude wie die zweigeschossige Sporthalle und der aufgeständerte Verbindungsbau mit Hausmeisterwohnung sollen rückgebaut werden. Der dreigeschossige Verwaltungs- und Fachtrakt sowie der zweigeschossige Klassentrakt mit den 16 Unterrichtsräumen sollen umgestaltet und in die neue Gesamtkonzeption sinnvoll integriert werden. In die Überlegungen für das neue Schulhaus ist der bereits errichtete Modulare Ergänzungsbau (MEB) mit den 12 Unterrichtsräumen im Süd-Westen funktional miteinzubeziehen.

Das zur Verfügung stehende Grundstück soll im östlichen Bereich als Pausen- und Freifläche neugestaltet werden, wobei der westliche Teil des Grundstücks für die Überlegungen der neuen Gebäudeteile zur Verfügung steht. Die baurechtlichen Vorgaben sind präzise ausformuliert und sollen in der Planung berücksichtigt werden.

Das Raumprogramm ist umfassend und detailliert beschrieben und wird zukünftig den baulichen Rahmen für die Umsetzung der pädagogischen Konzepte bilden. Räume für den allgemeinen Unterricht, Fachklassen für Naturwissenschaften / Musik und Kunst sowie für Wirtschaft / Arbeit und Technik sollen neben den Räumlichkeiten für den pädagogischen Bereich und der Verwaltung in den konzeptionellen Überlegungen für die neue Gesamtanlage (Neubau / Altbau) berücksichtigt werden. Zusätzlich hierzu soll mit dem Angebot von Räumen für produktives Lernen und Medien ein einzigartiges Alleinstellungsmerkmal umgesetzt werden. Darüber hinaus sollen die Mensa und der Mehrzweckbereich die Voraussetzungen für den Betrieb als Ganztagesschule gewährleisten. Zukünftig werden im der neu gestalteten Gesamtanlage ca. 780 Schülerinnen und Schüler in einer 6-zügigen Mittelstufe SEK I sowie einer 2-zügigen gymnasialen Oberstufe SEK II unterrichtet.

Eine schöne, komplexe und interessante Aufgabenstellung, welche intelligente und maßgeschneiderte Lösungen aufzeigen müsste, die im besonderen Maße zum Gelingen der Umsetzung der pädagogischen Ideen und Ziele beiträgt. Das neue Schulhaus müsste aus den inhaltlichen Vorgaben und den architektonischen Grundüberlegungen heraus eine eigenständige und prägende Identität erzeugen. Darüber hinaus, ergänzend zu den Überlegungen zum gewünschten Raumprogramm, den Ideen zum zukünftigen pädagogischen Konzept und den Vorgaben zum Baurecht, sollen den konzeptionellen Ideen für ein energieoptimiertes Haus im Sinne eines innovativen energie- und kosteneffizienten Gebäudekonzepts eine besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden.

Das neue Schulhaus im Zusammenspiel mit den neu gestalteten Freianlagen müsste sich in ganz selbstverständlicher und in unbekümmert leichtfüßiger Weise in die Umgebung der unmittelbaren Nachbarschaft einfügen. Eine markante Eigenständigkeit und Charakteristik des „Neuen“ sollte zu erkennen sein, weniger dogmatisch und selbstverliebt jedoch, vielmehr dem größeren Bild dienend, mit dem Vorsatz eines sorgfältigen und respektvollen Einbeziehens des Vorhandenen. In einem besonderen Maß, jedoch nicht empfunden als kompromittierende Belastung, müsste darauf geachtet werden, dass ein maßvoller Umgang mit dem Bestand und der damit verbundenen Realisierung im laufenden Schulbetrieb möglich ist.

Im vorgeschlagenen Konzept beschränken sich die baulichen Ergänzungen auf die Flächen westlich des zweigeschossigen Klassentrakts. Die bestehende, als Einspänner ausgelegte Funktionseinheit bildet das funktionale Gerüst für die neuen Räumlichkeiten im Westen. Der bereits bestehende Flur dient als Rückgrat für den neuen „lebendigen Organismus“, einem feinjustierten Zusammenspiel an notwendigen Erschließungsflächen, differenziert ausformulierten Räumen und schön gestalteten Innenhöfen. Die neuen Gebäudeteile schmiegen sich ganz selbstverständlich als passendes, schon immer fehlendes „Puzzlestück“ an den Altbau an, ergänzen, respektieren und belasten nicht. Der dreigeschossige Baukörper entlang der Blumenstraße wird in diesen „Gesamtorganismus“ respektvoll miteinbezogen, kann baulich vollständig erhalten bleiben und bildet so zusammen mit dem zweigeschossigen Klassentrakt die solide, feste Basis der neuen Anlage. In diesen beiden Bestandsbauteilen werden lediglich kleinere, organisatorische Korrekturen notwendig sein, hier wird der Charakter des Erhaltenden erkennbar bleiben.

Im Kontrast dazu wird das neue Puzzlestück im Westen eine leichtere Anmutung vermitteln, bewusst verspielter und differenzierter. Hier soll vielmehr das Bild einer schön terrassierten Landschaft im Vordergrund stehen, weniger die Erscheinung einer ausgrenzenden, mehrgeschossig aufgehenden Fassade. Der angemessene menschliche Maßstab sollte hier gestaltprägend sein, um den Freibereichen, den Terrassen, dem Schulgarten und den Innenhöfen mit ihren einzigartigen Qualitäten einen ansprechenden und angemessenen Rahmen zu geben.

Das neue Haus wird über die Blumenstraße im Norden erschlossen. Hier ist der Haupteingang zu finden, die Adresse der neuen Anlage. Über die Blumenstraße erfolgt ebenfalls die Anlieferung der Küche und der Werkräume. Die Funktionen im Erdgeschoss folgen dem Leitbild eines belebten und offenen Hauses. Über das zentrale Foyer mit den angrenzenden Funktionseinheiten der Mensa, des Mehrzweckraums, der Fachklassen Kunst und Musik, der Werkräume und der Klassenräume der SEK II erreicht man alle weiteren Bereiche der Schule. Ausgänge zum Schulhof im Osten und Durchblicke über die beiden Innenhöfe in angrenzende Funktionseinheiten erzeugen ein lebendiges, transparentes und lichtdurchflutetes, fließendes Raumgefüge. Eine schöne Freitreppe in einem großzügigen Luftraum erschließt die beiden Obergeschosse. Im Foyer ist an zentraler Stelle ein Aufzug angeordnet, um einen barrierefreien Zugang zu allen Funktionsbereichen im Haus zu gewährleisten. Über kurze Wege ist der MEB im Süden an die Gesamtanlage angebunden.

Im ersten Obergeschoß sind die Fachklassen der Naturwissenschaften zu finden. Die Klassenräume der SEK I sowie die Verwaltung und der pädagogische Bereich sind den Bauteilen des Bestands untergebracht.

Im zweiten Obergeschoss sind die Räume der Bibliothek und der Medien (Bestand) sowie die weiteren Klassenräume der SEK I und Räume für das produktive Lernen (Neubau) angeordnet. Ebenso wie im ersten Obergeschoss können durch die Gebäudestaffelung schöne Dachterrassen und Dachgärten angeboten werden, die dann in die pädagogischen Überlegungen als erweitertes Klassenzimmer oder für einen Unterricht im Freien genutzt werden können.

Durch eine differenzierte und maßgeschneiderte Gestaltung könnte ein baulicher Rahmen geschaffen werden, der für dir gemeinsame Zeit, die Lehrer und Schüler miteinander verbringen, wechselwirkend und nachhaltig prägend sein könnte. Ein besonderes, vielfältig genutztes, offenes Haus mit besonderen Orten und Lernformen bliebe auch nach einer gemeinsamen Schulzeit positiv im Gedächtnis der Schüler und deren Eltern.

Die vorgeschlagenen Materialien folgen der Idee der Authentizität, angepasst an die funktionalen Anforderungen. In den Bauteilen des Bestands werden die Rückbauten und Umbaumaßnahmen sorgfältig und bewusst erfolgen. Ergänzend sollte hier „saniert“ werden, mit Bedacht und Vorsicht und dem notwendigen Respekt und Feingefühl. Bewusst sollte hier das Wechselspiel von Alt und Neu auch in der Wahl der Materialien und der gewählten Konstruktionen erlebbar gemacht werden.

Gemauerte Wandelemente (Altbau) stehen im Kontrast zu leichten Bauteilen im Neubau. Die vorgeschlagene Bauweise als Stahlbeton-Skelettbau (Neubau) mit lasierten Sichtbetondecken zur Aktivierung der thermischen Masse, Stahlgeländer mit Netzstrukturen und funktional detaillierte Einbauten aus Holzwerkstoffen bieten einen angemessenen Kontrast und eine Ergänzung zu strapazierfähigen Linoleum- und Teppichböden in den Flurzonen und Klassenräumen. Abgehängte Decken aus gelochtem Gipskarton werden bewusst nur dort eingesetzt, wo zusätzliche akustische Maßnahmen notwendig werden.

Eine Holz-Aluminium Fassade als Elementfassade, teils mit opaken Holzelementen im Brüstungsbereich wird für den Neubau vorgeschlagen. Im Altbau sollte die Wahl der Materialien der Fassade analog hierzu erfolgen, wobei sich die Konstruktion der Fensterelemente unterscheiden wird.


Freianlagen:
Die Erweiterung der Wolfgang-Borchert-Schule bietet die Möglichkeit die umgebenden Freianlagen neu zu ordnen und in folgende, gestaltprägende Bereiche zu gliedern:

Vorbereich:
Ein großzügiger Vorplatz markiert den Eingangsbereich der neuen Schule und öffnet sich Richtung Blumenstraße. Er bringt die Schüler und Besucher zum Haupteingang der Schule. Die Anlieferung zur Küche befindet sich in direkter räumlicher Nähe an der Blumenstraße. Die Anlieferung für den Bereich Werken ist vor dem Lagerraum angeordnet, sodass auch hier das Anliefern einfach gestaltet werden kann. In diesem Bereich werden ebenfalls die vier barrierefreien Stellplätze sowie zusätzliche Fahrradabstellplätze angeordnet.

Westlicher Bereich:
Eine große Fahrradabstellfläche mit einem Tor Richtung Blumenstraße entsteht an der westlichen Grundstücksgrenze. Abgeschirmt durch eine Hecke, werden der Mensa und dem Mehrzweckraum Terrassen vorgelagert, die zum Mittagessen oder auch bei Veranstaltungen genutzt werden können. Der große Schulgarten, den die Schüler über zwei Zugänge vom Anbau aus erreichen können, nimmt die restliche Fläche des westlichen Schulhofs ein.
Im Süden des Gebäudes entsteht eine Verbindungsfläche zum MEB mit Aufenthaltsmöglichkeiten für die Schüler. Hier befindet sich ebenfalls die Feuerwehrfläche, die durch ein Tor im Zaun vom Falkenseer Damm her zu erreichen ist.

Östlicher Bereich:
Im großen Hauptbereich des Schulhofes, wird das Kleinspielfeld so positioniert, dass der größte Teil des Baumbestandes erhalten werden kann. Der hier angelagerte Spielbereich sowie die Fläche des Kleinspielfeldes sind mit wasserdurchlässigem Kunststoffbelag geplant. Die Gymnastikwiese ist im offenen Bereich im Süden des Grundstückes vorgesehen. Zusätzliche wird ein Picknickbereich mit Sitzbänken und Tischen unter den bestehenden Bäumen eingeplant, der auch von den Klassen der Lehrküche mit genutzt werden kann.
Die Werkräume des WAT-Bereiches erhaltem zusätzliche Türen, die die Schüler auf Terrassen führen auf denen Unterricht im Freien stattfinden kann. Der Bereich am östlichen Ende des Grundstückes wird zur Regenwasserrückhaltung über zum Beispiel eine Mulde verwendet.

Kunsthof:
Den Kunsträumen sind hier Terrassen zugeordnet, auf denen die Schüler im Freien unterrichtet werden können.
Es befindet sich eine weitere große Terrasse für den Mehrzweckbereich und eine große Grünfläche mit Bäumen in diesem Hof.
Musikhof:
Die Musikräume erhalten ebenfalls eine gemeinsame große Terrasse mit vorgelagerten Sitzelementen, sodass dieser Bereich als Bühne für kleine Konzerte genutzt werden kann.


Tragwerk:
Für die Tragkonstruktion des Neubaus wird eine kostengünstige, robuste und einfach umzusetzende Stahlbetonskelettkonstruktion gewählt. Hauptbestandteil sind unterzugslose Flachdecken, welche sowohl für eingelegte Installationen wie z.B. Betonkernaktivierungen als auch für nachträgliche Leitungsführungen unter der Decke bestens geeignet sind. Die Stützung erfolgt durch schlanke Pendelstützen und durch die Treppenhauskerne welche zusammen mit mind. zwei massiven Klassentrennwänden die Aussteifung des Gebäudes übernehmen. Die Gründung erfolgt als Flachgründung in den Schichten der anstehenden Talsande.

Die Planung sieht vor, einen Teilbereich des Bestandes um ein Geschoss aufzustocken.
Dazu wird die vorhandene Satteldachkonstruktion rückgebaut und durch eine neue, leichte Hohlkörperflachdecke ersetzt.
Zur Minimierung von Verstärkungsmaßnahmen und zur Verkürzung der Bauzeit wird das neue Geschoss samt neuer Dachdecke mit leichten Materialien mit einem hohen Vorfertigungsgrad aufgebaut. Die Aussteifung des aufgestockten Gebäudes erfolgt durch die vorhandenen Wände des Bestandes.


Brandschutz:
Die Planung erfolgt nach der Schulbaurichtlinie sowie den Entscheidungshilfen der obersten Bauaufsicht (EHB vom 01/2017).
Jeder Unterrichtsraum verfügt über mindestens zwei voneinander unabhängige Rettungswege. Der Rettungsweg wird über direkte Ausgänge ins Freie oder auf Fluchtbalkone oder über notwendige Treppenräume gewährleistet. Ausbildung und Länge der Rettungswege entsprechen den oben genannten Richtlinien.
Die Schule wird in 3 Brandabschnitte und 400m2 große Nutzungseinheiten gegliedert. Der Einbau einer Brandmeldeanlage ermöglicht eine geringfügige Überschreitung der Grenzwerte der Brandabschnitte und der Nutzungseinheiten und somit eine optimale Anpassung an das Bestandsgebäude und seinen Neubau.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Entwurf besticht auf den ersten Blick durch architektonische Leichtigkeit, die durch den Einsatz von großen Glasflächen und einer terrassierten Gebäudelandschaft erzeugt wird. Das Gebäude fügt sich gut in den Ort und schafft einen angenehmen Bezug zwischen Alt- und Neubau.
Das räumliche Angebot erscheint jedoch fast überbordend, es entsteht eine Ambivalenz aus Großzügigkeit und Kleinräumlichkeit.
Die Differenzierung der Baukörper, das Überangebot an Terrassenflächen und nicht zuletzt die umfangreichen Anschlüsse und die Überbauung des Klassentrakts sind konstruktiv aufwendig. Darüberhinaus werden Dachterrassen und außenliegende Treppen als Fluchtwege aus schulorganisatorischen Gründen kritisch eingeschätzt.
Insgesamt ein überzeugender Entwurf, dem es – allerdings nur mit hohem Aufwand – gelingt Bestand und Neubau zu einem architektonischen Ensemble zusammenzufügen.
Erdgeschoss

Erdgeschoss

Schnitt

Schnitt

Ansicht West

Ansicht West