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Einladungswettbewerb | 06/2017

Kesselhaus im Mies van der Rohe Business Park

Perspektive I

Perspektive I

2. Preis

Preisgeld: 10.000 EUR

Gerber Architekten GmbH

Architektur

Erläuterungstext

Entwurfskonzept
Ein offenes »Haus der Kultur« für die Bürger und Besucher der Stadt Krefeld soll im »Kesselhaus« des Mies van der Rohe Business Parks entstehen. Inspiriert von der Bauhaus-Philosophie soll auf dem alten Industrieareal der Vereinigten Seidenwebereien AG (Verseidag) eine Atmosphäre der Kreativität und Produktivität mit neuen Synergien entstehen. Das neue multifunktionale Veranstaltung- und Tagungshaus soll sich als Impulsgeber für die Stadt Krefeld etablieren.
Das Kesselhaus fügt sich als prägnanter Baukörper in das »Miesische Ensemble« der Solitäre von Schlichterei und Pförtnerhaus entlang des Girmesgath ein. Der städtebauliche Baustein »Kesselhaus« markiert vis-a-vis des Pförtnerhauses das Entrée und den Hauptzugang zum ehemaligen Gelände des Textilunternehmens Verseidag. Das vorgeschlagene Erweiterungs- und Sanierungskonzept sieht eine weitere Aufstockung und Erweiterung des Kesselhauses nach dem baulichen Grundverständnis der ehemaligen Verseidag vor, indem zahlreiche Bauten wie unter anderem das HE-Gebäude von Mies van der Rohe nachträglich aufgestockt und die Färberei im baulichen Prozess erweitert wurden. Seit 1930 wurde das Kesselhaus stets in seinem äußeren Erscheinungsbild transformiert, um den funktionalen Ansprüchen der Verseidag als Kraftzentrale zu genügen. Anhand der Fassaden kann dieser additive Bauprozess und die historische Entwicklung der Kubatur mit seinen charakteristischen Elementen abgelesen werden.
Erweiterungskonzept
Das Kesselhaus bleibt nach dem »Miesischen Masterplan« für die Verseidag in seinem städtebaulichen Fußabdruck weitestgehend unverändert und wird um den jüngsten Teil des Kesselhauses, das Schaltwerk strukturell nach Norden mit einer Plombe zur Schließung der nördlichen Arealgrenze ergänzt. An seine Textilgeschichte und Seidenfabrikation anknüpfend, wird unter dem Slogan »Stadt wie Samt und Seide«, der Industriebau als Gegenthese zum backsteinernen Fabrikhaus um einen leichten, fast schwerelosen Riegel erweitert. Das neukonzipierte, umhüllende Gewand verleiht dem Gebäude eine immaterielle Erweiterung und verkörpert die Symbiose von den Begrifflichkeiten »Leichtigkeit mit Schwere«, »Immaterialität mit Haptik« und »Bewegung mit Konstanz«. Der zweigeschossige weiße Kubus, der sich in den Klinkerbau des Kesselhauses schiebt und auf die Turbinenhalle setzt, beherbergt den Funktionsbereich »Konferenz«.
Turbinenhalle, Schaltwerk und Großer Saal im Kesselhaus
Die verglaste Südfassade öffnet sich dem Besucher als Fenster zur Stadt und markiert den repräsentativen Eingang zum Kesselhaus. Die Turbinenhalle wird als großzügiges, zentrales Eingangsfoyer für den Veranstaltungs-, Konferenz- und Gastronomiebereich umgenutzt und fungiert als Gelenk zwischen dem »Großen und Kleinen Saal«. Dabei bleibt die Turbinenhalle in ihrer Grundkubatur und ihren stilistischen Merkmalen weitestgehend unberührt und wird durch eine zentralgelegene, freischwimmende Empfangsinsel mit Servicebereichen und einer Empore für den VIP-Bereich bespielt. Dieser Bereich lässt sich flexibel durch einen changierenden Vorhang als raumkonstituierendes Material öffnen und schließen. Das Foyer verbindet die Gastronomie im Untergeschoss mit der Veranstaltungsebene im Erdgeschoss, sowie dem Zwischengeschoss und dem Konferenzbereich im ersten und zweiten Obergeschoss. Das Schaltwerk, konzipiert als kleiner Saal, erweitert die Turbinenhalle in seiner Längsrichtung und wird volumetrisch auf das Attikaniveau der Turbinenhalle aufgestockt. Die Raumkanten werden mit textilen Wandsegmenten bespannt.
Der »Große Saal« wird im Parkettbereich über die Turbinenhalle erschlossen. Die großflächige nördliche Verglasung ermöglicht Blickbeziehungen zwischen dem »Großen Saal« und dem Birkenhain an der Eisenbahntrasse. Sie soll die Beziehung von Bühne und Zuschauerraum als großes Schaufenster in den Außenraum spiegeln. Eine mobile Bühne mit flexiblen Bestuhlungsvarianten ermöglicht vielfältige Bühnen-aufstellungen wie Frontalbühne, Arena, Spielsteg oder Studiobühne für eine multifunktionale Veranstaltungshalle.
Gastronomie und Verwaltung
Von der westlichen Fassade aus, über die bestehende Öffnung zum Kesselhaus, kann der Gastro-bereich »Mies« autark vom Veranstaltungs- und Konferenzbetrieb erschlossen werden. Ein weiterer Zugang befindet sich über die Treppe des Kohlehofs in den Gastronomiebereich des Untergeschosses. Während der Veranstaltungen im »Großen und Kleinen Saal« kann der Gastro-Bereich über die Treppe im Schornstein vertikal erreicht werden. Der Verwaltungstrakt wird in die »Alte Färberei« ausgelagert.

Kohlehof
Das Gebäude wird durch einen großzügigen Eingangsbereich im Südwesten erschlossen, der durch das lichte Blätterdach der Birken gesäumt wird. Die Gastronomie wird über einen barrierefreien Zugang im Süden des Gebäudes und über eine Treppe in den Kohlenhof erschlossen. Durch den Erhalt der Bestandsbahngleise soll der historische Bezug des Kohlekreislaufs aufrecht erhalten werden. Der Fall der Kohle in den Kohlenhof wird durch fallendes Wasser auf der nördlichen Hofmauer substituiert und schafft eine stimmungsvolle Atmosphäre für die Besucher. Dadurch profitiert die Gastronomie im Untergeschoss, denn diese hat ihren Außenbereich im Kohlenhof und bietet flexible Möglichkeiten für die Gestaltung von Events.
Fassade und Material
Der kristallin anmutende Konferenzbereich wird aus gewelltem, teils opaken 12 m hoch und 140 m langen Acrylglaselementen »vorhangähnlich« umhüllt. Die Wellprofile aus Acryl werden als Elemente vertikal gestoßen. Das Großfachwerk der tragenden Stahlkonstruktion schimmert durch den Vorhang hindurch. Dadurch wird der Aufstockung ein immaterieller und leichter Charakter im Gegensatz zur harten Geometrie des historischen Bestandbaus verliehen.
Das Schaltwerk erweitert die Turbinenhalle in seiner Längsrichtung und wird in der Klinkertextur der Turbinenhalle weitergeführt und als Mauerwerksrelief mit herausgezogenen Köpfen aus der Flucht des Bestands herausgedreht. Roter Ziegel prägt das äußere Erscheinungsbild von Turbinenhalle- und Schaltwerkserweiterung. Die reliefartige Oberfläche erzeugt ein spannungsreiches Spiel aus Licht und Schatten. Die Verzahnung der Backsteine symbolisiert die Symbiose zwischen Alt- und Neubau zu einem Backsteinriegel.
Tragwerkskonstruktion
Die Tragstruktur des Erweiterungsbaus des Kesselhauses basiert auf dem „erweiterbaren Architektur-prinzip“ unter Erhaltung von Großteilen der originalen Bausubstanz. Der Erweiterungsbau wird als zweigeschossiger Konferenz-Riegel in Stahl-/Verbundbauweise zwischen der Backsteinfassade über dem Kesselhaus und der Turbinenhalle angeordnet.
Dabei spannen die Stahl-Verbunddecken stützenfrei zwischen der Backsteinfassade von Außenwand zu Außenwand und lagern auf den in Längsrichtung spannenden Stahl-Fachwerkträger auf. Das zwei-geschossige Stahlfachwerk wird auf den Bestandsstützen des Kesselhauses aufgelagert, spannt frei über die Turbinenhalle und wird dort an der Fassade gestützt. Im Kesselhaus werden die vorhandenen Stahlstützen der ehemaligen Kesselanlage erhalten, gegebenenfalls örtlich ertüchtigt und dienen dem vertikalen Lastabtrag des Fachwerkträgers. Die denkmalgeschützte Substanz bleibt grundsätzlich weitestgehend erhalten, bzw. wird durch die Überbauung nur geringfügig beeinträchtigt.
Die Aussteifung des Konferenz-Riegels in Quer- und Längsrichtung erfolgt über die Deckenscheiben der Verbunddecken und die zwei neuen Treppenhauskerne aus Stahlbeton. Die gewählte Tragstruktur in Stahl-/Verbundbauweise erhält und ergänzt die denkmalspflegerische Bausubstanz und führt zu einer nachhaltigen sowie wirtschaftlichen Konstruktion.
Brandschutz und Energiekonzept
Der konstruktive Brandschutz für die ergänzenden Tragstruktur wird durch den Kammerbeton der Stahl-Verbundkonstruktion sowie den Stahlbeton der Erschließungskerne voll umfänglich gewährleistet. Alle Bestandsstützen des Kesselhauses werden brandschutztechnisch durch eine „Heißbemessung“, gegebenenfalls durch Brandschutzanstriche bzw. örtliche Sprinkler, den brandschutztechnischen Anforderungen angepasst.
Um die Anforderungen an den sommerlichen Wärmeschutz, den Blendschutz und den Schutz vor UV-Strahlung zu gewährleisten, wird eine teils opake Acrylglasfassade für den Konferenzbereich vorgesehen. Für die nördliche Altbaufassade wird hochreflektierendes Metallgewebe bzw. eine Ertüchtigung der Bestandsfenster mit eben diesem Glas (Bestand) vorgeschlagen. In Kombination mit entsprechender technischer Ausrüstung können die hohen energetischen Anforderungen gut abgedeckt werden.
Die Aufstockung, als auch der Altbau erhalten zudem im Untergeschoss einen gemeinsamen Technikbereich. Das technische System funktioniert somit als Einheit und kann auf die jeweiligen Anforderungen reagieren.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Entwurfsverfasserin gelingt es, im Wesentlichen mit zwei volumetrischen Ergänzungen das gesamte Funktions- und Raumprogramm kompakt am Standort des Kesselhauses und der Turbinenhalle zu realisieren.

Mit der Ergänzung des Baukörpervolumens der Turbinenhalle durch eine „Plombe“, baut die Verfasserin diese weiter und zeigt dies durch eine Reliefartige Ziegeloberfläche im Bereich des Ergänzungsbau. Die Jury sieht hier ein selbstverständliches Weiterbauen, dass sich in die bauliche Geschichte des direkt und unprätenziös gefügten vorhandenen Gebäudeensembles einfügt.

Die zeichenhafte Aufstockung des Konferenzbereichs zeigt weit hin sichtbar, dass Kesselhaus und Turbinenhalle einer neuen Nutzung zugeführt werden. Auch hier sieht die Jury dem Grunde nach eine angemessene Art des Weiterbauens.

Die beschrieben Materialität einer Acrylglasoberfläche hält Jury für nicht angemessen. Hier ist innerhalb des gewählten Bildes eine qualifizierte Weiterbearbeitung notwendig.

Die Fügung der Aufstockung ist in Bezug auf die Gesamtmorphologie schlüssig, kann im Bereich des Schornsteins aber überzeugen. Auch wäre eine weitergehende Bearbeitung notwendig.

Die Eingangsfassaden zum Süden überzeugen durch lediglich minimale Eingriffe in die Bausubstanz. Wie selbstverständlich werden die Besucherinnen durch die vorhanden Glasfassade der Turbinenhalle in das Gebäude eingeladen. Dort gelangen sie in ein gut organisiertes Foyer von dem aus beide Säle erschlossen werden.

Die Grundrisse zeichnen sich durchgängig durch Klarheit, hohe Funktionalität und eine gute Organisation aus. Zusammen mit den Schnittdarstellungen sind Räume von hoher Qualität zu erwarten.

Die dargestellten Sitzplätze im Grossen Saal unterschreiten die Forderungen aus der Aufgabenstellung deutlich. Im Fall einer Weiterbearbeitung sind diese zu erreichen.

Die Verfasserin nutzt die vorhandene Stahlkonstruktion für den Lastabtrag der neuen Aufstockung. Der Rückbau jeweils des inneren Jochs der Doppelstützenreihe an der Nordfassade ab dem Erdgeschoss des Kesselhauses ist gravierend, wird von der Denkmalpflege aber, in Abwägung zu der dadurch gewonnen Funktionalität für den grossen Saal, als akzeptabel bewertet.

In wie weit und mit welchen Konsequenzen im Detail das Konstruktionskonzept in der dargestellten Form umsetzbar ist, wäre das erste zu prüfende Thema im Falle einer weiteren Beauftragung.

Insgesamt überzeugt die Arbeit die Jury durch ihren angemessen Umgang mit dem Denkmal und ihrer wohltuenden Klarheit und Einfachheit. Krefeld würde um ein neues Veranstaltungsgebäude von großer Qualität und angemessener zeichenhaftigkeit bereichert werden.
Perspektive II

Perspektive II

Lageplan

Lageplan

Erdgeschoss

Erdgeschoss