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Nichtoffener Wettbewerb | 09/2017

Fuss- und Radwegbrücke über die Bahnanlagen

1. Preis

Preisgeld: 35.000 EUR

GJL+ Freie Architekten Grube Jakel Löffler Frenz Graf PartGmbB

Architektur

Ingenieurbüro Wirth Haker

Bauingenieurwesen

Erläuterungstext

Das städtebauliche Konzept

Im Zuge der Neuordnung des Altstadtumfelds verfolgt die Stadt Radolfzell das Ziel, das Stadtzentrum adäquat mit dem Ufer des Bodensees zu verbinden. Getrennt werden diese für das Lebensgefühl in Radolfzell wichtigen Bereiche derzeit durch die sechsgleisige Bahnanlage. Die vorhandene Unterführung, die schnellste Verbindung von städtischem Mittelpunkt und Seeufer, ist nicht barrierefrei zugänglich und dem wachsenden Besucherstrom der Kurstadt nicht mehr gewachsen. Zudem ist Radolfzell ein wichtiger regionaler Eisenbahnknotenpunkt, unter anderem mit Anschluss an die Schwarzwaldbahn und die Bodenseegürtelbahn.

Die Entscheidung, die Brücke im westlichen Korridor anzuordnen, bedingt sich durch die direkte Nähe zur Achse Marktplatz-Bahnhof, welche die Hauptfußwegeverbindung darstellt. Neben der so sichergestellten guten Auffindbarkeit und sinnigen Wegeführung, bietet die Lage am Rand des städtischen Konversionsgebietes für die Zukunft die Möglichkeit, das gesamte Areal frei entwickeln zu können, so zum Beispiel den Bahnhof selbst oder auch das Kapuzinerviertel. Die Brücke versteht sich hierbei als Initialzündung für eine Neu- und Weiterentwicklung nach Osten.
Die in Sichtachse gelegene Positionierung von Treppe mit Lift und Fahrradrampe sorgen für einen dynamischen und einladenden Antritt der Brücke auf Stadtseite. Unter der Rampe gibt es Raum für Technik und ein Fahrradregal, welches an die Stelle des bisherigen Fahrradparkhauses tritt. Der kleine Platz, der durch die Brücke, den Bahnhof und das Stellwerk gefasst ist, liegt in unmittelbarer Nähe zur Kiss and Ride-Haltfläche
Die vier Meter breite Nutzfläche der Brücke bietet ausreichend Platz für ganz verschiedene Nutzergruppen. Nach der Querung der Bahngleise lädt die Brücke mit dem flachen, elliptischen Schwung auf Seeseite zum Flanieren ein. Auf Höhe des Scheitelpunktes bieten Sitzstufen die Möglichkeit zu verweilen. Hier ragt die Brücke als Aussichtsplattform über den See und gibt den Blick auf die Bucht frei.
Auf Seeseite integriert sich die auslaufende Brücke in die bereits existierende Planung der Seepromenade und liegt mittig zwischen den ruhigeren Wiesen des westlichen Ufers und dem belebteren Kulturufer der östlichen Promenade mit seinen gastronomischen Angeboten.


Das statische Konzept

Aus der städtebaulichen und architektonischen Lösung für die Wegeführung der Brücke ergeben sich die wesentlichen Ausgangspunkte für den konstruktiven und statischen Ansatz der Brücke: Der Schwung über den See sollte möglichst stützenfrei erfolgen und ist gleichzeitig das gestalterische Kernelement der Brücke. Darüber hinaus erfordern die komplizierten Bodenverhältnisse Gründungen mit verrohrten Bohrpfählen; aus wirtschaftlichen Gründen sollte daher die absolute Anzahl der Gründungen reduziert werden.
Hieraus entsteht das konstruktive Konzept der neuen See-Stadt-Verbindung als Seilbrücke mit verwundenem Pylon. Die freie Stützweite von 120 m ist elliptisch gebogen und einseitig an Tragseilen aufgehängt. Die Tragseile bilden einen Fächer, der am Pylon im Schwerpunkt der Konstruktion hängt. Die verwundene Anmutung des Pylons ist dabei keine zufällig gewählte Freiform, sondern das Ergebnis einer iterativen, baustatischen Formfindung für ein spezielles Problem. In einem geraden Pylon würde die fächerförmige Anordnung der Seile große mehrachsige Biegebeanspruchungen erzeugen. Der verwundene Pylon dagegen wirkt wie ein räumlicher Druckbogen und kann die Seilkräfte effizienter abtragen. Der räumliche Fächer mit dem verwundenen Pylon - die zusammen an das benachbarte Konzertsegel erinnern - werden zum weithin sichtbaren Symbol der neuen Seebrücke und stellen eine gestalterisch sowie baustatisch einmalige Lösung dar.


Die Konstruktion

Der Brückenquerschnitt ist ein torsionssteifer, luftdicht verschweißter Stahlhohlkasten. Der dreieckige Querschnitt im Bogenbereich weitet sich in einen Trapezquerschnitt, der die Brücke über die Bahngleise trägt. Die eigentliche Lauf- und Fahrfläche ist eine 10-13cm starke, beschichtete Betonplatte, die das dynamische Verhalten der Brücke positiv beeinflusst. Aufgehängt ist die Brücke an Querschotten mit Gabelseilhülsen. 40 mm starke, vollverschlossene Tragseile verbinden die Brücke mit dem Pylon, der seinerseits über ein 80 mm vollverschlossenes Abspannseil im Boden verankert ist. Der Pylon selbst ist ein räumlich verwundenes Stahlrohr von 250 mm bis 800 mm Durchmesser. Seine Gründung erfolgt über eine Pfahlkopfplatte auf verrohrten Bohrpfählen. Das Abspannfundament wird über vorgespannte Daueranker befestigt.

Der Bauablauf

Die gekrümmte Brückenform wird aus abschnittsweise geraden Elementen zusammengesetzt. Werkseitig werden diese zu transportierbaren Abschnitten verschweißt. Vor Ort erfolgt das Aufrichten in drei Phasen. Zunächst erfolgt der Einhub über dem circa 30 Meter breiten Bereich der Bahngleise. Anschließend wird die Rampe im der Stadtseite in Abschnitten auf den entsprechenden Stützen montiert. Der lange, halbelliptische Bogen auf der Seeseite wird vor Ort zusammengeschweißt und schließlich im Ganzen eingehoben und mit dem Pylon verbunden.