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Nichtoffener Wettbewerb | 10/2017

Neubau Konzerthaus

4. Preis

Preisgeld: 60.000 EUR

3XN

Architektur

DS-Plan Ingenieurgesellschaft für ganzheitliche Bauberatung und Generalfachplanung GmbH

TGA-Fachplanung, Tragwerksplanung

Peutz Consult GmbH

Akustikplanung

hhpberlin - Ingenieure für Brandschutz GmbH

Brandschutzplanung

Erläuterungstext

Einleitung – die Musik der Architektur

Die Schönheit der Musik entsteht durch die Harmonie stringenter Rhythmen und spielerischer Variationen der Töne – zwischen dem Raum, wo die Musik entsteht, und den Menschen, die sie erleben.

Die Werkzeuge und Systeme der Musik sind, ungeachtet der Stilarten, Komponisten und Epochen, die gleichen, während ihr Ausdruck und Gefühl in ständiger Veränderung und Erneuerung begriffen ist. Dieser Gleichklang zwischen dem Rationellen und dem Sinnlichen – dem, was logisch zu erläutern ist, und dem, was nur erlebt werden kann – liegt unserem Vorschlag für einen neuen Konzertsaal in München zugrunde.

Unser Vorschlag beruht auf dem Grundgedanken, dass ein Konzerthaus sowohl ein praktisches Gebäude mit einem so rationell wie möglich ablaufenden Betrieb sein sollte, als auch ein besonderer poetischer Ort in der Stadt, der die Menschen inspiriert und verführt. Die Musik ist ein besonderer Raum, in den wir Menschen eintreten können, ein Raum, der den Träumen und Sehnsüchten unseres Lebens Platz bietet. Einen solchen Raum wollen wir mit unserem Vorschlag für den neuen Konzertsaal der Stadt München schaffen.

Ein Haus in der Stadt

Unser Vorschlag begründet sich auf drei Baukörpern, die jeweils einen von insgesamt drei Sälen enthalten. Die Funktionalität des Gebäudes fällt unmittelbar ins Auge. Durch die unterteilte Geometrie verbindet sich das Haus mit der sich umgebenden Stadt.
Die drei Baukörper ermöglichen es, das Grundstück voll zu nutzen, ohne dass das Gebäude zu groß oder massiv und damit als Fremdkörper im Stadtteil erscheint.

Die funktionellen Anforderungen an das Haus werden rational und effizient durch die Geometrie und Platzierung der drei Baukörper gedeckt. Die drei Säle sind nacheinander angeordnet. Sie werden auf drei Seiten durch ein langes Foyer miteinander verbunden, das den Publikumsteil des Konzertsaales verbindet und das Gebäude offen und einladend erscheinen lässt. Dieses Foyer, das wie eine überdachter Stadtraum wirkt, erleichtert es den Gästen, sich im Konzertsaal zu orientieren. Die zwischen den Sälen gelegenen Räume bilden natürliche Einbuchtungen, wo breite, einladende Treppen die Niveaus des Foyers zusammenbinden. Die Treppen können für Foyerkonzerte oder andere Veranstaltungen genutzt werden, beispielsweise tagsüber, oder für Einführungen vor dem Konzert des Abends. Das große Konzertfoyer lässt sich je nach Bedarf aufteilen und schließen. Das Restaurant und die Räumlichkeiten der Musikhochschule sowie die Education-Bereiche können somit einzeln genutzt werden, ohne dass das Foyer offen und leer steht. Dadurch wird das Foyer und seine Einrichtungen auch tagsüber genutzt und das Haus wird ein Katalysator für die Aktivitäten des Stadtteils.

Das Publikum bewegt sich in Längsrichtung des Hauses und der Publikumsstrom kann von den Eingängen aus beobachtet werden. Nach Südosten, in den Eckbereichen des Gebäudes, werden die Geschäfte platziert, welches auch zur Offenheit und Überschaubarkeit aller Seiten des Hauses beiträgt.

Gegen Nordwesten und Südosten entstehen ein urbaner bzw. ein grüner Platz, wo eine Außenbewirtschaftung des Cafés und des Restaurants möglich ist, sowie zwei klar definierte Straßenräume nach Nordosten und Südwesten, die es Besuchern und Mitarbeitern leicht machen, in den Konzertsaal zu gelangen. Durch diese Form und Platzierung des Gebäudes ergeben sich eine Anzahl baulicher Elemente, die eine Eingliederung des Konzerthauses in die städtische Umgebung erleichtern.


Ankunft an einem besonderen Ort

Ein Abend im Konzertsaal soll eine Reise sein – weg vom Alltag, hinein in eine Welt der Träume und Gefühle. Diese Reise beginnt beim Eintreffen im Konzerthaus und der Begegnung mit der Architektur des Gebäudes. Das Besondere nimmt bereits beim Blick auf die Fassaden des Hauses seinen Anfang, die sich wie ein Stück sich windendes Textil um die drei Konzertsäle bindet.

Die Fassade besteht aus einer Reihe hängender, mit weißen Natursteinen oder glasierten Klinkern verkleideter Finnen. Dazwischen schieben sich Glaspartien. Diese Geometrie ist gleichzeitig repetitiv und rationell, aber auch wie Musik spielerisch und expressiv. Die Fassade bildet ein sich änderndes Muster aus plissierten Falten. Man kann die tänzelnden Finnen mit einer Reihe von Noten oder einem Rock vergleichen, der sich im Wind bauscht. Die Fassade bittet den Besucher ins Haus, da sie an den Eingängen angehoben wird und um das gesamte Gebäude herum ein in sich geschlossenes Motiv bildet. Das gleiche Fassadensystem wird für den großen Foyerbereich und für die Büroflächen verwendet. Von außen gesehen entsteht ein gleichartiger Ausdruck, der ahnen lässt, welches besondere musikalische Erlebnis drinnen wartet. Dieses System erlaubt gleichzeitig gute Tageslichtverhältnisse und von allen Funktionen des Konzertsaals, vom Foyer bis hin zu den einzelnen Büros, einen Blick hinaus.

Hinter der weißen Fassadenhülle ahnt der Betrachter einen warmen Holzton. Die drei Säle sind mit Holz verkleidet, und dieses Material bildet die innere Fassade des Gebäudes. Das Foyer windet sich wie ein langgezogener überdachter Stadtraum um die drei Säle und sorgt für eine Verbindung zwischen den Sälen, die den Gästen die Orientierung erleichtert. Das Foyer ist der Treffpunkt vor und nach den Konzerten und die Einbuchtungen zwischen den Sälen können für unterschiedliche Aktivitäten genutzt werden. Es war für uns von Bedeutung, einen einladenden, mit Leben erfüllten Raum zu entwerfen, der Transparenz zwischen den verschiedenen Gebäudebereichen und deren Aktivitäten gewährleistet.

Nähe und Intimität

Das Erlebnis eines Konzerts entsteht durch die Synergie zwischen den Musikern, dem Raum, in dem die Musik gespielt wird, und den Menschen, die sie erleben. Unser Wunsch war es, einen Konzertsaal zu entwerfen, der jedem Gast gemeinsam mit anderen ein persönliches, unmittelbares Erlebnis ermöglicht.

Der Saal ist als „Weinberg“ konzipiert und die Zuhörer sitzen auf allen Seiten des Orchesters. Das Publikum ist in kleineren Gruppen in einer organisch ausgeformten Kurve um das Podium herum gruppiert. Dadurch erhält der Saal einen spielerischen, musikalischen Ausdruck, der gleichzeitig „intime“ Sitzplätze ermöglicht. Das Publikum sitzt in unmittelbarer Nähe der Musiker und kann über das Podium hinweg sehen. Das schafft eine Atmosphäre von Nähe und Gemeinschaft, und wir sind der Auffassung, dass dies das kollektive Erlebnis eines guten Konzerts unterstützen wird. Die angestrebte Atmosphäre wird durch die Materialwahl unterstützt. Für den Saal wurde Holz gewählt, was ihm zusammen mit seiner weichen Geometrie einen warmen, einladenden und harmonischen Ausdruck verleiht.

Die verschiedenen Blöcke sind auf drei Ebenen verteilt, die durch einen vom Foyer ausgehenden Umlaufgang verbunden sind. Dies sichert eine gute, effiziente Passage und eine schnelle Verteilung der Besucher. Das Podium ist das Herz des Saales und auch das erste, was bei Betreten des Saales ins Auge fällt. Zusammen mit der asymmetrischen, organischen Form des Raumes bietet sich dem Besucher als Auftakt des Konzerts eine Vielzahl architektonischer Erlebnisse.


Der Taktschlag des Konzerthauses

Die Kernfunktionalität des Gebäudes ist der tägliche Betrieb eines Konzerthauses. Daher ist wichtig, eine so effiziente wie operationelle „Maschine“ zu gewährleisten. Wir betrachten den Bereich„Back of House“, dort, wo die tägliche Arbeit anfällt, als den Taktschlag des Gebäudes, der einen guten Rahmen für die Entfaltung der Poesie der Musik und der Architektur bildet.

Der „Back of House“-Bereich befindet sich entlang der Südwest-Fassade. Ein interner Verbindungsgang in zwei Ebenen sichert bei der Vorbereitung der Bühnen einen kurzen Weg von den Depots, und auch der Weg zwischen Garderoben und Bühnen ist kurz. Der gesamte Be- und Entladebereich liegt auf der gleichen Ebene wie das Podium des großen Saals. Ein breiter interner Verbindungsgang verbindet den Be- und Entladebereich mit den Bühnen, dem Warenaufzug und der Küche und gewährleistet einen effizienten Arbeitsgang für die Mitarbeiter des Hauses. Der gesamte Fahrverkehr um das Gebäude wird in südwestliche Richtung geleitet. Hier ist eine Bushaltestelle, ein Taxenstand, eine Einfahrt in ein unterirdisches Parkhaus sowie eine Einfahrt zum Be- und Entladebereich vorgesehen.

Die gesamte Westseite des Hauses ist daher so rationell wie möglich konzipiert. Dies sichert reibungslos ablaufende Arbeitsgänge und ein klares architektonisches System, das leicht einzurichten ist und kostengünstig gebaut werden kann. Es war uns wichtig, dem Gebäude ein operationelles Rückgrat zu verleihen, das sowohl den praktischen Anforderungen eines Konzerthauses gerecht wird als auch einen guten Arbeitsplatz sichert.


Rationalität und praktisches Bauen

Unser Vorschlag für ein neues Konzerthaus der Stadt München ist so ausgeformt, dass es einerseits expressiv und einzigartig, andererseits aber auch praktisch realisierbar und funktionell ist. Geometrie und Materialien des Gebäudes haben gemeinsam, dass sie auf unterschiedliche Weise gebaut werden können. Damit wird bei der Ausschreibung des Baus der größtmögliche Wettbewerb gesichert. Die tektonischen Lösungen wurden gewählt, um eine lange Haltbarkeit zu sichern.

Der gesamte „Back of House“-Bereich ist geometrisch so einfach gestaltet, dass er kostengünstig gebaut werden kann und somit mehr Mittel für die exponierten Bereiche zur Verfügung stehen. Die Fassade erscheint expressiv und variiert, basiert jedoch auf sich wiederholenden Elementen, die in rationeller Bautechnik montiert werden können. Die Materialien sind nach den Gesichtspunkten der langen Haltbarkeit und dem Mindestmaß an Wartung ausgewählt worden, so dass das Gebäude viele Jahre lang ansprechend erscheinen wird und leicht und effizient instandgehalten werden kann.


Raum für Entfaltung (als Anmerkung zu Formblatt B, Kennwerte)

Das Gebäude ist konzipiert, um eine Verwirklichung des gewünschten Programms zu gewährleisten. Der gesamte Baukörper ist den Verhältnissen seiner Umgebung angepasst. Das bedeutet unter anderem, dass die Größe des Foyers aufgrund von Erfahrungen mit ähnlichen Projekten festgesetzt wurde. Auch folgt daraus, dass die gesamte Geschossfläche (GF) von 17.300 m² die maximal zugelassene GF von 17.500 m² fast erreicht und dass die Grundfläche (GR) des Gebäudes, 6.175 m², über den 5.300 m² liegt, die im derzeitigen Bebauungsplanentwurf festgesetzt sind. Es ist entscheidend für den Erfolg des Projekts, dass so viele der publikumsorientierten Flächen wie nur möglich im Erdgeschoss platziert werden, und daher sind wir der Auffassung, dass eine Aufstockung der Geschossfläche (GF) auf 6.175 m² vertretbar ist.

Beurteilung durch das Preisgericht

Es handelt es sich um einen faszinierenden Entwurf mit starker ästhetischer Wirkung. Die sehr spezielle Fassade, die wie ein geworfenes Tuch wirkt, lässt den kulturellen Ort sofort erkennen. Alle drei Aufführungsorte sind schon von außen klar lesbar und haben jeweils großes Gewicht. Die Fassadenstruktur schafft ein einzigartiges Erlebnis und öffnet sich am Haupteingang an der Längsseite dem Besucher. Auch das dort angesiedelte Eingangstreppenhaus schafft große Erwartung. Der Entwurf überzeugt weiter durch eine gute Aufteilung in öffentlichen und nichtöffentlichen Bereich. Der große Saal überzeugt mit seiner geschwungenen Anmutung. Das Café ist klug platziert, macht Lust zum Verweilen; auch die Büros sind gut strukturiert. Die ästhetisch an sich überzeugende Anordnung der drei Säle nebeneinander auf einer Ebene führt allerdings zu einer erheblichen Problematik der Erschließung. Der Foyer-Bereich im Obergeschoss birgt gravierende Schwierigkeiten, da mit einer extremen Ballung der Publikumsströme zu rechnen ist, die für Großen und Kleinen Saal am Absatz der Eingangstreppe zusammenlaufen. Der Entwurf bietet zwar eine zweite Zugänglichkeit für den Kleinen Saal an (über eine separate Treppe zwischen Kleinem Saal und Werkstatt), angesichts der zentralen Treppe des Haupteingangs ist allerdings nicht damit zu rechnen, dass die Besucherstromlenkung im gewünschten Umfang gelingt. Das herausragende Projekt zeigt über alle Aspekte sehr gute akustische Voraussetzungen. Der Große Konzertsaal hat ein sehr hohes akustisches Potenzial. Bei der akustischen Detailplanung des Großen Konzertsaals sollte ein besonderes Augenmerk auf die frühen seitlichen Reflexionen und die Gestaltung der Bühne (Chor) gelegt werden. Auch ist das Konzertpodium erheblich zu klein (entspricht etwa der Tiefe des Herkulessaals), das Chorpodium ist in der vorgeschlagenen Form nicht funktional. Die Vorgabe von maximal 20 % der Zuschauerplätze hinter der vorderen Podiumskante wird überschritten. Zudem ist der Bühnenzugang sehr beengt. Allgemein ist die Backstage-Erschließung beschränkt bzw. nicht vorhanden (speziell beim Kleinen Saal). Funktional sehr Kritisch zu sehen ist auch die Vermischung von Anlieferungszone und Musikerbereich. Es handelt sich um einen kompakten Baukörper. Das Fassadenkonzept birgt Kosten- und Unterhaltsrisiken Der Entwurf hält sich an die Höhenvorgabe des Bebauungsplans und überschreitet die vorgegebene Geschossfläche in einem vergleichsweise geringen Maße. In diesem Rahmen ergeben sich aber für die Umsetzung der Entwurfsidee erhebliche funktionale Probleme. Ein zentrales Problem des Entwurfs besteht in der ästhetisch nachvollziehbaren Anordnung des Zentraleingangs (Anheben des Fassadentuchs) an der Längsseite, der dort aber auf eine städtebaulich unangemessene Situation trifft (Wohnbebauung, Schulgebäude, Lärmbelastung). Insgesamt ein ästhetisch sehr gelungener Entwurf, der mit der momentan geplanten Umgebungsbebauung nicht harmonieren kann.