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Nichtoffener Wettbewerb | 10/2017

Neubau Konzerthaus

5. Preis

Preisgeld: 40.000 EUR

Staab Architekten

Architektur

Bollinger+Grohmann

Tragwerksplanung

WBP Winkels Behrens Pospich Ingenieure für Haustechnik GmbH

Energieplanung

Müller-BBM Building Solutions GmbH

Akustikplanung

Gruner GmbH, Köln

Brandschutzplanung

Erläuterungstext

Leitidee
Das Werksviertel am Ostbahnhof ist kein klassischer Standort für ein Konzerthaus. Hier findet sich keine Blick-achse, die es als eindrucksvoller Solitär bekrönen, kein Stadtplatz, den es mit einer pompösen Fassade adeln und keine Gesellschaft bedeutender Kulturbauten, in der es sich inszenieren kann. Stattdessen wartet hier eine hemdsärmlige, heterogene Ansammlung von Werkshallen und Industriegebäuden unterschiedlicher Couleur, in der sich jedes Gebäude erst einmal behaupten muss. In diesen Großstrukturen ist nach Aufgabe der Produktion eine andere Form von Kultur entstanden, deren junge Protagonisten sich Kunst und Musik auf ihre Weise zu eigen machen und sie vorantreiben. Wir sehen an diesem Ort die einmalige Chance, die kreative Dynamik mit der etablierten Kunst in Kontakt zu bringen, einen Kontakt, der Reibung erzeugt und Energie.

Unser Konzerthaus besetzt seinen Platz selbstbewusst und öffnet sich der Umgebung. Es zeigt sich, strahlt auf die Umgebung aus, nimmt ihre Impulse auf und arbeitet mit ihnen.
Wir sehen hier einen robusten, durch das Tragwerk gegliederten Bau, der durch die klassischen industriellen Baustoffe Beton, Glas und Metall gekennzeichnet ist. Dieser Bau fügt sich ein und steckt doch das Terrain ab, das fortan der Musik gehört. Seine leuchtende Stirnseite, deren Lichtpunkte an der Betondecke des Foyers bis zum anderen Gebäudeende durchlaufen, zeigt bereits, dass hier die Musik gefeiert wird, rauh und glamourös zugleich.

Doch hebt der Bau die Kunst nicht aus der Menge heraus, sondern macht die Straßenebene zur Bezugsgröße. Das gesamte Erdgeschoss bleibt frei für die geplante und informelle Begegnung mit Musik, auch der Große Saal öffnet sich hier wie eine Muschel und tritt mit einem Horizont aus Glas in direkten Kontakt zu Passanten und Besuchern. Hier entsteht ein Spielfeld, auf dem von der Galaveranstaltung bis zur Stand-up-Performance alles Platz hat. Hier treffen Studenten und Musiker mit Ansässigen in der Kantine zusammen, strömen erwartungsvolle Konzertbesucher ins Haus, verlängert man die Mittagspause beim Lunchkonzert, lernen Schulkinder Instrumente kennen. Zu Konzertzeiten lassen sich Zonen der Zugänglichkeit definieren, die sich gegenseitig befruchten. Das Glas Wein vor dem Konzert, der CD-Kauf nach dem Konzert und der Barbesuch mit Freunden im Anschluss bewegen sich selbstverständlich zwischen diesen Grenzen. So wird das Gebäude Stadt und doch klar definierter Ort für Musik auf höchstem Niveau. Eine feste Größe für Musikinteressierte, ein Tempel für Konzertgänger und ein Motor für seine Umgebung.

Beurteilung durch das Preisgericht

Das Projekt bezieht sich ausdrücklich in Form und Struktur auf die bauliche Geschichte des Werksviertels. Es verweist auf eine industrielle und seriell geprägte Ästhetik, arbeitet jedoch dieser durch differenziert gestaltete Oberflächen gleichzeitig entgegen. Zurückhaltung, eine präzise Setzung im Stadtraum und ein aus den konstruktiven Absichten resultierender Ausdruck sind die prägenden Merkmale des Konzeptes. Diese Haltung kann auf den ersten Blick überzeugen. Zugunsten einer Aufnahme der Baufluchten nutzt das Gebäude überraschend nicht den möglichen Bauraum und offeriert damit großzügige Freiräume. Die kontextuelle Einordnung gelingt dadurch, im Hinblick auf das Volumen, in überzeugender Weise. Diese Schlankheit des Baukörpers hat aber ihren Preis, da damit für die Funktion des Gebäudes selbst erhebliche Einschränkungen verbunden sind. Die Barrierefreiheit muss punktuell überarbeitet werden. Die Tiefgaragenzufahrt ist eine trennende Öffnung im Stadtraum und auch die gesamte Anlieferungssituation kann in der dargestellten Form nicht akzeptiert werden und müsste umfänglich überarbeitet werden. Die, durch die konstruktive und organisatorische Struktur betonte Orientierung in der Längsachse, widerspricht zum Teil der beabsichtigten Öffnung nach allen Seiten des Werksviertels. Die Längsfassaden sind zu einem großen Teil durch notwendige funktionale bauliche Elemente belegt und konterkarieren die multilaterale Orientierung. Die äußere Erschließung ist selbstverständlich, die Hauptzugänge werden durch das große, stützenfreie und die gesamte Bauwerksbreite einnehmende Portal adäquat abgebildet. Weitere Zugänge ergeben sich durch die Rhythmisierung der Tragstruktur. Diese Multilateralität der Zugänge und der transitorische Charakter der Foyer-Ebene werden vom Preisgericht besonders gewürdigt. Die Verfasser schlagen mit dem Foyer ein Territorium vor, welches als Feld mit unterschiedlichsten Veranstaltungen relativ flexibel bespielt werden kann. Mit dieser Intention entspricht das Projekt den Erwartungen an Öffnung und Öffentlichkeit des Foyers zum urbanen Raum. Fast alle notwendigen Serving-Spaces, Shops etc. werden an den beiden längsseitigen Konstruktionszonen passgenau angeordnet, jedoch sind Garderoben und WC-Anlagen für die Besucher in der Lage 1. Untergeschoss und auch im Raumzuschnitt und Raumfluss nicht adäquat angeordnet und nicht selbstverständlich erfahrbar. Der vorgeschlagene kleine Zugang zum Parkett des großen Saales wird in dieser Form nicht möglich sein. Die Raumqualität der Erschließungen, wie auch die Führung des Publikums zum großen und kleinen Saal wie auch im weiteren Verlauf zu den Rängen sind noch nicht befriedigend gelöst. Auch wäre eine größere Transparenz der Besucherzonen vom 1. Untergeschoss bis zum 2. Obergeschoss wäre im Haus wünschenswert. Bis auf die punktuelle Deckenöffnung des großen Wendeltreppenraumes zum Tageslicht sind die wesentlichen Besucherzonen vor den Sälen und dem Werkstattbereich im 1. und 2. Obergeschoss vom Tageslicht und von Sichtbezügen nach außen, aber auch von außen nach innen weitgehend abgeschlossen. Die Aufenthaltsqualität ist dadurch deutlich eingeschränkt. Der im Foyer frei eingestellte große Saal wirkt angesichts der schmalen Kubatur teilweise eingezwängt. Die Entfluchtung des großen Saales im Erdgeschoss durch das Foyer ist nicht nachgewiesen. Die allseitige Transparenz zum Foyer wird seitens des Preisgerichts kontrovers diskutiert und bewertet. Die rationale Anmutung des Saales entspricht eher einem Plenarbereich, der durch hohe Brüstungen abgetrennte Chorbereich funktioniert nicht. Generell wird von Nutzerseite kritisiert, dass die Räume für die Künstler und Dirigenten zu weit voneinander entfernt sind. Das Projekt basiert auf einem guten akustischen Konzept, welches beim Großen Konzertsaal sehr innovativ ist. Allerdings erfordert die Verglasung im EG bezüglich Schallstreuung eine deutliche Überarbeitung. Das Volumen sollte etwas reduziert werden. Der Schallreflektor kann die Sichtlinien beeinträchtigen, was akustisch bedeutsam ist. Das Tragwerk erscheint plausibel, die benötigten Geschossflächen liegen im oberen, die Wirtschaftlichkeit im mittleren Bereich. Energietechnisch hat das Gebäude keine spezifischen Merkmale, gehört aber im Vergleich zu den besseren Beiträgen. Das Projekt ist ein wertvoller Beitrag zur gestellten Aufgabe, der aber leider nicht in Gänze die, in einem zurückhaltenden Ausdruck im Äußeren, zugunsten einer räumlichen Opulenz im Inneren, liegende Möglichkeit nutzt.