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Nichtoffener Wettbewerb | 10/2017

Neubau Konzerthaus

Konzerthaus München_Henning Larsen - Platzansicht

Konzerthaus München_Henning Larsen - Platzansicht

Anerkennung

Preisgeld: 25.000 EUR

Henning Larsen Architects

Architektur

MAN MADE LAND

Landschaftsarchitektur

Buro Happold

Bauingenieurwesen

Marshall Day

Akustikplanung

Turner & Townsend GmbH

sonstige Fachplanung

Erläuterungstext

Architektonisches Konzept
Ein Konzertsaal ist gewissermaßen eine Form der Technologie, die es uns ermöglicht,
gemeinsam in einer Umgebung mit der bestmöglichen Akustik Musik
zu genießen, sozusagen ein HiFi-System.
Grundsätzlich wird Musik heutzutage nicht nur in Konzertsälen erlebt,
sondern auch digital über verschiedene Medien gehört. Historisch gesehen
ist Musik jedoch ursprünglich ein aktiver und inklusiver Akt und eben nicht
nur ein passives, wenn auch großartiges Erlebnis. Dies gilt für die ersten, von
Menschenansammlungen hervorgebrachten Stammesrhythmen bis hin zur
Volksmusik. Ungleich anderen Kunstformen ist das Einzigartige bei der Musik,
dass wir das Gleiche zur gleichen Zeit erleben. Wir werden sozusagen synchronisiert,
was einen fundamental kollektiven Akt darstellt.

Das Konzept unseres Entwurfes für das neue Konzerthaus in München basiert
auf drei Hauptelementen: Dem Konsum (den Konzertsälen), der Produktion
(die Räume, die an die Säle gebunden sind: Nebenbühnen, Probenräume,
Verwaltung, Logistik, Bildung und die Musikschule), und der Schnittstelle zwischen
diesen beiden Elementen. Die Schnittstelle bildet den Übergang, das Tor
zur Außenwelt, wo Besucher eingeladen werden und in die Welt der Produktion
wie auch des Konsums von Musik eintauchen können.
Das architektonische Konzept konzentriert sich somit auf die Beziehung zwischen
Produktion und Konsum von Musik. An diesem Standort, einem früheren
Ort der industriellen Produktion, wird zukünftig Musik produziert und konsumiert
werden, und zwar innerhalb und in direkter Nachbarschaft des Gebäudes.
Außerdem wird das Produkt aufgenommen und gespeichert und zu einer
Vielzahl unterschiedlicher Plattformen übertragen werden.
Die Beziehung zwischen den Elementen vor Ort, Produktion und Konsum,
formt die Grundlage für das architektonische Konzept „MusikWerk“. Das
MusikWerk betont die sozialen ebenso wie die ästhetischen Erlebnisse beim
Konsum und der Produktion von Musik. Im MusikWerk wird Musik geteilt,
dargeboten und auf unterschiedlichste Weise daran teilgenommen, in klaren
und unterschiedlichen Volumen, die aber alle von gleicher Bedeutung sind. Die
Zugänglichkeit ist eng mit der Klarheit des Gebäudes verbunden und damit,
dass der Besucher die unterschiedlichen Bereiche wahrnehmen kann. Das
MusikWerk ist einfach zu verstehen.

Gebäudebeschreibung
Das Gebäude ist zu allen Seiten hin durchlässig und für alltägliche
Aktivitäten, die im Inneren stattfinden, gibt es die Möglichkeit, die
umgebenden Straßen und Grünflächen mit einzubeziehen.
In der Gesamtkonfiguration werden die beiden Hauptsäle in Richtung
des Piusangers angeordnet, um die grüne Achse vom Ostbahnhof
zum Piusplatz zu stärken. Die Volumen der Hauptprogrammteile
werden durch ein gemeinsames Dach verbunden, das wie eine riesige
Lagerhalle einen ruhigen, Largo-Rhythmus schafft. Das Dach formt
dabei die optimalen Höhen der einzelnen Funktionen nach.
Der Haupt- bzw. Abendeingang und das Foyer zum Großen Saal
sind an der neuen Plaza positioniert, wo sie die Besucher, die vom
Ostbahnhof oder vom Taxistand kommen, willkommen heißen. Der
Hauptteil des Foyers ist um ein Geschoss angehoben, um den Zugang
zum Großen Saal für die Mehrheit der Besucher so bequem wie möglich
zu gestalten. Freiräume schaffen Blickbeziehungen zwischen den verschiedenen
Ebenen des Foyers und eine Terrasse zur Atelierstraße ermöglicht
es, an lauen Sommerabenden nach draußen zu gehen.
Das Restaurant, das über dem Foyer liegt, hat einen eigenen Zugang von
der vorgelagerten Plaza aus. Es kann vollkommen eigenständig funktionieren,
ist aber mit Brücken an das „Produktionsgebäude“ gekoppelt. Der
Greenroom über dem Restaurant hat Zugang zu einer eigenen kleinen
Dachterrasse mit einem atemberaubenden Blick über die Münchner
Skyline und die Alpen.
Das lineare „Produktionsgebäude“ entlang der Atelierstraße hat
einen unruhigeren, schnelleren Allegrissimo-Rhythmus. Die verschiedenen
Funktionen öffnen sich zur Straße, wobei diejenigen, die
an Tagesaktivitäten gebunden sind, sich im Erdgeschoss befinden.
Nebeneingang, Kartenverkauf, Information, Shops, Künstlereingang und
Anlieferung schaffen so eine offene und transparente Fassade entlang
der Straße.
Die Anlieferung bietet Zugang zum Backstage-Zentrum der Hauptsäle.
Für einen einfachen und direkten Arbeitsablauf befinden sich die
Laderampe und die Bühnenebene des Großen und des Kleinen Saals auf
gleicher Höhe. Das gemeinsame Musiker-Foyer bedient beide Säle und
ist über Treppenhaus und Lift mit den Garderoben und Probenräumen
verbunden. Die Anordnung beider Säle auf der gleichen Ebene ergibt
die Möglichkeit, den kleinen Saal als Probenraum für das Orchester zu
nutzen. Ein weiterer Vorteil ist, dass das Hauptfoyer beider Säle über
zwei Etagen verteilt ist, die aber visuell miteinander verbunden sind.
Dies ermöglicht eine einfache Kartenkontrolle, wenn beide Säle bespielt
werden.
Der Tageseingang erschließt den Bereich Bildung und den Stützpunkt
der Musikhochschule. Diese Funktionen sind über dem Kleinen Saal als
„Hub“ zusammengeschlossen. Das Foyer zum dritten Veranstaltungsort,
der Werkstatt, öffnet sich zum Park und ermöglicht es, den Saal autark
zu nutzen, ohne das Hauptfoyer öffnen zu müssen.
Durch Öffnungen und Einschnitte sieht die Öffentlichkeit das Leben
und die Produktivität im Inneren des Gebäudes. Es öffnet sich, schafft
Einblicke in die unterschiedlichen Aktivitäten und gibt so Neulingen
einen Anstoß, sich damit auseinander zu setzen.
Von außen erlebt man die Gleichwertigkeit der einzelnen Programmteile
des Gebäudes für die „Produktion“ und den „Konsum“ und ihre unverkennbare
innere Beziehung. Durch Brücken im „Übergangsbereich“ ist es
möglich, alle Funktionen zu verbinden oder zu trennen, je nach Bedarf.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Hauptbaukörper wird in Form und materieller Erscheinung in den Charakter des Werksviertels eingebunden. Die gewählte Dachform gliedert dabei den Baukörper und lässt ein sehr eigenständiges Bild entstehen. Mit dem vorgelagerten Riegel – vom Verfasser „Produktionsgebäude“ genannt – wird an der Südwestseite ein völlig eigenständiges Element eingeführt, dessen Begründung nicht überzeugt, insbesondere weil die Separierung funktionale Defizite erzeugt. Der Entwurf erscheint durch die Gebäudeform, die prägnante Farbigkeit und Materialität einprägsam. Die Ausnutzung des kompletten Grundstücks erzeugt eine Enge am Vorplatz. Im Eingangsbereich Die Verfasser gelingt jedoch das Problem mit einer überdachten Aufweitung des Platzes zu lösen. Der Gebäudezugang ist aber nicht klar gelöst. Die formulierten Vorstellungen zur Landschaftsgestaltung des Vorplatzes mit großformatigen Ortbetonplatten ist interessant, wobei die Funktionsfähigkeit überprüft werden müsste. Die räumliche Qualität des erdgeschossigen Foyers, sowie die Wegführung ins Obergeschoss sind einem Konzerthaus dieser Größe und Bedeutung nicht angemessen. Die Idee zweier separater Zugänge am Vorplatz und im Bereich des Zentralparks schafft eine eigene Adresse für den kleinen Saal, die innere Wegeführung zwischen den beiden Zugängen überzeugt aber nicht. Tiefgaragenzufahrt und Anlieferung weisen deutliche Mängel auf. Der große Saal mit einer klaren Weinberg-Konfiguration erzeugt eine angenehme und spannungsvolle Atmosphäre. Er wirkt jedoch im gesamten Grundriss überproportioniert und reduziert das südwestlich gelegene Foyer auf Restflächen. Der Entwurf des kleinen Saales zeigt vielfältige technische Gestaltungsmöglichkeiten auf und bietet die Möglichkeit den Raum mit Tageslicht zu versorgen. Chorprobensaal und Werkstatt überzeugen ebenfalls durch natürliche Belichtung Das Projekt zeigt über alle Aspekte sehr gute akustische Voraussetzungen. Der Große Konzertsaal hat ein sehr hohes akustisches Potenzial. Das Volumen sollte jedoch deutlich reduziert werden. Die Anordnung des Foyers entlang der Glasfront an der Atelierstraße erscheint zunächst schlüssig. Die Ausgestaltung entbehrt jedoch einer klaren räumlichen Fassung. Insgesamt sind Schlüsselstellen der inneren Erschließung für die zu erwartenden Besucherströme viel zu eng. Diese Problematik zeigt sich insbesondere bei der Garderobe, der Gastronomie, an Treppen und Toiletten. Die Orientierung der Besucher fällt schwer. Die Wege zwischen den Sälen sind zu lang. Im großen Saal funktionieren sowohl die Verteilung des Publikums als auch die Bühne sehr gut. Es werden durchdachte Details wie flexible Hubpodien und ein optimal platzierter Flügelaufzug gezeigt. Die Backstage-Bereiche für großen und kleinen Saal sind großzügig, insbesondere die Bühnenzugänglichkeit funktioniert sehr gut. Allerdings liegen die Stimmzimmer drei Ebenen über der Bühne und sind damit falsch angeordnet. In einer Überarbeitung könnten diese mit den Büros getauscht werden. Der Education-Bereich ist kompakt zusammengefasst und kann tagsüber natürlich belichtet werden. Die Defizite der Besuchererschließung setzen sich bei weiteren Funktionen des Foyers fort. Es fehlen vom Foyer unabhängige Rettungswege. Die Barrierefreiheit ist nicht adäquat hergestellt und muss punktuell überarbeitet werden, die WCs sind im Untergeschoss ungünstig situiert. Insgesamt gibt es viel zu wenige WCs. Auch die Garderoben sind zu klein bemessen. Die vorgeschlagenen Dachausschnitte könnten – nach Vorschlag des Entwurfsverfassers - für kleinere Konzerte genutzt werden. Ihre Anordnung liefert jedoch nicht die gewünschten Ausblicke. Die Logistik funktioniert, bis auf die Schrägstellung der LKW-Anlieferung, gut. Die Oberflächen der Fassade des Hauptkörpers, hauptsächlich Kupfer und Glas, erzeugen durch unterschiedliche Transparenz innerhalb dieses Materialkanons insgesamt ein haptisches und gegliedertes Bild. Die Verteilung der offenen, geschlossenen und semitransparenten Flächen erscheint aber zufällig. Die Fassade des „Produktionsgebäudes“ bricht ohne nachvollziehbaren Grund mit dem Materialkanon des Hauptgebäudes. Die vorgeschlagene Beton-Glas-Fassade überzeugt nicht, die horizontalen Faltungen der Fassade erscheinen zumindest in den oberen Geschossen willkürlich und manieriert. Die Konstruktion ist gut nachvollziehbar. Jedoch fehlt der Nachweis einer konstruktiven schalltechnischen Entkopplung. Es werden zu wenig Technikflächen nachgewiesen. Die Energiebilanz ist aufgrund der großen Hüllflächen mit sehr hohem Glasflächenanteil in Bezug auf Heizen und Kühlen ungünstig. In der Gesamtbetrachtung ist die Wirtschaftlichkeit bei der Erstellung des Gebäudes gegeben. Die Fassade lässt aufgrund der aufwändigen Oberflächen aus metallischen Geweben (Corten-Stahl, Kupfer, Aluminium) hohe Investitions- als auch Unterhaltskosten erwarten. Insgesamt erfüllt die Arbeit weitgehend die Vorgaben der Auslobung. Der äußere Ausdruck erscheint an diesem Ort überzeugend. Die Säle selbst bieten Atmosphäre, haben großes akustisches Potenzial und erfüllen die Ansprüche an die Nutzungsvariabilität. Die qualitativen Defizite bei Zugangssituation und innerer Erschließung, sowie die genannten funktionalen Mängel und die unausgereifte innere Organisation erscheinen jedoch gravierend und in der Summe schwer heilbar.
Konzerthaus München_Henning Larsen_Großer Saal

Konzerthaus München_Henning Larsen_Großer Saal