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Einladungswettbewerb | 11/2017

Verwaltungsgebäude Amt für kirchliche Dienste der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz

2. Preis

Preisgeld: 12.000 EUR

Axthelm Rolvien

Architektur

Erläuterungstext

A Ausformulierung des Neubaus:

1. Das Volumen:

Der Neubau setzt konsequent die Straßenrandbebauung in Fassadenebene und Traufhöhe fort und nimmt, auf moderne Weise übersetzt, das Prinzip der Lochfassade auf. Die Stirnfassade des Neubaus leitet zur städtebaulich gewünschten offenen Ecke des Quartiers über.

Besondere Bedeutung obliegt dieser Stirnfassade.

Grundsätzlich fordert das gewünschte Raumprogramm ein Gebäudevolumen, das die volle Tiefe der Nachbarbrandwand und die unter Einhaltung der Abstandsflächen mögliche Gebäudelänge ausnutzt.

Grafik Nr. 1 zeigt, dass dieses Volumen das Bestandsgebäude (Haus B) überwältigt. Es wird eine Maßstäblichkeit gesucht, die der Proportion des Bestandes entspricht und zu einer harmonischen Fassung der offenen Ecke führt.

Aus diesem Grund staffelt sich die Gartenfassade Haus C, den zulässigen Abstandsflächen folgend, in drei Abschnitte. Der erste Abschnitt nimmt die Tiefe der Nachbarbrandwand auf, der zweite, u.a. die Erschließung des Gebäudes beinhaltend, springt um 2 m in den Gartenbereich und maximiert an dieser Stelle das Volumen. Der dritte Abschnitt, welcher die Stirnfront des Neubaus erzeugt, kann so reduziert werden, dass sich die platzbildenden Fassaden von Neu - und Altbau in ihrer Proportion entsprechen und sie gemeinsam den Eingangsplatz harmonisch fassen. ( Grafik 2/3 )

2. Die Fassadengliederung:

Sockelausbildung:

Entwurfsziel ist es, auch hier den Entwurfsprinzipien des Bestandes zu entsprechen. Besonders wichtig ist der optische Zusammenhang zwischen dem Neubau C und dem Bestandsgebäude B.

Im Bestand ruhen auf einem leichten Sockelgeschoss, horizontal geschichtet, drei kompakte Obergeschosse. Ein leichtes Penthousegeschoss wird durch eine dominante Attika begrenzt.

Der Neubau nimmt das Prinzip der Schichtung auf. Auch hier ruhen auf einem transparent und leicht wirkenden Sockelgeschoss das folgende, ebenfalls geschichtete, Etagenvolumen. Auch hier trennen horizontale Bänder der Geschossdecken die Einzeletagen, die, trotz angestrebter Leichtigkeit, eine große Konsequenz erzeugen.

Damit sich auch in der Sockelhöhe Alt- und Neubau entsprechen, wird das deutlich höhere Erdgeschoss des Neubaus durch die Integration eines Sockels und einer höheren Geschossdecke zum 1. OG optisch reduziert (Grafik 4).
Das im Neubau eingefügte Fassadenband zwischen EG und 1.OG hat die Höhe und Optik der auffälligen Attika des Bestandsgebäudes und nimmt gleichzeitig die Höhe des Sockelgesimses des Blockrandnachbarn auf.

Etagenschichtung:

Auch das Paket der geschichteten Obergeschosse sollte ein Pendant im Neubau finden. Aus diesem Grunde wird die Basis des Neubaus zweigeschossig transparent und einladend gestaltet und das Penthouse soweit zurückgezogen, dass es optisch nicht zum Teil der Stirnfassade wird. So gelingt es, den drei geschichteten Etagen des Altbaus, die gemeinsam mit der dicken Attika des Penthouses viergeschossig wirken, eine Entsprechung zu bieten. ( Grafik 3 )

3. Die Fassadengestaltung :

Auch für die Fassade wird ohne zu imitieren eine Übersetzung der Bestandsarchitektur in die Jetztzeit gewünscht.

Die Qualität in der Bestandsfassade liegt in der strengen Gliederung, der sauberen Materialtrennung, und dem Spiel der Fassadenebenen.

Horizontalität:

Bewusst wird die horizontale Gliederung im Neubau aufgenommen. Wie im Altbau trennen und verbinden schlanke Geschossdecken das Volumen der Etagen. Konstruktiv bedingt sind die Deckenpakete im Neubau dicker als im Bestandsgebäude. Deshalb werden die Deckenränder optisch als Fugen ausgebildet. Der Fugenzwischenraum entspricht den sichtbaren Deckenstärken des Altbaus.

Positiv/negativ:

Während im Altbau die Putzfelder die Basis für die vortretenden, rechteckigen Ziegelfelder bieten, wird im Neubau, bei Aufnahme gleicher Proportionen, das System gedreht. Die hellen Flächen liegen in der vorderen Ebene der Fassade, die rechteckigen Felder werden durch die deutlich zurückliegenden Fensterflächen gebildet. Die tiefen Fensterlaibungen erzeugen die gleiche Plastizität wie beim Altbau und orientieren sich auch in ihrer Farbigkeit an der Ziegelfassade des Bestandes.

So entsteht zwischen Alt- und Neubau ein positiv/negativ Spiel. ( Grafik 6 )
Das Umdrehen des im Altbau vorhandenen Gestaltungskonzeptes hat den Vorteil, dass der Neubau deutlich mehr Transparenz erhält. Dies unterstreicht die gewünschte einladende Geste und kreiert gleichzeitig lichtdurchflutete Innenräume.


4. Die Stirnfassade

Besondere Bedeutung obliegt der Stirnfassade. Sie prägt nicht nur in ihrer Proportion sondern auch in ihrer Ausgestaltung das Entree der Gesamtanlage.

Während die Straßenfassade, in Anlehnung an die historischen Nachbarn, das Prinzip der Lochfassade aufnimmt, ist die Stirnfassade sehr transparent und einladend gestaltet. Von der Goethestraße kommend kann man so in dieser Fassade das Spiegelbild des Kirchturms der Trinitatiskirche sehen. Ein Spiel aus kupfernen Paneelfeldern und großformatigen Fensterscheiben, eingespannt in vorspringende Geschossdecken, entspricht der strengen Horizontalität der Stirnfront des Altbaus.

Auch hier gibt es das Positiv/Negativspiel. Während die Stirnfront des Altbaus eher geschlossen ist, ist die Stirnfront des Neubaus bewusst einladend.

Auch das Motiv der Eckverglasung des Altbaus wird im Neubau modern und transparent übersetzt aufgegriffen.

5. Materialität

Um der Feinsinnigkeit des Altbaus zu entsprechen, muss die Materialität des Neubaus eine feine Detaillierung erlauben und eine saubere Linienführung ermöglichen.

Während im Sockelbereich, der sich aus dem Eingangspodest entwickelt, eine haptische und beanspruchbare Materialität notwendig ist (heller Naturstein oder heller Beton), wird oberhalb des ersten Obergeschosses, durch die Verwendung einer Metallfassade, die Leichtigkeit möglich, die gewünscht ist. Helle Deckenkanten und Paneelflächen aus matt beschichtetem Aluminiumblech wechseln zu kupferfarbenen Leibungsblechen. Das Material Kupfer entspricht in seiner Farbigkeit den Ziegelflächen der Bestandsgebäude und findet gleichzeitig Tradition im Kirchenbau. Dort findet sich das Material in der Deckung von Kirchtürme aber auch häufig im Innenausbau sakraler Gebäude.

Die bewusst gewählte hohe Plastizität der Fassade (die Glasebene liegt deutlich hinter der Fassadenfluch) erlaubt die Ausführung der Paneele mit einem besonders hohen Dämmwert. Gemeinsam mit der vorgesehenen Dreifachverglasung und der intensiven Begrünung der Dachfläche entsteht eine ökologisch sinnvolle und nachhaltige Gebäudehülle.

6. Interne Organisation:

Der architektonischen Idee der transparenten einladenden Stirnfront folgend, befinden sich hinter dieser Fassade die kommunikativen Bereiche des Gebäudes. Im Erdgeschoss liegen Eingang, Foyer und Treffpunkt, in den darüber befindlichen Geschossen Besprechungsräumen, der Andachtsraum sowie die Meeting Points der Etagen.

Extrem wirtschaftlich wird das ganze Gebäude über ein Treppenhaus erschlossen. Es ist als außenliegendes Sicherheitstreppenhaus ausgebildet, welches keine technischen Maßnahmen benötigt (keine Nebenkosten). Um die publikumswirksamen Ebenen, EG bis 2.OG, zu verbinden, gibt es eine zusätzliche interne Verbindungstreppe.

Innerhalb der Etagen ist das gesamte gewünschte Raumprogramm untergebracht. Während das erste Obergeschoss, mit seiner besonders transparent gestalteten Fassade, bewusst einladend als Großraum frei möbliert ist, folgt in den Obergeschossen die gewünschte Einzelraumstruktur.

B Die offene Ecke:

Besondere Bedeutung erhält die städtebaulich gewünschte "Offene Ecke", Adresse und Zugangssituation des gesamten Areals.

Durch die zuvor geschilderten Stirnfassaden von Alt- und Neubau wird der Platz zweiseitig harmonisch gefasst. Um eine gezielte Verkehrslenkung zu erreichen wird die Freifläche durch einen gefalteten Sockeln, der sich aus dem Neubau entwickelt, gefasst. Er überspielt zugleich das Gefälle des Geländes, erzeugt eine städtebauliche Kante ohne den Blick zu versperren, führt den Fußgänger zur richtigen Stelle des Zugangs und lädt zum Verweilen ein. Podestinnenseitig entsteht unter dem Bestandsbaum ein gefasster Außenraum der im Sommer auch als Treffpunkt oder gar Besprechungsraum genutzt werden kann.


C Erschließung Bauteil A:

Obwohl das Gebäude die größte Öffentlichkeitswirkung genießt ist es aktuell kaum auffindbar. Die Erschließung ist bisher eher rudimentär und nicht barrierefrei.

Der Entwurf sieht vor, die Erschließungsachse von der Goethe Straße kommend so zu verlegen, dass frontal eine große Freitreppe Anlage und der Gebäudeeingang sichtbar und erreichbar werden.

Durch Verlegung des Foyerzuganges entsteht in Gebäude A ein überdachter Eingangsbereich. An der Stelle des heutigen Zuganges besteht nun die Möglichkeit einen Aufzug einzubauen, um so eine barrierefreie Erschließung des gesamten Gebäudes zu sichern.
D Schließung der Sockelzone Bauteil B:

Die Schließung der Sockelzone des Gebäudes erfolgt so unauffällig wie möglich. Großformatige, rahmenminimierte Verglasungen ermöglichen, dass das Gebäude sein ursprüngliches Aussehen behält. Um diesen Effekt zu verstärken und den ursprünglichen Charakter des Sockelgeschosses beizubehalten, tritt die EG-Fassade hinter die straßenseitigen Bestandstützen zurück. Lediglich der neue Hauptzugang zum Gebäude A wird durch seitliche Wandscheiben betont.
Als Nutzungen werden eine Bäckerei, ein Lese Café, auf Wunsch mit dem Obergeschoss verbindbar, sowie eine Fahrradwerkstatt angeboten.

E Außenanlagen:

Ziel der Neuordnung der Außenanlagen ist eine Trennung von Fußgänger- und Autowelt.

Entlang der Brandwand des Nachbarn wird im Neubau die Zufahrt für den Parkplatz angeordnet. Unter Beachtung der Bestandsbäume und sinnvoller Parkplatzbreiten wird die Parkplatzfläche neu geordnet. Die übrigen Zonen stehen den Fußgängern zur Verfügung. Sie werden durch Grünanlagen vor den Parkplatzflächen geschützt. An den die drei Gebäude verbindenden Wegen werden mehrere Freiflächen mit Bänken und damit Aufenthaltsqualität angelagert. Der strenge Achsbezug zwischen den Eingängen aller Bauteile ist gewünscht und betont ihre Zusammengehörigkeit!

Beurteilung durch das Preisgericht

Ein klares Gebäudevolumen mit ausgeprägter Giebelfassade besetzt als geradlinige Verlängerung der nördlichen Nachbarbebauung eigenständig und mit modernen Mitteln die Ecke an Krumme Straße / Goethestraße. Höhen und Anschluss an die Nachbarbebauung sind trotz insgesamt 7 Geschossen gut gelöst. Ein eingeschobener Baukörper schließt etwas zurückgesetzt den Innenbereich räumlich ab. Großes Gewicht wird auf die Gestaltung des Vorbereichs gelegt, dessen freie und einladende Ausformung dem sehr urbanen und vielfältigen Umfeld ein eigenes Gesicht geben kann und attraktive Aufenthaltsbereiche bietet, die auch im Innenbereich über die Einbindung von Haus A weitergeführt werden. Dieser zentrale Innenbereich kann verkehrsfrei ausgeführt werden, da Autos und Fahrräder über eine nördliche Zufahrt ohne Querung des Fußgängerbereichs geführt werden können; dies wird vom Nutzer durchaus begrüßt.

Der Eingang liegt gut auffindbar und mit klarer Adressbildung im Zugang zum Innenhof. Hier wird nach einem angemessen proportionierten Foyer die Erschließung der Obergeschosse über eine Fluchttreppe sowie eine einladende Freitreppe ins 2. OG angeordnet (bis zum 1. OG wäre ausreichend gewesen). Die Erschließung liegt gut erreichbar im vorderen Teil des Gebäudes; die Ausbildung eines Sicherheitstreppenraumes über Fluchtbalkon erscheint bei einer Grundrissgröße der Nutzungseinheiten von unter 200 m² so nicht notwendig.

In den Obergeschossen entstehen direkt an der Erschließung attraktive offene kommunikative Bereiche (Etagenlobby), die die etwas schlichten Flure der Bürobereiche deutlich beleben können, aber eher noch zu klein sind. Die Aufteilung der Räume ist funktional und flexibel, die Sitzungssäle liegen außerhalb der Büroeinheiten und sind von daher auch außerhalb der Bürozeiten gut nutzbar. Durch die Lage der Sitzungsräume und des Andachtsraums zur Stirnseite des Gebäudes, also zum Platz hin, zeigt sich auch nach außen das Gesicht eines kirchlichen Gebäudes. Die Proportionen des Andachtsraums sind so nicht akzeptabel.

Die Fassade wird überaus kontrovers diskutiert. Einerseits kann sie die Farbigkeit und Bänderung der 60er Jahre Bebauung gut aufnehmen, andererseits ist die Materialität wenig geeignet, sich in das Ensemble einzufügen. Der Verglasungsanteil insbesondere an der Krumme Straße ist zu hoch, wobei die Heraushebung des 1.OG als Konzeptbüro richtig erscheint. Im Fassadenbild werden sehr viele Gestaltungselemente gemischt: Bänder, stehende Fensterformate, Ganzglasflächen, Paneele, wechselnde Materialien, viel Metall, kein Backstein; dies ist viel, wohl zu viel. So erscheint die Fassade aus Sicht der Denkmalpflege als Ergänzung des Ensembles wenig geeignet.

Die Grundrisse sind wirtschaftlich organisiert, die Geschosshöhen der jeweiligen Nutzung angepasst. Ver- und Entsorgung sind einfach gelöst. Die Kennzahlen liegen im durchschnittlichen Rahmen aller Arbeiten.

Vielfalt oder Aufgeregtheit – dieser Widerspruch kann im Wettbewerbsbeitrag noch nicht befriedigend gelöst werden. Aber das Projekt mit vielen guten Ideen erscheint als ein moderner Auftritt eines neuen offenen Verwaltungsgebäudes für die Evangelische Kirche.