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Nichtoffener Wettbewerb | 11/2007

Realisierungswettbewerb Kulturraum Veitsburg Ravensburg

Blick vom Mehlsack auf die Burganlage

Blick vom Mehlsack auf die Burganlage

Engere Wahl

Glass Kramer Löbbert Architekten

Architektur

Levin Monsigny Landschaftsarchitekten GmbH

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Veitsburg von unten – Ravensburg von oben.

Ein Hauptziel für die landschaftsplanerische Entwicklung der Veitsburghöhe
ist die Wiederherstellung seiner beeindruckenden Sichtbeziehungen:
sowohl zwischen Stadt und Burg als auch zwischen Burg
und Landschaft. Das zweite wesentliche Ziel ist die Verdeutlichung
der historischen Raumfolge von Altstadt, Festungsanlage, Burghang,
Vorburg bis hin zum geschlossenen Hof der alten Burganlage, wie
sie bis zum 19. Jahrhundert erlebbar war.
Die Wiederherstellung der authentischen historischen Räume ist
heute nicht mehr denkbar oder sinnvoll. Zuviel hat sich im stadträumlichen
Umfeld inzwischen verändert. Trotzdem bietet der vorgegebene
Umgriff des Wettbewerbsgebietes die Möglichkeit, die historischen
Raumsequenzen mit ihren spezifischen Qualitäten herauszuarbeiten
und so zum erlebbaren Reiz der Veitsburghöhe zu machen. Neben
dem Umgang mit baulichen Spuren, der Topographie sowie der Vegetation
werden die Wege zum bestimmenden Thema des Entwurfes.
Sie fĂĽhren die Besucher zwischen Stadt und Burg, erschlieĂźen
versteckte Orte und beeindruckende Aussichten. Ihre Ausstattung
entscheidet nicht zuletzt über die Attraktivität des Ortes.
Es gilt, einen langfristigen Entwicklungsplan für die Veitsburghöhe
aufzustellen, der behutsame Eingriffe in den baulichen und vegetativen
Bestand definiert und dabei schrittweise das festgeschriebene
Leitbild umsetzt. Voraussetzung hierfür ist die präzise Studie historischer
Zeugnisse, um den Ort in seinen vielschichtigen Zusammenhängen
zu verstehen und verbliebene Spuren entsprechend ihrer Bedeutung
darzustellen. Die Geschichte der Veitsburg wird zum Leitbild
einer modernen Umgestaltung.


Die fĂĽnf Bereiche

Altstadt.
Der Bereich um das ehemalige Frauenkloster und Obertor liegt innerhalb
der alten Stadtmauern und bildet nun die VerknĂĽpfung zwischen
Altstadt und Veitsburghöhe. Die Eingangssituation an Burg- und
Marktstrasse wird aufgewertet und als Ausgangspunkt fĂĽr Wanderungen
kenntlich gemacht. Der Blick auf den Mehlsackturm lädt ein
zum Erkunden des angrenzenden Landschaftsraums.
Befestigungsanlage.
Zwischen der dicht bebauten Altstadt und der von Wald und Landwirtschaft
geprägten Landschaft befand sich ehemals der langestreckte
leere Graben zwischen den Befestigungsmauern. Um das Durchschreiten
dieser ehemaligen Anlage ablesbar zu machen, wird der
Bereich um den Mehlsackturm nach Möglichkeit freigestellt, Sträucher
werden entfernt. Die Fragmente der beiden Mauerlinien werden
kenntlich gemacht. Die Treppe entlang der äußeren Mauer am Mehlsackweg
wird wiederhergestellt.

Burghänge.
Die Qualität der zwei sehr unterschiedlichen Hangseiten wird aufgenommen
und weiterentwickelt. Auf der Ostseite bleibt der intakte
waldartige Charakter dauerhaft erhalten. Im Zusammenhang mit Wegeverläufen
werden einzelne Sichtbeziehungen freigestellt. Auf der
sonnigen Westseite wird demgegenĂĽber langfristig das ursprĂĽngliche
Bild der Obst- und Nutzgärten hervorgehoben. Die städtischen Flächen
unterhalb der Burg werden wieder mit Weinreben kultiviert. Die
privaten GartengrundstĂĽcke sollten mit dem Charakter von Obstwiesen
entwickelt werden. Größere Gehölze entlang der oberen Hangkante
sollten zugunsten von Ausblicken entfernt werden. Es wäre
reizvoll, auch die Grundstücke am Burghaldentorkel als Weinhänge
auszubilden.

Vorburg.
Auf der Anhöhe bildet die Vorburg noch heute eine überraschend
ebene und offene Fläche. Auf diese Weise inszenierte sie – verstärkt
durch eine regelmäßige Allee - die Ankunft auf der Veitsburg. Um
die Dramaturgie der Annäherung zu erhalten, wird der erforderliche
Besucherparkplatz am sĂĽdlichen Beginn der Vorburg angeordnet.
Auch Bushaltestelle und –wendeschleife befindet sich hier. Anliegern
ist die Weiterfahrt durch die Allee gestattet, Besucher jedoch erreichen
den Burgeingang zu Fuß. Die offenen Rasenflächen dienen als
Fest- und Spielwiesen. Im Nordwesten entdeckt man die Konturen
der alten Veitskapelle. Die Kanten des Plateaus werden ablesbar
gemacht: Zum Osten wird der Wald zurĂĽckgenommen, um hier die
Böschung freizustellen. Zur Westseite werden Gehölze entlang der
oberen Hangkante ausgelichtet, um Ausblicke zu ermöglichen. Gesäumt
von einer historischen Mauerlinie verbindet ein Panoramaweg
die Aussichtsterrasse im SĂĽden der Vorburg mit den Terrassenanlagen
der Veitsburg.

Burg.
Durch das Burgtor erreicht man den steinernen Innenhof. Die neuen
Gebäudevolumina der Veitsburg schließen den Hof nach Norden und
Westen und erzeugen auf diese Weise den ursprünglichen räumlichen
Kontrast zur Weite der umgebenden Landschaft. Einzelne Durchgänge
fĂĽhren weiter zu den Burgterrassen im Westen. Von hier aus
öffnet sich ein grandioser Ausblick über Stadt und Landschaft - bis
hin zum Bodensee. Die Belagsflächen der Burg werden nach historischem
Vorbild schlicht aus Naturstein hergestellt. Sie gliedern sich
in Platten im Römischen Verband und Großpflaster. Bestandsbäume
sowie die alten Brunnen werden zur Ausstattung ihrer Flächen.

Wege.
Die alten Wege wie Mehlsack- und Philosophenweg werden als
Rundweg über die Veitsburghöhe zusammengeführt: er führt aus der
Altstadt heraus, durch die Wein- und Obstgärten hindurch zum Burghaldentorkel
nach SĂĽden, weiter hoch zur Vorburg, um dann durch
die Allee oder ĂĽber den Panoramaweg zur Veitsburg zu gelangen. Im
Osten durch den Waldhang oder direkt von der Burgterrasse geht der
Besucher wieder hinab zu seinem Ausgangspunkt in Ravensburg.
Die Anbindung an weiterfĂĽhrende Wege wird hergestellt.
Die Ausgestaltung des Rundweges verbindet die unterschiedlichen
Bereiche, akzentuiert Zugänge und schafft eine klare Orientierung
für Besucher. Aus seiner homogenen steinernen Fläche entsteht
gleichzeitig die erforderliche Ausstattung: sie bildet sowohl ein durchgehendes
Leit- und Informationssystem als auch eine angemessene
Möblierung. Bänke schaffen immer wieder die Möglichkeit zum Verweilen
und bieten wechselnde Ausblicke. KĂĽnstlerische Interventionen
aus Stein reagieren auf besondere historische oder räumliche
Situationen und tragen zu ihrem Verständnis bei. So wird der gesamte
Rundweg zum Philosophenweg. Er erschließt die Veitsburghöhe:
funktional und inhaltlich.


Charakter der Burganlage

Die besondere Qualität der heutigen Einrichtungen auf der Veitsburg
begrĂĽndet sich in der einzigartigen Lage ĂĽber den TĂĽrmen Ravensburgs.
Dabei profitiert insbesondere die Jugendherberge davon, dass
ihre Räume in der mittelalterlichen Burg untergebracht sind und die
dazugehörigen Freiräume wie der geschützte Hof und die Grünfläche
der Vorburg bespielt werden können. Diesen Charakter auch mit der
geplanten Erweiterung zu erhalten und zu stärken, ist ein Hauptmotiv
unserer Auseinandersetzung mit der Aufgabe.
Die Ergänzung des Bestands zu einer ringförmigen Gebäudeanordnung
hat dabei gleich mehrere Vorteile:
• Sämtliche Nutzungen der Jugendherberge ordnen sich um
den zentralen Hof, der ĂĽbersichtliche Zusammenhang wird beibehalten
und gestärkt. Die einzelnen Flügel der Anlage erhalten individuelle
Zugänge, gleichzeitig sind alle Räume auch intern verbunden.
• Die kompakte Anordnung der Bauteile kommt mit einem geringen
Flächenverbrauch auf der Veitsburg aus und belässt dem Hof
seine GroĂźzĂĽgigkeit.
• Das Erlebnis „Burg“ kann sowohl nach innen wie auch nach
außen gestärkt werden.
• Die bestehende Südfassade der Burg bildet weiterhin die prägnante
Fassung der Grünflächen auf der Vorburg und zeigt den Charakter
der Burganlage schon am Eingang. Die Wirkung des Tores
wird durch die Komplettierung des Gebäudes in Richtung Bagnato-
Schlössle unterstrichen.
• Der westliche Flügel der ergänzten Figur nimmt die neue
Gastronomie auf und schafft auf behutsame Weise die Differenzierung
der Freiflächen in Aussichtsterrasse des Restaurants, Hof der
Jugendherberge und öffentlichem Aussichtspunkt gegenüber dem
Mehlsack.
Innerhalb des Ensembles erhält das Bagnato-Schlössle eine eigene
Stellung: Die heute verbaute Südseite wird freigestellt und erhält
eine vorgelagerte Terrasse, die Verbindung zum Restaurant auf der
Nordseite kommt mit einem minimalen Anschluss aus. Neben dieser
Freistellung des Schlössles öffnet sich die Burg an zwei Orten: Das
Haupttor wird durch die Erweiterung gestärkt, zusätzlich formuliert
der Durchgang zwischen Gastronomie und Herberge an der Nordecke
ein Nebentor in Richtung Stadt und der Stiege.


Organisation der Gebäude

Jugendherberge
Der Ersatz der Erweiterung aus den 1980er Jahren erscheint sinnvoll,
weil dadurch eine Verbesserung der nicht mehr zufrieden stellenden
innenräumlichen Situation erreicht wird. Im Zusammenhang
mit den zukĂĽnftigen Bauteilen gelingt so auch eine schlĂĽssige Ausbildung
des Ensembles. Grundsätzlich ist der Erhalt jedoch denkbar,
wĂĽrde bei Integration in die geplante Erweiterung allerdings einige
Kompromisse in der Raumorganisation mit sich bringen.
Die Entwicklung der städtebaulichen Figur der Burg ermöglicht im
Innern ein vielschichtiges Raumangebot - die Individualisierung der
Zimmer trägt zur Erlebnis des „Gastes auf der Burg“ bei. Jeder Bereich
hat dabei eine eigene Ausrichtung der Räume mit unterschiedlichen
Ausblicken.
Rund um den zentralen Hof legen sich im Erdgeschoss die allgemeinen
Nutzungen der Jugendherberge, verbunden durch eine am
Hof verlaufende Bewegungszone. Der neue Haupteingang mit der
Rezeption liegt gut auffindbar unmittelbar gegenĂĽber dem Burgtor,
von hier erschließen sich Speisesaal, Seminarräume und die Gästezimmer
in OG und UG.
Die einläufigen Treppen legen den Umgang im Obergeschoß an die
Außenseite des Gebäudes, so dass sich die Zimmer weitgehend zum
Hof orientieren. Das UntergeschoĂź bietet an der steil abfallenden
Nordseite der Burg die Möglichkeit weiterer belichteter Flächen, so
dass hier ein Teil der Zimmer untergebracht werden kann. Im Dach
ist Raum für Werkstatt und Abstellräume.
Die Aufteilung der Flächen auf den Altbau und die Erweiterung ist
so gewählt, dass möglichst wenige Eingriffe in die Kernsubstanz der
mittelalterlichen Bauten nötig werden. So befinden sich z.B. alle Zimmer
mit individuellem Bad im Neubau, die zukünftigen Sammelnassräume
nutzen den schon jetzt dafĂĽr verwendeten Bereich im Ostteil
des Altbaus, und die Anordnung der neuen, notwendigen Treppen
kann komplett ohne Eingriff in den Bestand erfolgen.

Gastronomie
Die Flächen für das neue Veitsburg-Restaurant befinden sich im
nordwestlichen Bauteil, unmittelbar an die groĂźe Aussichtsterrasse
angrenzend. Das Gebäude mit Küche und Gastraum im EG schafft
dabei die Trennung von Hofbereich der Jugendherberge und Terrassenbereich
mit Bewirtung. Auch vom oberen Gastraum und dem
zuschaltbaren Bankettsaal im OG bietet sich die weitreichende Aussicht
ĂĽber das Schussental bis hin zum See. Die Organisation des
Restaurants ĂĽber zwei Ebenen kann ĂĽber die AufzĂĽge problemlos
erfolgen.
Die Anbindung an den nördlichen Flügel der Jugendherberge vereinfacht
die Rettungswege und beinhaltet die Möglichkeit einer zusammenschaltbaren
Nutzung. Zusätzlich ist eine räumliche Verbindung
zum Bagnato-Schlössle gegeben, wodurch die dort untergebrachten
Veranstaltungs- und Tagungsräume in den Service des Restaurants
einbezogen werden können.


Kontext und Materialität

Die neuen Bauteile auf der Veitsburg ergänzen das Ensemble und
nehmen in Ihrer materiellen Ausbildung Bezug auf die bestehende
Typologie, verfolgen jedoch eine kontextuell-moderne Haltung. Die
geputzten massiven Mauerwerks-Fassaden mit Lochfenstern sind
einschalig und bieten sowohl ökonomische als auch ökologische
Vorteile. Die Fenster und Zugänge erhalten Werkstein-Einfassungen
mit unterschiedlich breiten Faschen. Dies dient der Unterbringung
des Sonnenschutzes, lässt die besondere Akzentuierung einzelner
Bereiche zu und unterstreicht die GroĂźzĂĽgigkeit der Ă–ffnungen.
Eine ebenfalls in Werkstein gefasste Attika vermittelt zum Dach mit
der typischen Biberschwanzdeckung.
Behutsam aber markant fĂĽgen sich die Neubauten und Neuordnungen
in den Kulturraum Veitsburg und unterstreichen die kulturelle Bedeutung
des Burgbergs.
Blick in den neu gestalteten Innenhof

Blick in den neu gestalteten Innenhof

Lageplan und Fassadendetail

Lageplan und Fassadendetail

Grundriss UG und Längsschnitt

Grundriss UG und Längsschnitt

Grundriss EG und Querschnitt

Grundriss EG und Querschnitt

Grundriss OG und Längsschnitt

Grundriss OG und Längsschnitt