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Einladungswettbewerb | 10/2017

Bebauung an der Europa-Allee

Bürohochhaus an der Europa-Allee

Bürohochhaus an der Europa-Allee

ein 2. Preis / Zuschlag / Nach Überarbeitung

Preisgeld: 24.000 EUR

Eike Becker_Architekten

Architektur

Hartwich Bernhardt INGENIEURE GmbH

Tragwerksplanung

hhpberlin - Ingenieure für Brandschutz GmbH

Brandschutzplanung

Monath und Menzel

Modellbau

MIR

Visualisierung

Erläuterungstext

Das Hochhaus bildet gemeinsam mit dem gegenüberliegenden PRAEDIUM den Abschluss und die Verbindung zwischen dem Boulevard Europa-Allee und dem Europagarten. Der Riegel führt die Straßenfront zum Boulevard mit seiner achtgeschossigen Bebauung fort. Das Hochhaus besteht aus zwei schlanken Scheiben, die oberhalb der siebengeschossigen Boulevardbebauung die bewegte Formensprache des gegenüberliegenden PRAEDIUM aufnehmen. Die beiden Scheiben sind aus der Achse gedreht und gegeneinander verschoben. So weist die eine Hälfte des Gebäudes durch die Auskragung im oberen Teil nach Osten in Richtung Hochhaussilouette und die andere Hälfte nach Westen in Richtung Europagarten und verbindet dadurch den Westen mit dem Osten. Eine wahrhaft europäische Idee.

Der Entwurf sieht die Trennung der beiden großen Nutzungen Büro und Hotel in zwei Gebäude vor. Dabei entstehen zwei gross dimensionierte und wohl proportionierte Baukörper, jedoch kein Riesenbau. Die Fassaden, die Kubaturen und die Geschosshöhen können dadurch jeweils optimal an die sehr unterschiedlichen Nutzungen angepasst werden. Die Bürofassaden erhalten die erforderlichen großzügigen Verglasungen und komfortablen Lüftungssysteme, die Hotelfassaden die entsprechend geschlossenen Fassadenanteile und die angemessenen Geschosshöhen. Dadurch können die zur Verfügung stehenden Ressourcen jeweils optimiert eingesetzt werden. Eine Ablesbarkeit und Erkennbarkeit der beiden unterschiedlichen Gebäudenutungen wird dadurch begünstigt und die Stadt erhält eine angemessene Maßstäblichkeit.

Beurteilung durch das Preisgericht

Städtebau und Freiraumkonzept:
Das Bürohochhaus bildet gemeinsam mit dem gegenüberliegenden Praedium-Haus den Abschluss der Europa-Allee und zugleich die Verbindung in den Europagarten. Dabei wird die achtgeschossige Bebauung aus dem Europa-Boulevard fortgeführt, indem ein Versatz der zwei miteinander verbundenen Hochhaus-Scheiben an der aufgenommenen Gebäudekante ausgebildet wird. Die Verschiebung und leichte Verdrehung der Scheiben gegeneinander kreiert eine Identität stiftende, markante Gebäudesilhouette, welche die Ost-West-Ausrichtung des Boulevards betont.
Der Entwurf sieht die Trennung der beiden Großnutzungen Büro und Hotel in zwei Gebäude vor. Dies entspricht nicht der Vorgabe des Bebauungsplans, der eine geschlossene Bauweise vorsieht. Die auf 5 m lichte Breite angelegte Gebäudefuge zwischen dem Bürohochhaus und dem Hotelgebäude wird als äußerst kritisch angesehen. Die Unwirtlichkeit dieses Zwischenraums wird noch durch die aus Brandschutzgründen notwendig werdende geschlossene Hotelfassade verstärkt.
Die Aufenthaltsqualitäten der quadratisch ausgebildeten Außenräume, welche sich zum einen zwischen den Gebäuden und zum anderen vom U-Baukörper des Hotels umfasst befinden, werden ebenfalls sehr kritisch gesehen. Aufgrund der schlechten Belichtung und der direkten Lage an der LKW-Durchfahrt sowie dem Anlieferhof ist ein qualitätvoller Außenbereich schwer vorstellbar. Hier wäre eine Einbindung der Fläche in die Gebäudekörper sicherlich eine sinnvollere Lösung.
Durch die städtebauliche Setzung entsteht ein Vorplatz an der Ecke Europa-Allee/ Pariser Straße, der gleichzeitig den Umlenkpunkt der Straßenführung sowie eine Überleitung zum Europagarten herstellt. Auf die ansteigende Pariser Straße wird jedoch mit einer geschlossenen Wandscheibe reagiert, was zu unattraktiven, tiefhofartigen Freiräumen, die der Erdgeschossnutzung vorgelagert sind, führt. Der Umgang mit dem Niveauversprung der Pariser Straße von 2,10 m bleibt an dieser Stelle unbeantwortet.
In der Erdgeschosszone wird ein vielfältiges Nutzungsangebot an den drei stark frequentierten Fassadenseiten geschaffen, die eine positive Belebung des Europa-Boulevards erwarten lässt. Die geringe lichte Raumhöhe des Erdgeschosses von nur 4,10 m sollte prinzipiell überprüft werden.

Architektonische Qualität:
Die markante Gebäudeskulptur des Bürohochhauses verspricht eine hohe Wiedererkennbarkeit und zielt somit im besonderen Maße auf eine Fernwirkung ab. Kontrovers wurde diskutiert, ob von näherer Distanz, aus dem Europagarten betrachtet, das Hochhaus im Ensemble mit dem Praedium-Gebäude zu massiv wirkt und als auf dem H-Grundriss basierender Gebäudetypus vielmehr als städtebaulicher Solitär mehr Raum benötigte und somit dem Geist des Europaviertels widerspreche.
Die Eingänge werden jeweils durch mehrgeschossige, zurückgesetzte Fassadenteile betont und sind somit vom Europaboulevard gut auffindbar. Jedoch finden diese mehrgeschossigen Öffnungen in der Fassade keine Entsprechung im Grundriss.
Die Empfangsfläche des Bürogebäudes wird als zu gering dimensioniert angesehen. Generell stellt sich die Frage, ob sich gebäudetypologisch der Eingang des Bürohochhauses der Gebäudeskulptur folgend nicht in der Fuge zwischen den beiden Hochhausscheiben befinden müsste.
Die vertikale Fassadengliederung wirkt sich positiv auf die Baukörper aus und fügt sich in die Nachbarbebauung angenehm ein. Die „Störungen“ in der Bürofassade als Ableitung aus der Beschaffenheit eines gewirkten Stoffs werden als willkürlich und nicht nachvollziehbar bewertet.

Funktionalität:
Der überwiegende Erdgeschossbereich zum Europaboulevard wird für gewerbliche und gastronomische Einrichtungen angelegt. An der östlichen Seite des Gebäudeensembles befinden sich die Hotelnutzungen Lobby und Frühstücksraum/ Café. Die großen zusammenhängenden Einzelhandelsflächen sowie die Flächen für Gastronomie versprechen eine hohe Flexibilität, Attraktivität und urbane Qualität der angebotenen Flächen im Erdgeschoss und deren Vermarktbarkeit. Alle Neben- und Anlieferungsflächen im Erdgeschoss werden ausschließlich nordseitig vorgesehen.
Der H-Typus des Hochhauses ermöglicht eine sehr hohe Flexibilität der Büronutzungen sowie die Ausbildung einer hohen Zahl an Arbeitsplätzen an der Außenfassade. Die Lage und Ausbildung des Kerns lässt eine gute Teilbarkeit der Flächen zu und stellt somit eine attraktive Vermietbarkeit dar.
Das Hotel weist durch den als Zweibund angelegten U-Grundriss ein hohes Maß an Wirtschaftlichkeit auf.
Jedoch muss die Nutzbarkeit der Hotelzimmer an den Innenecken, in Bezug auf Belichtung, Belüftung und vorbeugenden Brandschutz, kritisch überprüft werden.

Leistungs- und Programmerfüllung:
Der Entwurf erfüllt die geforderten Leistungen. Das Raumprogramm wird im Bereich der Hotelnutzung mit angegebenen 372 Zimmern um mehr als 20% übererfüllt.

Ökologie und Nachhaltigkeit:
Die Stahl-Beton-Skelett-Konstruktion mit aussteifenden Kernen ist funktional. Das vorgeschlagene Technikkonzept kann als konventionell bezeichnet werden (Wärmen und Kühlen zur Grundlast mittels Betonkernaktivierung und bedarfsweise zusätzlichem Decken-Kühl-Segel). Als Alternative zur vorgeschlagenen freien Lüftung über zu öffnende Fensterelemente soll die dem Boulevard zugewandte Fassade aufgrund der höheren Lärmbelastung mit dezentralen Fassaden integrierten Lüftungsgeräten mit Wärmerückgewinnung ausgestattet werden. Dieser Vorschlag ist derzeit nicht erkennbar und Konsequenzen auf das Erscheinungsbild sollten planerisch überprüft werden.
Darüber hinaus macht der Entwurf keinerlei weitere Aussagen zum Themenkomplex des ökologischen und nachhaltigen Bauens. Da der Auslober explizit auf das angestrebte Ziel einer Zertifizierung nach DGNBStandard Gold hingewiesen hat, werden hierzu weitere Aussagen erwartet.

Wirtschaftlichkeit und Realisierbarkeit:
Die Trennung der Nutzungen in zwei Gebäude ist nachvollziehbar und wird im Hinblick auf eine spätere Vermarktbarkeit positiv gesehen. Aus städtebaulicher Sicht ist jedoch zu klären, wie mit einer Abweichung vom Bebauungsplan umzugehen ist.
Das gewählte Fassadenraster von 1,35m im Büro-Hochhaus lässt ein hohes Maß an Flexibilität zu. Hierdurch sowie durch die günstigen Gebäuderiegeltiefen des H-Grundrisses lassen sich alle gängigen Bürotypen (2-,3-,4-Achs-Zellen-, Kombi- und Großraumbüro, sowie Business-Club) abbilden. Durch die Lage des kompakten Kerns ist eine kleinteilige Vermietbarkeit der Fläche möglich.
Die konventionelle Fassadenkonstruktion lässt eine wirtschaftliche Realisierbarkeit vermuten. Es wird jedoch angezweifelt, ob der Schallschutz am stark befahrenen Europa-Boulevard hinreichend gewährleistet werden kann. Zusätzlich erzeugt der H-Grundriss im Vergleich zu kompakteren Baukörpern große Fassadenflächen.
Die Verhältnismäßigkeit sollte hierbei überprüft werden.
Insgesamt würdigt das Preisgericht die Wirtschaftlichkeit, die Flexibilität und die Funktionalität des Beitrages. Die städtebaulich- freiraumplanerischen Entscheidungen werden hingegen in einigen Punkten kritisch bewertet.