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Nichtoffener Wettbewerb | 11/2017

Modernisierung und Reattraktivierung des Deutschen Meeresmuseums

Ringaquarium mit Aufzug

Ringaquarium mit Aufzug

2. Preis

Preisgeld: 18.750 EUR

Trapez Architektur GmbH

Architektur

CEBRA

Architektur

Leonhardt, Andrä und Partner, Beratende Ingenieure VBI AG

Tragwerksplanung

KAplus - Ingenieurbüro Vollert

Bauphysik

Erläuterungstext

Perlenkette Meeresmuseum Stralsund

Der Standort des Meeresmuseums auf dem Gelände des ehemaligen Dominikanerklosters, inmitten von Stralsunds mittelalterlicher Altstadt, ist geprägt durch die über Jahrhunderte entstandene Heterogenität der Gebäudetypen, deren räumliche Vielfalt und Dichte auf dem Grundstück. Die zu großen Teilen erhaltenen gotischen Bauwerke wurden in den auf die Gründung folgenden Epochen immer wieder erweitert bzw. nach Zerstörungen repariert und ergänzt. Das einmalige Gebäudeensemble umfasst damit gebaute Zeugnisse aus acht Jahrhunderten.

Entwurfsbestimmende Leitidee – Durch die wechselvolle Geschichte des Ortes bietet sich eine Ausgangssituation großer Vielfalt. Diese wird als Stärke begriffen und soll als Thema des Entwurfs unterstrichen und erlebbar gemacht werden. Jedes der Gebäudeteile bietet seine eigene architektonische Besonderheit. Diese verschiedenartigen Räume werden jeweils auf unterschiedliche Art in Szene gesetzt, so dass sich eine spannungsreiche Abfolge von Raumerlebnissen ergibt. Die verschiedenen Gebäudeteile reihen sich wie Perlen an einer Kette aneinander und der neu gestaltete Weg verbindet diese miteinander. Bei der Erkundung der Meereswelten begeben sich die BesucherInnen somit zugleich auf eine Reise durch die facettenreiche Geschichte der Anlage.
Eine neu eingeführte subtile Formensprache, welche an die Meeresthematik mit Assoziationen wie Wasser, Tropfen und Wellen angelehnt ist, ergänzt die historische Bausubstanz sowohl architektonisch als auch bei der Ausstellungs-gestaltung. Kreise und Spiralen, die als Formensprache schon im Bestand z.B. in der Hofpflasterung zu finden sind, ziehen sich als verbindendes Element durch das gesamte Meeresmuseum und führen das Publikum durch die Ausstellung.

Städtebau - Der Entwurf übernimmt die gestalterischen Qualitäten der Umgebung, insbesondere die Addition von Baukörpern, auf dem ehemaligen Klostergelände. Analog werden dem Standort auf stadträumlicher Ebene neue Gebäudevolumina hinzugefügt. Diese nehmen sowohl in ihren Dachformen als auch in ihrer Materialität Bezug auf die angrenzenden Bauwerke. Der im Westhof gelegene neue Eingangsbereich stellt sich als maßvoll zwischen den Bauwerken Stadtmauer, Forum und Katharinenhalle vermittelndes Gebäude dar, welches den neuen Eingang selbst-bewusst definiert und dadurch das Museum im Stadtraum klar verortet. Seine zurückhaltende Form gewährt der West-fassade der Katharinenhalle genügend Raum, so dass diese weiterhin erlebbar bleibt. Der Neubau des Ringaquariums auf dem Südhof des Klostergeländes ergänzt das Gebäudeensemble um einen weiteren Stadtbaustein. Seine spiralförmige Kubatur weist dezent auf die Thematik des Museums hin. Sein Satteldach und Klinker nehmen Bezug auf die angrenzenden Gebäude. Der Neubau des 360° Grad Inversionskinos tritt durch seine Positionierung innerhalb des Schildkrötenhauses städtebaulich zurückhaltend in Erscheinung. Lediglich seine als Sitzlandschaft gestaltete Kuppel ist vom Knieperwall zu sehen. Die abgetreppte Form der Kuppel und der Backstein sind den Staffelgiebeln der direkten Umgebung entlehnt. Die Aktivierung der Dachlandschaft durch eine Terrasse mit Blick über die Stadtmauer weist auf das belebte Innere des Museums hin.

Gebäude - Der neue Eingangsbereich des Museums setzt sich aus dem Forum und neu errichteten Foyer zusammen.
Im Bereich des Forums sind sowohl die Gastronomie als auch der Shop untergebracht. Die sich über zwei Geschosse erstreckende Eingangshalle empfängt die BesucherInnen mit einer großzügigen Geste. Durch diesen Bereich gelangt man in das Foyer mit Kassen- und Garderobenbereich. Ein großes Schaufenster gewährt Einblick in das Geschehen im Foyer und bildet gleichzeitig einen Rahmen für die Aussicht auf den benachbarten Knieperteich. Eine Glasfassade im Neubau und der Abstand zur Westfassade der Katharinenhalle lassen den Blick auf die Kirche in ihrer gesamten Größe zu.
Den Auftakt des Rundgangs bildet die Katharinenhalle. Beim Betreten wird das Kirchenschiff in seiner vollen Höhe wahrgenommen, hierdurch wird der ursprüngliche Raumeindruck eines gotischen Sakralgebäudes wieder erfahrbar gemacht. Zugleich präsentiert der Ausstellungsbereich hier auf eindrückliche Weise seinen Auftakt. Die eingezogenen Ebenen weichen gestaffelt zurück und werden durch eine große Treppenanlage ergänzt. Vitrinen und Exponate begleiten den Treppenverlauf. So wird diese ebenso zur Ausstellungsfläche wie auch zum sozialen Treffpunkt. Als Ort des Verweilens können hier die BesucherInnen den Raum auf sich wirken lassen.
Von der Katharinenhalle aus gelangt das Publikum in die konzentrierten Ausstellungsflächen des Haselbergbaus und weiter in den Neubau des Ringaquariums. Hier teilt sich der Weg in zwei Spiralen auf. Die erste führt in das Innere des Aquariums zum dort gelegenen Aufzug. Dieser ist als offene Plattform angelegt, so dass ein unmittelbares Erleben der Tiere gegeben ist. Das Publikum bewegt sich langsam abwärts und es wird der Eindruck erweckt, auf den Grund des Meeres hinab zu tauchen. Über die zweite Spirale gelangen die BesucherInnen zu einer um das Aquarium herumführenden Treppe. Diese führt sie an der massiven Außenwand des Aquariums entlang. Vereinzelte an Taucherglocken erinnernde Fenster in der Wand, erlauben Einblicke in das Innere des Aquariums. Auf halbem Weg um das Aquarium öffnet sich der Treppenraum zur Stadt hin. Hier bietet eine Ruhezone mit einem großen Panoramafenster einen gerahmten Ausblick über die Stadt und die St.-Marien-Kirche. Die hieran anschließende Treppe führt die BesucherInnen weiter in das Untergeschoss, wo die äußere und innere Spirale wieder zusammengeführt werden und in die Aquarienlandschaft überleiten. Der freigestellte historische Gewölbekeller wird mit Hilfe gezielter Lichtführung in Szene gesetzt. Mit ununterbrochenem Blick auf das Schildkrötenbecken gelangen die Besucherinnen über eine großzügige Treppe wieder in das Erdgeschoss.
Das integrierte 360° Inversionskino strukturiert den Bestandsbau des Schildkrötenbeckens neu. Durch den runden Baukörper des Kinos wird eine dem Ausstellungsbereich zugeordnete Ruhezone mit Blick auf die Schildkröten geschaffen. Das Foyer des Kinos öffnet sich zum Südhof der Anlage. Auf dem Dach des Gebäudes bietet die abgetreppte Kuppel des Kinos mit seiner Sitzstufenanlage analog zu der Erfahrung des 360° Bildes im Inneren des Kinos das Erlebnis eines Rundblicks. Durch das ehemalige Präparationsgebäude gelangen die BesucherInnen wieder zurück in das Foyer des Museums, wo der Rundgang seinen Abschluss findet.

Beleuchtung - Die Lichtstimmung des Rundgangs wechselt entsprechend des Konzeptes je nach räumlicher und baulicher Begebenheit und unterstützt die individuelle Architektur sowie Nutzung. Die Beleuchtungsanlage erhält energiesparende LED-Leuchten.

Wirtschaftlichkeit / Nachhaltigkeit– Durch die Integration des Kinos in das Bestandsgebäude wird ein optimiertes
A/V-Verhältnis erzielt, wodurch Betriebskosten eingespart werden. Die neue Dachterrasse, in Kombination mit dem Kino, stellt einen attraktiven Veranstaltungsort dar, durch dessen Vermietung zusätzliche Einnahmen generiert werden können. Die Oberflächenmaterialien der Neubauten, Backstein und Sichtbeton, sind wartungsfrei und sparen somit Unterhaltskosten. In der Katharinenhalle werden für die neue Ausstellungsebene abgebaute Teile der Bestandsebenen wiederverwendet.

Überlegungen zu Statik und Haustechnik
Alle Eingriffe im Bestand sollen „minimalinvasiv“ erfolgen um einen hochgradig schonenden Umgang mit der Altbausubstanz zu gewährleisten. So werden im Bereich des Bestandes neu benötigte Gründungen mit Kleingeräten, wie z.B. Kleinbohrpfähle oder händisch ausgeführte Fundamente, eingebracht oder neue Bauteile möglichst nicht mit dem Bestand verbunden. Auch erfolgt der Lastabtrag der neuen Ebene in der Katharinenhalle und des Übergangs weitestgehend mit eigenen Bauteilen zur Vermeidung auffälliger Verstärkungen des denkmalgeschützten Bestandes. Zusätzlich werden durch die Materialwahl und die Konstruktion konsequent Leichtbaustrukturen zur Optimierung der Bauausführung angestrebt. Der teilweise Rückbau des Raumtragwerkes in der Katharinenhalle orientiert sich an den vorhandenen Knoten des bestehenden Rasters, um zusätzliche Tragglieder oder ungünstige Lastumlagerungen zu vermeiden. Notwendige neue Stützen werden ebenfalls sinnvoll innerhalb des Rasters gesetzt. Größere Lasten, wie z.B. aus den Großvitrinen, werden im Wesentlichen im Bereich der großen Treppenanlage mit dezent versteckten Bauteilen abgefangen.
Der Neubau des Ringaquariums wird als Stahlbeton-Konstruktion überwiegend in Ortbetonbauweise ausgeführt, wobei die Auskragung von der seitlichen Wandscheibe gehalten wird. Die durchsichtige Innenwand des Aquariums wird durch Wasserdruck im Wesentlichen nur durch Ringdruckkräfte beansprucht und kann die Spannungen analog einer Eierschale in sich selbst aufnehmen. Die Ausführung kann durch verklebte Einzelsegmente aus Kunststoff (Polycarbonat) erfolgen. Im Bereich des Kinos wird die Kuppel mit einfach gekrümmten, segmentierten Stahlbetonfertigteilen ausgeführt, die ringförmig miteinander verspannt werden. Die damit erzeugte räumliche Schalentragwirkung schlägt sich in dünnen Bauteilstärken und somit in einem geringen Gewicht nieder, was wiederum zu einem Minimum an Aufwendungen für die Lastableitung und Bauausführungen führt. Die hier anfallenden Lasten werden über neue Stützen in den Baugrund abgetragen.
Der neue Eingangsbereich wird als räumliches Faltwerk wie eine Art Karton in Ortbeton und Halbfertigteilbauweise errichtet. Der Lastabtrag und die Gründung erfolgen vollständig separat, sowohl zur Katharinenhalle als auch zur Stadtmauer. Die Gründung selbst wird wegen der beengten Verhältnisse und wegen möglicher archäologischer Bodenfunde als Stahlbetonplatte auf Kleinbohrpfählen ausgeführt.

Energieeinsparung - Der Dämmstandard des Neubaus erfüllt die Anforderungen eines Effizienzhauses 55.
Die Wärmeübergabe erfolgt im Neubau und Bestand über Flächenheizungen, um niedrige Systemtemperaturen zur Einbindung regenerativer Energien zu ermöglichen. Ein weiterer wesentlicher Energieverbrauch wird jedoch durch die Aquarien verursacht. Hier sollte nach Möglichkeit Plexiglas mit einer höheren Stärke eingesetzt werden, um den Wärmestrom in den Raum zu minimieren. Die Umwälzpumpen sollen die höchste Effizienzklasse erreichen.

Energieerzeugung - Die niedrigen Systemtemperaturen der Flächenheizungen und des Aquarienwassers ermöglichen den Einsatz einer Wärmepumpe. Der Vorteil des Wärmepumpenprozesses ist die Möglichkeit, je nach gefordertem Temperaturniveau Wärme zu entziehen (Kühlung) und gleichzeitig Wärme zuzuführen (Heizung). Beispielsweise kann im Sommer über die Flächenheizung leicht gekühlt werden (Wärmeentzug) und diese Wärme den Aquarien zugeführt werden. Nach genauer Festlegung der Temperaturniveaus kann durch dieses Prinzip ein hocheffizientes System konzipiert werden.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit komplettiert das historische kompakte Ensemble mit einer Familie aus unterschiedlichen Baukörpern, was kontrovers diskutiert wird. Die neu geschaffenen Funktionen sind gut lesbar. Material (Ziegel) und die dunkelrote Farbe binden die neuen sehr gut an die alten Gebäude an. Proportionen und Maßstäblichkeit sind gut und relativ bescheiden im Verhältnis zum Bestand. Allerdings werden Höhe, Durchmesser und Position des Großaquariums kritisiert: zu hoch, zu breit und eindeutig zu nah an den historischen Fassaden des Stralsund Museums. Hier sind eine deutliche Reduzierung und Repositionierung notwendig. Sehr lebendig ist der durchlässig gestaltete Eingangsbereich mit Shop und Café und der (etwas zu raumgreifenden) Kasse. Der Zutritt zur Katharinenkirche ist räumlich interessant inszeniert. Insgesamt sind in die Architektur an strategisch wichtigen Blickbeziehungen Fenster eingebaut, hierdurch wird ein sehr wohltuender Innen-/ Außenbezug hergestellt.

Die Außenräume sind gut gestaltet mit einem sinnigen Muster aus wasseraffinen Kreisen. Auch die Außennutzung des 360°-Kinodaches kann reizvoll sein.

Das Raumprogramm ist erfüllt. Der Besucherrundgang ist schlüssig. Positiv ist zu erwähnen, dass auch Varianten zur Ausstellungsgestaltung im Kirchenraum gegeben werden. Im Zugang zum Kirchenschiff gibt es eine Engstelle zwischen Treppe und Vitrine, hier gibt es zusätzlich Gegenverkehr. Besser wäre auch ein Rundgang als Linksverkehr. Die Öffnung des Stabtragwerks mit Treppe und Tribüne wird überwiegend positiv beurteilt. Der Übergang zum Aquarium funktioniert gut, auch die abtrennbare Raumgruppe der Aktionsräume etc. Der mittige Aufzug im Aquarium lässt durch einen Umgang nicht das volle Erleben des Besuchers zu. Im Untergeschoss muss der Zuschnitt des Beckens geändert werden: Fische werden sonst in den spitzen Ecken gefangen. Auch die Verbindung zum Schildkrötenbecken ist gut, wie auch die Verbindung zum darübergelegten 360°-Kino. Das Schildkrötenaquarium ist erhalten. Es ist wie auch das Kino separat von außen erschließbar.

Insgesamt ein sehr gelungener Entwurf der allerdings eine Korrektur des Großfischaquariums erfordert. Der Kostenrahmen wird eingehalten.