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Nichtoffener Wettbewerb | 04/2008

Neue Stadthalle Bruderhausgelände - Planung einer Veranstaltungshalle

Sonderpreis / überarbeitet

BAYER & STROBEL ARCHITEKTEN

Architektur

Erläuterungstext

B A U M D A C H

Wesentliches Element der städtebaulichen Planung für das Bruderhausgelände in Reutlingen ist der in einem strengen Raster angelegte Baumhain. Unter einem Blätterdach versammelt sich die Reutlinger Bürgerschaft zu Open Air-Veranstaltungen oder zum Besuch der Stadthalle.
Im Neubau der Stadthalle soll nun diese städtebauliche Leitidee ihre konsequente Fortsetzung finden: Tragende Stahlstützen stehen im gleichen Raster wie die Bäume und tragen als Analogie zu den Baumkronen einen Tragrost aus Stahlbeton, der das innere Gefüge des Bauwerks überdeckt. Demzufolge darf das Bauwerk die Bäume nicht überragen. Auch im Hinblick auf die benachbarte Bebauung der Altstadt scheint eine Beschränkung der Traufhöhe angemessen. Insbesondere dem Tübinger Tor wird so seine städtebauliche Dominanz belassen.


F L E X I B I L I T Ä T

Durch seine innere Struktur erlaubt das Haus vielfältige Nutzungsmöglichkeiten: Die Säle können getrennt voneinander oder gemeinsam bespielt werden. Sie sind unterschiedlich zu teilen bzw. zu möblieren. Ein räumlich spannendes Foyer verbindet und erschliesst die Säle und kann seinerseits für Messen und Ausstellungen genutzt werden.
Weiterhin ist vorgesehen, das Haus um einen dritten Saal zu erweitern, welcher unterhalb des Hotels seinen Platz finden soll und über ein Souterrain an die Stadthalle angebunden ist. Der dritte Saal kann sowohl vom Hotel als auch von der Stadthalle genutzt werden.

G R O S S E R S A A L

Der große Saal ist als Klangkörper aus Holz in das Gebäude eingestellt. In seiner Gestaltung greift er die gleichen Elemente auf wie das ganze Haus: die streng gerasterte, kassettierte Decke, die auch als Kühldecke dient und den gegliederten Innenraum überdeckt. Auf zwei übereinander liegenden seitlichen Galerien können die Besucher die Veranstaltungen verfolgen. Gemeinsam mit der hinteren Empore wäre es so durchaus möglich auch mehr als die geforderten 1.500 Sitzplätze im Saal unterzubringen. Dennoch finden natürlich im Parkett die geforderten 1.200 Besucher Platz. Durch die Wahl der Materialien (Holzwerkstoffe, dunkelrote Textilien) liefert der große Saal einen feierlichen Rahmen für Konzerte aber für auch alle anderen Veranstaltungen.
Die Relaisküche liegt nun direkt am großen Saal, was insbesondere bei Bankettnutzung große funktionale Vorteile hat, und erhält eine eigene Andienung unabhängig von der des Saals.


R A U M A K U S T I K

Großer Saal
Der große Saal weist die Form des klassischen und akustisch bewährten Rechtecksaals auf. Die im überarbeiteten Entwurf reduzierte Raumbreite im Parkett von 19,60 m fördert frühe Reflexionen aus seitlichen Richtungen, die für die subjektive akustische Räumlichkeit verantwortlich sind. Bei einer Raumhöhe von etwa 13,50 m und einer Saallänge ab Vorderkante Podium von 38,50 m wird ein Raumvolumen von ca. 13.500 m³ zur Verfügung gestellt. Die Volumenzahl für den mit 1500 Personen besetzten Saal beträgt dann etwa 9 m³/Person, so dass auch das angestrebte Nachklingen für symphonische Musik erreicht werden kann. (...)

Mit dem Entwurf sind die Voraussetzungen geschaffen, die hohen akustischen Anforderungen an die klassische Musiknutzung umzusetzen und auch die akustischen Rahmenbedingungen für eine multifunktionale Stadthalle zu gewährleisten.
(Dr. Eckard Mommertz, Müller-BBM München)


K O N S T R U K T I O N

Das Tragwerk formuliert den Übergang vom Aussen- zum Innenraum als umlaufende Kolonnade, welche dem Gebäude eine einladende Geste nach allen Seiten verleiht. Tragende Innenwände wie beispielsweise die Saalwände unterteilen den Innenraum in einzelne Felder, die zweiachsig überspannt werden und den Tragrost als wirtschaftliche Lösung zur Folge haben. Im Inneren wird er in Stahlbeton ausgeführt, aussen in Stahlprofilen, welche für den Brandschutz beschichtet und von bronzierten Blechen verkleidet werden. Beide Teile des Rosts werden kraftschlüssig durch druckfeste Neoprenlager verbunden.
Im Innern bleibt der Tragrost im Bereich der Foyers und im kleinen Saal sichtbar und prägt als das wichtigste gestalterische Element den Innenraum.
Die Funktion des Sonnenschutzes übernimmt zum einen das umlaufende Vordach zum anderen - insbesondere bei tiefstehender Abendsonne - das Baumdach. Die Glasfassade wird wie ein Kastenfenster ausgeführt: eine äussere Einfachverglasung verbessert den Wärme- und Schallschutz, dahinter sitzt die eigentliche Wärmeschutzverglasung. Im Zwischenraum wird als Verdunkelung eine Markise mit lichtdichtem Gewebe montiert.


E N E R G I E

Um eine effiziente Nutzung regenerativer Energien zu ermöglichen, zielt das Klimakonzept konsequent auf die Nutzung eines Niedertemperaturheizsystems bzw. eines Hochtemperaturkühlsystems ab. In den Foyers wird darüber hinaus als passive Maßnahme die Aktivierung thermischer Speichermassen zur Dämpfung der sommerlichen Temperaturen verfolgt.(...)
Bei der für die Frischluftversorgung der Säle erforderlichen Be- und Entlüftung erfolgt eine Wärmerückgewinnung im Winter. Im Sommer wird die Zuluft mit geringstem Energieaufwand durch eine sog. adiabate Kühlung vorgekühlt. (...)
Die Belüftung der Säle erfolgt über ein Quellluftsystem. Hierbei wird die Zuluft über einen perforierten Boden in den Saal eingebracht. Vorteile der Quellluft sind im Wesentlichen in einer geringen Geräuschentwicklung und der gezielten Ausnutzung der thermischen Schichtung innerhalb des Saales zu sehen. Dies bedeutet, dass nicht nur der Aufenthaltsbereich in den Sälen gekühlt wird und nicht – wie bei klassischen Luftkühlungssystemen typisch – das ganze Raumvolumen. Diese Begrenzung des zu kühlenden Raumbereiches führt zu erheblichen Energieeinsparungen. Die Abluft wird gezielt im Bereich der Bühnenbeleuchtung abgesaugt, damit sich die im Bereich der Beleuchtung anfallenden Wärmelasten nicht ungünstig auf den Aufenthaltsbereich auswirken.
Die Aufgabe des Lüftungssystems beschränkt sich im Wesentlichen auf die Frischluftversorgung.
Die Beheizung und Kühlung der Säle erfolgt über eine kombinierte HeizKühldecke. Dieses System ermöglicht eine optimale Nutzung der Erdwärme/-kälte. Im Winter außerhalb der Nutzungszeiten erfolgt die Mindesttemperierung der Säle ausschließlich über die Heizdecke, womit sich deutliche energetische Vorteile gegenüber einer konventionellen Beheizung über die Lüftungsanlage ergeben.
Die während der Veranstaltungen erforderliche Raumkühlung zur Abfuhr der inneren Wärmelasten erfolgt im Wesentlichen über die Kühldecke. Gegenüber der bei Veranstaltungssälen üblichen ausschließlichen Raumkonditionierung über die Lüftungsanlage ergeben sich hierbei sowohl energetische Vorteile als auch ein höherer thermischer Komfort: die einzubringenden Luftmengen können auf das hygienische Mindestmaß reduziert werden, womit Zugerscheinungen a priori vermieden werden. Zudem ist eine Strahlungskühlung über die Decke unter physiologischen Gesichtspunkten optimal.
Die Foyers werden mit einer Fußbodenheizung ausgestattet. Im Sommer können die Foyers über die Wasserverrohrung im Boden gekühlt werden. (Alexander Schröter, Müller-BBM München)

W I R T S C H A F T L I C H K E I T

Durch die Überarbeitung des Entwurfs ist es gelungen den umbauten Raum und somit die Herstellungskosten um fast zehn Prozent zu verringern. Die Tiefgarage findet ihren Platz nun unterhalb des Baukörpers und reduziert so die Baukosten im Vergleich zur ersten Planung: Nur ein Haus muss gebaut werden ohne auf die Anbindung an das Hotel oder einen räumlich attraktiven Aufgang zum Unteren Foyer verzichten zu müssen.
Funktionsgerechte Anordnung der Räume, ein intelligentes Energiekonzept und langlebige Materialien gewährleisten bezahlbare Unterhaltskosten.

F E I E R L I C H K E I T

Durch seine stadt- und innenräumliche Qualitäten erhält die Reutlinger Bürgerschaft einen angemessenen Versammlungsort.
Unterstützt wird die feierliche Stimmung durch die Wahl der Materialien: bronzierte Oberflächen für die Stahlstützen, Bronze bei Fenster- und Türelementen sowie Naturstein für die Fassaden (Cannstatter Travertin).