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Nichtoffener Wettbewerb | 12/2017

Neues Wohnen und Arbeiten im ehemaligen BPZ

Anerkennung

Preisgeld: 5.750 EUR

Octagon Architekturkollektiv

Stadtplanung / Städtebau

GM013 Landschaftsarchitektur

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Dornstadts „Felderfolge“
Vom Eiland zum vielfältigen Quartier.

Als Unterzentrum der Ulmer Alb liegt die Gemeinde Dornstadt in direkter Nähe der Stadt Ulm, in kurzer Entfernung der Städte Stuttgart und Augsburg sowie der Erholungsregionen Allgäu und Bodensee. Diese Lage ist wesentlicher Faktor für eine dynamische wirtschaftliche Entwicklung und Ansiedelung von Unternehmen aus diversen Branchen innerhalb der Region. Das Wettbewerbsgebiet, welches sich durch die B10 getrennt östlich des Kernorts Dornstadt befindet, wird daher als Möglichkeitsraum gesehen, der wirtschaftlichen Entwicklung entsprechend ein qualitativ hochwertiges Wohn- Arbeits- und Freiraumangebot zu bieten. Eingebettet in die einzigartige Bestands-Struktur des Gebietes, soll hier ein von diversen Merkmalen geprägter Ort entstehen, welcher als Katalysator für die umliegenden Flächen funktioniert. Die räumliche Isolation des Wettbewerbsgebietes soll gemindert werden, einerseits durch die zukünftige Stabilität von Städtebau und Freiraum sowie durch die ausstrahlende Attraktivität die zur Bebauung der Umgebung anreizt.

Historie.
Um 1900 als Militärflugplatz errichtet war das Planungsgebiet bis in die 40iger Jahre Fliegerhorst, Flugzeugführerschule, Forschungsinstitut, Übergangslager und vor allem ein geheimgehaltener Ort, auf dem zur Tarnung mehrere hundert Bäume gepflanzt wurden. Abgesehen von der landschaftlichen Prägung geht die heutige Struktur des Gebietes als Betreuungs- und Pfegezentrum in die frühen 50er Jahre zurück, wo im Zuge mehrerer Umbauten, soziale Einrichtungen etabliert wurden. Den jeweiligen veränderten Situationen folgend wurden mehrere Gebäude und Einrichtungen geschaffen - so entstand auf der Hochfläche der Ulmer Alb ein Heimkomplex mit weiträumigem Freigelände, umgeben von Wiesen und Feldern, abgeschlossen für sich, fast isoliert, was bis heute auch die Verkehrserschließung überaus deutlich macht. Seit den 90iger Jahren plant die Gemeinde Dornstadt eine Entwicklung ihrer Flächen östlich der B10 hinsichtlich einer leistungsfähigen Gesamtstruktur, in die das heutige Betreuungs- und Pfegezentrum eingeflochten werden soll.

Konzept und Ideenteil.
Es lassen sich auf dem Planungsgebiet erste Ansätze eines städtischen Gefüges erkennen, welche im Zusammenspiel mit dem internen Freiraum eine Art homogenes Sammelsurium darstellen. Der historisch bedingte, einzigartige Baumbestand schafft im Gegensatz zur kargen Umgebungslandschaft kräftige freiräumliche Kulissen welche sich in der Umgebung als Einmalig erweisen. Konzeptionell betrachtet soll diese Attraktivität des Planungsgebietes weiter herausgearbeitet und mit einer zukunftsweisenden Landschafts- und Baustruktur ergänzt werden, welche ihren Mehrwert auf den Ideenteil ausstrahlen und ihm eine ergänzende Qualität geben soll. Hierzu wird der Kontext des Planungsgebiets in drei übergeordnete Bereiche eingeteilt. „Wohnen im Wald“, mit einem gemeinschaftlichem Bau-Typus im westlichen Teil, „Wohnen am Feld“ mit einem privaten Bau-Typus im östlichen Teil und dazwischen der „Campus für Bildung und Pflege“ welcher durch einen Wohn-Gewerbe-Mix zu einer neuen „Campusmitte“ ergänzt wird. Diese unterschiedlichen Nutzungen und Wohntypen sollen ein vielfältiges Quartier entstehen lassen welches das Umfeld belebt. Verkehrskonzept Diese unterschiedlichen Bereiche von Westen, Osten und Mitte bilden die Struktur des inneren verkehrlichen Erschließungskonzepts. Zwei klare nord-süd Achsen sammeln den inneren Verkehr und führen diesen aus dem Quartier. Im Norden wird das Quartier über den Bodelschwinghweg, Hubertusweg und die Unterführung Beimerstetter Straße an den Kernort Dornstadt angeschlossen. Dieser Weg führt auch zur Ausfahrt nach Süden auf die B10. Für die Ausfahrt auf die B10 nach Norden und die Abfahrt von der B10 von Süden kommend wird ein neuer Kreisverkehr im Bereich des aufgelassenen Rastplatzes vorgeschlagen. Im Süden führt eine neue Straße zur Brücke über die B10 am Himmelweiler Weg. Diese wird für Kfz-Verkehr ertüchtigt. Über diese Verknüpfung wird das südliche Quartier an den Kernort und die Ausfahrt Richtung Süden auf B10 angeschlossen. Nach der geplanten Herstellung der Anschlussstelle Gewerbegebiet Himmelsweiler an die A8 kann optional eine innere Achse nach Süden verlängert werden und so das neue Quartier mit der A8 verknüpfen.

Diversität.
Die konzeptionelle Teilung in drei Bereiche wird durch ein Felder-System unterschiedlichster Nutzungen ausdifferenziert. „Kulturinsel“ mit Quartiers- und Jugendzentrum; „Wohnen im Wald“, Quartierspark; Campus für Pflege, Bildung und neue Arbeitswelten mit neuer „Campusmitte“; „Wohnen am Feld“; Alter Friedhof als Ruheort. Diese Nutzungen gehen teilweise aus dem Bestand hervor und sind an andere Stelle ergänzend um das Konzept bunt zu untermalen. Es entsteht ein Wechselspiel aus Urbanität und Weite, Offenheit und Geschlossenheit: Der „zusammengewürfelte“ Charakter des Planungsgebiets wird aufgelöst und zur geplanten Heterogenität mit hervorstechenden Akzenten ausgearbeitet. Ziel ist ein äußerst diverses und robustes Quartier, welches sich in der separaten Entwicklung seiner einzelnen Felder planen lässt und zu einem Gesamtgefüge wachsen kann.

Städtebau und Architektur

Wohnen im Wal.
Vor allem der westliche Teil des Planungsgebiets ist geprägt von fast hundert Jahre altem Baumbestand. Den potenziellen Bewohnern des Quartiers soll das Angebot gemacht werden diese atemberaubende Kulisse nicht nur besuchen zu können sondern sie zu bewohnen, zu beleben, und hier die alltägliche Erholung in unmittelbarer Wohnungsnähe zu finden. Geplant ist, 350 Wohneinheiten in diesem Teil des Gebiets zu errichten. Hierzu soll ein kristallartiger, ungerichteter Bau-Typus entstehen, der sich in seiner Gestalt dem Kontext fügt. Ausgeführt wird dieser als Laubengang -Typus mit gemeinschaftlichem Wohnatrium und einer Gebäudegrundfäche von 500 bis 700 qm und einer Höhe von drei Geschossen. Die 16, zum großen Teil auf Konversationsfächen stehenden Einzelgebäude, sind so zueinander angeordnet, dass sich gemeinsame Hof und Tiefgaragenfächen ergeben. Das verbindende öffentliche Wegenetz teilt den bestehenden „Wald“ in private Grundstücke welche den jeweiligen Kristallen zugeordnet sind. Es entsteht ein Wohnmodell welches in der Umgebung seinesgleichen sucht und es schafft das Planungsgebiet in ein ausgewogenes Verhältnis von privatem und öffentlichem Raum zu unterteilen. Ein ökologisch wertvolles extensives Gründach bildet durch die Wärmedämmleistung im Winter und als Hitzeschild im Sommer einen Beitrag zur Energieeinsparung und wirkt luftschalldämmend. Das Gründach speichert und verdunstet einen Großteil des Niederschlags. Das nicht zurückgehaltene Regenwasser wird über landschaftliche Mulden in den Waldfächen oberfächig versickert. Der Gebäude-Typus und der Charakter der freiräumlichen Erschließung ermöglichen es in höchstem Maße auf die Bestandsbäume zu reagieren. Die Gebäude stehen selbst als Solitäre in einem nachverdichteten Blätterdach und spielen mit dem landschaftlichen Bezug zu allen Seiten. Der gemeinschaftliche Hof bildet die infrastrukturelle aber auch die soziale Mitte und wird Treffpunkt und Kommunikationsort. Kleinkinderspiel oder freies Kinderspiel sind möglich. Der Hof wird von Individualverkehr freigehalten - Feuerwehr, Anlieferung und Müllabfuhr werden über einen Wendehammer berücksichtigt. Die Versiegelung wird durch großflächiges Rasenfugenpfaster ('Rasenliner') reduziert. Ein Gartenbereich wird jeder EG-Wohneinheiten zugeordnet.

Campus für Bildung, Pflege und neue Arbeitswelten.
Der auf dem Plangebiet etablierte Campus funktioniert in seiner bestehenden Struktur. Ergänzt wird dieser Teil mit einem in der Mitte liegenden Mix aus Gewerbe in den Erdgeschosszonen und Wohn- und Büroeinheiten in den oberen Geschossen. Durch kleine Laden- und Gastronomieeinheiten bedient dieser die umliegenden Wohnbereiche und klärt die städtebaulichen Kanten des Quartiers. Zum Bildungscampus und GeriAtrium werden barrierefreie Gebäudekomplexe komponiert, die mit kleineren Wohneinheiten sowohl jungen als auch älteren Menschen Wohnfächen anbieten und Räume für Co-Working und Begegung bereitstellen. Die Hauptverkehrserschließung umrahmt die neue „Campusmitte“ - Hier soll sich zukünftig die Quartierstiefgarage befinden welche die notwendigen Parkfächen des Gesamtquartiers erfüllt. Die Neue „Quartiersmitte“ wird als grüner, urbaner Platz gestaltet der mit Cafe und Nahversorgung als Treffpunkt für den Campus aber auch für das gesamte städtebauliche Quartier fungiert und so zur Durchmischung der Besucher beiträgt.

Kulturinsel.
Im Norden des Gebiets umgeben den am Quartierseingang liegenden Friedhof gebietsprägende Bestandsgebäude. Diesen sollen durch das Zuordnen neuer Nutzungen reaktiviert werden und so den Quartiersbewohnern zur Verfügung stehen. Die kleine evangelische Kirche wird in privater Hand zum Kulturraum in dem Konzerte und Ausstellungen stattfinden können. Im Zusammenspiel mit dem danebenliegenden Neubau eines Jugendzentrums mit Gemeinbedarfsfächen wird dieser Ort zum neuen Quartiers- und Veranstaltungstreffpunkt. Vorgelagert wird eine Platzfäche als Ort für Freiraumveranstaltungen wie Wochenmarkt, public viewing, Kindertheater, etc. angeboten. Die östlich angelagerten Sportfächen können über das Jugendzentrum beaufsichtigt werden.

Städtebau und Architektur - Wohnen am Feld.
Im östlichen Teil des Quartiers, am weitesten vom Ortskern Dornstadts entfernt, soll ein eher suburbaner Reihenhaus-Bautypus entstehen, der durch seine Nähe zur urbanen „Campusmitte“ profitiert. Mit dem Potenzial des unverbauten Blicks über die Felderlandschaft stellt sich dieser Typ im Gegensatz zur herkömmlichen Reihenhaussiedlung sehr luxuriös dar. Die zukünftigen Bewohner haben die Möglichkeit auf privaten Grundstücken Eigenheime von 140 bis 200 qm BGF zu besitzen. Hiermit differenziert sich das Wohnangebot vom „Wohnen im Wald“ und spricht weitere Nutzergruppe an die zur Durchmischung des Quartiers beitragen. Die den jeweiligen Wohneinheiten zugeordneten privaten Freifächern orientieren sich ruhig nach 'Hinten'. Die parzellenscharf voneinander getrennten Gärten ergeben gemeinsam einen großen grünen Hof mit gärtnerischer Atmosphäre der sich zur Felderlandschaft öffnet. Das Niederschlagswasser wird wie bei den Gebäuden "Wohnen im Wald" über ein extensives Gründach zurückgehalten und oberfächig über eine seichte Mulde im Garten versickert.

Öffentlicher Freiraum.
Einseitige Baumreihen begleiten die zwei Haupterschließungsstraßen und führen durch das grüne Quartier. Neben der fußläufigen inneren nord-süd Erschließung durch die Campus-Mitte wird eine ost-west ausgerichtete Freiraumspange etabliert. Diese verknüpft den neuen Quartierspark mit der „Campusmitte“ und dem Park am Alten Friedhof. Der neue Quartierspark übernimmt bauliche Strukturen, die multifunktionale Rasenfläche und die Solitärgehölze aus dem Bestand und erweitert diese über Aufenthalts- und Spielbereiche zu einem generationsübergreifenden Treffpunkt. Der Park am Alten Friedhof integriert die denkmalgeschützte Anlage in respektvollem Umgang in einen Ruhe- und Kommunikationsort für das Quartier. Das Quartier wird von öffentlichem Freiraum umschlossen. Im Westen führt eine Waldpromenade durch den lichten Schatten und bietet Aufenthaltsmöglichkeiten unter den alten und neuen Bäumen. Waldspielplätze sind Aktivitätsraum für Jung und Alt. Im Osten schließt die Feldpromenade das Quartier ab. Stadtbalkone am Feldrand laden zum Verweilen ein bieten einen Blick über die weite Landschaft. Gemischte Fuß- und Radwege und schnelle Fahrradwege erzeugen kurze, barrierefreie Verbindungen im Quartier.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der konzeptionelle Ansatz ist schlüssig und in angemessene städtebauliche Strukturen umgesetzt.
Zusammen mit den Bestandsbauten entsteht in der Quartiersmitte der sogenannte Campus. Der Bestand wird mit maßstäblichen Gebäuden zunächst ergänzt und in der Mitte urban verdichtet.
Richtigerweise sind dort die gemischten Gewerbe- und Büroflächen untergebracht. Die stadtraumbetonte Struktur der neuen Mitte lässt gute Aufenthaltsqualitäten auf den öffentlichen Flächen erwarten.
Im östlichen Bereich wird eine konventionell entwickelte Reihenhausstruktur angeboten. Hier wäre durchaus mehr Mut zu neuen Wohnformen erwünscht. Die Grundstückszuschnitte sind groß, entsprechend niedrig die bauliche Dichte. Unverständlich erscheint die Straßenführung entlang der angrenzenden Felder im Osten.
Im Westen entwickeln die Verfasser das Thema „Wohnen im Wald“, die im Preisgericht kontrovers diskutiert werden. Der Baumbestand kann bei diesem Ansatz zumindest im Randbereich erhalten werden. In Clustern von jeweils 3-4 fünfeckigen Solitären wird eine landschaftsbezogene Wohnwelt angeboten, die vom Grünraum und Wohnwegen charakterisiert wird. Leider können die angedeuteten Grundrisskonzepte nicht überzeugen. Ein weiterer deutlicher Nachteil dieser Typologie ist der hohe Anteil an nordost-orientierten Wohnungen.
Zum Quartierspark, der den Baumbestand aufgreift und erhält, kann die Solitär-Baustruktur keine angemessene Raumkante aufbauen.
Die Verkehrserschließung erscheint grundsätzlich richtig, bis auf die Straßen an Rändern im Süden und Osten. Allerdings wird die schräge Lage des in Ost-West-Richtung verlaufenden Campusrings kritisiert, der eher einer plangrafischen Idee entspringt.
Auf den ersten Blick wirkt die westliche Wohnungsbauzone stark durchgrünt. Allerdings entstehen rings um die Punkthäuser auch private Freiflächen, die das öffentliche Grün teilweise zu Restflächen schrumpfen lassen.
Der bestehende Park kann nicht einem wünschenswerten städtebaulichen Bezug zu seiner Nachbarschaft finden.
Die Durchwegung zum östlich gelegenen Friedhof kann räumlich nicht überzeugen.
Der wertvolle Baumbestand wird gehalten, im Bereich der Punkthäuser mit Einschränkung.
Die lose Baustruktur im Westen erzielt keinen effektiven Lärmschutz für die Gebietsmitte bzw. gegen die B10. Im Südosten ist das Thema besser gelöst. Aus lärmtechnischer Sicht besteht ein Verbesserungspotenzial.
Der Entwurf lässt sich abschnittsweise entwickeln und realisieren. Positiv hervorzuheben sind die Erweiterungsmöglichkeiten der Heimstiftung, vor allem im Bereich der Geriatrie.
Im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit und die effiziente Nutzung der Flächen liegt der Entwurf im mittleren Bereich.
Der Entwurf arbeitet mit einer schlüssigen Grundkonzeption und schafft mit dem Campusquartier eine angemessene urbane Mitte, zu der die beiden monofunktional strukturierten Wohntypologien keine Verbindung finden.